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01. Sep 2008

Was werden wir?

Drei Szenarien zur Arbeit im Jahr 2020

Sind künftig nur noch Arbeitnehmer großer Konzerne sozialversichert? Werden Umweltverbände den Unternehmen bald ihre Regeln diktieren? Oder lösen sich globale Strukturen zu Gunsten flexibler, lokaler Netzwerke auf? Ein Blick in das Jahr 2020.

Lassen sich zukünftige Entwicklungen aus der Vergangenheit ableiten? Der Unternehmer und Philosoph Nassim N. Taleb bezweifelt das. In seinem Buch „The Black Swan“ entlarvt er unser Denken über die Zukunft. Seiner Auffassung nach ist die Zukunft weitgehend von Zufällen bestimmt und nahezu unberechenbar. Auch unterschätzten wir systematisch das Risiko unvorherge-sehener Ereignisse, wie den Zusammenbruch der Aktienmärkte im Oktober 1987 oder die Terroranschläge vom 11. September 2001; Vorkommnisse, die das Verhalten von Menschen sowie das politische und wirtschaftliche Umfeld in dramatischer Weise veränderten.

Für unsere Überlegungen zur Zukunft der Arbeit haben wir deshalb nach einem Ansatz gesucht, der Innovation und Kreativität mit radikalem Denken verbindet. Unsere Szenarien sollten den strategischen Planungen ähneln, die in den Shell-Studien seit mehr als 30 Jahren angestellt werden. Kernstück dieser Methode ist die Überzeugung, dass wir, wenn wir schon keine Vorhersage treffen können, so doch zumindest in der Lage sind, eine Reihe von mehreren plausiblen Zukunftsalternativen zu entwerfen. Indem wir diese Szenarien genauer untersuchen, versetzen wir uns in die Lage, gemeinsam auf Veränderungen reagieren zu können.

Die unserer Ansicht nach wichtigsten Triebkräfte der Weltwirtschaft lassen sich in Gegensatzpaaren zusammenfassen und um vier Achsen gruppieren (siehe Grafik Seite 26): Konsumvorlieben, Technologieaffinität, Organisationsdesign und Geopolitik. Jede Diskussion über die Zukunft der Arbeit muss vor dem Hintergrund geführt werden, wie Unternehmen und das wirtschaftliche Umfeld aussehen könnten. In der vorliegenden Zusammenfassung unserer Studie untersuchen wir zunächst jene acht Triebkräfte, die das weltweite Wirtschaftsleben beeinflussen. Anschließend entwickeln wir drei Szenarien, wie die Welt und die Wirtschaft im Jahr 2020 aussehen könnten.

Triebfeder Individualismus

Der Autobauer Henry Ford bot seinen Kunden den legendären Ford-T in sämtlichen Farben an – vorausgesetzt, es handelte sich um schwarz. Heute produziert Ford zahlreiche Modelle in vielen Farben mit unterschiedlichen Extra-Ausstattungen; technischer Fortschritt und flexible Fertigung lassen dem Konsumenten fast unbegrenzte Wahlmöglichkeiten. Persönliche Vorlieben werden in der postmodernen Gesellschaft enthusiastisch ausgelebt. Wir -nennen diese Triebfeder Individualismus, und sie liegt auf der Achse der -Konsumvorlieben.

Ihre Entsprechung auf der Gegenseite tritt am Schnittpunkt von Umweltschutz und unternehmerischer Verantwortung am deutlichsten zutage: Der Westen hat die Gefahren der globalen Klimaerwärmung erkannt, der Einfluss von Konsumenten zwingt Unternehmen, ihre soziale Verantwortung ernst zu nehmen. In der Politik sind die „Grünen“ seit einigen Jahren in vielen europäischen Ländern fester Bestandteil der Parteienlandschaft, der frühere US-Vizepräsident Al Gore hat Nachhaltigkeit und Klimawandel zu seiner persönlichen Mission gemacht. Selbst die rechts von der Mitte befindliche Konservative Partei in Großbritannien hat die Umwelt zu einem ihrer zentralen politischen Themen gemacht. Noch ist dies eine vergleichsweise neue Entwicklung, doch könnte ihre Bedeutung beträchtlich zunehmen. Konsumenten könnten das, was sie als All-gemeinwohl begreifen, zunehmend über ihre persönlichen Vorlieben stellen, Nachhaltigkeit über Innovation, gemeinsame Verantwortung für die Umwelt über individuelle Interessen. Diese zweite, immer stärker werdende Triebfeder nennen wir Kollektivismus.

