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03. Nov. 2017

Kleines Wirtschaftslexikon USA

Autoindustrie

Bildung

Gesundheitssystem

Innovation

Medien

Protektionismus

Silicon Valley

Stadt versus Land

Waffenindustrie

Zuwanderung

Autoindustrie

Die Kritik ist wohlbekannt: In regelmäßigen Abständen beschwert sich US-Präsident Donald Trump darüber, dass Länder wie Deutschland und China zu viele Waren in die USA exportierten und so die dortige Wirtschaft zugrunde richteten. Eines seiner Lieblingsziele bei dieser Kritik: die deutsche Autoindustrie. So drohte er im Januar vor seinem Amtsantritt dem Autobauer BMW: „Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.“ Und er beschwerte sich, dass in den USA vor jedem Haus ein Mercedes-Benz stehe, aber so gut wie nirgends in Deutschland ein Chevrolet. Schaut man auf die Wählerschaft Trumps, dann verwundern diese Angriffe nicht. Zu seinen Unterstützern zählen insbesondere die Wähler im so genannten Rust-Belt des Mittleren Westens, also in Staaten wie Ohio, Indiana und Michigan – einstmals das stolze Zentrum der amerikanischen Autoindustrie.

Diese Zeiten sind lange vorbei: In den vergangenen Jahrzehnten hat die Branche Hunderttausende Mitarbeiter entlassen, viele Fabriken sind längst stillgelegt. Doch Trumps Verdacht, dass deutsche Autobauer mit ihren Produkten den amerikanischen Markt überschwemmen, ist so populär wie falsch. Dem deutschen Branchenexperten Ferdinand Dudenhöfer zufolge haben deutsche Anbieter in den USA in den ersten vier Monaten dieses Jahres einen Marktanteil von 7,3 Prozent mit Pkws und leichten Nutzfahrzeugen erreicht. Dagegen seien US-Konzerne in Deutschland von Januar bis April auf einen Marktanteil von 18,8 Prozent gekommen. Und dass man in Deutschland so gut wie keine Chevrolets sieht, hat durchaus seine Gründe: General Motors hat schon 2013 den Rückzug von Chevrolet aus Europa beschlossen. Statt im Ausland liegen die Ursachen für die Probleme der US-Autobauer vielmehr im eigenen Markt, wie ein kurzer Rückblick zeigt.

Der Aufstieg der Branche begann mit Henry Ford. 1903 gründete Ford mit einem Kapital von 28 000 Dollar in Detroit die Ford Motor Company. In den folgenden Jahren siedelten sich in der Region zahlreiche weitere Autobauer und Zulieferer an, darunter ab 1908 General Motors. Diese Dynamik machte Detroit – auch bekannt als „Motor City“ – zur Hochburg der amerikanischen Automobilindustrie. Anfangs wurden in Fords Fabrik nur Einzelstücke gefertigt, doch als der Unternehmer 1913 das Fließband einführte, schaffte die junge Industrie den Durchbruch zur Massenproduktion. 1914 machte Ford 30 Millionen Dollar Gewinn; im Jahr 1916 waren es bereits 60 Millionen Dollar. Weil Henry Ford seine Autos deutlich günstiger anbieten konnte als die Konkurrenz, war 1925 jedes zweite Auto auf der Welt ein „Model T“. Sein klarer Vorsatz: „Ich möchte ein Auto für die ganze Gesellschaft bauen.“
Doch auch Konkurrent General Motors, kurz GM, ruhte nicht. Unter anderem durch zahlreiche Übernahmen von Marken wie Cadillac, Pontiac und Chevrolet wurde GM 1931 der größte Autobauer der Welt und hielt diese Position 77 Jahre lang bis 2008. Detroit, wo auch GM seinen Hauptsitz hat, wurde bekannt als Symbol für den wirtschaftlichen Aufstieg der Großstädte; prachtvolle Gebäude und eine lebhafte Kulturszene entstanden. Der Traum vom „Aufstieg für alle“ schien greifbarer denn je.

Nachdem im Zweiten Weltkrieg viele Werke ihre Produktion auf Rüstungsgüter umstellen mussten, folgte nach Kriegsende ein weiterer Aufschwung. Die Zahl der gebauten Autos stieg zwischen 1945 und 1955 um mehr als das Zwölffache – auf über neun Millionen Stück pro Jahr. Ende der 1950er Jahre folgte eine Rezession; kurz danach traten die ersten ausländischen Konkurrenten auf den Markt.
In den 70er Jahren kamen japanische Hersteller mit Autos, die deutlich kleiner und sparsamer waren als die amerikanischen Modelle. Für die US-Hersteller hatte das fatale Folgen, wie das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel im Juli 1980 schrieb: „In Detroit stehen leere Fabrikhallen dutzendweise zum Verkauf, über 300 000 amerikanische Autoarbeiter sind ohne Job, der drittgrößte Autokonzern des Landes, Chrysler, laviert am Rande des Bankrotts, und die Regierung in Washington muss der siechen Branche bereits eine Hilfe von einer Milliarde Dollar versprechen.“

Allein GM, inzwischen größter Arbeitgeber der USA, machte einen Verlust von rund 750 Millionen Dollar. Das Problem: Die US-Industrie hatte die asiatische Konkurrenz unterschätzt und weiterhin auf große Geländewagen mit hohem Spritverbrauch gesetzt. Das funktionierte so lange, bis in den USA die Spritpreise stiegen und die Benzinschlucker für viele Autofahrer unbezahlbar wurden. Über Jahre hinweg ging es für die Branche bergab. Als 2007/2008 dann noch die globale Finanzkrise ausbrach, fiel der Automobilabsatz in den USA auf ein 25-Jahres-Tief. General Motors und Chrysler waren auf staatliche Hilfe angewiesen.
Danach begann für die Hersteller eine Phase der Erholung; acht gute Jahre feierten die Autobauer. 2016 stiegen die Absatzzahlen auf rekordverdächtige 17,55 Millionen Fahrzeuge. Viele Amerikaner hatten in der Finanzkrise den Autokauf aufgeschoben und schlugen nun zu. Dazu kamen niedrigere Spritpreise und die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Inzwischen hat die Krise die Hersteller wieder eingeholt. Schon seit Januar gehen die Absatzzahlen wieder zurück, Monat für Monat. Im April lag das Minus bei insgesamt 4,7 Prozent. Die drei Platzhirsche der Branche – General Motors, Ford und Fiat-Chrysler – haben dem wenig entgegenzusetzen, ihre grundlegenden Probleme bleiben ungelöst. Noch immer liegt ihre Stärke vor allem bei großen Mittelklassewagen und SUVs; bei neuen Antriebssystemen und digitaler Innovation hinken sie dagegen hinterher. Die Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge wird durch Firmen wie Google und Uber vorangetrieben, die Elektromobilität von Elon Musk mit Tesla. Wem dabei mehr zugetraut wird, zeigt sich an der Börse: Tesla hat General Motors und Ford beim Börsenwert inzwischen abgehängt.

