Titelthema

28. Okt. 2024

Das Powerhouse

Machtpolitik und Kriegssorgen, Welthandel und Wirtschaftsboom: Der Indo-Pazifik erwächst mehr und mehr zu einem globalen Kraftzentrum. Die strategische Konstellation der Großregion ist konfliktgeladen und faszinierend – und eine große Herausforderung für Europa. 

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Eine Großregion gibt Vollgas: Entwicklungen, die im Indo-Pazifik starten, werden früher oder später auch für Deutschland und Europa wichtig.
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Der Indo-Pazifik entwickelt sich rasant zum Gravitationszentrum der Welt. Auch die Europäer haben die Bedeutung der Region erkannt und eine Reihe von Strategien entwickelt. Alle diese Strategien haben eines gemeinsam: Sie wurden vor Beginn des Ukraine-­Krieges konzipiert. Seitdem hat sich Europas Rolle in der Welt dramatisch gewandelt. Schockartig wurde deutlich, wie stark das wirtschaftliche, politische und militärische Gewicht Europas gesunken ist. Nach dem Kollaps der europäischen Sicherheitsordnung müssen die Europäer ihre begrenzten Kräfte auf die Sicherung des eigenen Kontinents und die Stabilisierung seiner Nachbarschaft konzentrieren. 

Wirtschaftlich, technologisch und politisch bleibt der Indo-Pazifik aber entscheidend für die Zukunft Europas. Allerdings verdeutlichten die unterschiedlichen Haltungen vieler Staaten in der Region zu den Kriegen in Europa und im Nahen Osten, dass die Interessen und Perspektiven umworbener Partner oft nur unzureichend verstanden werden. Um strategische Partnerschaften erfolgreich zu gestalten, müssen die Europäer ein tieferes Verständnis für den Indo-Pazifik entwickeln.


Das Verhältnis der Großen Vier

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird die strategische Grundkonstellation der Region durch die Beziehungen zwischen den „Großen Vier“ – den Vereinigten ­Staaten, der Sowjetunion bzw. Russland, China und Indien – bestimmt.

Während der Hochphase des Kalten Krieges prägte der Antagonismus zwischen den USA und der UdSSR eine bipolare Weltordnung. Die blutigsten Stellvertreterkriege zwischen den Blöcken wurden im Indo-Pazifik – in Korea, Vietnam und später Afghanistan – ausgetragen. Die USA etablierten ihr „Nabe-und-­Speichen“-Bündnissystem mit Japan, ­Südkorea, Taiwan, Australien, Neuseeland, Thailand und den Philippinen, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind. Maos China orientierte sich an der Sowjetunion als großem Vorbild. Indien unter Nehru, trotz ideologischer Nähe zum Sozialismus, gründete gemeinsam mit ­Indonesien die Bewegung der Blockfreien.

Bereits gegen Ende der 1960er Jahre begann diese geopolitische Konstellation aufzubrechen. Peking und Moskau führten einen Grenzkrieg, und Henry Kissinger erkannte die Gelegenheit für eine strategische Neuausrichtung. Als Nixon nach China reiste, war der Bruch zwischen China und der Sowjetunion vollzogen. Delhi hingegen reagierte empört auf die amerikanische Unterstützung ­Pakistans im bangladeschischen Unabhängigkeitskrieg. In der Entspannungsphase des ­Kalten Krieges näherte sich Indien der Sowjetunion an, während China die Nähe zu den USA suchte. 

Nach dem Ende des Kalten Krieges dominierten die Vereinigten Staaten die unipolare Weltordnung. Russland, China und Indien kooperierten zunächst mit den USA. Mit Ausnahme der Konflikte auf der koreanischen Halbinsel und in Südasien lösten sich die alten Blöcke des Kalten Krieges zugunsten neuer Gemeinschaften auf. Vietnam, Kambodscha, Laos und Myanmar traten der ASEAN-Gemeinschaft bei. Es folgte die Hochphase der Globalisierung und der Global Governance. Trotz der Versprechen der liberalen Ordnung – Wohlstand durch wirtschaftliche Verflechtung und multilaterale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung globaler Herausfor­derungen – erwarben Indien, Pakistan und Nordkorea Atomwaffen.