„Die Technik kontrolliert mich“

Vor 40 Jahren formulierte Intel-Mitbegründer Gordon Moore seine als „Moore’s Law“ bekanntgewordene Theorie, wonach sich die Komplexität integrierter Schaltkreise in Computern alle 18 Monate verdoppelt. Gleiches gelte für die Speicherkapazität, konstatierte Mark Kryder, Gründer und Direktor des Carnegie Mellon’s Data Storage Systems Center, und auch Digitalkameras weisen eine ähnlich exponentielle Steigerung ihrer Pixel-Zahl auf. Derartige technische Fortschritte wird es immer geben, verändern aber könnten sich die Art und Weise, in der Menschen Technologie nutzen, und die Beziehung, die sie zu ihr haben. Wir nennen diese Achse in unserer Grafik Technologieaffinität.

Auf der einen Seite steht die Generation der „Millenials“, jener Menschen, die erst nach der Jahrtausendwende in den Arbeitsmarkt eingetreten sind. Für sie ist es augenscheinlich völlig in Ordnung, dass Technik nahezu alle Bereiche ihres Lebens durchdringt. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass die regelmäßige Nutzung von Computern in ihrem Nervensystem zu ganz neuen Verknüpfungen von Synapsen führt. Die „Millenials“ sind glücklich, ein digitales Leben zu führen; selbst einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit verbringen einige von ihnen in der virtuellen Welt. Diese Beziehung zur Technologie lässt sich unter dem Stichwort „Die Technik kontrolliert mich“ zusammenfassen. Andererseits scheint es viele Menschen zu geben, die sich immer stärker nach zwischenmenschlichen Begegnungen sehnen, nach größerer Einfachheit, nach wirklichen und nicht nur virtuellen Gemeinschaften. Dies hat einer neuen „Retro“-Bewegung Auftrieb verschafft, die in ihrer extremsten Ausprägung ein tiefes Misstrauen gegen Technik hegt. Diese Gegenbewegung, die wir „Ich kontrolliere die Technik“ nennen, steckt zwar noch in den Kinderschuhen, könnte aber erheblich an Einfluss gewinnen – gepaart mit dem Streben nach einem weniger umweltschädlichen Lebensstil und dem Verlangen nach einem ausgeglicheneren Verhältnis zwischen Arbeit und Leben.

Sichtbare Hand

Der amerikanische Wirtschaftshistoriker Alfred D. Chandler hat die Gründe für die Übermacht großer Wirtschaftskonzerne im Amerika des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in seinem Buch „The Visible Hand“ beschrieben.1 In den Anfangsjahren des modernen amerikanischen Kapitalismus herrschten wirtschaftliche Giganten unangefochten über das Transport- und Kommunikationswesen sowie zentrale Produktionszweige. Chandler zufolge werden Transaktionen von der „sichtbaren Hand“ des Unternehmensmanagements koordiniert – solange dies effektiver und zu geringeren Kosten erreicht werden kann als von der „unsichtbaren Hand“ des Marktes. Logische Folge: Werden diese Unternehmen so groß und bürokratisch, dass der Markt die gleichen Transaktionen zu günstigeren Kosten erbringen kann, werden sie zerschlagen.

ange war das Geschäftsleben im 20. und auch im 21. Jahrhundert durch den Zusammenschluss zu immer größeren Unternehmen gekennzeichnet. Ein gegenläufiger Trend zeigte sich in den späten achtziger Jahren, als viele große Industriekonglomerate auseinanderbrachen. Aus marktwirtschaftlicher Sicht stellte sich die Frage, ob sich mit großen Konzernen auch eine höhere Wertschöpfung erzielen ließe. Die Investoren wollten ihr Risiko selbst auf Branchen auffächern statt das von Unternehmensführern in ihrem Auftrag erledigen zu lassen. In den späten neunziger Jahren setzte ein neuer Trend zur Zersplitterung ein, als das Auslagern von Geschäftsaktivitäten, die nicht zum Kernbereich eines Unternehmens zählten, zu einer allgemein üblichen Vorgehensweise wurde. Einige Aufgaben, so argumentierten die Geschäftsstrategen, könnten effizienter außerhalb des Unternehmens erledigt werden.