Weitere Probleme kommen hinzu. So beobachten Branchenexperten, dass die Zahl der Autokredite stark gewachsen ist. Mittlerweile summieren sich die Kredite auf die unvorstellbare Summe von 1,11 Billionen Dollar, von denen zumindest ein Teil als stark ausfallgefährdet gilt. Der amerikanische Markt scheint nahezu gesättigt: Selbst durch kräftige Preisnachlässe waren viele US-Konsumenten in den vergangenen Monaten nicht mehr zum Kauf von Neuwagen zu bewegen.

Die Branche reagiert und versucht, sich gesund zu schrumpfen. Wie die New York Times berichtet, haben die Hersteller seit Jahresbeginn Tausende Stellen abgebaut. Demnach arbeiteten in amerikanischen Autofabriken im April noch rund 206 000 Angestellte – 5000 weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Autobauer Ford will zudem 1400 Stellen in Verwaltung und Vertrieb in Nordamerika und Asien streichen; Konkurrent General Motors plant den Abbau von 3300 Arbeitsplätzen in den USA. Donald Trump dürften diese Nachrichten nicht gefallen, und noch weniger seinen Wählern. Sein großes Versprechen – für neue Jobs in der Branche zu sorgen – scheint ihr Wunschkandidat nicht halten zu können.

Bildung

Die USA sind ein Land mit wilder Natur und zahlreichen Nationalparks. Dass Grizzlybären in Schulen eindringen, gehört allerdings auch hier nicht zum Alltag. Kein Wunder also, dass sich Betsy DeVos einige Lacher zuzog, als sie bei ihrer Anhörung vor dem Senat auf die Frage, ob Kinder künftig in der Schule Waffen tragen sollten, antwortete: Sie könne sich gut vorstellen, dass Gewehre erforderlich sein könnten, um Kinder vor Bären zu schützen. Der YouTube-Hit war ihr damit sicher.

Der politische Widerstand dagegen, dass die Milliardärin und Wunschkandidatin Donald Trumps  ihr Amt als Bildungsministerin antreten konnte, war im Vorfeld groß. Sogar Vizepräsident Mike Pence musste im Senat eingreifen: Mit seiner Stimme durchbrach er einen politischen Patt, der zustande kam, weil selbst zwei Republikanerinnen Betsy DeVos die Zustimmung verweigerten. Einen solchen Eingriff hatte es zuvor noch nie gegeben. Da half es auch nichts, dass  DeVos und ihre Familie in den vergangenen Jahren mehr als 200 Millionen Dollar an die Republikaner gespendet haben sollen – auch an 22 der 50 Senatoren, die nach der Anhörung für die umstrittene Kandidatin stimmten.
Privatisierung, so wenig staatliche Kontrolle wie möglich und religiöse Erziehung: Auf diese drei Prinzipien will die Ministerin bei ihrer Bildungsreform vornehmlich setzen. Dabei liegen der 59-Jährigen aus streng religiöser Familie vor allem die so genannten Charter-Schulen am Herzen. Das sind Schulen, die Geld vom Staat bekommen, über dieses Geld aber nahezu frei verfügen können. Betrieben werden sie teils von Unternehmen, teils von Hochschulen oder kirchlichen Einrichtungen. Der Staat hat wenig Einfluss darauf, wer an diesen Schulen unterrichtet oder was dort gelehrt wird. Kritiker halten die Verbreitung dieser Schulen für eine eklatante Fehlentwicklung: So würden den öffentlichen Schulen dringend benötigte Gelder entzogen. Denn sowohl die staatlichen Schulen als auch die Charter-Schulen bekommen pro Schüler einen bestimmten Betrag aus Steuermitteln.

Schon heute ist das amerikanische Bildungssystem tief gespalten. Wer es sich leisten kann, schickt sein Kind auf eine teure Privatschule. Die öffentlichen Schulen dagegen gelten als unterfinanziert; marode Schulgebäude und fehlende Materialien sind keine Seltenheit. In Michigan, DeVos-Heimatwahlkreis, lässt sich bereits heute beobachten, dass sich die Lage durch die Charter-Schulen kaum verbessern dürfte. So lagen Michigans Viertklässler im Jahr 2003 im Vergleich zu den anderen US-Bundesstaaten beim Lesen auf Platz 28 und beim Rechnen auf Platz 27. Seitdem dort zahlreiche Charter-Schulen eröffnet haben, rutschten die Kinder bis 2015 auf Platz 43 beim Lesen und Platz 42 beim Rechnen ab. Und bei einem Leistungsvergleich aller Schulen des Bundesstaats gehörten 38 Prozent der Charter-Schulen zu den Schlusslichtern.

Nichtsdestotrotz setzt Betsy DeVos weiter auf den Ausbau des Charter-Schulen-Netzes – und daneben auf die Einführung von so genannten Bildungsgutscheinen. Mithilfe dieser staatlichen Schecks sollen Eltern eine Schule ihrer Wahl bezahlen können. Bisher weisen in den USA die Schulbehörden den Kindern eine öffentliche Schule in ihrer Nachbarschaft zu. Familien können diese Zuweisung nur umgehen, wenn sie darlegen, dass etwa eine Charter-Schule in der Nähe als sicherer oder besser gilt.

Viele Eltern fühlen sich durch diese Regeln eingeschränkt. Eine komplette Wahlfreiheit im Bildungssystem allerdings, wie von Betsy DeVos gefordert, könnte sich verhängnisvoll auswirken, warnen Kritiker. Nicht nur, weil der Staat völlig die Kontrolle darüber verlieren könnte, was der Nachwuchs lernt oder nicht. Die staatlichen Gutscheine dürften auch kaum für die hohen Privatschulgebühren reichen. Die Ungleichheit im Bildungssystem würde nicht vermindert, sondern mit sinkender Qualität der öffentlichen Schulen zementiert.

Welche Folgen weniger Staat und mehr Markt im Bildungswesen haben können, lässt sich in der Hochschullandschaft beobachten. Für Elite-Universitäten wie Harvard zahlt man mehr als 35 000 Euro an Studiengebühren – pro Jahr. Und anders als in Deutschland sind in den USA selbst an öffentlichen Universitäten hohe Studiengebühren üblich. Auch dort zahlt man nach Angaben der gemeinnützigen Prüfungskommission College Board im Schnitt rund 8000 Euro jährlich. Für viele Amerikaner sind die Studiengebühren inzwischen so hoch, dass sie jahrzehntelang unter der Rückzahlung ihrer Studienkredite leiden – wenn sie sich ein Studium überhaupt leisten können. Absolventen haben im Schnitt rund 31 000 Euro Schulden.

