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01. Nov. 2004

Entwicklungskiller

Die Konflikte in der Region der Großen Seen Afrikas sind noch weit von jeder Lösung entfernt

Über der neuen humanitären Katastrophe Darfur ist die Region der Großen Seen in Afrika aus
den Schlagzeilen verschwunden. Das heißt aber bei weitem nicht, dass dort die Konflikte gelöst
wären. Helmut Strizek zeigt ganz im Gegenteil auf, dass die Interessen der autoritären Regime von
Kongo, Ruanda, Uganda und anderen in einem bisher unentwirrbaren Knäuel verstrickt sind
und noch lange eine Entwicklung dieser Länder verhindern werden.

Ulrich Menzel fragte zu Afrika südlich der Sahara: „Woran liegt es, dass trotz dreier Entwicklungsdekaden, erheblichen personellen und finanziellen Aufwands und durchaus emanzipatorischer Absichten das Projekt ‚Entwicklung‘ in diesem Teil der Welt so brutal gescheitert ist, nur noch von der Entwicklung des Zusammenbruchs die Rede sein kann?“1 Für die Region der Großen Seen Afrikas liegt die Antwort auf der Hand: Kriege haben das mit beachtlichen Ressourcen ausgestattete, aber mit großen wirtschaftlichen Problemen kämpfende zentrale Afrika seit 1990 zerstört.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen waren nicht zwangsläufig. Sie konnten sich verselbständigen, als sich die enttäuschten „Entwicklungsmacher“ aus Ost und West nach 1990 schrittweise aus dem Staube machten und die bisher von außen garantierte „Ordnung“ des Kalten Krieges entfiel. Der Westen wies nach dem Verschwinden der „kommunistischen Herausforderung“ etwa ab 1993 den Afrikanern allein die Verantwortung für den schlechten Zustand ihrer Angelegenheiten zu und überließ sie ungeachtet einiger Entschuldungsversuche ihrem Schicksal. Dies stürzte die von Beginn an schwachen nachkolonialen Staatsbildungen in Existenznot.

Die Staatskrisen waren vorher eher verdeckt, weil Staatshaushalte mancher Staaten „bis zu 50% und mehr“ (Menzel)aus Mitteln der Entwicklungshilfe stammten und nichts ohne die guten „Ratschläge“ ausländischer Experten lief. Im Kalten Krieg war im Rahmen des so genannten Washington-Konsenses die Frage des Staates für nachrangig erklärt worden, weil sich Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) unpolitisch geben mussten und die undemokratischen westlichen „cronies“ wie Mobuto Sese Seko und Suharto nicht in Frage gestellt werden durften. Etwas ungerecht interpretiert der Politikwissenschaftler Menzel diese Ausklammerung des Politischen in seinen ansonsten brillanten Essays als „Siegeszug des Neoliberalismus in der Entwicklungspolitik“.2 Dabei war das Ködern von ökonomischen Reformschritten mit Hilfe von für die Herrschenden frei verfügbaren „Krediten für Strukturanpassung“ in Form von Warenhilfen kein liberales, weil marktfremdes und Korruption förderndes Instrument. Die Staatsstrukturen wurden von innen „angefressen“.

Erst nach 1990 wurden IWF und Weltbank halbherzig ermuntert, unter dem etwas schwammigen Begriff „good governance“ vorsichtig für demokratische Staatsstrukturen einzutreten. Für diese Vorgänge ist das zentrale Afrika ebenso typisch wie für die Folgen des überstürzten Rückzugs aus der „vierten Welt“ nach dem Ende des Kalten Krieges.

Konfliktstruktur aus der Kolonialzeit

Die an die Seeenkette im afrikanischen Graben (Tanganjika-, Kivu-, Edward- und Albert-See) angrenzenden nachkolonialen Staaten Ruanda, Burundi und Kongo/Zaire sind gleichsam auf der Flucht geboren. Belgien, das sich die Unabhängigkeit seiner „Musterkolonie“ Belgisch-Kongo nicht vorstellen konnte, behandelte Jef Van Bilsen3 noch 1955 wie einen nationalen Verräter, als er einen 30-Jahre-Plan für die Vorbereitung des Kongo auf die Unabhängigkeit forderte. Schon fünf Jahre später verließ Belgien in einer nach der Wahl von John F. Kennedy veränderten Weltlage dieses reiche Land Hals über Kopf.

