Überraschend oder unausweichlich?
Der Triumph Donald Trumps im November 2016 hat eine ganze Reihe von Journalisten und Wissenschaftler auf den Plan gerufen, die seither versuchen, das vermeintlich Unbegreifliche zu erklären. Dabei steht eine Frage im Vordergrund: Ist der Populist Trump eine Ausnahmeerscheinung oder hat seine Wahl den Beginn eines politischen Gezeitenwandels in den USA eingeläutet?
„Attack, attack, attack, attack, attack“– mit diesen Worten beschrieb Steve Bannon im Wahlkampf einem Reporter gegenüber den Plan des Trump-Teams, Hillary Clinton in die Knie zu zwingen. Wie es zur Entfaltung dieser Angriffsstrategie kommen und weswegen sie erfolgreich sein konnte, zeichnet der Bloomberg Businessweek-Journalist Joshua Green in „Devil’s Bargain“ nach.
Um Trumps Sieg verstehen zu können, müsse man sich mit der Vita des mittlerweile geschassten Trump-Beraters vertraut machen. Anfang der 1950er Jahre in eine irisch-katholische Arbeiterfamilie geboren, schlug der Schüler einer privaten römisch-katholischen Militärakademie einen ungewöhnlichen Weg ein.
Die Überlegenheit des Christentums und der westlichen Zivilisation wurde Bannon bereits als Heranwachsendem eingeimpft; ebenso, dass das christlich-jüdische Erbe immer stärker unter Beschuss gerate. Einen Beweis sah Bannon, der 1976 in die US Navy eintrat, in der Geiselnahme amerikanischer Botschaftsangehöriger in Teheran 1979. Dieses Ereignis hinterließ bei ihm den Eindruck, dass sich der Westen im Krieg gegen den Islam befinde – ein Eindruck, der sein Weltbild bis heute präge, so Green, der Bannon seit dem Frühjahr 2011 beobachtet und viele Male interviewt hat.
Green zeichnet Bannons weiteren Werdegang vom Abschluss an der Harvard Business School über einen Job bei Goldman Sachs bis hin zu seinem Wechsel nach Hollywood mit großer Detailtreue nach. Die vorerst letzte Station, Hollywood, ist der Ort, an dem Bannon Andrew Breitbart kennen- und schätzen lernte. Nach Angaben des Autors verstanden die beiden sich auf Anhieb; so gut, dass Bannon nach Breitbarts plötzlichem Tod 2012 die Verantwortung für das Nachrichtenportal Breitbart News übernahm.
In dieser Zeit trafen Bannon und Trump, der damals schon auf das Weiße Haus schielte, aufeinander. Der eine ein überzeugter Ideologe, der andere ein erfahrener und gewiefter Geschäftsmann. Trump habe Bannons Weltbild nahtlos übernommen, da er selbst über keine Weltanschauung verfüge. Trumps späterer Chefstratege im Weißen Haus sagte richtig voraus, dass die Republikaner nicht Minderheiten, sondern die Wählerschaft in den Südstaaten ansprechen müssten – eine Wählerschaft, die tief patriotisch, skeptisch gegenüber Immigranten, militaristisch und populistisch eingestellt ist. Dieser Personengruppe passte Bannon, der im August 2016 die Kampagne Trumps übernahm, die Botschaft des republikanischen Kandidaten an. Neben nationalistischen Tönen („Make America Great Again“, eine Formel, die Trump schon im Dezember 2013 als Marke registrieren ließ) punktete das Trump-Lager mit Angriffen auf Hillary Clinton, die seit Beginn der 1990er Jahre ein Feindbild für konservative Kreise war.
Die Kombination aus Bannons Weltbild und dem unbedingten Wunsch der (Erz-)Konservativen, die Demokratin zu bezwingen, erklärt Green zufolge Trumps Wahlsieg. Damit liefert der Autor eine schlüssige Argumentation, die einen tiefen Einblick in Bannons Werdegang erlaubt und darauf verzichtet, andere zu beschuldigen. Nicht Russland, das FBI oder die Globalisierung werden als Erklärung für Trumps Triumph herangezogen – stattdessen wird die strategische Leistung Bannons herausgestellt.
