In 80 Phrasen um die Welt

25. Febr. 2022

„Schluss mit dem 
Säbelrasseln“

Eine kurze - aber eindringliche - Einladung unseres Kolumnisten Jörg Lau, genauer hinzuschauen wer hier mit dem Säbel rasselt, und wie so ein Säbel eigentlich aussieht.

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Bild: Illustration eines Spruckbandes das die Erde umkreist
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Wo immer es um militärisch-strategische Fragen geht, polemisieren deutsche Politiker gegen das „Säbelrasseln“. Es sei gefährlich, steigere die Kriegsgefahr, müsse also schleunigst unterlassen werden. Seit dem jüngsten russischen Aufmarsch an der ukrainischen Grenze ist das wieder oft zu hören.



Um das klarzustellen: Der Vorbehalt gegen militärische Drohgebärden ist nicht per se falsch. Zurückhaltung kann geboten sein, wenn sie in ein Verständnis von militärischer Stärke als notwendigem Mittel der Außenpolitik eingebunden ist. Das ist in Deutschland nicht gegeben. Die Popularität der Säbel-Metapher ist das Symptom einer immer noch allzu schlichten Debatte.



Was da rundheraus verdammt wird, nennen Militärs „Show of Force“. Die Zurschaustellung der eigenen Stärke kann friedlichen Zwecken dienen, als Abschreckung eines Gegners, dem die Geschlossenheit der eigenen Seite und der Preis einer eventuellen Aggression aufgezeigt werden sollen. Sie kann der Diplomatie helfen. In der deutschen Debatte aber verwischt die reflexhafte Polemik gegen das Säbelrasseln die entscheidende Frage: Wer in der jeweiligen Situation eigentlich wen mit welchen Zielen bedroht.



Es fällt auf, dass der Begriff meist im Modus der westlichen Selbstkritik gebraucht wird – etwa gegen Übungen der NATO in ihren östlichen Mitgliedsländern. Vor beinahe sechs Jahren warnte der damalige deutsche Außenminister Steinmeier die NATO, „durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen“. Wer glaube, „mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt“.

Das richtete sich gegen Manöver in Polen und im Baltikum, die nach der russischen Annexion der Krim und angesichts des Krieges im Donbass durchgeführt wurden, um die östlichen Mitgliedsländer rückzuversichern.



Zu Beginn dieses Jahres hat Gerhard Schröder schließlich der Säbelrassel-Kritik eine Wendung ins Absurde gegeben. Er „hoffe sehr, dass man endlich auch das Säbelrasseln in der Ukraine wirklich einstellt“ – dies angesichts von mehr als hunderttausend russischen Soldaten an der Ostgrenze des Landes. Schröder zielte auf die Regierung in Kiew. Die hatte Waffenlieferungen zur Selbstverteidigung von Deutschland gefordert. Diese Forderung stellt Schröder, seit Jahren ein umtriebiger Lobbyist russischer Interessen, als die eigentliche Provokation dar. Die Ukraine vollbringt also – um in Schröders Bild zu bleiben – das Kunststück, mit einem nicht vorhandenen Säbel bedrohlich zu rasseln. (Wenige Tage nach seiner Äußerung wurde bekannt, dass der Altkanzler in den Aufsichtsrat von Gazprom aufsteigen soll.)



Auch die AfD verlangt nun, wie üblich voller Empathie für Putin, vom Westen „Diplomatie statt Säbelrasseln“. Und die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, ergänzt auf Twitter, „5000 Schutzhelme an die Ukraine zu liefern, ist ein fatales Zeichen. (…) Schluss mit diesem Säbelrasseln.“ Das war dann doch zu viel. Wer die alibihafte Lieferung von Schutzausrüstung (von einem ukrainischen Politiker als „absoluter Witz“ bezeichnet) als Säbelrasseln verdammt und dabei von den russischen ­Bataillonen schweigt, macht sich zum Gespött.



Jörg Lau ist Außenpolitischer Koordinator im Ressort Politik der ZEIT und Kolumnist der „80 Phrasen“.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, März/April 2022, S. 15

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