Trumps Geschäfte, Kyjiws Kampf
Während die Ukraine ins vierte Kriegsjahr geht, inszeniert sich Donald Trump als Friedensvermittler – und entpuppt sich dabei als Erfüllungsgehilfe Putins. Es liegt im existenziellen Interesse Europas, die Ukraine jetzt so zu unterstützen, dass sie den „starken Männern“ in Moskau und Washington standhalten kann.
Seit nunmehr drei Jahren widersteht die Ukraine dem russischen Vernichtungskrieg – unter furchtbaren Opfern, aber in ihrer Entschlossenheit ungebrochen, vor dem Aggressor niemals in die Knie zu gehen. Angesichts der Tendenz zur Entsolidarisierung mit dem überfallenen Land, die sich hierzulande breitmacht, kann nicht deutlich genug betont werden, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer mit ihrem Kampf auch das gesamte demokratische Europa und die freie Welt insgesamt gegen die Hegemonialansprüche des russischen Neoimperialismus verteidigen. Kaum jemand im verzagten und ignoranten Westen hatte der Ukraine zu Beginn der russischen Großinvasion am 24. Februar 2022 diese enorme Widerstandskraft und beeindruckende militärische Fähigkeit zugetraut.
Indem die Ukraine diese Stimmen eines Besseren belehrte, hat sie ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte der europäischen Freiheitskämpfe geschrieben. Sie liefert ein leuchtendes Beispiel dafür, welche Energien der unbedingte Wille zu Freiheit und Selbstbestimmung freisetzen kann. Dieser Antrieb war den westlichen Gesellschaften seit dem Ende der Blockkonfrontation zunehmend abhandengekommen. Dementsprechend hielten die führenden westlichen Demokratien ungeachtet aller gegenteiligen Evidenz an der Fehleinschätzung fest, Putin könne durch Diplomatie und „Dialog“ besänftigt und auf den Weg des friedlichen Ausgleichs zurückgeführt werden.
Die chronische Nachgiebigkeit des Westens
Der Westen trägt daher eine erhebliche Mitverantwortung dafür, dass es überhaupt zu dem Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine kommen konnte. Denn es war die chronische Nachgiebigkeit der führenden westlichen Demokratien, die den Aggressor dazu ermutigt hat: 2008 gab es keine nennenswerte Reaktion auf die russische Invasion Georgiens; 2014 folgten auf die Annexion der Krim und den Überfall auf den Donbass nur halbherzige Sanktionen. Die verbrecherische Kriegsführung Russlands gegen die Zivilbevölkerung in Syrien seit 2016, die das vorwegnahm, was Putins Kriegsmaschine heute in der Ukraine anrichtet, blieb gänzlich unbestraft.
In diesem Geist versäumte es der Westen, die Ukraine rechtzeitig so zu bewaffnen, dass sie den Aggressor wirkungsvoll von einem Angriff auf das ganze Land hätte abschrecken können. Mit dem Beginn der Großinvasion vor drei Jahren änderte sich diese Haltung des Westens zwar, und seine Unterstützung durch Waffenlieferungen und finanzielle Hilfen waren und sind für das Überleben der Ukraine essenziell. Doch leistete er diese Unterstützung nur zögerlich, unzureichend und mit widersinnigen Restriktionen – wie der, dass die Ukraine westliche Waffen nicht für Schläge gegen Stellungen des Aggressors auf russischem Territorium einsetzen dürfe. Dieses halbherzige Vorgehen folgte der verfehlten Logik, nach der eine zu harte Gangart gegenüber Russland dieses nur zu noch größeren Gewaltakten „provozieren“ würde. Tatsächlich aber diente es dem russischen Terrorstaat im Gegenteil als Beweis für die Schwäche des Westens und somit als Anreiz, seinen Ausrottungsfeldzug gegen das ukrainische Volk mit gesteigerter Brutalität fortzusetzen.
Die mangelhafte Unterstützung durch den Westen führte dazu, dass die Ukraine ihre erfolgreiche Gegenoffensive Ende 2022 nicht siegreich beenden konnte. In der Folge gelang es Russland, das damals am Rande der Niederlage stand, sich militärisch zu regenerieren und die eigene Schlagkraft massiv zu erhöhen. Seitdem ist die Ukraine immer weiter in die Defensive geraten und kann die Frontlinie in der Ostukraine nur noch mit größter Mühe verteidigen.
