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01. Juni 2007

Bewegte Geschöpfe

Technologie

Die Entwicklung der Roboter schreitet voran. Nun sollen sie auch
Gefühle zeigen

Pleo, das süße grüne Dino-Tier, erinnert ein wenig an Urmel aus dem Eis. Nach dem Sony-Hund Aibo und allerlei anderem Elektro-Getier markiert der Kleinsaurier den nächsten Schritt in die Zukunft. Ein Roboter, der neue Interaktion und damit mehr Emotion bietet. Er gedeiht, wenn man gut zu ihm ist. Je mehr man sich kümmert, desto besser. Pleo kommt in die Pubertät (und jault den Mond an), er hat einen Stimmbruch (der Dino-Sound sackt um eine Oktave). Er wird erwachsen. Das Konzept erinnert ein wenig an die gefürchteten Tamagotchis, die vor einem Jahrzehnt „in“ waren – jene eiförmigen Minicomputer, die man stets füttern, pflegen und unterhalten musste.

Die Hightech-Spielzeugbranche ist nur ein kleiner Zweig des wachsenden Geschäfts. Roboter marschieren auch in den Fabriken voran, in der Forschung, im Krankenhaus und ganz besonders zackig beim Militär. Bei einer großen Untersuchung vor drei Jahren wurden weltweit gut 600 000 Haushaltsroboter gezählt. „Valerie, die Superfrau“ etwa, die Weihnachtsinnovation 2004, die Geschirr und Wäsche waschen, Glühbirnen auswechseln, Sportergebnisse aufsagen, Flugtickets buchen und im Notfall sogar die Polizei rufen kann. Hinzu kamen hunderttausende Unterhaltungsroboter und Millionen Industrieroboter. Es werden zügig mehr. Roboter schwimmen unter Wasser und kraxeln über den Mars. Im besonders technologiebegeisterten Japan hofft man gar, die mit der rapiden Überalterung einhergehenden Probleme der Pflege und Fürsorge an Maschinenmenschen übergeben zu können.

Woran hapert es? Zum einen an der Ausstrahlung. Mehr Gefühl!, könnte ein Schlachtruf der Roboterforschung lauten. Wiewohl es auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist, dass künstliche Wesen mit „echten“ menschlichen Empfindungen werden aufwarten können, so soll es doch zumindest immer mehr so aussehen. In Tokio bestaunte ich vor Jahren schon einen „Ausdrucks-Roboter“ – eine lustige Fratze, die sich nach Stimmungslage verfärbte: Bei Zorn wurde sie rot, bei Furcht blaugrün. Auf Wärme reagierte sie verärgert, auf Streicheleinheiten positiv. Wenn es gar nichts zu spüren gab, ging das System in den Schlafmodus. Das modernere amerikanische Pendant heißt „Leonardo“, ein Roboter, dessen über 70 Motoren diffizile Bewegungen an Armen, Hals, Augen und Ohren steuern. Auch er soll Emotion per Körpersprache vermitteln, kann den Kopf schütteln und mit den Schultern zucken.

Können Roboter unsere Herzen erobern? Einen sehr direkten Weg geht da der Heart Lander, ein nur 20 Millimeter großes, mit zwei Saugfüßen versehenes Ding, das bis zu 18 Zentimeter pro Minute schafft – krabbelnd auf dem menschlichen Herzen. Dort gelangt es mithilfe einer so genannten Schlüsselloch-Operationstechnik. Der Operateur steuert es per Joystick, kann mit ihm Medizin lokal verabreichen oder andere Gerätschaften montieren. Auf den schlagenden Herzen lebender Schweine ist der Miniroboter der Carnegie Mellon University in Pittsburgh bereits erfolgreich aktiv geworden.

Die Kunst-Geschöpfe sind beeindruckend. Beim „RoboCup“, der alljährlichen Fußball-WM der Roboter, treten immer imposantere Teams an. Dennoch scheint die Technologie noch immer ganz am Anfang zu stehen. Allzu vertrackt sind oft die Herausforderungen. An jeder läppischen Bewegung muss eine Schar von Topexperten ewig tüfteln. Das nervt die Forscher. Selbst Würmer können sich wunderbar vielseitig bewegen, stöhnen sie, wiewohl die Biester höchst selten promoviert haben. Fieberhaft wird nach simplen Grundregeln gesucht, die elegante Bewegungen hervorbringen. Eleganz ist überhaupt das Zauberwort.

Die Tierwelt dient hier als Inspiration. Man ahmt die Bewegungen der Raupe nach, baut künstliche Hummer, Salamander, Schlangen und Gecko-artige „StickyBots“, die an Glasscheiben hinauflaufen können. Sechs- bis Achtbeiner sind in Mode. Wissenschaftler studieren den Lauf von Spinnen und Kakerlaken in Super-Zeitlupe – um zu begreifen, wie diese selbst auf schwierigem Terrain so flott vorwärts kommen. Man könnte solche Krabbelkünstler für Rettungsaktionen einsetzen. Und für hundert andere Zwecke. Der amphibische Roboter Aqua etwa, auch ein Sechsbeiner, der, so lesen wir in der Fachpresse, „wie eine überdimensionierte Faxmaschine“ daherkommt, soll Korallenriffe untersuchen helfen.

Britische und amerikanische Militär-Forscher arbeiten an künstlichen Fluginsekten – bis zu 19 Gramm schweren „Robobugs“. Die Technologie ist sehr anspruchsvoll. Zumal man erst seit wenigen Jahren überhaupt weiß, wie Insekten vom Boden kommen. Motten im Windkanal zeigten es in der Detailaufnahme. Sie schlagen die Flügel herunter und zugleich vorwärts, rotieren sie dann nach hinten und oben. Und erzeugen so kleine Wirbelwinde, die den Auftrieb deutlich vergrößern. Das Militär fördert auch die Entwicklung so genannter „ChemBots“ – -Roboter, die ihre Gestalt verändern und sich etwa durch kleinste Ritzen zwängen können. Rustikaleres Gerät findet sich längst auf den modernen Schlachtfeldern. Schon sind als Kundschafter, Bombenentschärfer und zur Bergung Verwundeter tausende „PackBots“, „Talons“ und „LandSharks“ im Einsatz. In Taiwan wurde unlängst ein neuer Sicherheitsroboter vorgestellt, der „SeQ-1“, mit sehr wendigem Kopf und leuchtenden LED-Augen. Der werde, verkündete ein Sprecher stolz, schon bald für die nationale Sicherheit aktiv.

TOM SCHIMMECK, geb. 1959, schreibt als freier Journalist über Politik und Wissenschaft für Zeitungen, Magazine und fürs Radio.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, Juni 2007, S. 140 - 141.

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