Dass das nicht gerecht ist, hat sich inzwischen auch in den USA herumgesprochen. So plädierte Trumps Vorgänger Barack Obama 2015 dafür, die Studiengebühren an den Community Colleges abzuschaffen. Diese Colleges sind kommunale Institutionen, die eine Art zweijährige akademische Vorstufe zum Bachelor anbieten. Wer dort ein so genanntes Associate Degree erwirbt, kann an ein anderes College wechseln und in zwei weiteren Jahren seinen Bachelor machen. Viele Republikaner lehnen Obamas Idee einer Gratisbildung ab. Einige Bundesstaaten haben allerdings schon gehandelt. Tennessee, Oregon und die Stadt San Francisco etwa haben die Gebühren an Community Colleges abgeschafft; New York will nachziehen: Dort sollen von diesem Herbst an alle Studenten an den staatlichen Hochschulen gebührenfrei studieren können – bis zum Bachelorabschluss.

Gesundheitssystem

Wie lässt sich die notorisch schlechte medizinische Versorgung der Amerikaner nachhaltig verbessern? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Gesundheitsreform Barack Obamas – abschließend gelöst wurde sie dadurch nicht. Heute sind sich fast alle Kommentatoren darin einig, dass Obamacare hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Obamas Nachfolger Donald Trump warb schon im Wahlkampf damit, Obamacare abzuschaffen und durch eine eigene Reform namens Trumpcare zu ersetzen.

Kern der Obamaschen Reformen war der so genannte „Patient Protection and Affordable Care Act“, der jedem US-Bürger Zugang zu bezahlbarer medizinischer Versorgung gewähren sollte. Dazu wurden Versicherungsbörsen eingerichtet, über die Krankenkassen Versicherungspakete anbieten, von denen sich die Bürger eines aussuchen müssen. Wer nicht mitmacht, zahlt eine Strafgebühr. Menschen mit niedrigem Einkommen erhalten staatliche Zuschüsse.
Zwar haben mittlerweile rund zwölf Millionen US-Bürger eine neue Versicherung abgeschlossen. Ursprünglich aber wollte Obama bis zu 60 Millionen nicht versicherte Amerikaner erreichen. Gerade jüngere und gesunde Arbeitnehmer zahlen oft lieber das recht moderate Bußgeld von im Schnitt knapp 1000 Dollar pro Jahr – auch, weil die durch Obamacare angebotenen Versicherungspakete teils als rudimentär gelten. Zurück bleiben im System die Alten und Kranken.
Die Folge: Gleich mehrere Versicherer haben sich inzwischen aus Obamacare zurückgezogen, weil sie damit Verluste erwirtschafteten. Das führt dazu, dass Bürger in vielen Regionen nur noch einen oder zwei Anbieter zur Auswahl haben und damit noch weniger Anreize, sich versichern zu lassen. Mit der Einführung von Obamacare wurde zudem die staatliche Krankenversicherung Medicaid ausgeweitet, die zuvor nur für Härtefälle zuständig war. Das mindert für Arbeitnehmer ebenfalls den Anreiz, sich privat abzusichern, und ist für den Staat ein Zuschussprojekt: Rund 80 Prozent der elf Millionen Versicherten erhalten staatliche Zuschüsse.

Dass sich etwas ändern muss, ist offensichtlich. Ebenso deutlich scheint aber inzwischen, dass Trump keine bessere Alternative bietet. Kern von Trumpcare ist die Abschaffung der allgemeinen Versicherungspflicht. Statt Strafsteuern für Nichtversicherte soll es Steuergutschriften beim Abschluss einer Versicherung geben. Zudem sollen die direkten staatlichen Zuschüsse für Medicaid gekürzt werden. Diese Schritte würden den Staatshaushalt entlasten, laut dem unabhängigen Haushaltsbüro des Kongresses gleichzeitig aber dazu führen, dass 22 Millionen Menschen aus dem Versicherungsschutz herausfallen.

Inzwischen gilt es als unwahrscheinlich, dass Trumpcare je in Kraft treten wird. Überraschen dürfte das wohl am meisten Trump selbst, der im Frühjahr sagte: „Niemand wusste, dass die Krankenversicherung so kompliziert sein könne.“

Innovation

Ein einsamer Tüftler, der aus seiner Garage heraus die Welt verändert: Längst ist die Geschichte des Apple-Gründers Steve Jobs zum Symbol für modernes Unternehmertum in den USA geworden.
Überhaupt haben die USA in den vergangenen Jahrzehnten weltweit eindeutig die Vorherrschaft übernommen, wenn es um neue digitale Dienste und Geschäftsmodelle geht. So hat die Unternehmensberatung Boston Consulting Group Anfang des Jahres 1500 Manager auf der ganzen Welt befragt und festgestellt: Acht der zehn innovativsten Firmen der Welt werden in den USA verortet. Neben Apple stehen Alphabet und Tesla an der Spitze.
Bei der Zahl der Patentanmeldungen liegt die Software-Schmiede IBM klar vorn: Der Konzern hat im vergangenen Jahr insgesamt 8088 Patente eingereicht – ein neuer Rekord. Im Durchschnitt hat IBM damit mehr als 22 Patente pro Tag eingereicht, vor allem zu künstlicher Intelligenz und IT-Sicherheit.

Auch in der Forschung liegen die USA weltweit vorn. Im aktuellen Reuters Top 100-Ranking der besten Universitäten stehen Stanford, das Massachusetts Institute of Technology und die Harvard-Universität ganz oben. Führend sind die USA nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, bei Biotech und IT, sondern auch bei der medizinischen Forschung. So hat die US-Arzneimittelbehörde FDA im September die weltweit erste Therapie mit genmanipulierten Körperzellen zugelassen, unter anderem zur Behandlung von Krebs.

All dieser Erfolge zum Trotz gab es allerdings schon bessere Zeiten für Amerikas Forschungslandschaft: „Innovation wird schwieriger und das Wachstum verlangsamt sich“, erklärten die Wissenschaftler Ufuk Akcigit, John Grigsby und Tom Nicholas kürzlich in der Harvard Business Review. Und Daten der National Science Foundation zeigen, dass der Anteil am BIP, der für Forschung aufgewendet wird, seit Ende der 1980er Jahre deutlich zurückgegangen ist.
Unter Donald Trump könnte sich diese Situation noch verschärfen. Zwar hat der Präsident im Frühjahr eine so genannte Innovationsbehörde gegründet, die staatliche Prozesse effizienter machen soll. Sonst aber tut Trump wenig, um die Innovationskraft seines Landes zu fördern – im Gegenteil. Das zeigt der Haushaltsentwurf für 2018, den der Präsident im März vorgelegt hat. Die Information Technology and Innovation Foundation, ein renommierter amerikanischer Think Tank, hat ausgerechnet, was Trumps Pläne konkret bedeuten würden: eine Verringerung der nichtmilitärischen Forschungs- und Entwicklungsausgaben um fast 10 Prozent. Wichtige Bildungsprogramme müssten teils ganz gestrichen werden. Fazit: „Der Budgetvorschlag der Regierung würde Amerikas langfristige Wachstumsperspektiven verschlechtern, da Investitionen verringert würden, die für die Innovationsfähigkeit des Landes und die Wettbewerbsfähigkeit der strategisch wichtigsten Industrien unabdingbar sind.“