Wie könnte sich das in der Zukunft entwickeln? Denkbar ist, dass sich der Trend zur Auslagerung beschleunigt (möglicherweise bestärkt durch umfangreiches privates Beteiligungskapital) und zu einer Entflechtung und letztlich zur Aufsplitterung vieler Großkonzerne führt. Der Markt wird die Ineffizienz von Unternehmen künftig noch weniger verzeihen als bisher. Das Gegenteil aber scheint ebenso plausibel: Auslagerung könnte als Modeerscheinung abgetan werden, in den Unternehmen könnte sich die Überzeugung durchsetzen, dass interne gemeinsame Servicecenter eher in der Lage sind, zuvor ausgelagerte Dienstleistungen zu erbringen. Dank des vermehrten Einsatzes unternehmensweiter Technologiesysteme, immer differenzierterer geschäftsrelevanter Messgrößen und von Managementinstrumenten wie der Balanced Scorecard (BSC) könnte das Konzernmanagement Investoren aufzeigen, dass große Unternehmen tatsächlich effizientere Lösungen zur Koordination geschäftlicher Aktivitäten anbieten können.

Deshalb nennen wir unsere dritte Achse Organisationsdesign. An einem Ende steht eine hoch integrierte Konstruktion von Großunternehmen, in der das Management mit sichtbarer Hand führt – das nennen wir Integration. Am anderen Ende steht die Zersplitterung – die Zerschlagung großer Unternehmen und die Zunahme mittelständischer Betriebe, wobei die von Adam Smith unterstellte „unsichtbare Hand“ sich erneut als beherrschendes Organisationsprinzip durchgesetzt hat.

Das Gegenteil von Globalisierung

Die letzten beiden Bestimmungsfaktoren der Weltwirtschaft sind die Globalisierung und ihr Gegenteil – eine Kombination aus Protektionismus, Nationalismus und nationaler Sicherheit, die wir „umgekehrte Globalisierung“ nennen. Über Jahre hinweg haben liberale Ökonomen die Vorteile des Freihandels gepredigt. Für China oder Indien etwa war es finanziell ausgesprochen vorteilhaft, ihre Volkswirtschaften zu öffnen – sie verzeichneten hohe Kapitalzuflüsse. Dieser Trend zu freien Märkten wird sich wohl fortsetzen, doch sind auch Gegenkräfte am Werk. Länder wie Frankreich haben ihre Volkswirtschaft in der Nachkriegszeit auf einer Politik aufgebaut, die ihrem Geist nach protektionistisch ist, auch wenn das niemand offen ausspricht. Einige Ökonomen argumentieren, dass ein gewisses Maß an Protektionismus notwendig sei, um eine sich entwickelnde Volkswirtschaft (etwa in Afrika) zu schützen.

In diesem Zusammenhang vielleicht noch wesentlicher ist das Erstarken des globalen Terrorismus. Es führt dazu, dass viele Nationen politisch zurück-haltend agieren und die eigenen nationalen Sicherheitsbelange aufwerten. Eine Reihe großer Volkswirtschaften, unter ihnen die Vereinigten Staaten, versucht, den freien Fluss von Menschen und Gütern durch Barrieren zu behindern. Dieser Trend könnte sich vor allem im Fall großer Terroranschläge noch beschleunigen. Diese beiden Kräfte, Globalisierung und umgekehrte Globalisierung, befinden sich auf der Achse, die wir Geopolitik nennen und als eine Achse auffassen, obwohl sie zahlreiche politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Faktoren abdeckt. Aus diesen acht Bestimmungsfaktoren haben wir jene vier zur eingehenderen Untersuchung ausgewählt, die auf den Achsen Konsumvorlieben und Organisationsdesign liegen. Diese Faktoren bieten das reichhaltigste Untersuchungsmaterial zur Zukunft der Arbeit – aus ihnen lassen sich drei höchst unterschiedliche Zukunftsvisionen der Welt entwerfen.

Der Konzern ist König – die „Blaue Welt“

Das erste dieser Szenarien, die „Blaue Welt“, sieht kurz zusammengefasst wie folgt aus: Die Anhänger der Globalisierung beherrschen die Bühne, persönliche Konsumvorlieben sind allem anderen übergeordnet, die Frage, ob man Karriere in einem großen Unternehmen macht oder nicht, trennt Begüterte von Habenichtsen.

