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01. Nov. 2007

Vernetzung verpflichtet

Ostasien muss seine Chance nutzen, die internationale Ordnung mitzugestalten

Handel, Institutionen, Sicherheit: In dem Maße, in dem die ostasiatischen Staaten regional zusammenarbeiten, müssen sie sich auch weltweit engagieren. Dafür sollten sich die Newcomer ans westliche Wertesystem anpassen und die etablierten Mächte Verantwortung abgeben. Acht Punkte, die auf die Agenda der asiatischen Integration gehören.

Ostasien wird die einflussreichste Region der Erde werden, wenn sein Wachstum wie bisher weitergeht. Die rasante Entwicklung vor allem Chinas, Japans und Indiens wird das Gleichgewicht der Kräfte eindeutig verändern. Das könnte sich irgendwann in der Mitte des 21. Jahrhunderts zeigen und in der Wirtschaft beginnen. Veränderungen im politischen Bereich werden folgen und möglicherweise schließlich auch das Gebiet der Sicherheit beeinflussen.

Für eine friedliche Veränderung des Gleichgewichts der Mächte müssen zwei grundsätzliche Dinge geschehen: Erstens sollte die Veränderung allmählich erfolgen, und die etablierten Mächte, hauptsächlich die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, dürfen sie nicht als Nullsummenspiel betrachten. Sie werden weiterhin eine wichtige Rolle bei der Global Governance spielen, da Ostasien allein die Weltordnung und deren Institutionen nicht aufrechterhalten kann. Zweitens: Die neuen aufstrebenden Mächte sollten nicht nur ihre Interessen vertreten, sondern auch Verantwortung übernehmen. Sie müssen ihre Vorstellungen den globalen Werten anpassen, die sich durchgesetzt haben: Rechtsstaatlichkeit, Good Governance, Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit.

Die Reform des internationalen Systems hat mit der Umverteilung von Stimmen im Internationalen Währungsfonds begonnen. Die neuen aufstrebenden Volkswirtschaften – China, Korea, Türkei und Mexiko – erhielten mehr Einfluss zum Nachteil einiger EU-Mitgliedsstaaten. Schon dieser scheinbar einfache „Transfer“ war kompliziert – noch schwieriger wird es, das System der UN den neuen strategischen Herausforderungen auf globaler Ebene anzupassen.

Eines der Ziele eines eingebundenen Ostasiens sollte sein, zum Funktionieren des globalen Systems beizutragen, um nicht des egoistischen Free Riding beschuldigt zu werden: internationale Institutionen nur für nationale und regionale Interessen zu benutzen. Andererseits sollten vor allem die USA und die EU bereit sein, die Verantwortung für die Global Governance zu teilen und es den „neuen Kräften“, hauptsächlich den aufstrebenden Märkten in Ostasien, ermöglichen, sich auf ihre neue Rolle vorzubereiten. China beispielsweise muss verstehen, dass seine Beziehungen zu Schurkenstaaten wie Iran, Sudan und Myanmar im Lichte seiner internationalen Verpflichtungen beurteilt werden. Zugleich ist Geduld vonnöten. Letztendlich war China nicht an der Neuordnung der Welt und ihrer Institutionen nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt, und obwohl es nun bereit ist, sie vollständig zu akzeptieren, wird es Zeit brauchen, um sich damit zu arrangieren.

Trotz mancher Einschränkungen sollte Ostasien in naher Zukunft über regionale Institutionen wie ASEAN+3 und den Ostasien-Gipfel anstreben, die Reform globaler Institutionen zu unterstützen. Dabei sind acht Punkte besonders wichtig:

