Globaler Süden im Aufwind?
Trumps zweite Amtszeit wird Auswirkungen auf alle Bereiche globaler Kooperation haben und Konkurrenzen verstärken.
Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus wird nicht nur grundlegende Folgen für die Demokratie in den Vereinigten Staaten haben, sondern für alle Bereiche internationaler Beziehungen und Zusammenarbeit. „Trump 2.0“ wird insbesondere auch Auswirkungen auf den Globalen Süden haben. Wir bieten hierzu drei Überlegungen an.
1. Wandel zu einer multipolaren Ordnung
Für viele Länder des Globalen Südens könnte Trumps zweite Amtszeit positives Potenzial haben, statt nur als negative Neuigkeit gesehen zu werden. Positive Lesarten könnten nicht allein unter autokratischen Führungen vorherrschen, sondern auch in anderen Ländern, wie etwa in Indien, die in der erwarteten US-Politikänderung strategische Vorteile sehen. Da Trump voraussichtlich das amerikanische Engagement bei multilateralen Einrichtungen wie den Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation reduzieren wird, könnten neue Spielräume in der bislang westlich dominierten regelbasierten Ordnung entstehen. Dieser Wandel könnte es dem Globalen Süden ermöglichen, ein multipolares System voranzubringen, das besser mit seinen Interessen übereinstimmt, und Chancen für stärkere Allianzen mit nichtwestlichen Mächten wie China und Russland eröffnen.
Ein multipolares System könnte den Globalen Süden zwar mit einer diversifizierteren Partnerlandschaft stärken, es birgt aber zugleich die Gefahr, die globale Rivalität zu beschleunigen und zu verfestigen. Länder des Globalen Südens könnten unter zunehmendem Druck stehen, sich mit Blick auf konkurrierende Blöcke zu positionieren, was ihre politische Autonomie gefährden und ihre machtpolitischen Abhängigkeiten vertiefen würde. Diese geopolitische Verschiebung könnte den Einfluss Europas schwächen.
Trumps antimultilateralistische Haltung wird sich mit großer Sicherheit auf Schlüsselorganisationen, insbesondere die Vereinten Nationen, enorm durchschlagen, wo er möglicherweise Reformen fordert, die einseitig einer engen US-Agenda dienen. Dies könnte bedeuten, dass Beiträge zu UN-Entwicklungsprogrammen reduziert oder sogar ganz gestrichen werden oder dass die USA sich von Einrichtungen zurückziehen, die Trump als nicht im Einklang mit den US-Interessen ansieht. Solche Maßnahmen würden die Finanzierung von Friedenssicherung, Menschenrechten und humanitärer Hilfe untergraben und Länder mit Konflikten und niedrigem Einkommen, die auf diese Programme angewiesen sind, empfindlich treffen.
Als Reaktion könnten Länder des Globalen Südens ihre regionalen Allianzen verstärken und versuchen, das von der US-Abkehr hinterlassene Vakuum zu füllen. Dies könnte dazu beitragen, dass die Kooperation zwischen südlichen Akteuren intensiviert wird und vor allem mehr Möglichkeiten für China und andere Mächte entstehen, eine führende Rolle in der globalen Governance zu übernehmen und Modelle zu fördern, die westlichen Werten widersprechen.
2. Verschärfung der US-China-Rivalität
Die Eindämmung des Einflusses Chinas wird voraussichtlich weiterhin eine Top-Priorität unter Trump bleiben, mit einer möglichen weiteren Eskalation seines konfrontativen Ansatzes. Die US-Außenpolitik könnte Länder dazu drängen, eine „klare Wahl“ zu treffen zwischen der Aufrechterhaltung enger Beziehungen zu den USA oder zu China – seine „Clear choice-Initiative“ aus der ersten Amtszeit gibt dabei die Denkrichtung vor. Dieser binäre Ansatz widerspricht den von vielen südlichen Ländern bevorzugten Multialignment-Ansatz, der eben nicht auf exklusiven Beziehungen nur zu westlichen Akteuren beruht.