Eigentlich sollten die Mittel sogar schon für 2017 gekürzt werden. Das aber konnte Trump nicht durchsetzen: Die Ausgaben etwa für die National Science Foundation – das amerikanische Pendant zur Deutschen Forschungsgemeinschaft – wurden letztlich sogar erhöht. Auch die Universitäten könnten von Trumps Plänen getroffen werden. Zwar bekommen gerade die Elitehochschulen des Landes zahlreiche private Spenden. Dennoch spielt auch die staatliche Förderung eine große Rolle, wie Forbes-Autorin Caroline Simon schreibt. Demnach hat allein die Pennsylvania State University in diesem Jahr fast 30 Millionen Dollar vom National Institute of Health bekommen, dessen Gelder nun um 22 Prozent gekürzt werden sollen. Und die für ihre medizinische Forschung renommierte Johns-Hopkins- Universität bekam sogar 275 Millionen Dollar zugewiesen.

„Potenzielle Einschnitte bedeuten, dass Hochschulen und Universitäten biomedizinische und öffentliche Gesundheitsforschung sowie Entwicklungen in Kernthemen wie Krebs, Herzerkrankungen oder physische Krankheiten kaum noch finanzieren könnten“, schreibt Simon weiter. Nicht nur die Forschung könnte leiden. In der Wirtschaft sind die negativen Folgen bereits jetzt zu spüren. So droht Trumps restriktive Einwanderungspolitik, den Fachkräftemangel gerade in der IT-Branche zu verschärfen.

Die USA verfügen über eine historisch gewachsene Struktur aus Top-Universitäten und eine starke Unternehmerlandschaft – daran wird sich so schnell nichts ändern. Zumindest aber dürfte es in den kommenden Jahren schwieriger werden, dieses historische Erbe zu pflegen.

Medien

Wer nach Beispielen für das zerrüttete Verhältnis zwischen Donald Trump und Teilen der US-Medienlandschaft sucht, wird schnell fündig. Da wäre etwa sein Tweet über die Morningshow-Moderatorin Mika Brzezinski vom Fernsehsender MSNBC. „Dumm wie ein Stein“ sei die Journalistin, twitterte der Präsident Anfang Juli. Und dass Brzezinski, als sie ihn einmal habe besuchen wollen, wegen einer Gesichtsoperation „stark geblutet“ habe. Nur einen Tag später teilte Trump ein Video, das einer seiner Unterstützer zusammengeschnitten hatte: Trump prügelt darin am Rande eines Wrestlingrings auf einen Mann ein, dessen Gesicht durch das Logo des US-Fernsehsenders CNN ersetzt ist.
Die Tweets sorgten weltweit für Empörung und stellten einen traurigen Tiefpunkt eines monatelangen Teufelskreises aus präsidialer Provokation und medialer Aufregung dar. Dabei ist das Verhältnis zwischen Trump und den von ihm als „Fake News“ verunglimpften Massenmedien durchaus ambivalent: Einerseits hegt man eine tiefe Abneigung gegeneinander; andererseits vergeht kaum ein Tag, an dem nicht darüber berichtet wird, was Trump sagt, tut oder twittert. Und obwohl Trump beständig auf die Medien schimpft, hat der frühere Fernsehstar fast sein gesamtes Leben lang nach öffentlicher Aufmerksamkeit gestrebt.

Schon im Wahlkampf hatte Trump Journalisten als die „niedrigste Form des Daseins“ bezeichnet; seine Anhänger trugen T-Shirts mit den Worten „Seil. Baum. Journalist“. Spätestens nachdem der Sender NBC kurz vor der zweiten Fernsehdebatte der Präsidentschaftskandidaten ein Video mit sexistischen Äußerungen Trumps aus dem Jahr 2005 veröffentlicht hatte, war für den Republikaner klar, dass die Medien versuchten, ihn zu Fall zu bringen.
Seit Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen ist, hat sich das Verhältnis nicht entspannt, im Gegenteil. Das zeigen nicht nur die persönlichen Angriffe auf Journalisten, sondern auch die regelmäßigen Pressekonferenzen im Weißen Haus. Traditionell durften dort zunächst Presseagenturen wie AP und Reuters Fragen stellen, dann folgten die großen Fernsehkonzerne und überregional bedeutende Zeitungen. Inzwischen geht die erste Frage oft an Lokalreporter aus den ländlichen Gebieten der USA. Mehrere Pressekonferenzen fanden schon ganz ohne Kameras statt. Regelmäßig wirft der Präsident Journalisten vor, falsch und parteiisch zu berichten und seine Erfolge zu ignorieren. Anfang Oktober stellte er öffentlich Überlegungen an, kritischen Fernsehsendern die Sendelizenz zu entziehen.

Den klassischen Medienhäusern scheint der Konflikt bisher nicht zu schaden. Die New York Times verkaufte im letzten Quartal 2016 mehr als eine viertel Million neue Digital-Abos, die Zahl der Korrespondenten im Weißen Haus wurde verdoppelt. Stiftungen zur Förderung des investigativen Journalismus erhalten mehr Spenden denn je. Insgesamt aber haben sich die Bedingungen für Journalisten in den USA verschlechtert. In der aktuellen Welttabelle der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ rutschten die USA auf Rang 43 ab und liegen damit sogar hinter Burkina Faso. Investigativjournalisten würden juristisch verfolgt, Reporter wegen ihrer Berichterstattung über Demonstrationen vor Gericht gestellt, so die Begründung der Nichtregierungsorganisation.

Mittlerweile tut sich in der amerikanischen Medienlandschaft eine klare Front auf. Auf der einen Seite stehen liberale Medien wie die New York Times, die Washington Post oder der Fernsehsender CNN. Auf der anderen Seite der konservative Fernsehsender Fox News, mit dessen Besitzer Rupert Murdoch Trump als gut befreundet gilt, und rechte Medien wie das Breitbart News Network. Zudem gibt der US-Präsident inzwischen seinen eigenen Newsletter heraus, den West Wing Reads, und führt einen eigenen Newskanal auf Facebook, moderiert von seiner Schwiegertochter.

Für besonders gefährlich halten viele Kritiker die Verbindung mit Breitbart News. Das Nachrichtennetzwerk wurde 2007 in Los Angeles von Andrew Breitbart gegründet. Es umfasst ein Internetportal sowie ein tägliches Radioprogramm. Finanziert wird es insbesondere von Robert Mercer, einem amerikanischen Milliardär und Hedgefondsmanager. Wie Steve Bannon, der nach dem Tod von Breitbart 2012 die Leitung übernahm, gegenüber der Washington Post erklärte, richtet es sich an junge, ausgesprochen nationalistisch eingestellte Menschen, die das „Establishment“ und die Globalisierung ablehnen.

