„Zombiestaat“ Nordkorea
Zum Umgang mit schlecht regierten Staaten
Als ein Fallbeispiel für „bad governance“ bietet sich Nordkorea an. Der Trierer Politikwissenschaftler stellt die Frage, wie die internationale Staatengemeinschaft mit einem Land mit pervertierter Form von Staatlichkeit (institutionelle Verkrustung, Korruption und eine tyrannische Staatsführung) umgehen kann, und identifiziert mehrere Modelle, mit denen ein „Zombiestaat mit Massenvernichtungswaffen“ eingebunden bzw. geködert werden kann.
Die Demokratische Volksrepublik Korea ist eine lebendige Paradoxie, ein zutiefst unzeitgemäßes politisches Gebilde. Anschaulich wird das, wenn man sich nächtliche Satellitenaufnahmen von Nordostasien betrachtet: Nordkorea erscheint da – im Kontrast zu dem von den Lichtern der modernen Industriegesellschaft aufgehellten Süden, den Küstenregionen Chinas und dem japanischen Archipel – als „schwarzes Loch“. Nordkorea lebt buchstäblich und im übertragenen Sinne im Dunkeln, es hält sich aus den Netzwerken der Globalisierung heraus und kultiviert den Anspruch der Autarkie.
Davon profitiert das gegenwärtige Regime, das an Brutalität und schierer Bizarrheit seinesgleichen sucht: kaum vorstellbar, dass diese Ordnung in einer offenen Gesellschaft überlebt hätte. Den Preis für diese „bad governance“ aber zahlt die Bevölkerung Nordkoreas, deren Lebenschancen durch das Regime empfindlich beeinträchtigt und oft auch zerstört werden und die obendrein in einem kaum vorstellbaren Maße indoktriniert und brutalisiert wird. Was ihr dafür als Gegenleistung angeboten wird, ist ideologisch aufgeladener Stolz auf die „Errungenschaften“ ihres Landes und ihre Selbstbehauptung gegen den Süden und die Weltmacht USA.
Paradox ist allerdings nicht nur die Existenz Nordkoreas als isoliertes Außenwerk in einer sich globalisierenden Welt, sondern auch sein Überleben als eigenständiger Staat. Zahlreiche Experten und zeitweilig auch die Korea-Politik der USA und Südkoreas gingen schon Mitte der neunziger Jahre davon aus, dass der nordkoreanische Staat binnen weniger Jahre zusammenbrechen und vom Süden aufgesogen würde.1 In der Tat fällt es schwer, dem nordkoreanischen Staat auf längere Frist – etwa bis zum Jahr 2020 – Überlebensperspektiven zuzugestehen: Dieser Staat ist in vieler Hinsicht bankrott und zugleich unfähig zu Veränderungen, die Zukunftsperspektiven eröffnen würden.
Diese Einschätzung beruht vor allem auf dem massiven wirtschaftlichen Versagen Nordkoreas, dessen Wirtschaftsaktivität sich von 1990 bis 1996 nach nordkoreanischen Angaben halbiert hat; der Schrumpfungsprozess setzte sich auch danach weiter fort. Erst in den letzten beiden Jahren konsolidierte sich die Wirtschaftslage mit westlicher, vor allem südkoreanischer Hilfe auf äußerst niedrigem Niveau.2 Im Gefolge dieser wirtschaftlichen Talfahrt kam es zu chronischen Hungersnöten und dem Zerfall des Gesundheitswesens. Der Kontrast zwischen der Verelendung, Ausbeutung und brutalen Repression dieser Bevölkerung mit dem attraktiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegenmodell Südkorea war schärfer kaum vorstellbar.