Die „Kongo-Wirren“ waren fast eine zwangsläufige Folge. Die von Belgien als UN-Treuhandgebiete verwalteten ehemaligen deutschen Kolonialgebiete Ruanda-Urundi wurden 1962 als die unabhängigen Staaten Ruanda und Burundi Mitglieder der Vereinten Nationen. Die bewegte Geschichte aller drei Länder verwob sich zu einem bis heute unentwirrbaren Konfliktknäuel, vor allem als im Juli 1994 mehr als eine Million ruandische Hutu vor den siegreichen Soldaten der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) nach Ostzaire geflohen waren und später zum Auslöser des Zusammenbruchs dieses Staates geworden sind.

Als Folge der Geburtswehen des ruandischen Staates war auch Uganda integraler Bestandteil der regionalen Krisen geworden. Denn nach der Abwahl der dynastischen Ordnung 1961 in Ruanda ist ein großer Teil der damaligen ruandischen Machtelite nach Uganda geflohen und blieb bis heute – u.a. wegen persönlicher Affinität des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni mit diesen Gruppen – ein Unruheherd der ugandischen Politik. Tansania wurde 1972 nach dem Völkermord an der Hutu-Intelligenz in Burundi4 zum Refugium von Hutu-Flüchtlingen, war 1992/93 in Arusha Gastgeberland für das ruandische Machtteilungsabkommen und nahm im Sommer 1994 beim RPF-Sieg etwa 500000 ruandische Hutu-Flüchtlinge auf. Arusha ist auch Sitz des 1994 geschaffenen Internationalen Strafgerichtshofs zu Ruanda. Am selben Ort wurde unter Vermittlung von Nelson Mandela im August 2000 das Machtteilungsabkommen für Burundi vereinbart.

Die Staatsschwächen der beteiligten Länder hätten sich nicht in kriegerische Auseinandersetzungen verwandeln müssen, wäre der vom amerikanischen Außenminister James Baker und dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand 1990 beim Ende der Apartheid in Südafrika konzipierte vorsichtige Übergang von im Kalten Krieg entstandenen prowestlichen Regimen zu stärker demokratisch verankerten Staaten konsequent umgesetzt worden.5 Der überstürzte Abzug der amerikanischen Soldaten unter Präsident Bill Clinton aus Somalia im Oktober 1993 bedeutete zugleich auch eine Flucht des außenpolitisch besonders unerfahrenen neuen amerikanischen Präsidenten aus der geerbten Verantwortung für eine neue Stabilisierungspolitik im subsaharischen Afrika. In Frankreich beugte sich gleichzeitig der seit März 1993 auf die „cohabitation“ mit den Gaullisten angewiesene Sozialist Mitterrand nolens volens dem von Ministerpräsident Edouard Balladur eingeleiteten „Rückzug aus Afrika“. Das Projekt gemeinsamer amerikanisch-französischer Verantwortung für die kontrollierte und vorsichtige demokratische Umgestaltung des subsaharischen Afrikas ging somit schon Mitte 1993 zu Ende. Im Zuge der gleichzeitig aufflammenden Balkan-Konflikte geriet das subsaharische Afrika dann ganz in Vergessenheit. Im zentralen Afrika konnten vor dem Hintergrund ohnedies zerbrechlicher Staatsstrukturen Kriegshäuptlinge Chaos verbreiten.

Ausweitung zum Flächenbrand

Die bis dahin lokal begrenzten kriegerischen Auseinandersetzungen in Uganda und im Südsudan dehnten sich zum Flächenbrand aus, als Museveni an der Seite der von Großbritannien und den USA unterstützten südsudanischen Befreiungsbewegung von John Garang aktiv wurde. Museveni war 1986 mit Unterstützung der Exilruander siegreich aus einem brutal geführten Bürgerkrieg hervorgegangen. Weil sich diese Verbündeten  – u.a. da sie früher mit Idi Amin kooperiert hatten – keiner allzu großen Beliebtheit bei der ugandischen Bevölkerung erfreuten, hatte er ab den späten achtziger Jahren zur Regimestabilisierung Interesse an der Heimkehr „seiner“ Ruander. Museveni fand wegen zu erwartender positiver Auswirkungen auf sein Engagement im Südsudan für dieses Anliegen Gehör bei seinen neuen britischen und amerikanischen protestantischen Verbündeten. Von dieser Seite gab es keinen Widerstand, als Museveni den in der RPF organisierten ruandischen Rebellen Waffen für eine am 1. Oktober 1990 erfolgte Invasion in Ruanda überließ. Als der RPF-Chef Rwigyema schon in den ersten Tagen einem Attentat aus den eigenen Reihen zum Opfer fiel und auch die präsumtiven Nachfolger einige Tage später ums Leben kamen, schien – wie viele zuvor – auch dieser bewaffnete Rückkehrversuch des Tutsi-Adels Ende Oktober 1990 gescheitert.