Mit dem Amtsantritt von Xi Jinping änderte China seine strategische Ausrichtung. Peking fühlt sich von den USA und ihren Verbündeten eingekreist. Besonders besorgniserregend ist für China die Möglichkeit einer Blockade seiner Versorgungswege durch die Straße von Malakka. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, versucht China, durch die Seidenstraßen-Initiative nach Westen auszubrechen. Die Routen durch Myanmar und Pakistan sollen Peking Zugang zu den Energiereserven des Mittleren Ostens sowie zum europäischen Markt verschaffen.


Pekings Wettlauf mit Washington

Im Osten verfolgt China eine andere Strategie: Durch die Militarisierung des Süd­chinesischen Meeres versucht es, möglichen Gegnern den Zugang zu den Gebieten, die es als seine Einflusssphäre betrachtet, zu verwehren.

Darüber hinaus versucht Peking, die amerikanischen Inselketten zu durchbrechen, um in die strategische Tiefe des Westpazifiks vorzustoßen. Der Wettlauf mit Washington um die Gunst der pazifischen Inselstaaten ist Teil dieses geopolitischen Spieles. Während China diese Maßnahmen als defensiven Schritt betrachtet, werden sie von Japan, Taiwan und den maritimen ASEAN-Staaten als aggressive Expansion wahrgenommen. 

China greift territorial 
immer mehr aus, versteht sein Agieren aber 
als defensives Handeln

Seit der Annexion der Krim 2014 und insbesondere seit dem Angriffskrieg gegen die ganze Ukraine ist das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen wieder antagonistisch. In der heutigen Konstellation stehen also die „grenzenlosen Partner“ China und Russland den USA gegenüber. Anders als im Kalten Krieg ist Russland nun der Juniorpartner Chinas. Im Gegensatz zur Sowjetunion ist China heute wirtschaftlich eng mit dem Rest der Welt verflochten und hat ein starkes Interesse an einer offenen Handelsordnung. Heute wie damals strebt Indien danach, seine Handlungsspielräume zu maximieren, indem es feste Allianzen vermeidet. Allerdings haben die Grenzkonflikte im Himalaya Indien verprellt. Delhi fühlt sich von Peking bedroht und sucht verstärkt die Nähe zu Washington sowie den QUAD-Partnern Japan und Australien.

Abgesehen von einigen Ausnahmen versucht die Mehrheit der kleineren und mittleren Mächte in der Region, eine Parteinahme zu vermeiden. Ordnungspolitische Bipolarität, ideologische Polarisierung (Demokratie versus Autokratie), technologische Aufspaltung und handelspolitische Blockbildung werden aufgrund der hohen Opportunitätskosten abgelehnt.

Die drängende Frage, die in den Hauptstädten diskutiert wird, ist, wie nachhaltig diese Strategien des Ausgleichs sind. Könnten disruptive Ereignisse oder strukturelle Zwänge die Staaten letztlich dazu zwingen, sich entgegen ihren Interessen für eine Seite zu entscheiden.


Krieg als Zäsur?

Das dramatischste Szenario, das diese „Swing States“ unter Druck setzen würde, eine Seite zu wählen, wäre ein direkter Krieg zwischen den Großmächten. Ein denkbarer Auslöser wäre ein amerikanisch-chinesischer Konflikt um Taiwan, der rasch auf die Koreanische Halbinsel, das Südchinesische Meer und die Meerenge von Malakka eskaliert. Selbst wenn eine nukleare Eskalation verhindert werden könnte, wären die wichtigsten globalen Lieferketten schlagartig unterbrochen. 

Aktive Kampfhandlungen oder Bündnisverpflichtungen würden die amerikanischen Verbündeten Japan, Südkorea, Australien und die Philippinen in den Krieg zwingen. Auch deswegen setzen sie darauf, ihre Militärallianz mit den USA zu vertiefen. Washington ermuntert seine Verbündeten zudem, in trilateralen Formaten enger zusammenzuarbeiten. Auch Singapur, Thailand und Malaysia stünden unter Druck, sich für eine Seite zu entscheiden, während Vietnam und Indonesien zwischen die Fronten geraten könnten.