Staatlicher Zusammenhalt
Was ermöglicht diesem Staat, trotz krassen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Versagens weiter zu funktionieren? Auffallend ist zunächst, wie stark ausgeprägt die koreanische Staatsidee in Nordkorea ist: Die DVRK versteht sich als Erbe der Jahrtausende alten koreanischen Staatstradition und als einzig legitime Repräsentantin der koreanischen Nation; das Regime beansprucht dabei für seine politische Ordnung auch Vorbildcharakter. Mit dieser Staatsideologie – einer synkretistischen Mischung aus marxistisch-leninistischen, stalinistischen und eigenständigen, z.T. quasireligiösen Elementen – verknüpft sich ein Kult um den Staatsgründer Kim Il Sung und seinen Sohn und Erben, Kim Jong Il. Dieser Personenkult verleiht dem Regime Züge einer staatlich organisierten Sekte.
Angesichts seiner personalisierten Herrschaftsordnung ist Nordkorea zugleich aber auch ein permanent überlastetes System: Alle wichtigen Entscheidungen bedürfen offenbar mindestens der Zustimmung, wenn nicht der Anordnung durch Kim Jong Il. Damit ist diese politische Ordnung zwar möglicherweise hoch belastbar, aber zugleich höchst brüchig: Werden die Toleranzgrenzen der Belastung überschritten, dürfte dieses System zu erfolgreicher Anpassung unter Krisenbedingungen kaum fähig sein. Es fehlen zudem fast alle Mechanismen zur präventiven Entlastung des Systems durch kontrollierte Innovation: Jede Form von Reform- und Öffnungspolitik (etwa nach dem Vorbild der wirtschaftspolitischen Reformen der Volksrepublik China, wie sie Pjöngjang von der chinesischen Führung nahe gelegt wird) birgt politische Risiken für die heutige politische Ordnung.
Was den Staat unter diesen Voraussetzungen zusammenhält, ist letztlich Repression und nackte Gewalt. Seine Funktion besteht heute praktisch ausschließlich darin, das Überleben und den Herrschaftsanspruch des Regimes nach innen und außen zu sichern. Allein die Ausgaben für die Streitkräfte verschlingen mindestens ein Viertel des BSP, hinzu kommen die für die Sicherheitsdienste und den internen Repressionsapparat.3 Der Staat leistet sich mit über einer Million Soldaten unter Waffen die viertgrößten Streitkräfte der Welt (nach den USA, China, Russland und Indien).4 Diese Gewaltapparate sind zudem mit technologisch anspruchsvollen Sicherheits-, Waffen- und Rüstungstechnologien ausgestattet, darunter atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen und weit reichenden Raketensystemen.5
All dies ist aufwändig: Um die notwendigen Mittel zum Unterhalt des Machtapparats und des Militärs aufzubringen und darüber hinaus die wirtschaftliche und gesellschaftliche Infrastruktur sowie die Minimalversorgung eines hinlänglichen Teiles der Bevölkerung zu gewährleisten, muss der Staat Devisen erwirtschaften bzw. in anderer Form Ressourcen aus dem Ausland mobilisieren. Traditionell geschah dies durch Überweisungen der auf Nordkorea ausgerichteten koreanischen Minderheit in Japan,6 durch Rüstungsexporte sowie durch staatlich organisierte Kriminalität (etwa den Zigaretten- und Drogenschmuggel durch koreanische Diplomaten sowie Falschmünzerei).7
Die Systemkrise Nordkoreas in den neunziger Jahren beeinträchtigte freilich auch einen Teil dieser Einnahmequellen. Insbesondere die Überweisungen aus Japan gingen in dem Maße stark zurück, in dem Nordkorea bei der koreanischen Minderheit in Japan an Rückhalt einbüßte.8 Hinzu kam der Wegfall der sowjetischen Unterstützung und die Öffnung der VR China hin zu Südkorea, die Chinas Bereitschaft, Nordkorea finanziell durch Energie- und Lebensmittellieferungen zu Sonderkonditionen über Wasser zu halten, abschwächte.9 Nordkorea sah sich deshalb veranlasst, nach anderen Möglichkeiten der externen Finanzierung des Systems zu suchen. Dabei schälten sich folgende Erpressungsstrategien heraus: Die erste Strategie nahm die eigene Bevölkerung gewissermaßen in Geiselhaft und stellte die Staatengemeinschaft vor die Alternative, das Überleben der Teile der nordkoreanischen Bevölkerung, die sich durch das Desaster der nordkoreanischen Landwirtschaftspolitik strukturell vom Hungertod bedroht sahen, durch Nahrungsmittelhilfe (und auch durch die Unterstützung des maroden Gesundheitssystems) sicherzustellen oder ihren Tod in Kauf zu nehmen.