Trump als moderner Volksheld
Die üblichen Verdächtigen dienen auch dem deutschen Film- und Kulturkritiker Georg Seeßlen nicht als Erklärung für Trumps Triumph. „Ein Leben ohne Pop ist genauso wenig vorstellbar wie ein Leben ohne Politik“, schreibt Seeßlen. Das Ineinandergreifen beider Sphären macht der Autor in „Trump – Populismus als Politik“ für den Aufstieg und Wahlsieg des amerikanischen Geschäftsmanns verantwortlich.
Laut Seeßlen orientieren sich die Menschen grundsätzlich an zwei großen gesellschaftlichen Narrativen. Das erste, ein „ökonomisch-politischer Diskurs“, stütze sich auf Informationen und Gesetze, das zweite hingegen, die „populäre Mythologie“, setze der Rationalität und Vernunft der ersten Erzählung Emotionalität entgegen. Beide stünden in Konkurrenz zueinander, zumal es immer schwieriger werde, zwischen beiden zu unterscheiden.
In der ersten Erzählung hat eine Figur wie Trump als Präsident keinen Platz; dass der Tycoon dennoch ins Weiße Haus eingezogen ist, habe dazu geführt, dass die „ökonomisch-politische Rationalität unheilbar erkrankt“ sei. In der zweiten Erzählung hingegen ist ein Unterhalter wie Trump elementarer Bestandteil.
Um dies zu unterstreichen, nimmt Seeßlen den Leser mit auf eine Reise durch die Welt der Popkultur. In dieser ist Trump ein moderner Volksheld, der „gewonnen [hat], nicht obwohl, sondern weil er gegen Vernunft, Moral und Geschmack antrat“. Ebenso eignet sich der 45. US-Präsident als Karikatur einer Westernfigur. Laut Seeßlen ist der Western der Gründungsmythos der amerikanischen Demokratie, in dem es stets darum gehe, „im Dienste einer Gerechtigkeit für den ‚kleinen Mann‘“ zu kämpfen. Treffender könnte Trumps Wahlkampfstrategie kaum beschrieben werden, obwohl offenbleibt, ob Bannon & Co. ihren Kandidaten bewusst als einen Revolverhelden porträtiert haben.
Dass Trump als Selfmademan gilt, ist nicht auf eine bewusste oder unbewusste Wahlkampfentscheidung zurückzuführen, sondern auf einen wesentlichen Teil seiner Biografie. Der Typus des Selfmademan, dem Autor zufolge ein „Archetyp […], der ebenfalls fest in der populären Mythologie verankert ist“, ist Trump wie auf den Leib geschneidert. Schließlich hat der US-Präsident den Großteil seines Lebens genau die Sorte Geschäftsmann verkörpert, die immer höher hinauswill – bis ihm schließlich kein Geschäftsdeal mehr herausfordernd genug erschien und er nach der politischen Macht griff.
Allen diesen popkulturellen Stereotypen ist eines gemein: Sie richten sich gegen das politische und wirtschaftliche Establishment, genauso wie Trumps Wahlkampf. Seeßlen lässt noch weitere Figuren aus der Popkultur auftreten, um sie mit dem US-Präsidenten in Vergleich zu setzen, so etwa den des „Sugardaddy“ oder Al Capone. Diese Vergleiche machen den Mehrwert des Essays aus, da eine solche Erzählung unüblich ist und sich fernab von politischen Erklärungsansätzen bewegt. Was die Gegenüberstellung des Politikneulings mit volkstümlichen Helden besonders reizvoll macht, sind die vielen Filmverweise – ein Genuss für Liebhaber des amerikanischen Kinos.
Um den Bogen zum Beginn seiner zwei Narrative zu schlagen, beendet Seeßlen seine Erzählung mit dem Unkenruf, dass die Gesellschaftsform der Demokratie sich dem Ende zuneige und somit die erste durch die zweite Erzählung dauerhaft abgelöst werde. Der Aufstieg Trumps sei für diese Einschätzung bloß eines von vielen Indizien. Auch wenn man sich dieser düsteren Bewertung nicht anschließen mag, zeigt Seeßlen unterhaltsam und auf vergleichsweise überschaubarem Raum die immer enger werdende Verbindung zwischen Pop(ulismus) und Politik auf.