Allein von der Größe her wird eine Reihe von Unternehmen im Jahr 2020 einen Jahresumsatz aufweisen, der das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vieler Staaten, vor allem unter den Entwicklungsländern, weit übersteigt. Den Unternehmensmodellen entsprechend, die von Konzernen wie General Motors Mitte des vergangenen Jahrhunderts vorangetrieben wurden, ähneln viele Firmen dem heutigen Wohlfahrtsstaat – mit betrieblichen Anreizen versuchen sie, die besten Kräfte an sich zu binden. Intern gemanagte Servicecenter arbeiten höchst effizient und nach Verfahren, die von den „Auslagerern“ der neunziger Jahre perfektioniert wurden. Personenbezogene Kennzahlen werden zu einem wichtigen Bestandteil des Alltags, um individuelle Leistungsfähigkeit und Produktivität beurteilen zu können. Die Kluft zwischen denjenigen, die für weltweit operierende Unternehmen arbeiten, und denjenigen, die bei kleineren Firmen beschäftigt sind, hat sich aufgrund der Machtfülle der jeweiligen Betriebe beträchtlich erweitert. Die Beschäftigten von Megakonzernen werden mit allem versorgt, was sie benötigen. Die Mitarbeiter von kleineren Unternehmen sind abhängig von gesetzlich zugesicherten Sozialstandards und den Launen des Wohnungsmarkts. Sie müssen für Ausbildung und Absicherung im Krankheitsfall bei Versicherungen und im öffentlichen Gesundheitssystem (bzw. bei dem, was davon noch übrig ist) zuzahlen.

Die Technologie durchdringt alle Bereiche; ganze Städte in den USA, Japan und Großbritannien arbeiten mit allgegenwärtigen Hochgeschwindigkeitsnetzen, die jeder Einzelne über ein Gerät in Kreditkartengröße nutzen kann, um Geschäfte zu tätigen, sich zu amüsieren oder zu kommunizieren. Es wird als selbstverständlich erachtet, überall zielgenau feststellen zu können, wo das gerade Gewünschte erhältlich ist, was dazu beiträgt, die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und ihren Kunden, Mitarbeitern und Anteilseignern ständig zu verfeinern und zu individualisieren.

Die Konzerne kümmern sich – die „Grüne Welt“

Unser zweites Szenario basiert auf der Annahme, dass Firmen ein ausgeprägtes soziales Gewissen und ein ökologisches Verantwortungsgefühl entwickeln. Konsumenten setzen ein ethisches Leitbild und Umweltbewusstsein an oberste Stelle, Gesellschaft und Wirtschaft gleichen ihre Ziele einander an. Die Umweltlobby ist so mächtig, dass Konzerne unmittelbar auf Kundenwünsche hinsichtlich einzelner, als anstößig erachteter Geschäftsbereiche reagieren müssen. Eine funktionierende Kommunikation und Klarheit über Produkte und Dienstleistungen sind entscheidend.

Die Unternehmen kontrollieren das Netz ihrer Zulieferer bis ins Kleinste, um sicherzustellen, dass ihre ethischen Werte entlang der gesamten Versorgungskette hochgehalten werden und in Krisenfällen Fehler ausfindig gemacht werden können. Das führt dazu, dass viele Unternehmen ihren Anteil an Schlüsselkomponenten der Lieferkette durch eine vertikale Verflechtung ausbauen und strenge Vertragsauflagen erlassen, um für jede Eventualität gerüstet zu sein. Revisionsverfahren und vierteljährliche Unternehmensberichte sind darauf ausgerichtet, die ökologische Orientierung des Unternehmens zu belegen und weisen neben den traditionellen Unternehmenswerten etwa auch den Ausstoß an Kohlenstoffen sowie entsprechende Ausgleichsmaßnahmen aus. Das ist ein Beleg dafür, welche Bedeutung Anteilseigner und Investoren derartigen Fragen beimessen; Fragen, die sich wiederum im Börsenkurs niederschlagen. In der Geschäftswelt ist ethisches Verhalten das Nonplusultra. Die jeweils zugeteilten „Ökopunkte“ können über Aufstieg und Niedergang von Marken entscheiden.

Angesichts der von den Regierungen dieser stark regulierten Welt verhängten Strafen für Fehlverhalten ist unternehmerische Verantwortung kein altruistisches Schmuckwerk, sondern eine geschäftliche Notwendigkeit. Berufseinsteiger suchen nach Arbeitgebern mit ausgewiesenen Umwelt- und Sozialstandards, und im Gegenzug spielen die Personalabteilungen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines Programms zur sozialen Verantwortung des Unternehmens. Von den Beschäftigten wird erwartet, dass sie die ökologischen Werte und Ziele des Unternehmens unterstützen; Geschäfts- und Dienstreisen werden durch technische Lösungen ersetzt, durch welche die Notwendigkeit persönlicher Gespräche abnimmt. Insbesondere Flugreisen sind teuer und nur in Ausnahmefällen gestattet.