Museveni musste den RPF-Kämpfern nochmals Unterschlupf in Uganda gewähren, verbündete sich aber sofort mit seinem zu allem entschlossenen früheren militärischen Geheimdienstchef Paul Kagamé, der sich zum Zeitpunkt der Invasion zur militärischen Weiterbildung in den USA aufgehalten hatte. Kagamé schuf die schlagkräftigste Armee in Zentralafrika und nutzte zusammen mit Museveni die Gunst der Stunde, als 1993 nach dem Amtsantritt von Präsident Clinton der zuvor von Frankreich und den USA unter Dampf gesetzte „afrikanische demokratische Zug“ entgleiste. Museveni und Kagamé empfanden ebenso wie die von der Tutsi-Minderheit in Burundi beherrschte Armee die Demokratisierung als tödliche Bedrohung. Ihre Einordnung in den Kampf gegen das 1989 in Khartum etablierte islamistische Regime wurde in Form eines gewissen Schutzes vor „demokratischer Gefahr“ durch ihre neuen Verbündeten honoriert.

Spektakulärstes Opfer der neuen Politik wurde der im Juni 1993 in Burundi gewählte Präsident Melchior Ndadaye. Mit seiner Ermordung am 21. Oktober 1993 begann die Wiederkehr der Militärregime im zentralen Afrika. Selbst der unter amerikanischem Druck schon fast von der Bildfläche verschwundene Kongo-Diktator Mobutu wurde „reaktiviert“. Ihm wurde die Rolle zugedacht, die beim endgültigen Vormarsch der RPF im Sommer 1994 (nach der Ermordung der Präsidenten von Ruanda und Burundi, Juvénal Habyarimana und Cyprien Ntaryamira, am 6. April 1994, die den Genozid an der Tutsi-Bevölkerung auslöste) zu erwartenden Hutu-Flüchtlinge6 zu entwaffnen und im Osten des Kongo (damals noch Zaire) zu dulden. Die Annahme, die Flüchtlinge würden nach kurzer Übergangszeit bereit sein, sich in die Obhut der neuen Herren in Kigali zu begeben, erwies sich jedoch als Irrtum.

Als sich Mobutus Gesundheitszustand im Sommer 1996 rapide verschlechterte, was seine politische Bedeutung minderte, so dass er die Flüchtlingslager nicht mehr ausreichend kontrollieren konnte, wurde eine Radikallösung konzipiert. Man suchte eiligst einen Mobutu-Nachfolger, der sowohl Kagamé und Museveni genehm und sich am Kampf gegen Khartum zu beteiligen bereit war. In der Person des langjährigen Mobutu-Feindes Laurent Kabila wurde man fündig. Dieser Zeit seines Lebens lumumbistische Rebell bot zudem den Vorteil, die weltweite Unterstützung nostalgischer Anhänger revolutionärer Befreiungsbewegungen à la Che Guevara für einen als „nationale Befreiung“ ausgegebenen Angriffskrieg im Kongo zu gewinnen. Dabei wurden mehrere Hunderttausend Flüchtlinge gewaltsam aus den Lagern vertrieben und fanden in den Kongo-Urwäldern den Tod.

Dem ersten Eroberungskrieg von 1996/97 zur Etablierung von Kabila in Kinshasa folgte ab dem 2. August 1998 der von Ruanda und Uganda mit Unterstützung der USA geführte zweite Kongo-Krieg7 zum Sturz des inzwischen „von der Fahne“ gegangenen Kabila. Die heiße Phase dieses Krieges, bei dem zeitweilig beachtliche Truppenkontingente aus Simbabwe, Angola und Namibia auf der Seite von Kabila kämpften, endete am 16. Januar 2001 mit dessen Ermordung. Offenbar war vor allem der angolanische Verbündete dieses unberechenbaren Nachbarn überdrüssig geworden und reichte zur Aufrechterhaltung einer Minimalordnung nach seiner Eliminierung eine hilfreiche Hand. Über die Errichtung einer stabilen neuen Ordnung kann man sich im Kreise der entscheidenden Akteure, zu denen nun auch Südafrika gehört, allerdings bis heute nicht einigen.