Trump könnte die europäischen Länder und die EU dazu drängen, seine harte Linie zu unterstützen, was zusätzlichen Druck auf südliche Länder ausüben würde. Während seiner ersten Amtszeit waren die US-Ausgabenkürzungen für Entwicklungszusammenarbeit weniger drastisch als erwartet, aber Trumps verstärkter Fokus auf die Eindämmung des chinesischen Einflusses in Schlüsselregionen wie Afrika könnte zu Kürzungen in anderen Bereichen führen. Abrupte Kürzungen etwa beim UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) würden Europa und andere Geberländer dazu zwingen, entsprechende Lücken zu füllen, was die Kapazitäten des globalen Entwicklungssystems belasten würde.
3. Rückzug aus Klimaschutzmaßnahmen
Trumps Wiederwahl ist ein gravierender Einschnitt für die gerade begonnene UN-Klimakonferenz in Baku. Der Klimawandel stellt ein fundamentales Risiko für zahlreiche Staaten im Globalen Süden dar, wo Länder überproportional betroffen sind und oft nicht über die Ressourcen verfügen, um Auswirkungen von Klimafolgen bewältigen zu können. Viele dieser Länder sind stark auf multilaterale Unterstützung für Klimaanpassung und Emissionsminderung angewiesen. Während Trumps erster Amtszeit zogen sich die USA aus dem Pariser Klimaabkommen zurück und stoppten weitgehend die Beiträge für Klimafinanzierungsmaßnahmen; dies könnte sich in seiner zweiten Amtszeit weiter verschärfen. Das „Projekt 2025“ der Heritage Foundation, eine konservative Blaupause für die zweite Amtszeit, fordert die Deregulierung fossiler Brennstoffe und den Abbau internationaler Klimafinanzierungsstrukturen, was darauf hindeutet, dass eine Trump 2.0-Regierung die US-Beiträge zu Initiativen wie dem Grünen Klimafonds kürzen könnte.
Für den Globalen Süden wäre ein solcher Wandel entscheidend. Geringere US-Unterstützung für Klimafinanzierung würde die Milderungsmaßnahmen behindern und Partnerschaften schwächen, die für den Aufbau von Infrastruktur für erneuerbare Energien und Katastrophenresilienz notwendig sind. Darüber hinaus könnte ein Rückzug der USA aus Klimaverpflichtungen andere Länder dazu ermutigen, Klimaschutzmaßnahmen herunterzuspielen, was einen Dominoeffekt auslösen würde, der die Verwundbarkeit von Regionen verstärken würde, die bereits mit Umwelt- und Wirtschaftskrisen zu kämpfen haben.
Zusammengefasst wird die Wiederbelebung von Trumps „America First“-Ansatz die globalen Klimaschutzbemühungen weiter fragmentieren und jenen Ländern schaden, die am wenigsten in der Lage sind, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen. Der Verlust an Dynamik bei den Klimaschutzmaßnahmen wird die Überschreitung von Umwelt-Tipping Points riskieren, wobei der Globale Süden als erstes die Konsequenzen zu tragen hat.
Geopolitische Rivalität und strategische Balance
Die zweite Amtszeit von Donald Trump dürfte die Fragmentierung internationaler Kooperationsbeziehungen stärken und Konkurrenzverhältnisse akzentuieren – all dies mit erheblichen Auswirkungen auf den Globalen Süden. Während einige Länder in einer multipolaren Weltordnung Chancen sehen könnten, stehen sie auch vor der Gefahr einer erhöhten Abhängigkeit und einer verminderten Autonomie angesichts der Rivalität großer Mächte. Für die Entscheidungsträger im Globalen Süden wird es notwendig sein, in diesem Umfeld eine strategische Balance zwischen konkurrierenden globalen Akteuren zu finden, regionale Zusammenarbeit zu stärken und Resilienz zu fördern, um den sich verändernden globalen politischen Strömungen standzuhalten.
Internationale Politik, online exklusiv, November 2024
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