Indiens eigene Rolle

Indien würde wohl versuchen, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, könnte aber durch Kampfhandlungen im Indischen Ozean hineingezogen werden. Auch Europa würde unter Druck geraten, die amerikanischen Verbündeten zu unterstützen. Ein Konflikt in Ostasien hat das Potenzial, sich zu einem Weltkrieg auszuweiten.

Die Zusammenstöße im Ost- und Südchinesischen Meer sowie die Provokationen um Taiwan erhöhen das Risiko eines Unfalls, der eine Eskalationsspirale auslösen könnte. Doch derzeit hat keine Seite ein strategisches Interesse an einer militärischen Konfrontation. Chinas Führung muss ihre Ressourcen auf die Bekämpfung der heimischen Wirtschaftskrise konzen­trieren, die ihre Legitimität gefährdet. Ein eskalierender Konflikt, der Washingtons Aufmerksamkeit und Ressourcen auf ­China lenkt, liegt nicht in Pekings Interesse. Daher verfolgt Peking mit Sorge die russische Annäherung an Nordkorea. Denn auch Russland versucht, den amerikanischen Fokus von sich auf andere Weltregionen zu verlagern. 

Ein chinesisch-amerikanischer Konflikt um Taiwan würde die globalen Lieferketten schlagartig und nachhaltig unterbrechen

Amerika sucht noch nach seiner neuen Rolle in der Welt. Die kommende Wahl wird entscheiden, ob Primacists (amerikanische Hegemonie verteidigen), ­Prioritiser (Konzentration auf China) oder Isolationisten (America First) den Kurs bestimmen. Über Parteigrenzen hinweg herrscht jedoch Einigkeit, dass der Wettbewerb mit China hart geführt werden muss. 

Allerdings zeigen War Games, dass ein militärischer Konflikt mit China kaum gewinnbar ist. Beide Länder bereiten sich auf eine militärische Konfrontation vor, doch das Gleichgewicht des Schreckens könnte letztlich einen Krieg zwischen den Supermächten verhindern. 

Wer auch ­immer nächstes Jahr im Weißen Haus sitzt, wird schnell erkennen, dass selbst die ­Ressourcen einer Supermacht in einer Welt mit drei geopolitischen Krisenherden – Europa, dem Nahen Osten und Ostasien – begrenzt sind. Um einer Überdehnung der amerikanischen Macht entgegenzuwirken, hat sich die Biden-­Regierung für das Management der strategischen Rivalität mit China entschieden. 


Der geoökonomische Wettbewerb

Der sino-amerikanische Hegemonialkonflikt wird daher vornehmlich auf den Feldern Wirtschaft und Technologie ausgetragen. Die amerikanische „Small yard, high fence“-Strategie zielt darauf ab, Chinas Aufstieg zur technologischen Weltspitze zu verzögern. Mit der Chip 4-Allianz hat Washington Taiwan, Südkorea und die Niederlande dazu verpflichtet, sich von China zu entkoppeln. China entwickelt im Gegenzug eigene ­Halbleiter- und KI-­Technologien. Diese technolo­gische Bifurkation wird Drittstaaten hohe Opportunitätskosten auferlegen. Sollte die De-Dollarisierung der BRICS-Staaten erfolgreich sein, droht eine ähnliche Entwicklung auch im Finanzsektor.

Protektionistische Maßnahmen der OECD-Länder koppeln Marktzugänge zunehmend an politische Bedingungen. Hochverschuldete Entwicklungsländer sehen sich mit geopolitischen Konditionen konfrontiert, wenn sie Rettungspakete benötigen. Als Reaktion auf pandemie­bedingte Unterbrechungen beginnen Industriestaaten, ihre Lieferketten resilienter zu gestalten. Investitionen hängen nun auch davon ab, ob ein Standort als geopolitisch zuverlässig gilt (friend-shoring). Am Ende dieser Entwicklung könnten Handelsblöcke stehen, die sich voneinander abschotten. 

Ähnliche Abhängigkeiten bestehen im Bereich der Militärtechnologie. Länder, die in bestimmte Systeme investiert haben, sind für Jahrzehnte auf kompatible Lieferungen, Ersatzteile und Munition angewiesen. Zusammengenommen können diese strukturellen Zwänge klei­nere und mittlere Staaten im Indo-Pazifik dazu zwingen, sich für eine Seite zu ­ent­scheiden. 


