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01. März 2007

Limit im Kopf

Technologie

Seit Jahren verspricht die Automobilindustrie technologisch ganz neue, umweltfreundliche, spritsparsame Autos. Wo bleiben die?

Wenn man in alten Ausgaben blättert, bemerkt man bald das beinahe aufreizend langsame Tempo, mit dem sich das umweltverträgliche Auto seiner Verwirklichung nähert. Gewiss, Mercedes werkelte schon Anfang der achtziger Jahre an einem Kleinwagen. VW präsentierte zum Ende dieses Jahrzehnts einen Öko-Golf. „Beim Elektroauto“, erkannte 1993 ein schlauer BMW-Chef namens Pischetsrieder, „ist das Problem die Batterie.“

Das ist es heute noch. Im Rückblick beschleicht einen das Gefühl, als hätten die Lenker der Automobilindustrie viel Energie investiert, damit alles Neue problematisch bleibt. Und also alles wie es immer war. Natürlich durften die Ingenieure weitertüfteln. Volkswagen bescherte uns 2002 gar das „1-Liter-Auto“, ein Wundergefährt aus Alu, Magnesium, Titan, Spezialplastik und Karbonfaserverbundwerkstoff; mit 1-Zylinder-Saugdiesel-Direkteinspritzer und „Rekuperation“, sprich: Wiedergewinnung der Bremsenergie. Das Ding wog nur 290 Kilogramm. Herr Piëch kutschierte es höchstselbst von Wolfsburg nach Hamburg, verbrauchte dabei, oh Jubel, nur 0,89 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Doch die Stückzahl blieb eins. Die tolle Kiste ward nie wieder gesehen.

Seit Jahrzehnten tagt man in illustren Runden „zur Zukunft des Öko-Autos“. Gern ventiliert die Industrie hier Visionen, zeigt auch gelegentlich, was machbar wäre. Um doch nur wieder neue Saurier auf die Straße zu werfen, noch größer, schwerer, potenter. Die Logik: Immer bessere Motoren verbrauchen immer weniger Kraftstoff. Also investieren wir die Einsparung in noch mehr Pferdestärken. Die Begründung: Der Kunde will es so. Muss man sie zum Jagen tragen? Die Automobilmacher, seufzte einst der Molekularbiologe Frederic Vester, seien „simple Gemüter“, die „wie hypnotisierte Kaninchen“ auf die Konkurrenz gucken. „Wenn die deutschen Autobauer weiter auf Sprit schluckende Modelle setzen“, urteilt Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentralen, „schaden sie den Verbrauchern und über kurz oder lang sich selbst.“

Wahr ist: Der Deutsche hat zum Auto ein zutiefst irrationales Verhältnis. Das Ego vieler Männer bleibt an den Hubraum ihrer Fahrzeuge gekoppelt. Wir sind, sieht man von der Isle of Man und abgelegenen Ecken Nordaustraliens ab, das einzige vermeintlich zivilisierte Land ohne Tempolimit. Weshalb es Verrückte aller Länder auf die deutschen Autobahnen lockt, um einmal im Leben richtig auf die Tube zu drücken. „Indeed, I was in Germany to experience Fahrvergnügen“, schreibt ein Begeisterter.

Dem Gelände-Benz G500, einem jener vierradgetriebenen Superboliden, mit denen sich zahlungskräftige Großstädter so gern über den automobilen Plebs erheben, wurde in Paris übrigens schon 2004 der „Tuvalu-Preis“ verliehen – benannt nach jenem pazifischen Inselstaat, der bei fortschreitender Erderwärmung als erster abzusaufen droht. Londons Bürgermeister Ken Livingstone bezeichnet die stolzen Eigner solcher Offroader als „komplette Idioten“, der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger sieht eine Parallele zum Kampfhund – wegen des offenbar ersehnten Überlegenheitsgefühls. Besonders augenfällig wird dieser Zusammenhang beim amerikanischen „Hummer”, der zivilen Variante des seit „Desert Storm“ berühmten „Humvee“ – einem Militärtransporter, der Soldaten transportieren und auch als mobile Raketenabschussrampe dienen kann. Der fast drei Tonnen schwere „Hummer“ ist enorm beliebt in den USA. Manchen gilt der Besitz eines solchen Panzers gar als „patriotisch“. Doch das ist eher ein Sujet für Psychologen.

Was geht technisch? Schon eine ganze Menge. Es gibt bessere Materialien, Reifen, intelligentere Motoren, Bioantriebsstoffe. Interessanter sind die „Brückentechnologien“, die uns helfen auf dem Weg in eine bessere automobile Zukunft. Hybridfahrzeuge etwa, die den Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor kombinieren, der immer mehr Fahralltag übernimmt und die überschüssige Energie beim Bremsen gleich in den Akku zurückfüttert. Toyota baut so etwas. Die Probleme hier: der Energiespeicher, vulgo: die Batterie. Und die Stromquellen. Ideal wäre es, wenn dereinst sehr viel leistungsfähigere Batterien den flüchtigen Strom aus Wind- und Sonnenenergie speichern könnten. Auch die heiß ersehnte Brennstoffzelle kommt allmählich voran. Mercedes etwa will zwischen 2012 und 2015 ein Brennstoffzellenfahrzeug in Serie gehen lassen. Honda kommt mit seinem FCX in den USA und Japan nächstes Jahr auf den Markt.

Die Zeit drängt. Auch der Letzte hat begriffen, dass der Klimawandel in vollem Gange ist. Dennoch inszenierten die Bundesregierung und die deutsche Autoindustrie Anfang des Jahres einen heftigen Abwehrkampf gegen schärfere CO2-Grenzwerte der EU. Auf dem Höhepunkt deklamierte Erwin Huber: „Die Deutschen dürfen von Brüssel nicht zu einem Volk von Kleinwagenfahrern degradiert werden.“ Fakt ist: Die Industrie hat strengere Regeln bislang mit einer Selbstverpflichtung verhindert, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß bis 2008 auf 140 Gramm je Kilometer zu senken. Damit wird sie scheitern. Sagt selbst der ADAC. Schlussfolgerung: Das Tempolimit für die Forschung muss aufgehoben, der politische Druck drastisch verschärft werden. Sonst prescht die schnellere Konkurrenz aus Japan auch technologisch endgültig davon.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, März 2007, S. 112 - 113.

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