Partnerschaft gegen die Weltordnung
Die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran werden immer enger. Die Länder eint ihr Ziel, die US-Hegemonie zu beenden. Doch es gibt auch Grenzen.
Was ist von jener äußerst heterogenen Gruppe von Staaten und Vereinigungen zu halten, die zusammenarbeitet, um die internationale Ordnung zu untergraben? Einer Gruppe, die äußerst divers ist und neben atomar bewaffneten Großmächten wie China und Russland auch isolierte Regime wie die Assad- und die Kim-Dynastien in Syrien und Nordkorea sowie die Militärjunta in Myanmar umfasst – und die sich in den vergangenen Jahren zu etwas entwickelt hat, das Hanna Notte vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) als die „Achse der Sanktionierten“ bezeichnet: zu einem losen Netzwerk von „Schurkenstaaten“, das eine revisionistische Außenpolitik verfolgt und sich gegenseitig bei seinen revisionistischen Zielen unterstützt.
Anders als ein echtes strategisches Bündnis ist dieses Netzwerk jedoch äußerst träge und basiert auf punktueller taktischer Unterstützung. Mit Ausnahme von China, dessen Verhalten innerhalb der Gruppe von starker Zurückhaltung geprägt ist, werden die Mitgliedstaaten des Bündnisses von Regierungen geführt, die in Kriegen feststecken, mit internationalen Sanktionen und internen Unruhen konfrontiert sind und denen es an finanziellen und militärischen Fähigkeiten mangelt.
Dass sich gerade diese Staaten trotzdem zusammenschließen, ist zum Teil auf ihre Ähnlichkeiten zurückzuführen. Hinter ihrer Koalition stehen gemeinsame geopolitische Vorstellungen und eine geteilte Sorge um den Erhalt ihrer autokratischen Macht. Da die Demokratie heute die einzige legitime Regierungsform ist, versuchen diese Regime, die internationale Ordnung – und so auch die Vorherrschaft demokratischer Staaten – zu untergraben und undemokratische Institutionen zu stärken.
Angesichts der Tatsache, dass die Achse der Sanktionierten weder internationale Trendsetter in ihren Reihen hat noch über ein nennenswertes Maß an Soft Power verfügt, könnte man versucht sein, sie als unwichtig abzutun. Immerhin sind ihre Volkswirtschaften (mit der Ausnahme Chinas natürlich) vergleichsweise klein und stagnieren im Vergleich zu den Volkswirtschaften des Westens. 30 Prozent des weltweiten BIP entfallen noch immer auf die G7-Staaten.
Eine solche Haltung würde allerdings die Tatsache ignorieren, dass dieses Netzwerk größer ist als die Summe seiner Teile. Eine Beobachtung, die sich insbesondere anhand der Beziehungen zwischen Russland und dem Iran belegen lässt, zwei Ländern, die seit fast drei Jahrzehnten militärisch kooperieren und 2022 zu Kriegsparteien im größten Krieg Europas seit dem Zweiten Weltkrieg geworden sind. Ihr Potenzial, die internationalen Beziehungen zu stören, ist groß.
Zusammenarbeit und Misstrauen
Aufgrund seiner größeren Fläche, Bevölkerung und Wirtschaft sieht Russland den Iran als Juniorpartner – wenn nicht gar als Teil seines eigenen Einflussgebiets. Nicht umsonst besetzte Moskau 1941 zusammen mit Großbritannien den Iran und war mitverantwortlich für die iranische Hungersnot 1942/43. Im Iran-Irak-Krieg unterstützte Moskau zwischen 1980 und 1988 zudem zu verschiedenen Zeitpunkten beide Seiten.
Nach 1991 befürchtete Moskau, dass der Iran die revolutionäre Ideologie Ajatollah Khomeinis auch unter den 40 bis 50 Millionen Muslimen verbreiten würde, die zu diesem Zeitpunkt im postsowjetischen Raum lebten, insbesondere in Tschetschenien. Der Iran sah jedoch von diesem Schritt ab und baute stattdessen engere Beziehungen zu Moskau auf, um ein Gegengewicht zu der wachsenden US-Präsenz in seiner Nachbarschaft zu schaffen.