Das Stemmen gegen Parteinahmen

Um diesem Risiko entgegenzuwirken, verfolgen bis auf wenige Ausnahmen die meisten Staaten der Region ­komplexe ­Hedging- und Balancing-Strategien. In Nordostasien setzt die demokratische Mongolei, eingekeilt zwischen den autokratischen Großmächten China und Russland, auf Drittnachbarpolitik, um einsei­tige Abhängigkeiten zu verringern und ihre Handlungsspielräume zu erweitern. In Südostasien verfolgen die maritimen Anrainer des Südchinesischen Meeres eine andere Strategie als Chinas Festlandnachbarn. Vor allem die Philippinen haben sich unter dem Schutz der Vereinigten Staaten für eine robuste Verteidigung ihrer territorialen Integrität gegen chinesische Vorstöße entschieden. 

Vietnam, Malaysia, Indonesien und Brunei bestehen ebenfalls auf ihren Gebietsansprüchen, verfolgen jedoch aus wirtschaftlichen oder ideologischen Gründen eine Politik des Gleichgewichts. 

Um sich nicht entscheiden zu müssen, betreiben ­kleinere Staaten Politiken komplizierten Ausgleichs 

Ma­laysia verfolgt eine Politik der aktiven Neutralität und zeigt sich offen für Geschäfte mit allen Seiten. Ziel ist es, sich im Westen als geopolitisch zuverlässiger Standort für Halbleiterindustrien zu empfehlen und zugleich chinesische Unter­nehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern, willkommen zu heißen. Malaysia kritisiert einerseits die westliche Rolle im Gazakrieg und vertieft andererseits seine Verteidigungsbeziehungen zu Australien und führt Manöver mit den USA durch. Ähnlich wie Thailand strebt Malaysia sowohl eine Mitgliedschaft im westlich geprägten OECD-Club als auch im antiwestlichen BRICS-Format an – ein Thema, das auch in Jakarta diskutiert wird. 

Singapur geht noch weiter: Während es amerikanische Marineverbände beherbergt, die im Kriegsfall die Straße von Ma­lakka sperren könnten, macht es Hongkong als Chinas Tor zur Welt Konkurrenz. Als wichtiger Knotenpunkt unterstützt Singapur offene See- und Handelswege sowie eine regelbasierte Ordnung, um die Grundlagen für seinen Wohlstand und ­seine Sicherheit zu wahren. 

Auf dem Festland haben Laos und Kambodscha ihr Schicksal eng an eine Partnerschaft mit China geknüpft. Die Militärjunta in Myanmar, aufgrund ihrer internationalen Isolation stark eingeschränkt, hat kaum andere Optionen, als mit China und Russland zu kooperieren.

Thailand, ein wichtiger Nicht-NATO-
Verbündeter, suchte unter der international geächteten Militärregierung verstärkt die Zusammenarbeit mit Peking. Heute setzt Bangkok wieder auf „Bambuspolitik“, also das geschmeidige Wiegen in den geopolitischen Stürmen, das es ihm ermöglicht hat, relativ unbeschadet durch die Kolonialzeit, den Zweiten Weltkrieg und die Indochina-Kriege zu manövrieren. 


Außenpolitische Neuausrichtung

In Thailand, Malaysia und auf den Phi­lippinen zeigt sich ein Trend, der auch auf den Malediven, in Sri Lanka und Nepal zu beobachten ist: Machtwechsel im Inneren führen zu außenpolitischen Neuausrichtungen. Vor diesem Hintergrund werden die außenpolitischen Ausrichtungen Indonesiens unter Präsident Prabowo und Bangladeschs unter der Übergangsregierung von Friedensnobelpreisträger Yunus besonders genau beobachtet.