Die zweite Strategie setzte auf die Erpressung der Staatengemeinschaft durch die „Geiselnahme“ der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Ein neuer Krieg auf der koreanischen Halbinsel würde zwar aller Voraussicht nach mit der Zerstörung des nordkoreanischen Staates und der Vereinigung mit dem Süden enden, doch würde Seoul – und damit ein Viertel der südkoreanischen Bevölkerung – aufgrund ihrer Grenznähe mit größter Wahrscheinlichkeit schwerste Zerstörungen erfahren. Eine dritte Strategie zielt auf andere Nachbarstaaten und die Staatengemeinschaft insgesamt: Nordkoreas Massenvernichtungswaffen und seine weit reichenden Trägersysteme bedrohen inzwischen auch Japan, und ihr Export in andere Regionen (etwa Südasien oder den Nahen und Mittleren Osten) gefährdet die Sicherheit weltweit.
Erfolgreiche Erpressung
Dass Nordkorea mit diesen Drohungen in der Tat Ressourcen mobilisieren kann, zeigt die Errichtung zweier von Südkorea finanzierter Kernkraftwerke und die Lieferung von Schweröl in einer Größenordnung von insgesamt rund 4,6 Milliarden Dollar hauptsächlich durch Südkorea, Japan, die USA und die Europäische Union im Gegenzug gegen die Stilllegung und, perspektivisch, auch die Aufgabe des nordkoreanischen Kernwaffenprogramms und seiner Nuklearanlagen.10
Mit Hilfe dieser Strategien konnte sich der nordkoreanische Staat bislang nach innen und nach außen erfolgreich behaupten, obwohl seine eigentlichen wirtschaftlichen Fundamente längst zusammengebrochen sind und er über keine Zukunftsperspektive mehr verfügt. Nordkorea ist jedoch kein „gescheiterter Staat“ im Sinne gängiger Taxonomien, die auf die Erfahrungen mit zerfallender Staatlichkeit mit vormodernen Vorzeichen vor allem in Afrika und Lateinamerika abheben.11 Es handelt sich bei Nordkorea vielmehr um eine pervertierte Form von Staatlichkeit, eine evolutionäre Sackgasse der modernen Staatsentwicklung, in der sich durchaus auch andere Staaten finden oder bald finden könnten – etwa Irak, Algerien oder die Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Zentralasien.
Bad Governance
In diesen „Zombiestaaten“ sind Staat und Regime faktisch weitgehend deckungsgleich, die ökonomischen Grundlagen des Staates beruhen auf der Ausplünderung der Bodenschätze und der Bevölkerung, auf transnationalen kriminellen Aktivitäten (mit Querverbindungen zur organisierten internationalen Kriminalität) und auf der Mobilisierung externer Ressourcen mit dem Verweis auf die Verantwortung der Staatengemeinschaft für die Konsequenzen des Staatsversagens für die eigene Bevölkerung. Zombiestaaten überlassen wichtige Funktionen moderner Staatlichkeit externen Akteuren (wie Nichtregierungsorganisationen, internationalen Organisationen und den bilateralen Hilfeleistungen anderer Regierungen), um die verfügbaren Ressourcen auf die aus Sicht der Regime zentrale Aufgabe zu konzentrieren: die Absicherung der bestehenden Machtverhältnisse.
