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01. Nov. 2004

Eine neue Allianz?

Das Verhältnis der Entwicklungspolitik zum Militär wird enger

Noch vor wenigen Jahren wäre undenkbar gewesen, wie eng heute mancherorts Akteure der Entwicklungspolitik
und des Militärs zusammenarbeiten, etwa in Afghanistan. Die Möglichkeiten,
Vorteile und Risiken dieser Kooperation erörtern die Autoren, die für das Deutsche Institut für
Entwicklungspolitik tätig sind.

Noch vor wenigen Jahren wären diese Beispiele undenkbar gewesen: Die deutsche Entwicklungspolitik arbeitet eng mit der Bundeswehr in einem Wiederaufbauteam im afghanischen Kunduz zusammen. Aus Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds werden für einige Jahre militärische Friedensmissionen afrikanischer Partner finanziell unterstützt. Diese neuen Gemeinsamkeiten sind zwar nicht ohne Kontroversen entstanden. Sie zeigen aber eines: Die traditionelle Distanz der Entwicklungspolitik zur Sicherheitspolitik schwindet zusehends.

In den neunziger Jahren hat die Entwicklungspolitik begonnen, sich intensiver mit Sicherheits- und Stabilitätsfragen zu beschäftigen. Wie mit entwicklungspolitischen Mitteln ein ziviler Beitrag zu Krisenprävention und Konfliktmanagement geleistet werden kann, war eine der Kernfragen. Der Grundsatz „keine Entwicklung ohne Sicherheit“ entwickelte sich immer mehr zum neuen Paradigma. Allerdings: Diese Debatten bezogen sich immer auf ein ziviles Selbstverständnis von Entwicklungspolitik.

Entwicklungspolitik ist weiterhin eine zivile Aufgabe. Aber die Grenzlinie dessen, was förderungswürdig ist und wo Koalitionen mit dem Militär eingegangen werden, hat sich merklich verschoben. Die damit verbundenen Konsequenzen werden derzeit intensiv diskutiert.1

Für diesen neuen Trend gibt es verschiedene Gründe. Lang anhaltende „Nachkriegssituationen“ nehmen zu, wie die Beispiele Kosovo, Afghanistan und Irak zeigen. Hier haben internationale Friedensmissionen mühselige Aufgaben zum Nation Building übernommen. Ein weiterer Grund: Entwicklungspolitiker befürworten und fordern verstärkt sicherheitspolitisches Handeln. So rief die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, bereits mehrfach zur Entsendung von Friedenstruppen – zuletzt nach Darfur im Sudan (April 2004)2 – auf. Und die persönliche Afrika-Beauftragte des Bundeskanzlers, Uschi Eid, plädiert für ein aus entwicklungspolitischer Sicht verstärktes militärisches Engagement Deutschlands im Rahmen von Friedenseinsätzen in Afrika.3 Angesichts neuer Bedrohungen drängen andere Politikfelder immer häufiger auch die Entwicklungspolitik, aktiv zu werden. Die im Dezember 2003 verabschiedete Europäische Sicherheitsstrategie macht eine intensivere zivil-militärische Kooperation zu einem ihrer Hauptanliegen. „Bei nahezu allen größeren Einsätzen ist auf militärische Effizienz ziviles Chaos gefolgt“,4 heißt es dort.

Auch hier ist die Schlussfolgerung klar: Isolierte Militäraktionen können nicht die erhoffte Sicherheit und Stabilität bringen. Der zivile und langfristig angelegte gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Wiederaufbau ist ein entscheidender Pfeiler für die Stabilisierung von Nachkriegssituationen. Schließlich wirken sich in Deutschland die häufigeren Bundeswehr-Auslandseinsätze auf die Debatte aus. Der politische Druck wächst, die Handlungsmöglichkeiten aller Politiken in den Fällen einzubinden, in denen die Bundeswehr tätig ist.

Berührungspunkte

Die Vielzahl und Intensität der Berührungspunkte von Entwicklungspolitik und Militär sind erstaunlich:

–  Während in der Vergangenheit die durch Militär erreichte Stabilität und Sicherheit eher implizit vorausgesetzt  wurden, wird die Bedeutung dieser Rahmenbedingungen für die Entwicklungspolitik immer deutlicher artikuliert. Entwicklungspolitik akzeptiert heute vielfach höhere Sicherheitsrisiken als in der Vergangenheit. Das Eingreifen von militärischen Akteuren ist allerdings keineswegs ein automatischer Beitrag zu mehr Sicherheit. Nichtregierungsorganisationen können etwa mit Beispielen aus Afghanistan belegen, wie durch Nähe zum Militär ihre Glaubwürdigkeit untergraben und damit auch die Sicherheit des lokalen und internationalen Personals gefährdet wird.

–  Ressortübergreifende Konzepte und Strategien sind keineswegs immer sichergestellt, haben aber in den vergangenen Jahren zumindest punktuell an Bedeutung gewonnen. Dies gilt etwa für den deutschen interministeriellen Beitrag zum G-8-Afrika-Aktionsplan, für einzelne Länderstrategien (etwa Afghanistan), den gemeinsamen Aktionsplan der Bundesregierung „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“, aber auch für institutionelle Mechanismen wie die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), wo unterschiedliche Ressortvertreter Fortbildungsangebote für den Bund organisieren.