Für einige Monate war Steve Bannon Trumps Chefstratege im Weißen Haus, bis er Mitte August entlassen wurde. Inzwischen ist er wieder Chef von Breitbart News – aber nach wie vor an Trumps Seite. „Wenn es da draußen Verwirrung geben sollte, lassen Sie mich das klarstellen: Ich verlasse das Weiße Haus und ziehe für Trump gegen seine Widersacher in den Krieg“, sagte Bannon der Nachrichtenagentur Bloomberg. Der kurzzeitige Höhenflug von Breitbart News nach der US-Wahl scheint allerdings erstmal vorbei zu sein: Während das Portal im Januar mit 45 Millionen Seitenbesuchern sogar an der Washington Post vorbeigezogen war, hatte es nach Angaben der Analysefirma ComScore im April nur noch 10,7 Millionen Besucher.

Neben der Spaltung in Trump-Gegner und -Befürworter ist in der amerikanischen Medienlandschaft ein weiterer Wandel zu beobachten: Die klassischen Nachrichtenanbieter bekommen in wachsendem Maße Konkurrenz aus dem Internet. Neue Online-Portale wie Buzzfeed, Business Insider und Huffington Post haben in den USA einen rasanten Aufstieg hingelegt. Reißerische Überschriften und Bilder, weniger fundierte Inhalte sollen die Leser auf die neuen Portale locken – Clickbating wird dieses Phänomen im Branchenjargon genannt. Und es funktioniert: Die neuen Anbieter haben inzwischen ihren festen Platz in der amerikanischen Medienlandschaft; den Großteil ihrer Nutzer erreichen sie über soziale Netzwerke.

Dass die klassischen US-Medienhäuser den Kampf aufgenommen haben, zeigt sich insbesondere am Beispiel der Washington Post. Die Hauptstadtzeitung wurde 2013 für 250 Millionen Dollar vom Amazon-Gründer Jeff Bezos aufgekauft – damals kritisch beäugt und belächelt von der amerikanischen Medienbranche. Inzwischen aber hat sich das geändert. Denn der Wandel in dem Traditionshaus ist spürbar. So wurden Internetseite und Apps der Zeitung grundlegend überarbeitet. Mithilfe interner Tools können Redakteure online Texte mit bis zu fünf verschiedenen Schlagzeilen veröffentlichen – und dann per Algorithmus prüfen, welcher Artikel am meisten gelesen wird. Zudem veröffentlicht die Washington Post alle ihre Texte bei Facebook. Ob sich all das wirtschaftlich lohnt, ist noch unklar. Aber immerhin: Die Marke wird wieder sichtbarer. Nach Angaben des US-Marktforschungsunternehmen Comscore hat die Washington Post die New York Times im Oktober 2015 bei der Zahl der Internetnutzer überholt.

Protektionismus

Nach dem Regierungsantritt Donald Trumps sah es zunächst so aus, als würde Trump mit seinen radikalen protektionistischen Ankündigungen ernst machen: So wies er alle zuständigen Behörden an, dass beim Bau neuer Pipelines oder bei Reparaturen nur noch Material aus den USA verwendet werden dürfe. Und er setzte das Transpazifische Handelsabkommen TTP aus, über das die USA seit Jahren mit Ländern wie Australien, Brunei, Chile, Japan und Mexiko verhandelten. Auch die Verhandlungen um TTIP, das geplante Handelskommen mit der EU, wurden abgebrochen. In beiden Fällen hatte Trump leichtes Spiel: TTP war noch nicht in Kraft getreten, und beim TTIP bezweifelte man schon vor Trump, ob die Verhandlungen je zum Abschluss gebracht würden.

Damit aber war Trumps Durchmarsch erst einmal vorbei. So hatte er im Wahlkampf besonders heftig gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko, kurz NAFTA, gewettert. Das Abkommen sei der „schlechteste Handelsvertrag, den je ein Land unterzeichnet hat“, sagte er und versprach, es nach seiner Wahl zu kündigen. Ein Grund: Die USA importieren aus Mexiko deutlich mehr, als sie dorthin exportieren – auch, weil zahlreiche US-Unternehmen ihre Produktion ins billigere Nachbarland verlagert haben. Schon im April aber gab Trump bekannt, dass NAFTA nicht gekündigt, sondern nur neu verhandelt werde. Vermutlich mit gutem Grund: Wie eine Studie des Münchner ifo-Instituts zeigt, würde durch eine Wiedereinführung von Zöllen und Handelshemmnissen zwischen USA, Kanada und Mexiko das reale Pro-Kopf-Einkommen in den USA um rund 0,2 Prozent oder 125 Dollar pro Jahr sinken.
Nur noch wenig zu hören ist von Trumps Steuerplänen für den Außenhandel. Der Präsident hatte unter anderem die Einführung einer so genannten Border Adjustment Tax versprochen. Diese hätte Importe in die USA um 20 Prozent verteuert und Exporte vergünstigt. Stark getroffen hätte das etwa die Bekleidungsindustrie, die in aller Regel in Asien fertigen lässt, oder die stark internationalisierte Autoindustrie. Dem Autobauer BMW drohte Trump gar mit einer Steuer von 35 Prozent auf Importe. Doch inzwischen rechnen nur noch die wenigsten Experten mit einer Umsetzung dieser Pläne – auch wenn das US-Handelsdefizit im zweiten Quartal 2017 mit 123,1 Milliarden Dollar so hoch ausgefallen ist wie seit 2008 nicht mehr.

Ein weiteres Lieblingsziel von Trumps Kritik ist die chinesische Wirtschaft. Viele US-Unternehmen klagen seit Langem, dass ihre chinesischen Konkurrenten oder Handelspartner Produkte fälschen und Patentregeln missachten. Dazu kommen billige Stahlimporte, die der amerikanischen Stahlindustrie schaden. Der chinesische Exportüberschuss im Handel mit den USA betrug allein 2016 fast 310 Milliarden Dollar. Im August hat der Präsident daher eine Kommission eingesetzt, die untersuchen soll, ob die Vorwürfe der Wirtschaftsspionage und Produktpiraterie gegen China gerechtfertigt sind. Konkrete Maßnahmen aber gibt es bisher nicht. Und auch Zölle auf Stahlimporte werde es erst geben, wenn „Gesundheits-, Steuerreform und vielleicht sogar das Infrastrukturprogramm“ beendet seien, sagte Trump im Juli. Mit anderen Worten: vielleicht nie.