Dies geschieht nicht nur durch Repression im Innern oder Erpressung, sondern auch durch gezielte Kooperationsangebote, etwa an die Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus: Im Gegenzug für die Bereitstellung von Stützpunkten, Geheimdienstinformationen und Unterstützung beim Vorgehen gegen tatsächliche oder angebliche internationale Terrororganisationen lassen sich so Hilfsgelder und politische Duldung bzw. vielleicht sogar die aktive Unterstützung der bestehenden innenpolitischen Ordnung erreichen. All diese Aktivitäten können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zombiestaaten wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell-ideologisch nicht mehr lebensfähig sind.
Umgang mit Zombiestaaten
Wie können die Nachbarn, wie die Staatengemeinschaft mit Zombiestaaten wie Nordkorea umgehen? Idealtypisch lassen sich folgende mögliche Reaktionen unterscheiden: Eindämmung und Quarantäne; Subversion; Konfrontation sowie Sozialisierung.
Eindämmung/Quarantäne: Bei dieser Strategie geht es darum, die mit Zombiestaaten verbundenen Risiken zu kontrollieren und zu verringern. Eine kluge Politik der Eindämmung braucht allerdings nicht nur die Fähigkeit zu robuster Selbstverteidigung und auch zur Abschreckung des Zombiestaats bzw. seiner Machthaber (wobei Abschreckungsfähigkeit auf den Herrschaftsapparat und den inneren Zirkel der Machthaber zielen muss; Abschreckungsstrategien, die auf die Bevölkerung des Zombie gerichtet sind, gehen an den politischen Realitäten vorbei). Sie muss sich auch um Konfliktprävention bemühen, wobei grundsätzlich zwei unterschiedliche Typen von Szenarien zu berücksichtigen sind: Szenarien eines gewaltsamen „Ausbrechens“ bzw. einer ungewollten, aber nicht eindämmbaren Gewalteskalation, und Szenarien der (allmählichen oder, wahrscheinlicher, krisenhaften) Implosion des Staates, die im Falle Nordkoreas zu einer raschen Vereinigung mit dem Süden führen dürfte.
Subversion: Die zweite Strategie setzt darauf, Veränderungen im Innern des Zombiestaats gezielt herbeizuführen – sei es im Sinne innerer Reformen oder der Erschütterung der Herrschaftsordnung. Die Chancen dieser Strategie sind im ersten Falle abhängig von den Innovationspotenzialen des Systems, die jedoch bei Zombiestaaten in aller Regel sehr eng begrenzt sind. Im zweiten Falle hängen sie ab von der Fähigkeit des Regimes, Opposition rechtzeitig zu identifizieren und zu zerschlagen bzw. Einfallstore des politischen Wandels konsequent zu schließen. Auch hier ist Skepsis angebracht, zumal der Zombiestaat die Risiken der Subversion kennt, genau beobachtet und Gegenstrategien entwickelt.
Konfrontation: Diese Strategie zielt darauf ab, den Zombiestaat möglichst rasch zu eliminieren. Die ihr zugrunde liegende Logik hebt darauf ab, dass die vom Zombiestaat ausgehenden Risiken und die Kosten ihrer Beseitigung in Zukunft noch höher sein werden als in der Gegenwart. Ob dies zutrifft, entzieht sich aber letztlich der Überprüfung; diese Strategie wird also politisch bestenfalls dann sinnvoll und rational sein, wenn die Risiken der Konfrontation begrenzt sind. Für Nordkorea trifft dies nicht zu.
