Von guten und schlechten Kriegen
Wie Hollywood-Filme den politischen Diskurs in den USA beeinflussen
Kriegsfilme prägen die öffentliche Wahrnehmung von Konflikten. Dass gerade hier der Manipulation Tür und Tor geöffnet sind, tut dem keinen Abbruch. Zwei Neuerscheinungen zeigen, wie Amerika in der Auseinandersetzung mit Hollywood seine Gegenwart verhandelt und wie der Zweite Weltkrieg zum „Good War“ schlechthin wurde.
Für Elisabeth Bronfen ist es ein „privilegierter Ort der Erinnerung“: das Kino, der „gemeinsame Denkraum“, in dem Amerika die Traumata der Vergangenheit verhandelt und aktuelle politische und soziale Fragen im Lichte vergangener militärischer Konflikte neu diskutiert. Hollywood biete, so die Züricher Anglistikprofessorin, „personalisierte Narrative von Übergangsriten“ an, in denen über nationale Identität nachgedacht werden könne.
Dabei werde die Vergangenheit den kulturellen Bedürfnissen der Gegenwart entsprechend neu reflektiert, doch geschehe das im Rekurs auf Dramatisierungen, die nur Annäherungen an die Realität sein könnten: „Wir bewältigen unsere gewaltsame politische Vergangenheit zuallererst dadurch, dass wir uns mit den Repräsentationen auseinandersetzen, die geprägt haben, wie wir den Krieg begreifen.“
Bronfen zitiert ihren New Yorker Kollegen J. David Slocum, demzufolge der Kriegsfilm das Bild formt, „wie wir Krieg in der realen Welt sehen und verstehen“. Wer sich mit den filmischen Narrativen von militärischen Konflikten beschäftige, so Slocum, müsse stets den Zusammenhang dieser Narrative zur politischen Beteiligung der USA an tatsächlichen Kriegen sehen: „Filme geben der nationalen Anwendung von Gewalt im Namen von Ordnung und Zivilisation einen Rahmen.“
Kulturelle Heimsuchung
Besonders erhellend ist Bronfens Studie denn auch da, wo sie die Verbindung zwischen den Kriegsfilmen von „All Quiet on the Western Front“ (Im Westen nichts Neues, 1930) bis zu „Flags of Our Fathers“ (2006) mit aktuellen Konflikten herstellt. Indem wir dazu aufgefordert würden, uns immer wieder die politische Gewalt vor Augen zu führen, die Amerika definiert und geformt habe, würden wir implizit Opfer einer „kulturellen Heimsuchung“, wie es die Autorin nennt. Jedes Mal, wenn Hollywood einen Kriegsschauplatz wieder aufsuche, werde ein aktueller Krieg in einen Dialog mit denen gebracht, die ihm vorangingen, und jenen, die ihm nachfolgen.
Dabei haben die Narrative vom Krieg, die Hollywood biete, der Autorin zufolge drei Zielrichtungen: Erstens, eine symbolische Rückkehr zum Kampf zu ermöglichen, um gleichsam das zum Abschluss zu bringen, was offen geblieben ist. Zweitens, die vermeintliche Logik eines vergangenen Militäreinsatzes nostalgisch heraufzubeschwören, um die Verworrenheit eines aktuellen deutlich zu machen. Und drittens, eine Vorstellung der Zukunft zu gewinnen und zu diesem Zweck vergangene Kriege umzudeuten: Die zukünftige Welt wird entweder als ein Ort interpretiert, an dem ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit endgültig einen Abschluss finden oder – in der optimistischsten Variante des nationalen Versprechens – als die Zeit, in der Krieg an sich überwunden ist.
Einzigartige Konstellation
Der Blick von außen auf das Innere des Krieges führt zu stark voneinander abweichenden Urteilen: Während in der heutigen öffentlichen amerikanischen Wahrnehmung der Korea-Krieg, der vor 60 Jahren endete, als „vergessener“ Krieg gilt und die Interventionen in Vietnam, Afghanistan und im Irak als „schlechte“ Kriege erscheinen, steht der Zweite Weltkrieg weiterhin als „guter“ Krieg da.