Silicon Valley

Glitzernde Bürogebäude, Büros mit Bällebad und bunte Fahrräder auf dem Campus: Das Silicon Valley ist zu einem Symbol der globalen Innovation geworden – und zu einer der mächtigsten Industrien der Vereinigten Staaten. Die Wirtschaftsleistung in der Region liegt bei rund 560 Milliarden Euro; der Gewinn allein der Top 5-Unternehmen Apple, Amazon, Alphabet, Microsoft und Facebook beläuft sich auf mehr als 75 Milliarden Euro.
Die Zeiten, in denen sich die Tüftler und Denker in Palo Alto allein aufs Geld verdienen konzentrierten, sind jedoch mittlerweile vorbei. Die Region wird immer mehr auch zum politischen Schwergewicht.
Das zeigte sich deutlich im Rennen ums Präsidentenamt. Viele Firmenchefs positionierten sich damals auf Seiten der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und gegen ihren Konkurrenten Donald Trump. Zudem sprechen Mark Zuckerberg, Elon Musk und Co. immer öfter öffentlich über ihre gesellschaftlichen Ziele, setzen sich für die Homoehe und offene Grenzen ein – frei nach Googles ehemaligem Firmenmotto „Don’t be evil“.

Dass die Politisierung des Valleys unter Donald Trump nochmals zugenommen hat, hat aber auch ganz handfeste Gründe: Die Firmenlenker sehen durch Trumps Politik ihre Kerninteressen bedroht. Der Konflikt begann, als Trump am 27. Januar 2017 ein Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimisch geprägten Ländern unterzeichnete. Und im Mai beschloss der Präsident, die so genannten H 1B-Visa für hochqualifizierte Einwanderer zu überprüfen. Mithilfe dieser Visa holten die Tech-Firmen in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche neue Mitarbeiter ins Land, vor allem aus Asien – auch, weil sie diese zu niedrigeren Löhnen beschäftigen können, so ein Vorwurf von Kritikern.
Vor allem aber widerspricht die strikte Einwanderungspolitik der DNA der Technologieschmieden: Die Gründer oder derzeitigen Chefs von rund der Hälfte der 20 größten Technologiekonzerne der USA sind Migranten. Bestes Beispiel ist die Biografie von Silicon-Valley-Idol und Apple-Gründer Steve Jobs, Kind eines syrischen Einwanderers. Jobs Vater Abdulfattah Jandali wurde 1931 im syrischen Homs geboren, ging später aber in die USA, um zu promovieren. Dort lernte er Jobs Mutter kennen. Jobs wurde nicht von seinen leiblichen Eltern großgezogen, sondern zur Adoption freigegeben – der Rest seiner Lebensgeschichte ist wohlbekannt.
Weitere Beispiele? Google-Gründer Sergey Brin ist gebürtiger Russe, Tesla-Erfinder Elon Musk kam in Südafrika zur Welt, und Google-CEO Sundar Pichai ist in Indien geboren.
Wie wichtig Einwanderer für die US-Wirtschaft sind, zeigt zudem eine Zahl, die ein Forscherteam um William R. Kerr von der Harvard Business School im vergangenen Jahr ermittelt hat: Demnach haben zwischen 2000 und 2010 knapp 195 000 Immigranten in den Vereinigten Staaten ein Patent angemeldet.

Die Reaktionen nach Inkrafttreten des Einreiseverbots für Muslime kamen denn auch prompt und heftig. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg schrieb: „Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine Nation von Immigranten, und darauf sollten wir stolz sein.“ Apple-Chef Tim Cook schrieb in einer E-Mail an seine Belegschaft, dass der Konzern „ohne Einwanderung nicht existieren würde“. Und Twitter-Chef Jack Dorsey nannte den Beschluss „bestürzend“.
Auch bei anderen Themen sind sich die Unternehmer mit Donald Trump alles andere als einig, etwa bei der Klimapolitik. So war es wohl kein Zufall, dass Apple im Juni dieses Jahres eine „grüne Anleihe“ im Umfang von einer Milliarde Dollar ausgab, mit der unter anderem umweltfreundliche Energien gefördert werden sollen – nur kurz, nachdem Trump das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hatte.
Daneben setzen sich Cook und andere IT-Unternehmer offen für die Rechte Homosexueller ein und fördern die digitale Bildung, indem sie entsprechende Softwareprogramme entwickeln oder Gratis-Laptops für Schüler zur Verfügung stellen. Dass ihnen das im Zweifel auch den ein oder anderen künftigen Kunden einbringt, ist dabei ein willkommener Nebeneffekt.

Zudem treibt die Firmenlenker noch ein anderes Thema um: die soziale Gerechtigkeit. So sprach sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im Mai bei der Abschlussfeier der Harvard-Universität für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Andere Investoren und Vordenker der amerikanischen Gründerszene vertreten die gleiche Forderung. Und Microsoft-Gründer Bill Gates plädierte für eine so genannte „Robotersteuer“, also eine Steuer auf den Einsatz von Robotern, mit der man jenen Menschen ein Grundeinkommen finanzieren soll, deren Arbeitskraft durch Roboter ersetzt wurde.
Allerdings hat die Entdeckung einer sozialen Ader im Silicon Valley einen Haken. Denn während die Unternehmen bei Themen wie Einwanderung klar Stellung beziehen, schauen sie bei anderen Problemen, die sie selbst am allerbesten lösen könnten, gerne mal weg – auf Kosten der Gesellschaft.

Ein Beispiel ist die Steuerflucht. So hat Apple, die wertvollste Firma der Welt, es geschafft, jahrelang auf einen Großteil ihrer Verkäufe außerhalb der USA weniger als ein Prozent Steuern zu bezahlen. Und auch Google, inzwischen Teil des Alphabet-Konzerns, sah sich in der Vergangenheit immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, es transferiere den Großteil seiner in Europa erzielten Gewinne über Irland auf die Bermudas. Inzwischen ergreift die EU Maßnahmen. EU-Kommissarin Margrethe Vestager verdonnerte Apple zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro an den irischen Staat – die Irland bisher allerdings nicht eintreiben will. Zudem wird derzeit darüber diskutiert, wie Internetkonzerne auch in jenen Ländern zu höheren Steuerzahlungen verpflichtet werden können, in denen sie keinen Firmensitz haben.

Ein weiterer Kritikpunkt am Silicon Valley ist der fragliche Umgang der Konzerne mit Verbraucherdaten: Erst im September musste Facebook in Spanien 1,2 Millionen Euro Strafe zahlen, weil der Konzern die Daten seiner Nutzer automatisch speichert und verwendet, ohne das klar erkenntlich zu machen.
Und auch wenn dem Valley eine Belegschaft aus verschiedenen Ländern wichtig ist: Für weibliche Mitarbeiter scheint das Palo Alto ein hartes Pflaster zu sein. In Unternehmen wie Facebook, Google oder Uber sind kaum mehr als 30 Prozent der Belegschaft Frauen. Immer wieder werden Vorwürfe laut, dass sich die Mitarbeiterinnen von ihren Kollegen sexuell belästigt fühlen. Da hilft es wenig, dass Google einem Programmierer, der im August ein frauenfeindliches Manifest veröffentlichte, direkt gekündigt hat.
All das zeigt: Um Googles ehemaligem Leitspruch „Don’t be evil“ gerecht zu werden, haben die Konzerne noch genügend eigene Probleme zu klären.