–  In Finanzierungsfragen gibt es zwei wichtige Berührungspunkte: Zum einen wird die erstmals 2003 für Liberia praktizierte Finanzierung von Militäreinsätzen aus Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds durch die Einrichtung einer Peace Facility für Afrika – zunächst nur befristet – Routine werden. Immerhin 250 Millionen Euro sind hierfür vorgesehen. Zum anderen finanziert Entwicklungspolitik – wenn auch in begrenztem Umfang – zivil-militärische Maßnahmen, die von der Bundeswehr und anderen militärischen Akteuren durchgeführt werden. Diese so genannten CIMIC-Maßnahmen dienen insbesondere dem Schutz der eigenen Truppe, indem sie Sympathien im Einsatzgebiet aufzubauen versuchen. Auch wenn dieses Ziel für das Militär wichtig und legitim ist, handelt es sich allerdings nicht um eine entwicklungspolitische Aufgabe.

–  Schließlich gibt es bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen in Entwicklungsländern eine zunehmend engere zivil-militärische Verknüpfung. Für das von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Januar 2004 eröffnete Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre in Accra/Ghana haben sich die deutschen Ministerien für Entwicklung, Äußeres und Verteidigung gemeinsam engagiert.

Diese Berührungspunkte sind keineswegs immer und prinzipiell schwierig. Sie bieten vielfach erst die Voraussetzung für ein abgestimmtes Handeln verschiedener Politiken. Eine Reihe grundsätzlich sensibler Bereiche gibt es aber trotzdem. Die „Instrumentalisierungsgefahr“, die vor allem von Nichtregierungsorganisationen betont wird, ist besonders relevant. Immer dann, wenn Entwicklungspolitik droht, militärstrategischen oder sehr kurzfristigen Zielsetzungen untergeordnet zu werden, ist die „Kooperation“ kaum erstrebenswert. Dies gilt etwa für die amerikanischen Wiederaufbauteams in Afghanistan. Auch die Rolle der Entwicklungspolitik im Fahrwasser einer nichtmandatierten Militärintervention – Beispiel Irak – ist von vornherein problematisch.

Kaum sinnvoll kann es darüber hinaus sein, wenn die Aufgabenteilung zwischen entwicklungspolitischen und militärischen Akteuren verblasst. Warum soll Militär längerfristige entwicklungspolitische Aufgaben etwa bei der Berufsausbildung wahrnehmen? Warum sollte Entwicklungspolitik in die Rolle gedrängt werden, Militäreinsätze zu finanzieren?

Positionsbestimmung

Viel zu wenig hat die Entwicklungspolitik bislang davon Gebrauch gemacht, die Berührungsfelder zur Außen- und Sicherheitspolitik systematisch zu gestalten. Gerade wegen ihrer Aufgabenstellung muss Entwicklungspolitik ein prinzipielles und strategisches Interesse an der Formung von Schnittstellen mit anderen Politikbereichen haben. Eine entsprechende Positionsbestimmung ist daher eine entscheidende Voraussetzung für Kooperation. Die Notwendigkeit von integrierten entwicklungs- und sicherheitspolitischen Politiken wird zunehmend erkannt und wurde beispielsweise vom letzten High-Level-Treffen (April 2004) des Entwicklungsausschusses der OECD unterstrichen. Die offensive Ressortzusammenarbeit in Großbritannien gilt für viele als Modell. Hier haben Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik für ihre konfliktbezogene Arbeit im Ausland z.B. gemeinsame Finanzierungspools geschaffen, die kürzlich mit positivem Ergebnis evaluiert wurden.

Grundsätzlich gilt: Entwicklungspolitik und auch andere äußere Akteure können immer nur einen begrenzten Beitrag zur Überwindung von Instabilität und Sicherheitsdefiziten leisten. Wenn man diese Begrenzung in Rechnung stellt, gibt es für die Entwicklungspolitik wichtige und sinnvolle Möglichkeiten, um in Situationen, die von fragiler Sicherheit geprägt sind, an der Wiederherstellung von effektiver Staatlichkeit sowie dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbau in Nachkriegssituationen mitzuwirken. Dies gilt umso mehr, da internationale Friedensmissionen zunehmend komplex – also mit militärischen und zivilen Säulen – ausgerichtet sind.

Anmerkungen

1 Siehe z.B. für die deutsche Debatte das Diskussionspapier des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Zum Verhältnis zwischen entwicklungspolitischen und militärischen Antworten auf neue sicherheitspolitische Herausforderungen, Bonn 2004. Stellvertretend für die internationale Debatte: Ann M. Fitz-Gerald, Addressing the Security-Development Nexus: Implications for Joined-up Government, Institute for Research on Public Policy, Montreal 2004.
2 BMZ, Pressemitteilung vom 23.4.2004.
3 Vgl. Uschi Eid , Helmut Asche, Deutsche Interessen und Pflichten in Afrika. Thesen zu einer erweiterten Friedens- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland in Afrika, in: Frankfurter Rundschau, 27.9.2003.
4 Rat der Europäischen Union, Europäische Sicherheitsstrategie, Brüssel 2003, S. 12. Vgl. auch den Vorabdruck der Strategie in Internationale Politik, 9/2003, S. 113.

Die Autotren haben im Februar 2004 gemeinsam für das BMZ die Studie „Entwicklungspolitisch-militärische Schnittstellen: Neue Herausforderungen in Krisen und Post-Konflikt-Situationen“ erstellt (http://www.die-gdi.de)

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 11-12, November/Dezember 2004, S. 55‑58

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