Auf dem Weg zurück zu Jalta
Trotz dieses historischen Versagens des Westens ist es den Ukrainerinnen und Ukrainern bis heute gelungen, die Stellung zu halten und Europa damit vor noch Schlimmerem zu bewahren. Doch nun droht ihrer Verteidigungskapazität das Rückgrat gebrochen zu werden – ausgerechnet von ihrem bisher größten Unterstützer und mächtigsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten.
Die weder mit der Ukraine noch mit den atlantischen Verbündeten abgestimmte Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, mit Putin direkt über einen „Frieden“ für die Ukraine zu verhandeln, und die von seinem Verteidigungsminister Pete Hegseth verkündeten Zugeständnisse an Moskau kommen einer vorauseilenden Kapitulation vor den Konditionen des Aggressors gleich. Würde ein entsprechendes Abkommen Wirklichkeit, bedeutete dies die faktische Auslieferung der Ukraine an die Willkür des Kreml, die in ihrer historischen Dimension an das Münchner Abkommen 1938 heranreicht.
Mit der von Hegseth a priori formulierten Feststellung, es sei „unrealistisch“, dass die Ukraine die von Russland seit 2014 geraubten Gebiete zurückgewinnen und der NATO beitreten könne, folgt die Trump-Regierung wesentlichen Vorgaben des Kreml. Sie signalisiert damit ihre Bereitschaft, die gewaltsame Inbesitznahme fremden Territoriums zu belohnen – und dabei die systematischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ignorieren, die Russland in der Ukraine begeht. Auch Hegseths Klarstellung, die USA würden sich nicht mit Truppen an der militärischen Absicherung eines möglichen Friedensabkommens beteiligen, ist ein Triumph für Putin. Dürfte dem Kremlherrscher doch klar sein, dass die Europäer diese Aufgabe nicht allein stemmen können.
Würden die Europäer eine solche „Friedenslösung“ akzeptieren, bedeutete dies das Ende der europäischen Friedensordnung, wenn nicht der liberalen Demokratie in Europa insgesamt. Und mehr noch, mit seinem eigenmächtigen Vorgehen signalisiert Trump, wie er sich die künftige Weltordnung vorstellt: Starke, „geniale“ Führer hegemonialer Großmächte diktieren der Menschheit, was das Beste für sie sei. Auch das ist ganz im Sinne Putins, der eine Art neues Jalta anstrebt. Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 teilten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Europa und die Welt in Einflusszonen auf. Dabei lieferten die Westalliierten ihren Kriegsverbündeten Polen an die Sowjetunion aus.
Doch selbst wenn Trump der Ukraine einen Platz am Verhandlungstisch zubilligen sollte, wird er nicht zögern, ihr mit dem Entzug der Unterstützung zu drohen, um Druck auf das überfallene Land auszuüben. Ähnliches gilt für eine eventuelle Beteiligung der Europäischen Union: Über den Häuptern der Europäer lässt Trump das Damoklesschwert schweben, sie mit der Organisation ihrer Sicherheit allein zu lassen, sollten sie sich weigern, einen ihm genehmen „Deal“ zu akzeptieren.
Trumps Angriffe auf Selenskyj
Schon jetzt übt Trump keineswegs Druck auf Putin, sondern vielmehr auf die Ukraine aus. Gegenüber der New York Post bescheinigte der US-Präsident dem Massenmörder im Kreml unlängst edle pazifistische Regungen: „Er möchte, dass die Menschen nicht mehr sterben. All diese Toten. Junge, wunderschöne Menschen.“ Während Trump Putin hehren Friedenswillen attestiert, schreckt er nicht davor zurück, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg in die Schuhe zu schieben. Selenskyj hätte „nicht zulassen dürfen, dass dies geschieht. Er ist kein Engel“, so Trump in einem Interview mit Fox News, in dem er zwar nicht ausdrücklich sagte, dass Selenskyj im Februar 2022 hätte kapitulieren sollen. Es sei aber unnötig gewesen, sich überhaupt auf den Kampf gegen einen deutlich überlegenen Gegner einzulassen: „Er hätte das nicht tun sollen.“ Denn er, Trump, hätte stattdessen „so einfach einen Deal machen können.“ Selenskyj aber habe das nicht gewollt.