Dickicht des Beschreibungswusts
Wie es dem Medienmagnaten und Geschäftsmann Trump gelang, ins Oval Office einzuziehen und wie er seitdem nicht nur die USA, sondern die Welt beeinflusst, versucht auch der Journalist Ansgar Graw in „Trump verrückt die Welt. Wie der US-Präsident sein Land und die Geopolitik verändert“ zu erklären. Bei dem Versuch bleibt es bedauerlicherweise. Während der Titel auf eine ausführliche Analyse der bisherigen Trumpschen Präsidentschaft hoffen lässt, hangelt sich der Autor, der jahrelang als Korrespondent für die Welt aus den USA berichtet hat, von einem Themenfeld zum nächsten. Angefangen von Trumps Person, Aufstieg und (angeblicher) Herkunft über „Amerikas Identitätskrise“ bis hin zu Obamas „Political Correctness als Trumps unfreiwilligem Wahlhelfer“ schneidet Graw eine große Bandbreite von Inhalten an, die direkt oder indirekt mit Trump in Zusammenhang stehen sollen.
Ein solches Gestrüpp von Themen, die nicht in der Tiefe analysiert, sondern lediglich oberflächlich beschrieben werden, hat den Vorteil, dass fast jede mögliche Facette amerikanischer Außen- und Innenpolitik angeboten wird. Der große Nachteil an einem solchen Gemischtwarenladen ist der fehlende rote Faden: Nach Beendigung der Lektüre scheint mehr Verwirrung als Klarheit zu herrschen.
Im besten Fall ist das Buch eine Ansammlung von Beschreibungen, die man an anderer Stelle bereits gelesen oder gehört hat. So etwa die fälschliche Behauptung Trumps, Deutschland und andere NATO-Alliierte schuldeten den USA Geld für amerikanische Schutzversprechen und -leistungen. Dass der amerikanische Präsident über kein kohärentes Bild der Europäischen Union verfügt, ist auch keine Neuigkeit. Eine solche Wiedergabe ist zumal dann überflüssig, wenn bereits vielfach besprochene Inhalte nicht mit einem analytischen Rahmen ausgestattet, sondern lediglich auf einer Seite zusammengefasst werden.
Noch irritierender sind Abschnitte und ganze Kapitel, die auf Umwegen den Bogen zum Aufstieg und zur Präsidentschaft Trumps schlagen. So widmet Graw ein Kapitel dem Erbe Andrew Jacksons, dessen populistischer Politikstil häufig mit dem Trumps verglichen wird. Statt in der Tiefe auf die vermeintlichen Schnittmengen zwischen dem siebten und dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten einzugehen, begnügt der Autor sich damit, die Biografie Jacksons kursorisch wiederzugeben und in nur wenigen Sätzen den Bogen zu Trump zu schlagen.
Ebenso wenig aufschlussreich sind die Ausführungen über „Amerikas Wirtschaft: Wer fuhr den Wagen in den Sumpf?“ Das Kapitel springt vom Pariser Klimaschutzabkommen über die Steuerreform bis hin zu einem kurzen Erklärungsversuch, warum Präsident Bill Clinton für die Wirtschaftskrise von 2008 verantwortlich sei.
Ähnlich verwirrend wie der abschnittsweise und zusammenhangslose Erzählstil sind die Vermischung von Beschreibung, Meinung, (Fremd-) Analyse und teilweise fragwürdigen Schlussfolgerungen. So springt Graw an einer Stelle von Trumps „Den-Sumpf-trockenlegen“-Rhetorik über das Erpressungspotenzial enger Mitarbeiter des Präsidenten bis hin zur Kritik, die an milliardenschweren Kabinettsmitgliedern wie Handelsminister Wilbur Ross geübt wurde. Zwar kann man sich den Zusammenhang erschließen, die Schlussfolgerung des Autors trifft den Leser dennoch unverhofft: „Dabei ist es zu begrüßen, wenn Hochvermögende eine aus ihrer Sicht mies bezahlte Position (Minister in Washington verdienen knapp 200 000 Dollar) übernehmen, um der Nation zu dienen.“ Ähnliche Meinungsäußerungen, von denen der Autor offensichtlich meint, dass sie ohne weitere Erklärung auskommen, finden sich vielfach im Dickicht des Beschreibungswusts.
Ob beabsichtigt oder nicht – in gewisser Weise passt Graws Schreibstil fast zu gut zum Sujet seiner Beschreibung: sprunghaft, Breite vor Tiefe und der Wunsch, zu allem etwas sagen zu müssen.
Aylin Matlé promoviert über die Auswirkungen des US-Engagements auf NATO-Europa während der Obama-Administrationen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Internationale Politik 2, März-April 2018, S. 134 - 137