Sieg der Militärregime

Das zentrale Afrika könnte heute das Tal der eingangs beschriebenen „Entwicklung des Zusammenbruchs“ durchschritten haben und sich im Aufstieg befinden, hätte Clinton am 25. März 1998 in Entebbe nicht das Konzept der Förderung „wohlwollender“ Militärregime, deren Chefs man euphemistisch als „neue Generation afrikanischer Führer“ charakterisierte, festgeschrieben. Ihre Dominanz im Gebiet der Großen Seen wurde durch die Ermordung Kabilas sogar noch gefestigt. Denn sie konnten verhindern, dass die Macht im Kongo in die Hände eines die Interessen dieses rohstoffreichen Landes authentisch vertretenden Staatschefs wie etwa Etienne Tshisekedi, dem Führer der größten demokratischen Partei UDPS, gelangte. Deshalb wurde mit amerikanischer, britischer, aber auch französischer Hilfe am 19. Januar 2001 ein einflussloser – aber über ruandischen und ugandischen Segen verfügender – Niemand namens Joseph Kabila in Kinshasa etabliert.

Die „Ordnung“ in Ruanda nach dem Genozid lebt seit dem ersten Kongo-Krieg 1996/97 von der ökonomischen Erweiterung des Lebensraums um die beiden Kivu-Provinzen im Osten des Kongo. Dieses ökonomische Interesse ließe sich allerdings nicht durchsetzen, würde man es nicht als Sicherheitsinteresse zur Abwehr noch verstreut im Kongo lebender, für den Tutsi-Völkermord von 1994 verantwortlicher Interahamwe-Milizen tarnen. Die vom amerikanischen Außenminister Colin Powell inspirierte neue Afrika-Politik begann diesen Vorwand durch Sicherheitsgarantien zu entkräften. Präsident George W. Bush persönlich rang Kagamé am 13. September 2002 in New York die Zusage ab, die ruandischen Truppen aus dem Kongo abzuziehen, nachdem Powell in Luanda eine Woche zuvor mit Museveni eine entsprechende Abzugsvereinbarung für die ugandischen Truppen unterzeichnet hatte. Die USA waren zu Recht davon ausgegangen, dass nach den Vereinbarungen über eine Übergangsregierung im Kongo am 30. Juli 2002 für Ruanda und Uganda keine militärische Gefahr mehr besteht.

Der sich gleichzeitig vollziehende Bruch des „alten Europa“ mit den USA in der Irak-Frage führte dann zum Abbruch dieser Politik, weil man glaubte, die Solidaritätserklärung beider Länder mit der amerikanischen Irak-Politik honorieren zu müssen. Damit entlastete man Ruanda und Uganda, aber auch andere von Minderheiten getragene Militärregime in Subsahara, vom sich verstärkenden Demokratisierungsdruck von unten. Nur so ist zu erklären, dass Washington das „sowjetähnliche“ Ergebnis von 95 Prozent der Stimmen für Kagamé bei den Präsidentschaftswahlen vom 25. August 2003 sofort anerkannte. Auf der anderen Seite hat die amerikanische Regierung im Sommer 2003 – sogar in Kooperation mit Frankreich – die ruandischen Versuche, zusammen mit Stellvertretergruppen in der Kongo-Provinz Ituri wieder militärisch Fuß zu fassen, abgeschlagen.

Ein dritter Kongo-Krieg hatte vor der Tür gestanden, als im Juni 2004 der Ruanda nahe stehende General Laurent Nkunda8 im Ost-Kongo einen Putschversuch9 unternahm. Auch der Versuch von Azarias Ruberwa, des Vertreters der Kongo-Tutsi in der Interimsregierung in Kinshasa,10 die Übergangsmachtteilung zu sprengen, musste nach zehntägigem Boykott Anfang September 2004 unter südafrikanischer „Vermittlung“ aufgegeben werden.

Die von Ruanda unternommenen Versuche, die am Ende der Übergangsordnungen vorgesehenen demokratischen Wahlen in Burundi Ende 2004 und im Kongo im Sommer 2005 zu verhindern, sind bisher abgeschlagen worden, aber in beiden Ländern ist es gelungen, die Schaffung der Voraussetzungen für solche Wahlen zu erschweren.11 Der von Garang im Südsudan zumindest gebilligte Aufstand von zwei sehr schwachen Rebellengruppen in der Sudan-Provinz Darfur und das unermessliche Leid, das die dadurch ausgelösten Repressionsmaßnahmen der Sudan-Regierung bewirkten, hat den regionalen Friedensprozess und die danach möglichen demokratischen Reformen schwer beeinträchtigt. Ruanda hat sich im Herbst 2004 geschickt ins Spiel gebracht und behauptet, mit seinen der Afrikanischen Union zur Verfügung gestellten und von den Niederlanden finanzierten Soldaten „einen Völkermord zu verhindern“. Wer wollte bei solch hehrer Zielsetzung Kagamé in die Parade fahren und auf Öffnung seiner Diktatur drängen?12

In Uganda versucht derzeit Präsident Museveni im Gegenzug für das Angebot der Abschaffung der faktischen Monopolstellung seiner National Resistance Movement die Zustimmung der Weltgemeinschaft für eine Verfassungsänderung zur Ermöglichung einer erneuten Kandidatur im Jahr 2006 zu erhalten. Würde der Westen dem zustimmen, wäre der gesamte Demokratisierungsprozess, der Voraussetzung für einen langsamen Aufstieg in Zentralafrika ist, erneut vertagt.