Sozialisierung: Weil die Risiken unkalkulierbar sind, sind die bislang skizzierten Strategien insgesamt wenig tauglich bzw. unzureichend, um mit den von diesem Staat ausgehenden Risiken angemessen umzugehen – wie im Falle Nordkoreas. Unter diesen Umständen gibt es für die Staatengemeinschaft insgesamt und für die Nachbarn von Zombiestaaten im Besonderen kaum Alternativen zu einer Politik der Sozialisierung. Diese zielt darauf ab, das betreffende Land durch Anreize und Einbindung geduldig aus seiner prekären Situation herauszulösen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Regime in Nordkorea von der gegenwärtigen Lage profitiert und diese grundsätzlich auch verewigen möchte. Dies bedeutet, dass eine Politik der Sozialisierung Verknüpfungsstrategien benötigt, die auch gezielte, konditionierte Anreize für die Machthaber einbeziehen. So kann es politisch sinnvoll sein, die politischen Exponenten eines Zombiestaats mit bedingten Zusagen (Amnestie, materielle Absicherung) zu „ködern“.
Welche Köder?
In der Praxis kommen gegenüber Nordkorea gegenwärtig vor allem zwei Strategien zum Tragen: die „Sonnenscheinpolitik“ der gegenwärtigen südkoreanischen Regierung unter Staatspräsident Kim Dae Jung und die Korea-Politik der amerikanischen Regierung unter Präsident George W. Bush. Beide Politiken verbinden Elemente der Eindämmung mit solchen der Beschwichtigung; beide beinhalten robuste Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit ebenso wie Nahrungsmittelhilfe und andere Formen der humanitären und wirtschaftlichen Hilfslieferungen. In ihren Mischungsverhältnissen und den weiteren Komponenten unterscheiden sich diese beiden Strategien allerdings deutlich: Die „Sonnenscheinpolitik“ verbindet die genannten Elemente mit Komponenten der Sozialisierung, wie Bestandsgarantien für Nordkorea (und damit auch für seine gegenwärtige politische Ordnung), Anreize zur Kooperation und Bemühungen um Reformen von innen und die Aufweichung der Trennung der beiden Gesellschaften. Diese Politik verzichtet bewusst auf konfrontative Elemente (außer in Reaktion auf Provokationen). Sie setzt auf die Wandlungsfähigkeit des Staates im Norden und sein Interesse an friedlicher Annäherung.
Die Korea-Politik der Regierung Bush – von Beobachtern inzwischen als „hawk engagement“ bezeichnet – setzt dagegen auf die Verbindung von Kooperationsangeboten mit einer Erhöhung des Drucks auf Nordkorea.12 Diese Politik zielt darauf ab, Nordkoreas Verhalten international zu delegitimieren und eine breite Koalition gegen den Staat zu schmieden, um so eine zukünftige Konfrontation zu bestehen bzw. längerfristig den Zusammenbruch des nordkoreanischen Staats herbeiführen zu können. Faktisch allerdings scheint die Bush-Regierung in ihrer Korea-Politik gespalten zwischen den Befürwortern einer Konfrontation und denjenigen, die eher der Strategie der Eindämmung und Quarantäne zuneigen.13
Wie immer sich die beiden wichtigsten Protagonisten im Umgang mit Nordkorea, China und die USA, in Zukunft orientieren werden: der Umgang mit Zombiestaaten wirft für die Staatengemeinschaft eine Reihe schwieriger Fragen und neuer Risiken auf. Hierzu zählen nicht nur die spezifischen Probleme des angemessenen Umgangs mit Zombiestaaten, die Massenvernichtungswaffen bereits besitzen oder im Begriff stehen, diese zu entwickeln, und damit zukünftige Risiken und Kosten einer Konfrontation nach oben treiben. Hinzu kommen auch die Auswirkungen der Verbindung von alten (staatlichen) Einschüchterungen mit neuen Bedrohungen (organisierte Kriminalität, internationaler Terrorismus), die von Zombiestaaten forciert werden.
Nicht zuletzt zählt zu diesen Schwierigkeiten auch die Frage, wie in Gesellschaften, die oft jahrzehntelang unter der Last dieser pervertierten Formen moderner Staatlichkeit zu leiden hatten und dementsprechend schwere Schäden davongetragen haben, funktionierende moderne bzw. postmoderne14 Staatlichkeit aufgerichtet werden kann. In aller Regel wird dies wohl nur durch umfangreiche Hilfestellung von außen möglich sein, also entweder durch die Übernahme eines Zombiestaats durch einen funktionsfähigen Staat (im Falle Nordkoreas durch Südkorea) oder durch Protektoratslösungen der Staatengemeinschaft.