Trump hat diese Angriffe auf Selenskyj jüngst wiederholt und massiv bekräftigt. Wie auch seine Forderung, die Ukraine solle baldmöglichst Präsidentschaftswahlen abhalten. Damit stimmt er in die Propagandalüge Putins ein, nach der Selenskyj als ukrainischer Präsident keine Legitimation mehr besitze und daher nicht berechtigt sei, ein mögliches Friedensabkommen zu unterzeichnen. Dem Narrativ des Kreml folgend unterschlagen Trump und seine Gefolgsleute jedoch, dass die Durchführung von Wahlen laut der ukrainischen Verfassung in Kriegszeiten untersagt ist und die Präsidentschaftswahlen, die eigentlich bereits im Mai vorigen Jahres hätten stattfinden sollen, deshalb ausgesetzt wurden.
Bei so viel Perfidie ist zu befürchten, dass die Trumpisten im Zusammenspiel mit Putin den Sturz Selenskyjs betreiben werden, um ihn durch einen kremlfreundlichen Quisling oder zumindest einen ihnen gefügigeren Präsidenten zu ersetzen, den man dann zur Aushandlung eines schmutzigen „Friedens“ im Sinne Moskaus vorschicken kann. Dass Trump kürzlich sogar darüber räsonierte, ob die Ukraine „eines Tages russisch sein“ werde, lässt ebenfalls nichts Gutes erahnen.
Putins Regime braucht den Krieg
All das zeigt, dass Trump nicht als Friedensvermittler agiert, sondern als Erfüllungsgehilfe Putins. Trump will oder kann nicht erkennen, dass es Russland mit diesem Krieg nicht um ein paar Landgewinne geht – und schon gar nicht um die Wahrung „berechtigter Sicherheitsinteressen“. Dass diese durch die Ukraine und die NATO verletzt würden oder bedroht seien, ist nichts als eine plumpe Propagandalüge des Kreml, mit der er seine Aggression legitimieren will. Wie der US-Politologe Robert Kagan zutreffend festgestellt hat: „Putins Ziel ist nicht eine unabhängige, wenn auch kleinere Ukraine, eine neutrale Ukraine oder gar eine autonome Ukraine innerhalb einer russischen Einflusssphäre. Sein Ziel ist: keine Ukraine. Putin will nicht nur die Beziehungen der Ukraine zum Westen kappen. Sein Ziel ist es, die Idee der Ukraine selbst auszurotten, sie als politische und kulturelle Einheit auszulöschen.“ Kurz gesagt: Russland begeht einen Völkermord.
Selenskyj brachte es in seiner beeindruckenden Rede auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz auf den Punkt: Putin will in Wahrheit keinen Frieden. Im Gegenteil: Putins Regime braucht den Krieg, um seine Existenz zu legitimieren. Entsprechend forciert Moskau die Fortsetzung des Krieges gegen die Ukraine und dessen Ausweitung auf NATO-Staaten. Nach Erkenntnissen des ukrainischen Geheimdiensts wird der Kreml im Sommer Truppen in der Größenordnung von um die 100 000 Mann nach Belarus verlegen und damit die baltischen Staaten und Polen bedrohen. Wann und in welcher Form der Angriff Russlands auch auf Staaten des westlichen Bündnisses erfolgen wird, ist unklar – doch davon, dass er kommen wird, müssen die europäischen Demokratien mit absoluter Sicherheit ausgehen.
Sollte der Kremlherr dennoch einer Waffenruhe oder einem dauerhaften „Einfrieren“ des Krieges zustimmen, dann nur, um den Westen in die Irre zu führen und Zeit für die Vorbereitung weiterer Feldzüge zu gewinnen. Der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erstellte kürzlich eine Liste von sieben Vereinbarungen, die Russland in der jüngeren Vergangenheit gebrochen hat – vom Budapester Memorandum 1994 über die Minsker Abkommen ab 2014 bis zu der Schwarzmeer-Getreide-Initiative von 2022. Die zahllosen „Waffenruhen“, die Russland in Syrien nur zum Schein vereinbart und umgehend gebrochen hat, kommen hinzu.