In den 90er Jahren wurde Russland mit einem Anteil von 70 Prozent wichtigster Waffenlieferant des Iran
Das ist auch einer der Gründe dafür, dass Teherans Kritik an Russlands Zerstörung Tschetscheniens im Vergleich zu der anderer muslimischer Mehrheitsländer eher gedämpft ausfiel. In der Folgezeit kam es zu einer verstärkten russisch-iranischen Zusammenarbeit, die sich vor allem dadurch auszeichnete, dass Russland sich Mitte der 1990er Jahre zum wichtigsten Waffenlieferanten des Iran aufschwang. Rund 70 Prozent der iranischen Waffenimporte stammten damals aus Russland. Durch gemeinsame regionale Interessen – wie beispielsweise in den Bürgerkriegen in Afghanistan und Tadschikistan in den 1990er Jahren und im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat im Irak und in Syrien in den 2010er Jahren – wurde diese Partnerschaft dann noch weiter gestärkt.
Seit den 1990er Jahren ist deshalb auch von einer „taktischen Allianz“ zwischen Moskau und Teheran die Rede. Dennoch ist es beiden bislang äußerst schwer gefallen, wirklich strategisch zusammenzuarbeiten oder gar ein echtes formelles Bündnis einzugehen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: So konkurrieren Russland und der Iran auf den Energiemärkten, weil sie über die größten und die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt verfügen. Zudem vertreten sie sowohl in Bezug auf Israel als auch mit Blick auf Saudi-Arabien unterschiedliche Standpunkte. Sie konkurrieren aktiv darum, wer als federführender Partner vom Wiederaufbau Syriens profitiert. Und sie kommen sich regelmäßig auf internationaler Ebene in die Quere. So stellte sich Moskau beispielsweise bei den Verhandlungen um die Umsetzung des iranischen Atomabkommen (bekannt als Joint Comprehensive Plan of Action, kurz JCPOA) gegen Teheran.
Die entscheidende Wende hin zu einer verstärkten Partnerschaft kam 2018 mit dem von US-Präsident Donald Trump verfügten Rückzug der USA aus dem JCPOA. Bis zu diesem Zeitpunkt sprachen sich die gemäßigten Reformer im Iran unter der Führung des damaligen Präsidenten Hassan Rohani für eine Normalisierung der Beziehungen zum Westen aus. Das Scheitern des JCPOA führte jedoch zum Aufstieg der Hardliner – angeführt vom derzeitigen Präsidenten Ebrahim Raisi –, deren Außenpolitik die Prioritäten auf das nichtwestliche Ausland verschob. Dementsprechend gab Teheran seine aufkeimende Partnerschaft mit Europa zugunsten seiner Beziehungen zu China und Russland in den Folgejahren auf und baute seine Kontakte zu Partnern in Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten weiter aus.
Nach Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wurde die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Teheran dann in allen Bereichen ausgeweitet. Angesichts der Aussicht auf einen langen Krieg, noch nie dagewesene Sanktionen und weltweite Isolation begann Moskau, sich noch stärker auf die „Achse der Sanktionierten“ zu stützen. Aufgrund des hohen russischen Bedarfs an Shahed-131- und Shahed-136-Kamikazedrohnen sowie Mohajer-6-Drohnen wurde 2023 in der Sonderwirtschaftszone Alabuga im russischen Tatarstan eine iranische Drohnenfabrik gebaut. Im Gegenzug lieferte Russland Flugzeuge, Radare und Cyber-Überwachungstechnologie in einem noch nie dagewesenen Umfang an den Iran.
Auch wenn die Datenlage aufgrund der Intransparenz und der Geheimhaltung der beiden Regime schlecht ist, so lässt sich doch festhalten, dass der Handel zwischen den beiden Ländern zugenommen hat. Nach Angaben des iranischen Finanzministers ist Russland inzwischen der größte ausländische Investor im Iran – und allein für die Drohnenfabrik in Alabuga zahlte Moskau Berichten zufolge rund eine Milliarde Dollar.
Den russisch-iranischen Beziehungen sind jedoch nach wie vor Grenzen gesetzt, vor allem deshalb, weil das Ausmaß der westlichen Sanktionen gegen Russland auf Teheran abschreckend gewirkt hat. Vor diesem Hintergrund will sich der Iran nicht komplett von Moskau abhängig machen. Außerdem hat Russland mit seinem aggressiven Vordringen auf die asiatischen Energiemärkte den kommerziellen Interessen Irans geschadet. Die Expertinnen Ellie Geranmayeh und Nicole Grajewski bezeichneten in einem Papier des European Council on Foreign Relations (ECFR) die wirtschaftliche Seite der aktuellen russisch-iranischen Beziehungen vor diesem Hintergrund als eine „wirtschaftliche Zwangsehe“.