Wie es dazu kam, hat Sebastian Haak untersucht. Denn nach dem Urteil des Erfurter Historikers war „The Good War“ nicht von Beginn an da. Weder sein Auftauchen noch seine (Re-)Produktion seien einem Naturgesetz gefolgt. Auch wenn World War II schon vor 1945 in den USA als „guter“ Krieg firmiert habe, so sei die Genese des „Good War“ das Ergebnis eines ständigen Aushandelns gewesen. Maßgeblichen Anteil habe Hollywood gehabt – in Zusammenarbeit mit dem Pentagon. Um die Filme möglichst „realistisch“ erscheinen zu lassen, wie die Sprachregelung lautete, stellte das Verteidigungsministerium der Filmindustrie militärisches Material zur Verfügung und „lieh“ ihr Soldaten, die als Statisten zum Einsatz kamen.
Nach Haaks Analyse war dieser Aushandlungsprozess an eine einzigartige Kombination historischer Umstände gebunden, die nur in den Vereinigten Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegeben waren und sich wechselseitig beeinflussten.
Da ist zum einen das amerikanische Erbe der „Frontier“-Mythologie, ein Deutungsmuster, das den Rahmen für eine positive Konnotation des Tötens und Sterbens bot. Denn neben Gewalt und Zerstörung enthalten Kriege nach dieser Lesart auch ein schöpferisches und damit positives Element.
Der andere entscheidende Faktor war der Kalte Krieg. Im Systemkonflikt mit dem kommunistischen Teil der Welt schien eine bestimmte Deutung des Zweiten Weltkriegs notwendig, um einen Beitrag zur nationalen Sicherheit der USA zu leisten.
Daraus entstand vor der Folie der unendlichen Vielfalt der amerikanischen Wahrnehmungen des Zweiten Weltkriegs Haak zufolge eine Wirklichkeit, die sich in den Jahrzehnten nach 1945 als eine ungemein stabile Art der Erinnerung erwies. Der „Good War“ war und ist bis heute Projektionsfläche und Gegenbild aktueller und künftiger militärischer Auseinandersetzungen.
In Haaks detaillierter und tiefgründiger Darstellung wird deutlich, dass nur im Wechselspiel mit anderen militärischen Konflikten zu begreifen ist, wie in den USA des Zweiten Weltkriegs gedacht wird. Da dieser Krieg schon zu Zeiten des Kalten Krieges als Rechtfertigung künftiger militärischer Interventionen herhalten musste, hält es Haak zu Recht für wahrscheinlich, dass nach dem gleichen Muster auch künftig militärische Gewalt gerechtfertigt werden wird – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des „Krieges gegen den Terror“.
Die Erinnerung an einen unzweifelhaft sinnhaften Konflikt gegen einen klar definierten Gegner bezeichnet Haak als wichtiges Rechtfertigungsmoment in diesem Kampf – gebraucht von mächtigen Akteuren innerhalb des neuen „National Security State“, dessen (Wieder-)Aufstieg seit dem 11. September 2001 in den USA zu beobachten war. Und so dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass US-Präsident Barack Obama den „Good War“ in seiner Rede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 2009 nutzte, um die umstrittene Ehrung zu rechtfertigen – sicherlich nicht das letzte Mal, dass der „Good War“ für politische Zwecke instrumentalisiert wurde. Oder, wie Haak es nennt: „Alle Erinnerungen haben ihre Zeit. Die Zeit des ,Good War‘ ist noch nicht vorbei.“
Dr. Thomas Speckmann lehrt am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.
Elisabeth Bronfen: Hollywoods Kriege. Geschichte einer Heimsuchung. Frankfurt am Main: S.Fischer Verlag 2013, 320Seiten, 22,99 €
Sebastian Haak: The Making of The Good War. Hollywood, das Pentagon und die amerikanische Deutung des Zweiten Weltkriegs 1945–1962. Paderborn: Fer- dinand Schöningh Verlag 2013, 331 Seiten, 44,90 €
Internationale Politik 1, Januar/Februar 2014, S. 139-141