Putin als strategischer Partner für Trump
Trump aber tut so, als habe Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine bloß irgendeine unüberlegte Dummheit begangen, aus der ihm der wohlwollende US-Präsident nun heraushelfen könne. Das ganze Ausmaß seiner Ignoranz und seiner Unfähigkeit (oder seines Unwillens), auch nur annähernd zu begreifen, worum es bei dem russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine überhaupt geht, wurde bereits vor seinem Telefonat mit Putin deutlich. In einem Post auf seiner Social-Media-Plattform „TruthSocial“ schrieb Trump, man dürfe nicht vergessen, dass „Russland uns geholfen hat, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen“ und dabei „60 Millionen Leben verloren“ habe. Davon, dass die Sowjetunion nicht nur aus Russland bestand, scheint Trump ebenso wenig gehört zu haben wie von der Tatsache, dass die zahlenmäßig weitaus größten Opfer des Zweiten Weltkriegs Belarus und die Ukraine zu beklagen hatten. Außerdem verwechselte er die Gesamtzahl der Toten im Zweiten Weltkrieg, die auf 60 bis 65 Millionen geschätzt wird, mit den Verlusten der Sowjetunion, die sich auf ungefähr 27 Millionen belaufen.
Diese Geschichtsklitterung im Sinne der Kremlideologie verknüpfte Trump in seinem Post obendrein mit der Beteuerung, er „liebe das russische Volk“, wolle „Russland nicht schaden“ und habe immer „ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Putin“ gehabt. Trump überschlägt sich geradezu mit Belobigungen des Jahrhundertverbrechers. In einem Statement zu seinem Telefonat mit Putin schwärmte er davon, wie er sich mit ihm „über die großartige Geschichte unserer Nationen“ und über den „großen Gewinn“ einer künftigen Zusammenarbeit ausgetauscht habe. Man wolle „sehr eng zusammenarbeiten“ – und sich auch gegenseitig besuchen.
Trump lässt damit keinen Zweifel daran, wen er als den für ihn maßgeblichen strategischen Partner betrachtet und dass er sich um das Schicksal der Ukrainerinnen und Ukrainer nicht schert. Nicht ein einziges Mal hat er die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Russland am ukrainischen Volk begangen werden, verurteilt oder auch nur benannt. Stattdessen beklagt er stets allgemein die „Millionen Leben“ die der Krieg auf beiden Seiten koste, ohne zwischen den Opfern des russischen Terrorkriegs und den Verlusten der Truppen des Aggressors zu unterscheiden.
Den „starken Männern“ standhalten
Klar muss sein: Nur das ukrainische Volk hat das Recht, darüber zu entscheiden, welche Bedingungen für eine Beendigung des Krieges es zu akzeptieren bereit ist. Selbstredend ist niemand im Westen dazu befugt, von der Ukraine die Fortsetzung ihres Verteidigungskriegs um jeden Preis zu verlangen. Doch noch weniger hat der Westen das Recht, den Ukrainerinnen und Ukrainern gegen ihren Willen einen „Frieden“ aufzuzwingen, der auf nichts anderes hinausläuft als ihre Auslieferung an die Willkür des russischen Terrorstaats. Und die Europäer haben nicht das Recht, es hinzunehmen, wenn Trump dies tun sollte. Statt auf einen „Deal“ der „starken Männer“ zu warten, müssten die Europäer jetzt ihre gesamten Produktivkräfte mobilisieren, um die Ukraine mit den militärischen Mitteln auszustatten, die ihr nicht nur ermöglichen, dem russischen Aggressor standzuhalten, sondern auch den Überwältigungsversuchen Trumps.
Doch können sich die Europäer tatsächlich zu einer solchen immensen gemeinsamen Anstrengung aufschwingen? Das ist äußerst zweifelhaft. Eher ist zu befürchten, dass die massive Einmischung Trumps und seines Exekutors Elon Musk in die europäischen Angelegenheiten zugunsten rechtsextremer, kremlhöriger Parteien die Spaltung Europas weiter vorantreiben und die Zerfallserscheinungen in der EU verstärken wird. Die Rede von Vizepräsident J.D. Vance in München, die einer Wahlkampfrede für die AfD gleichkam, muss in diesem Kontext betrachtet werden.