Jenseits des Antiamerikanismus?
Ein Grund dafür, dass sich beide Staaten in den vergangenen Jahren trotzdem häufig für die Zusammenarbeit entschieden haben, ist ihre sich verändernde Sicherheitspolitik. Ihr Verständnis reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die komplizierte Beziehung zwischen Moskau und Teheran zu verstehen. Dazu müssen vielmehr auch die geopolitischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, die ihre außenpolitischen Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.
Der Khomeinismus ist eine der wichtigsten ideologischen Quellen der heutigen iranischen Außenpolitik. Der Historiker Ervand Abrahamian beschreibt den Khomeinismus als eine flexible Ideologie, die weniger vom Fundamentalismus als vielmehr vom populistischen Politikstil des Gründers der Islamischen Republik geprägt ist, Ajatollah Ruhollah Khomeini. Vor diesem Hintergrund sind die Rechte von Individuen für den Khomeinismus nicht selbstverständlich, sondern basieren auf islamischen Regeln und der Güte des Regelhüters, des Obersten Führers des Landes. Die Unterdrückung von Frauen, LGBTQI+-Personen und Atheisten beruht auf dieser Sichtweise.
Das Ausmaß der westlichen Sanktionen gegen Russland hat auf den Iran abschreckend gewirkt
Zudem ist der Khomeinismus auch revolutionär geprägt und von der Geschichte des antikolonialen Widerstands im Iran beeinflusst. Er fordert Muslime nämlich zum Widerstand gegen diejenigen auf, die sie weltweit daran hindern, den Islam als Grundlage ihrer Rechte anzunehmen. Den amerikanischen Interventionismus und die jahrzehntelange Sanktionspolitik des Westens nutzt der Iran dazu, seinen „antiimperialen“ Kampf zu legitimieren, sowohl im Iran selbst als auch im Nahen Osten.
In diesem Zusammenhang spielt die „Achse des Widerstands“, ein Netzwerk aus iranischen Stellvertretergruppen, die sich von Afghanistan über Syrien, den Libanon und den Gazastreifen bis nach Jemen erstrecken, eine zentrale Rolle in der iranischen Außenpolitik. Dieses Netzwerk, das gemeinsam vom Iran und von der im Südlibanon beheimateten Hisbollah betrieben wird, soll Widerstand gegen die Herrschaft der Nichtmuslime und jener Muslime leisten, die angeblich gemeinsame Sache mit dem Westen machen. So soll der regionale Machtanspruch Teherans untermauert werden.
Anders als der Khomeinismus der Hardliner im Iran oder der Kommunismus der Sowjetunion ist die russische Politik heute nicht von einer ganzheitlichen Ideologie geprägt. Vielmehr vermischen sich in Putins politisch reaktionärer Ideologie erzkonservative Standpunkte mit einer eigenwilligen Vorstellung von Multipolarität und regionaler Hegemonie.
Als außenpolitisches Schlüsselkonzept wurde die Multipolarität schon in den späten 1990er Jahren von Russland propagiert. Seitdem hat die russische Regierung ihr Verständnis dieses Konzepts jedoch laufend angepasst. Heute gilt Multipolarität als ein Konstrukt, das den vom Westen vertretenen universellen Werten ein regionalspezifisches kulturelles Verständnis von Rechten gegenüberstellt, das durch Religion, Sprache und Staatlichkeit bestimmt wird. Die Unterdrückung der Zivilgesellschaft, die Verfolgung von LGBTQI+-Personen und die Nähe von Kirche und Staat sind allesamt Ausdruck dieses Rechtsverständnisses des Kremls.
In der Außenpolitik verleiht diese Vorstellung von Multipolarität Russland in seiner Eigenwahrnehmung eine fast messianische Rolle als einzige Großmacht, die in der Lage ist, die Entstehung einer multipolaren Welt gegen den kollektiven Westen herbeizuführen. Letzterer will aus russischer Perspektive mithilfe der Hegemonie des US-Dollars, bewaffnetem Interventionismus und Sanktionen unbedingt an der unipolaren, von Washington dominierten Weltordnung festhalten. Aus dieser Haltung resultiert auch, dass Russland sich dazu berufen fühlt, die Herrschaft über „seine“ eurasische Nachbarschaft zu erlangen.