In Südasien prägte lange der Konflikt zwischen Indien und Pakistan das Machtgefüge. Heute ist der Antagonismus zwischen Delhi und Peking – stärker noch als der sino-amerikanische Wettbewerb – prägend für die regionale Dynamik. Pakistan hat seine wirtschaftliche und politische Entwicklung eng mit dem milliardenschweren China-Pakistan Economic Corridor verknüpft. Doch Chinas Weigerung, Pakistan zu einem akzeptablen Preis vor dem drohenden Staats­bankrott zu retten, hat in Islamabad Zweifel geweckt, ob der prochinesische Balanceakt möglicher­weise zu stark in Richtung Peking gekippt ist. 

Nepal, eingekeilt zwischen Indien und China, bemüht sich, den Begehrlichkeiten seiner großen Nachbarn zu widerstehen, ist jedoch aufgrund des innenpolitischen Chaos nur begrenzt dazu in der Lage. Sri Lanka, ebenfalls politisch instabil, ist zu einem zentralen Ziel der chinesischen Expansion im Indischen Ozean geworden. Die Übergabe des Hafens von Hambantota im Zuge eines chinesischen Bail-outs hat in der Region dem Narrativ der chinesischen Schuldenfallen-Diplomatie neue Glaubwürdigkeit verliehen. Auch die Malediven sollen als maritimer Versorgungsstützpunkt in Chinas „Perlenkette“ im Indischen Ozean integriert werden. Doch auch hier durchkreuzen innenpolitische Turbulenzen die Pläne Pekings. 

Um die strategischen Partnerschaften mit Leben zu erfüllen, braucht es Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Bangladesch stand lange unter dem Einfluss Indiens. Nach dem Sturz der Eisernen Lady Sheikh Hasina dürfte auch Dhaka verstärkt nach größeren Handlungsspielräumen zwischen den Kolossen suchen. Anders als ihren südostasiatischen Nachbarn gelingt es den kleineren südasiatischen Mächten aufgrund innenpolitischer Instabilitäten oft nicht, durch flexibles ­Pendeln Abhängigkeiten zu verringern. 

Indien, frustriert wegen der politischen Instabilität in seiner Nachbarschaft, verfolgt eine Multi-alignment-Strategie mit Mächten außerhalb der Region, die darauf abzielt, vom geopolitischen Wettbewerb zu profitieren und eigene Spielräume zu maximieren. 

Ob diese Strategien des Ausgleichs langfristig Erfolg haben werden oder letztlich an äußeren Ereignissen und strukturellen Zwängen scheitern, ist die entscheidende Frage im Indo-Pazifik.


Die Rolle Europas

Und genau hier wird in der Region die Rolle Europas gesehen. Die Versuche der Europäer, die Staaten des Globalen Südens im Konflikt mit Russland auf die Seite des Westens zu ziehen, wurden zurückgewiesen. Ein Europa jedoch, das sich nicht als bloßer Erfüllungsgehilfe der USA im Hegemonialkonflikt mit China positioniert, sondern im Rahmen klarer Westbindung als lösungsorientierter Partner in der Mitte auftritt, würde im Indo-Pazifik mit offenen Armen empfangen. 

Es ist in der Region kein Geheimnis, dass die Europäer weder einzeln noch kollektiv über die militärischen Kapazitäten verfügen, um den teilweisen Rückzug der Amerikaner aus Europa zu kompensieren. Sicherheitspolitische Muskelspiele im Indo-Pazifik werden daher als bloße Symbolpolitik belächelt. Dennoch bleibt Europa sowohl wirtschaftlich als auch technologisch ein geschätzter Partner. Auch politisch wird eine Zusammenarbeit bei der Stärkung internationaler Regeln und der gemeinsamen Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Pandemien angestrebt.

Um die strategischen Partnerschaften mit Leben zu erfüllen, muss die Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfolgen. Das bedeutet, dass Europa Einfluss in multilateralen Institutionen abgibt, um den aufstrebenden Mächten eine angemessene Aufwertung zu ermöglichen. Zudem sollte Europa seine moralisierenden Belehrungen beenden und sich darauf besinnen, dass die im Indo-Pazifik hochgehaltenen westfälischen Prinzipien von Souveränität, Nichteinmischung und territorialer Integrität einst in Europa ihren Ursprung hatten.    

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November/Dezember 2024, S. 18-24

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Marc Saxer leitet das Projekt Geopolitik und Weltordnung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Asien/Pazifik. Er ist Mitglied der SPD-Grundwertekommission.

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