Ein „Deal“ zwischen Russland und der Ukraine? Allein schon diese Ausdrucksweise verdreht die Wirklichkeit. Als gehe es hier um ein Geschäft, bei dem sich zwei Partner im gegenseitigen Geben und Nehmen zum beiderseitigen Vorteil in der Mitte zu treffen haben – und nicht um die Verteidigung einer souveränen, demokratischen Nation und damit der freien Welt im Ganzen. Da verwundert es nicht, dass Trump nun auch die existenzielle Not der Ukraine ausnutzen will, um ein lukratives Geschäft zu tätigen: Im Gegenzug für US-Waffenlieferungen und andere Hilfen verlangt er das Recht zum uneingeschränkten Zugriff auf wertvolle Rohstoffe des Landes. Die Konditionen, die er dafür diktieren will, laufen auf die rücksichtslose Ausplünderung der ukrainischen Ressourcen hinaus – in der Art, wie Kolonialmächte einst mit ihren Kolonien umsprangen.
Dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Trump die geradezu verzweifelte Hoffnung gesetzt hatten, er werde ihnen Frieden bringen, hat etwas Tragisches an sich. Denn diese Erwartung eines Wunders aus Washington erwuchs aus der berechtigten tiefen Enttäuschung über die andauernde ängstliche Zurückhaltung und „Besonnenheit“ der Westeuropäer, aber auch der Biden-Administration, gegenüber Russland. Allen voran steht für dieses beschämende Gebaren der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich bis zuletzt hartnäckig geweigert hat, die Ukraine in Zeiten größter Not mit dringend benötigtem Kriegsgerät wie dem Taurus-Marschflugkörper zu versorgen.
So bleibt am Ende paradoxerweise womöglich nur die Hoffnung, dass Trump das ganze Thema einfach fallenlässt, nachdem er sich der amerikanischen Öffentlichkeit mit spektakulären Bildern vom „Friedensgipfel“ mit Putin als Friedensstifter präsentieren kann – ähnlich wie Trump dies in seiner ersten Amtszeit mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un getan hat. Als klar wurde, dass Kim keineswegs die Absicht besaß, seine Atomwaffen aufzugeben und sich dem Westen gegenüber zu öffnen, verlor Trump schlicht das Interesse an seinem neuen Spießgesellen und am Krisenherd Korea insgesamt. Seine spektakulären Verbrüderungsbilder mit dem nordkoreanischen Despoten waren ja schon um die Welt gegangen.
An der Wahrheit festhalten
Niemand sollte daher auf die Prahlerei Trumps hereinfallen, er habe einen fabelhaften Draht zu Putin und könne ihm seine Kriegsgelüste in einem Männergespräch unter „starken Führern“ ausreden. Vielmehr wird Putin die lärmende narzisstische Selbstüberschätzung Trumps auszunutzen wissen, um ihn für seine Zwecke einzuspannen und den Westen weiter zu spalten und zu demoralisieren.
Mit dem ersten Treffen von US-Außenminister Marco Rubio und Putins Kettenhund Sergej Lawrow in Saudi-Arabien ist das dem Kreml bereits gelungen. Lawrow hat dort unmissverständlich deutlich gemacht, dass Russland keinen Zentimeter von seinen Kriegszielen abweichen wird und von „Verhandlungen“ nichts anderes erwartet als die Unterwerfung der Ukraine. Indem die US-Administration dies hinnimmt und Russland zum gleichwertigen „Verhandlungspartner“ aufwertet, gibt sie Moskaus verbrecherischer Politik faktisch die Absolution.
Tatsächlich lassen die Inkompetenz, die Trump und seine Gefolgsleute in ihren wirren und widersprüchlichen Äußerungen über ihren angeblichen „Friedensplan“ zum Ausdruck bringen, den Schluss zu, dass ein solcher gar nicht existiert. Der ganze Budenzauber, den sie darum veranstalten und mit dem sie die Weltöffentlichkeit in Atem halten, nutzt allein dem Kreml, stellt er für ihn doch die ideale Ablenkung von seinen wahren Absichten dar.
Umso entschiedener gilt es, an der Wahrheit festzuhalten: Der Frieden in Europa kann nur durch den Sieg der Ukraine wiederhergestellt und dauerhaft gesichert werden. Dazu muss sich in den europäischen Demokratien endlich die Einsicht durchsetzen, dass ihr eigenes Überleben untrennbar mit der Fortexistenz der freien Ukraine verbunden ist. Und es muss die Regel verinnerlicht werden: Weigert sich eine demokratische Gesellschaft, die Freiheit in ihrer Nachbarschaft konsequent zu verteidigen, zieht dies unweigerlich den Verfall ihrer eigenen freiheitlichen Ordnung nach sich.
Internationale Politik, Online-Veröffentlichung, 19. Februar 2025
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