Aus Pragmatismus und einem gemeinsamen Antiamerikanismus heraus hat sich der Iran dazu entschieden, diesem Russland im Sinne der eigenen Staatsräson zu begegnen und die revolutionären Tendenzen seiner Außenpolitik in seinen Beziehungen zu Moskau und Zentralasien beiseitezulegen. Immerhin eint die beiden Staaten der bedingungslose Konservatismus ihrer Regierungen, auch wenn der eine orthodox und der andere schiitisch-muslimisch geprägt ist.
Trotzdem bleiben die Differenzen zwischen Teheran und Moskau selbstverständlich bestehen. Immerhin ist die messianische Multipolarität Russlands im Grunde antirevolutionär. Denn Moskaus angestrebte regionale Hegemonie würde nicht auf islamischen Regeln beruhen, sondern auf den Vorstellungen von der „russischen Welt“ und der kulturellen Hegemonie Russlands. Vor diesem Hintergrund ist Irans pragmatische Haltung gegenüber Russland keineswegs in Stein gemeißelt, ebenso wenig wie Moskaus derzeitige freundschaftliche Annäherung an Teheran.
Eine sich festigende Partnerschaft
Aus russischer Sicht ist der Iran ein eurasisches Land und damit ein Juniorpartner, der in der rechtmäßigen Einflusszone Moskaus liegt. Das haben auch gemäßigte Politiker im Iran erkannt: Sie werfen Moskau vor, den Iran als Puppe in seinen geopolitischen Machtspielen zu benutzen. Alles in allem findet sich die iranische Regierung mit dieser Haltung jedoch gerne ab, eröffnet ihr die russische Konzentration auf die Ukraine doch neue Spielräume in Zentralasien. Gerade weil sich die Interessen Russlands und des Iran hier gut ergänzen, ist davon auszugehen, dass sich die Partnerschaft der beiden Staaten weiter festigen wird.
Beide Staaten eint ein bedingungsloser Konservatismus, auch wenn der eine orthodox und der andere schiitisch geprägt ist
Die Beziehungen zwischen dem Iran und Russland werden von vielen Faktoren beeinflusst, von der sich überschneidenden Außenpolitik der beiden Länder ebenso wie von den geopolitischen Rahmenbedingungen. Zudem hat die Tatsache, dass der Iran versucht, ein Bollwerk gegen amerikanischen Einfluss aufzubauen, die Partnerschaft mit Moskau begünstigt. Doch auch die Grenzen der iranisch-russischen Freundschaft sind vielfältig: Das Erbe der russischen Hegemonie, der Wettbewerb um den Energiemarkt und der Einfluss beider Länder in Zentralasien können nicht nur einen, sondern auch spalten.
Doch wie sollte der Westen auf diese Partnerschaft reagieren? Und wie kann er anderen Staaten gegenübertreten, die ebenfalls eine revisionistische Außenpolitik verfolgen? Die Versuchung für den Westen besteht hier darin, „Feuer mit Feuer zu bekämpfen“, also eine Außenpolitik zu betreiben, die die zivilisatorische Rhetorik Russlands nachahmt. Dies wäre jedoch eine selbstzerstörerische Idee, die jede potenzielle Koalition mit Ländern, die sich nicht als westlich bezeichnen, unterminieren würde. Ebenso wäre es vor diesem Hintergrund falsch, die Unzufriedenheit einiger Länder mit der internationalen Ordnung mit der antikolonialen Rhetorik des Iran gleichzusetzen. Denn Unzufriedenheit kann zu Reformen führen, die die Weltordnung stärken, anstatt sie zu untergraben.
Die mutige Antwort besteht deshalb darin, das bestehende internationale System zu stärken: durch aktive Diplomatie, durch Investitionen und durch das Festhalten an den Werten der UN-Charta. Immerhin zeigt gerade das Streben des Iran und Russlands nach globalem Einfluss, dass die Vernachlässigung dieses Systems Konsequenzen hat – und dass es nicht ausreichen wird, einfach nur die „richtige Botschaft“ zu finden, um den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass der Iran und Russland sanktioniert werden müssen.
Aus dem Englischen von Kai Schnier
Internationale Politik 1, Januar/Februar 2024, S. 38-43
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