Klein, aber fein: Die „Orangefarbene Welt“

Das dritte und letzte der hier vorgestellten Zukunftsszenarien besagt, dass globale Unternehmen auseinanderbrechen. Ortsgebundenheit setzt sich durch, die Technologie lässt ein hoch technisiertes Geschäftsmodell mit geringem Aufwand zu. Netzwerke gedeihen, Großkonzerne erleben einen Niedergang.

Handelshemmnisse verschwinden, weltweit entsteht eine wahrhaft freie Marktwirtschaft, Länder wie etwa China erkennen, dass sie nicht wettbewerbsfähig sind, ohne sich den Kräften des freien Marktes zu öffnen. Netzwerke sind der entscheidende Schlüssel, der Traum von einem einzigen globalen Dorf ist durch ein globales Netzwerk miteinander verbundener und dennoch eigenständiger, viel kleinerer Gemeinschaften ersetzt worden. Immer leistungsfähigere Onlinesysteme zum Kauf, Verkauf und Tausch von Dienstleistungen und Fertigkeiten haben das orthodoxe Denken, Wirtschaftlichkeit gehe mit Massenproduktion einher, als falsch entlarvt. Unternehmen sind sehr viel kleiner, ihre Aufgaben weniger fest umrissen. Versorgungsketten setzen sich aus vielschichtigen einzelnen Vereinigungen spezialisierter Anbieter zusammen, die von Region zu Region und von Markt zu Markt höchst unterschiedlich sind. Die Lösung liegt nun nicht in der Auslagerung, sondern der Aufteilung von Geschäftsbereichen. Lockere, weniger streng regulierte Unternehmensgruppen scheinen effizienter zu arbeiten, häufig werden Aufgaben nur von Fall zu Fall und als „Garagengeschäfte“ übernommen, wobei jede dieser Transaktionen über elektronische Handelsplattformen erfolgt.

In immer enger werdenden Arbeitsmärkten durchlaufen Einzelne eine an Geschäftsbereichen ausgerichtete Berufskarriere, arbeiten mit Zeitverträgen für etliche unterschiedliche Arbeitgeber. Man schließt sich Berufsverbänden an, die Karrierechancen managen und Gelegenheit zu Aus- und Fortbildung geben. Die Bedeutung dieser Verbände wächst, sie übernehmen viele der Zuständigkeiten, die bislang von Arbeitgebern ausgeübt wurden: Talentsuche, medizinische Absicherung, Pensionen, Aus- und Fortbildung. Beschäftigte sind in der Regel auch Verbandsmitglieder, Verbandsnetzwerke stellen Berufsportale bereit, die Zugangsmöglichkeiten eröffnen und über die Arbeitsleistung gekauft, verkauft oder getauscht werden kann. Anstellungsverträge sind so flexibel, dass sie schnelle Personalwechsel und Umstellungen erleichtern.

Sind Sie bereit für die Welt von morgen?

Welche Farbe also wird die Welt im Jahr 2020 haben – wird sie blau sein, grün, orange oder völlig anders? Wir halten es für sehr plausibel, dass die von uns beschriebenen Organisationsmodelle auf irgendeine Art nebeneinander existieren, möglicherweise gegliedert nach Regionen oder Branchen. Es wird einige multinationale Konzerne geben, die in der Blauen Welt operieren und nach globaler Marktführerschaft streben; die Energiewirtschaft weist bereits seit einiger Zeit Elemente der Grünen Welt auf. Die Orangefarbene Welt stellt in gewisser Weise den radikalsten Wandel dar: Werden die Großunternehmen von einem dynamischen, innovativen und unternehmerischen Mittelstand überflügelt? Werden die Berufserwartungen der „Millenial“-Generation ein in Geschäftsbereiche eingeteiltes Leben zum Normalfall werden lassen? Unsere Botschaft an die Unternehmen lautet: Nehmen Sie Ihr Organisationsmodell und Ihr Personalmanagement genau unter die Lupe. Denken Sie darüber nach, wie diese sich künftig vielleicht wandeln werden und darüber, ob Ihre Strategie zukunftssicher, nachhaltig, ausreichend und brauchbar für die denkbaren Zukunftswelten ist.

Übersetzung: Susanne Laux

 
SANDY PEPPER ist Partner bei der Beraterfirma Pricewaterhouse Coopers in London. Der vorliegende Text beruht auf der Pricewaterhouse Coopers-Studie „Managing Tomorrow’s People“.

  • 1Nassim Nicholas Taleb: The Black Swan – The Impact of the Highly Improbable, New York 2007
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 9, September 2008, S. 22 - 31

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