Eine erweiterte Fassung dieses Beitrags ist als PDF-Datei zu finden unter: <http://www.deutsche-aussenpolitik.de/publications/tazip/tazip6.pdf>.
Anmerkungen
1 Vgl. etwa Nicholas Eberstadt, The End of North Korea, Washington, DC, 1999.
2 Vgl. Marcus Noland, Avoiding the Apocalypse. The Future of the Two Koreas, Washington, DC, 2000, S. 82.
3 Das nordkoreanische Militär unterhält offenbar ausgedehnte eigene wirtschaftliche Aktivitäten und bildet damit ein System der „Autarkie in der Autarkie“ (Noland); zu diesen Aktivitäten gehören vermutlich auch die umfangreichen Rüstungsexporte Nordkoreas. Vgl. ebenda, S. 71ff.
4 Vgl. IISS, The Military Balance 2001/2002, London 2002, S.299 ff.
5 Vgl. David Reese, The Prospects for North Korea’s Survival, 1998 (Adelphi Paper, Nr.323), S. 62 ff.; Ministry of National Defence, Defense White Paper 2000, Seoul 2001, S.41ff.
6 Noland, a.a.O.(Anm. 2), S. 102 ff. Auf die Organisation der Nordkoreaner in Japan (Chosen Soren) entfallen rund 80 Prozent der japanischen Direktinvestitionen in Nordkorea und ein Großteil des bilateralen Handels.
7 Bertil Lintner/Suh-kyung Yoon, North Korea, Coming in From the Cold, Asia Pacific Media Services Ltd., in: <http://www.asiapacificms.com/articles/ northkorea>.
8 Die Überweisungen von Mitgliedern dieser Organisation nach Nordkorea erreichten ihren Höhepunkt vermutlich Mitte der neunziger Jahre und sind seither rückläufig. Auch die Mitgliedschaft in Chosen Soren ist deutlich gefallen. Vgl. auch Christopher W. Hughes, Japan’s Economic Power and Security, Japan and North Korea, London/New York 1999, S. 183 f.
9 Noland, a.a.O. (Anm. 2), S. 99ff.
10Vgl. hierzu Sebastian Harnisch/Maull, Kernwaffen in Nordkorea, Regionale Stabilität und Krisenmanagement durch das Genfer Rahmenabkommen, Bonn 2000.
11Vgl. Jean-Germain Gros, Towards a Taxonomy of Failed States in the New World Order: Decaying Somalia, Liberia, Rwanda and Haiti, in: Third World Quarterly, Bd.17, Nr.3 (1996), S.455–471; Georg Sørensen, An Analysis of Contemporary Statehood: Consequences for Conflict and Co-operation, in: Review of International Studies, Bd. 23, Nr. 3 (1997), S.253–269; und Robert I. Rotberg, The New Nature of Nation-State Failure, in: The Washington Quarterly, Bd. 25, Nr. 3 (Sommer 2002), S.85–96 <http://www.twq.com/02summer/rotberg.pdf>.
12Victor D. Cha, Korea’s Place in the Axis, in: Foreign Affairs, Bd. 81, Nr. 3 (Mai/Juni 2002), S.79–92.
13Vgl. Sebastian Harnisch, US-DPRK Relations under the Bush Administration: from “slow go” to “no go”, in: Bulletin Raketenabwehrforschung International, Nr. 29 (Winter 2001/02).
14Vgl. dazu Richard Rosecrance, The Rise of the Virtual State. Wealth and Power in the Coming Century, New York 1999.
Internationale Politik 8, August 2002, S. 10 - 16.