Stadt versus Land

In den „Star Wars“-Filmen von George Lucas ist Luke Skywalker ein einfacher Bauernjunge, während sein Gegner Darth Vader gerne in hochtechnologisierten Raumschiffen unterwegs ist. Die Guten kommen vom Land, die Bösen leben in der Kapitol genannten Hauptstadt.

Dass das Verhältnis der Amerikaner zu ihren Städten ein schwieriges ist, zeigt sich nicht nur in der Populärkultur. Thomas Jefferson, Gründervater der Vereinigten Staaten, prophezeite einst: „Wenn sich die Bürger dieses Landes erst einmal in den großen Städten zusammendrängen werden wie in Europa, werden sie der Korruption anheim fallen wie in Europa.“

Stadt und Land sind in den USA zwei verschiedene Welten. Während die Städte als liberal, multikulturell, aber auch als gefährlich gelten, ist die Landbevölkerung im Durchschnitt weiß, waffenbegeistert, religiös und konservativ. Ob in Georgia, New York oder Virginia: Überall leben die Bewohner in den Hauptstädten ganz anders als ihre ländlichen Nachbarn. Und noch nie waren die Unterschiede so deutlich wie im Wahlkampf 2016, bei dem nicht nur Demokraten gegen Republikaner kämpften, sondern auch Stadt- gegen Landbevölkerung. Nicht weniger als 62 Prozent der Wähler aus Kleinstädten stimmten für Donald Trump, während Hillary Clinton in Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern mit 59 Prozent vorne lag.

Die Menschen in Stadt und Land konsumieren andere Medien und sprechen sogar eine andere Sprache, wie ein amerikanisches Forscherteam von der Stanford University herausfand: Was für Demokraten eine „Erbschaftssteuer“ ist, nennen Republikaner eine „Todessteuer“.
Auch wirtschaftlich haben sich Städte und ländliche Regionen voneinander entfernt. Wie die Unternehmensberatung McKinsey errechnet hat, erwirtschafteten die knapp 300 Kommunen des Landes mit über 150 000 Einwohnern im Jahr 2010 rund 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Während 2015 knapp 17 Prozent der Landbevölkerung als arm galten, traf dies nur auf 10,8 Prozent der Menschen in den Vororten großer US-Städte zu. Weil die bevölkerungsreichen Städte den Umbau hin zur Dienstleistungsgesellschaft recht gut gemeistert haben, fand ein Großteil des US-Wirtschaftswachstums in den vergangenen Jahren dort statt.

Große Teile der Landbevölkerung dagegen leiden unter der Deindustrialisierung des Landes; sie trauern den goldenen Zeiten der US-Stahlindustrie hinterher. Der Grund für den Niedergang der Branche ist vor allem die Konkurrenz durch billigen Stahl aus China. Zugeschrieben wird die Entwicklung aber oft einem angeblichen Politikversagen in Washington. Für viele ehemals stolze Stahlarbeiter ist mit dem Job auch ihre Identität verloren gegangen und einer Wut auf die vermeintlich abgehobene Elite in den Städten gewichen.

Diese Antipathie beruht auf Gegenseitigkeit. Die Städter blicken oft verächtlich auf die Nachbarn vom Land; ihren Konservatismus interpretieren sie als Rückständigkeit. Die Landbewohner wissen das – und halten umso stärker an ihren Werten fest. Wie tief die Vorurteile verankert sind, zeigt eine Studie der Kellogg School of Management in Illinois. Die Forscher stellten fest, dass Jobbewerber, die als Hobby Countrymusik angaben, deutlich seltener zu Vorstellungsgesprächen bei Elitefirmen eingeladen wurden als Bewerber, die gerne segelten.

Waffenindustrie

Als Donald Trump am 9. November 2016 zum Sieger der US-Wahl erklärt wurde, merkte die Waffenindustrie erst gar nicht, was ihr Gutes widerfahren war: Die Aktien der großen amerikanischen Waffenbauer wie Smith & Wesson und Ruger stürzten ab. Anleger waren davon ausgegangen, dass mit Trumps Gegnerin Hillary Clinton strengere Waffengesetze kommen würden – und vorab noch kräftig eingekauft werden würde. Diese Hoffnung war nun zerschlagen. Erst nach einigen Tagen wurde den Anlegern klar: Etwas Besseres als Trump hätte ihnen gar nicht passieren können.

Wer unter welchen Bedingungen das Recht haben sollte, eine Waffe zu besitzen, ist in den USA seit Jahren umstritten. Während die Befürworter einer strengeren Regulierung auf die 33 000 Amerikaner verweisen, die jährlich durch Schusswaffen getötet werden, argumentieren die Befürworter, dass solche Ereignisse mit einer noch höheren Waffendichte seltener würden. Und das, obwohl die hohe Zahl an Waffen in Privatbesitz immer wieder zu tödlichen Unglücken sowie Amokläufen führt. Trauriger Höhepunkt war das Massaker in Las Vegas, als der 64-jährige Stephen Paddock am 1. Oktober auf die Besucher eines Festivals in Paradise, einer Ortschaft südlich von Las Vegas, schoss und dabei 58 Menschen tötete und 527 verletzte.

Donald Trump hat aus seiner Begeisterung für Waffen nie einen Hehl gemacht. Während Hillary Clinton im Wahlkampf dafür plädierte, Waffenkäufer generell auf psychische Erkrankungen zu prüfen, Schlupflöcher beim Waffenverkauf zu schließen und die weitgehende Immunität der Waffenhersteller bei Unglücken aufzuheben, warb Trump damit, die Waffengesetze aufweichen zu wollen. Seine Gegner schockierte er mit den Worten: „Ich kann in der Mitte der 5th Avenue stehen und auf jemanden schießen – ich würde keine Wähler verlieren.“

Wenig überraschend also, dass Trump die mächtige Lobbyorganisation National Rifle Association (NRA) von Beginn an auf seiner Seite hatte. Die NRA war ursprünglich ein Verein, dem vor allem Sportschützen und Jäger angehörten. Inzwischen hat sich die Vereinigung zur rechten Hand der Waffenindustrie entwickelt. Sie betreibt eine Art Notensystem für Politiker, das zeigt, ob sich Abgeordnete auf ihrer Linie befinden oder nicht – ein Ranking, das über zahlreiche Wählerstimmen entscheidet. Trump bekam sehr gute Noten und rund 30 Millionen Dollar Wahlkampfspenden von der NRA. Nach Trumps Wahlsieg schrieb der Verband auf seiner Seite: „Dies ist unsere Zeit.“
Die Waffenindustrie ist eines der wirtschaftlichen Schwergewichte der USA. Jährlich erwirtschaftet die Branche knapp 40 Milliarden Dollar, allein sechs Millionen Handfeuerwaffen laufen jedes Jahr vom Band. In keinem anderen Land der Welt verfügen mehr Privatpersonen über eine Waffe. Als das Genfer Forschungsinstitut Small Arms Survey im Jahr 2007 nachzählte, gab es in den USA mehr als 300 Millionen Schusswaffen – bis zu 97 pro 100 Einwohner. Und auch im Ausland brummt das Geschäft: Die USA sind vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri gerade wieder zum größten Waffenexporteur der Welt gekürt worden.