Dass unter den gegebenen Umständen die für Ende 2004 in Tansania geplante Konferenz zur Erarbeitung eines Stabilitätspakts für die Region der Großen Seen zu einem tragfähigen Ergebnis führen kann, ist schwer vorstellbar. Aber auch wenn die Basis für den Aufbau legitimer staatlicher Ordnungen gelegt werden könnte, darf man sich, trotz vorhandenen Potenzials, nicht der Illusion hingeben, die „Angleichung der Lebensverhältnisse“ an den reichen Norden oder auch nur an die asiatischen Schwellenländer stünde in absehbarer Zukunft auf der Tagesordnung.

Anmerkungen

1 Vgl. Ulrich Menzel, Paradoxien der neuen Weltordnung. Politische Essays, Frankfurt 2004, S. 226.
2 Vgl. Menzel, Anm. 1, S. 198.
3 Vgl. Isidore Ndaywel è Nziem, Histoire Générale du Congo, Brüssel 1998, S. 507 ff.
4 Siehe hierzu vor allem René Lemarchand, Burundi: ethnic conflict and genocide, Washington, DC/New York 1996.
5 Für eine ausführlichere Darstellung dieser franko-amerikanischen Zusammenarbeit zwischen 1990 und 1993 wird verwiesen auf Strizek, Central Africa: 15 years after the end of the cold war, in: Internationales Afrikaforum, Heft 3/2004, S. 273–288.
6 Insbesondere auf Druck der USA wurde der Flugzeugabschuss, bei dem die beiden Präsidenten, ein wichtiger Teil der ruandischen Armeeführung und die französische Besatzung ums Leben kamen, niemals offiziell untersucht. In einem auf Veranlassung der Pilotenwitwen vom französischen Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière erstellten, bisher nicht dem Staatsanwalt zugestellten Ermittlungsbericht, dessen Inhalt aber durch die internationale Presse am 10.3.2004 bekannt geworden war, wird der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) unter Führung des heutigen Staatspräsidenten Kagamé die Verantwortung für das Attentat zugewiesen. Diese Darstellung wird auch von einer Reihe von RPF-Dissidenten, teilweise als Selbstbezichtigung, bestätigt.
7 Vgl. John F. Clark (Hrsg.), The African stakes of the Congo War, New York 2002.
8 Einer – allerdings von Kigali dementierten – Meldung der in Kinshasa erscheinenden Zeitung L’Avenir vom 4.10.2004 zufolge ist er inzwischen ums Leben gekommen.
9 In Zusammenhang mit diesem Putsch muss auch die nicht völlig aufgeklärte Ermordung von etwa 160 nach Burundi geflohenen Kongo-Tutsi am 18.8.2004 gesehen werden.
10 Vgl. zu diesem Vorgang den erklärenden Vorspann und das Interview mit Azarias Ruberwa in Jeune Afrique/L’Intelligent, Nr. 2280, 19.9.2004.
11 Am 15. Oktober 2004 ist es den Staatspräsidenten von Uganda und Ruanda in Anwesenheit des burundischen Übergangspräsidenten Domitien Ndayizeye bei einem Regionaltreffen in Nairobi gelungen, die für November 2004 vorgesehenen Wahlen in Burundi auf einen späteren, nicht festgelegten Termin verschieben zu lassen, da sie bisher nicht ausreichend hätten vorbereitet werden können.
12 Vgl. Filip Reyntjens, Rwanda. Ten years on: From genocide to dictatorship, in: African Affairs, Heft 411/2004, S. 177–210. Der belgische Professor ist aufgrund seiner Schriften zum Tutsi-Völkermord und seiner kritischen Haltung gegenüber dem früheren Habyarimana-Regime über jeden Verdacht erhaben, diese Charakterisierung des heutigen Regimes aus „Hutu-Begeisterung“ vorzunehmen.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 11-12, November/Dezember 2004, S. 80‑86

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