Unter Trump dürfte sich diese Militarisierung der Gesellschaft weiter verstärken. Als eine der ersten Amtshandlungen kassierte der US-Präsident eine von seinem Vorgänger Barack Obama eingeführte Regulierung. Nun dürfen auch Menschen mit psychischen Problemen wieder Waffen besitzen. Auch außenpolitisch tut Trump „seinen Freunden“, wie er die Waffenbauer in einer seiner ersten Reden nannte, Gutes. In seinem Haushaltsentwurf für 2018 plant Trump, den Verteidigungshaushalt der USA um insgesamt 54 Milliarden Dollar aufzustocken.

Eine weitere gute Nachricht für die Waffenindustrie präsentierte Trump im Mai: Gemeinsam mit Saudi-Arabien unterzeichnete er einen Rüstungsdeal in Höhe von rund 110 Milliarden Dollar. Die Aktien von Rüstungskonzernen wie Lockheed Martin oder General Dynamics legten im Jahresverlauf kräftig zu. Dass Nahost-Experten Trump vorwarfen, mit dem Rüstungsdeal die Konflikte in der Region zu verschärfen, ging da fast unter.

Zuwanderung

Die USA als Schmelztiegel der Kulturen und Nationen: Dieses Bild ist tief im globalen Gedächtnis verankert. Es wurde im Wesentlichen im 19. und 20. Jahrhundert geprägt, als Amerika zum Zufluchtsort für Einwanderer aus Deutschland, China, Irland, Italien und Polen wurde.

So locker wie damals, als im Prinzip jeder, der es über den Atlantik schaffte, willkommen war, ist die amerikanische Einwanderungspolitik schon lange nicht mehr. Für die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge gibt es eine Obergrenze, die jedes Jahr der Kongress festlegt. Zuwanderer können entweder über Familienverhältnisse oder einen guten Job vor Ort eine so genannte Greencard, also eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, bekommen. Jährlich werden zudem 50 000 dieser Visa verlost. Trotz all dieser Beschränkungen aber blieb das Bild der USA als tolerantes, weltoffenes Land stets gewahrt. Bis jetzt: Seit Präsident Donald Trump im Amt ist, hat er die Einwanderungspolitik Schritt für Schritt verschärft.

Begonnen hat Trumps Kampagne gegen Einwanderer mit einem Einreiseverbot für Muslime. Nur eine Woche nach seinem Amtsantritt schlug der Präsident vor, die jährliche Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen von 110 000 auf 50 000 Menschen zu senken und untersagte per Dekret Bürgern aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern für 90 Tage, in die USA einzureisen. Wer aus dem Irak kommt, aus Syrien, Libyen, Somalia, dem Jemen, dem Sudan und dem Iran, der darf nun nur noch dann einreisen, wenn er enge familiäre Verbindungen ins Land vorweisen kann. Ausgenommen sind zudem Journalisten, Studenten, Arbeitnehmer und Lehrkräfte, die eine offizielle Einladung haben, in den USA zu arbeiten, oder einen Arbeitsvertrag vorweisen können.

Das Dekret stieß auf heftigen Widerstand. Großunternehmen, Forscher und Menschenrechtler kritisierten die neue Regelung, zwei Bundesstaaten reichten Klage ein. Eigentlich sollte sich das Oberste Gericht, der Supreme Court, Mitte Oktober damit befassen. Der Termin wurde aber gestrichen; ein neuer steht noch nicht fest. Die Anfang des Jahres ausgesprochenen Reisebeschränkungen sind inzwischen ausgelaufen, doch Trump hat bereits nachgelegt und neue Einreisebeschränkungen für Bürger von diesmal acht Staaten verkündet.

Anfang August warb der Präsident für einen Gesetzentwurf, der die Vergabe von Greencards auf etwa 500 000 pro Jahr begrenzen und die Kriterien dafür verschärfen soll. Ob sich ein solches Konzept im Senat durchsetzen lässt, gilt allerdings als fraglich. Ein ähnlicher Vorstoß hatte im Februar keine Mehrheit gefunden. Am härtesten durchgreifen will Trump beim Thema illegale Einwanderung. So hat die Regierung nicht nur begonnen, in manchen Grenzbereichen zwischen den USA und Mexiko eine Mauer zu bauen. Zudem hat sie Abschiebungen deutlich erleichtert: Wie die New York Times unter Berufung auf ein Papier des Heimatschutzministeriums berichtete, sollen Einwanderungsbehörde und Grenzschutz künftig jeden illegalen Einwanderer abschieben, der einer Straftat beschuldigt wird – unabhängig von der Schwere des Vergehens. Das gilt auch für Kleinkriminelle oder Einwanderer, die falsche Angaben bei Regierungsbehörden machen.

Noch viel mehr Menschen, insgesamt 800 000, betrifft Trumps neuester Beschluss: die Neuverhandlung des so genannten Dreamer-Programms. Das 2012 von Obama erlassene Dekret zur Deferred Action for Childhood Arrivals (DACA) sah vor, dass Einwanderer unter 16 Jahren, die ohne gültige Papiere in die USA gelangt sind, unter bestimmten Bedingungen eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten konnten. Trump hat das Programm nun aufgekündigt, der Kongress soll bis zum Frühjahr eine Neuregelung finden.

Wieder folgten prompt die Reaktionen. 15 US-Bundesstaaten und die Bundeshauptstadt Washington haben gegen die Entscheidung Klage eingereicht. Doch auch wenn sich die liberalen Bastionen im Land bemühen, den offenen Geist der Nation zu bewahren – von ihrem historischen Erbe als Melting Pot sind die USA inzwischen weiter entfernt denn je. Und die Ergebnisse der aktuellen Politik sind bereits sichtbar. So haben amerikanische Behörden nach Angaben des Justizministeriums von Anfang Februar bis Ende Juli rund 50 000 Menschen zwangsabgeschoben– 27,8 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr.

Katja Scherer

Bibliografische Angaben

IP Wirtschaft 3, November 2017 - Februar 2018, S. 28 - 47

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