  • Erstens hat Ostasien im Hinblick auf die Nichtverbreitung ein echtes Problem mit Nordkorea. Die großen ostasiatischen Institutionen wie ASEAN +3, das ASEAN-Regionalforum (ARF) und der Ostasien-Gipfel haben die Sechs-Parteien-Gespräche unterstützt und die vom UN-Sicherheitsrat festgeschriebenen Sanktionen politisch umgesetzt.
  • Zweitens sollte Ostasien einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde der WTO anstreben. Die Staats- und Regierungschefs der APEC bekräftigten bei ihrem Treffen im November 2006 in Hanoi ihre Absicht, dies zu tun. Die Möglichkeiten sind begrenzt, aber in Anbetracht der Abhängigkeit vom offenen Markt ist die Doha-Runde wichtig für die ostasiatischen Länder. Sich lediglich auf bilaterale und regionale Freihandelsgemeinschaften zu verlassen, wird nicht reichen, weil die Handelsverzerrungen, Kursschwankungen und Benachteiligungen, die sie erzeugen, nur mit Hilfe multilateraler Vereinbarungen überwunden werden können. Die Aussichten auf weitere Freihandelsverträge in den nächsten fünf Jahren sind ungewiss, weil die Gesprächsmöglichkeiten der US-Administration in Handelsfragen durch die Kongressmehrheit der Demokraten erheblich eingeschränkt sind.
  • Drittens muss Ostasien als der sich am schnellsten entwickelnde Erdteil zu weltweit relevanten Themen wie Klima- und Umweltschutz beitragen. Einige ostasiatische Länder, die in den letzten Jahren ein hervorragendes Wirtschaftswachstum aufweisen konnten, gehören mittlerweile auch zu den weltweit größten Umweltverschmutzern. Die Vereinbarungen in Cebu über die ostasiatische Energiesicherheit, die auf dem zweiten ostasiatischen Gipfel angenommen wurden, waren ein guter Anfang. Die praktische Umsetzung ist eine andere Sache, und die ASEAN sollte darauf drängen. Zunächst braucht es Strategien, die eine effizientere Energienutzung fördern – dabei kann Japan als Vorbild dienen. Ein frühzeitiges Bekenntnis der USA, sich auf dieselben Bemühungen zu verpflichten, würde die Bereitschaft Ostasiens für derartige Initiativen erheblich steigern.
  • Viertens geht mit den Umweltthemen die Problematik der Energiesicherheit und der Ressourcen einher. Ernsthafte Anstrengungen vor allem in der Forschung sind notwendig, damit Ostasien seinen Beitrag zu einem effizienteren weltweiten Markt leisten kann. Nimmt Ostasien die Bedrohung ernst, die Umweltprobleme und begrenzte Ressourcen für seine wirtschaftliche Entwicklung darstellen, dann sollte es sich ein neues ökonomisches Modell einfallen lassen, das diese Grenzen des Wachstums berücksichtigt.
  • Fünftens sind umfassende Maßnahmen bei Pandemien für die menschliche Sicherheit enorm wichtig, nicht nur in unserer Region. Das hat SARS uns gezeigt. Es gibt eine Vereinbarung, dass die Länder in den elementaren Problemfeldern eine gemeinsame Strategie verfolgen wollen, aber Umsetzung und Koordination bleiben ein Problem.
  • Sechstens verdienen neue internationale Sicherheitsbedrohungen Beachtung. Dazu gehören Menschenschmuggel, Geldwäsche und Drogenhandel. In diesem Zusammenhang sollte das ASEAN-Regionalforum etwas verändern. Es kann schließlich nicht für immer ein unbedeutendes Debattenforum bleiben.
  • Siebtens, im Zusammenhang mit dem sechsten Punkt, stellt der globale und regionale Terrorismus eine Bedrohung dar. Dieser Herausforderung zu begegnen wird ein langwieriger Prozess, der mit Maßnahmen der nachhaltigen Entwicklung und Good Governance einhergehen muss. Was den islamischen Terrorismus angeht, sollten die gemäßigten Muslime sich den schädlichen Einflüssen der radikalen Muslime entziehen können und zeigen, dass Demokratie mit sozialer Gerechtigkeit auch in ihren Gesellschaften und Staaten vereinbar ist, so dass nicht mehr die Notwendigkeit eines theokratischen muslimischen Staates besteht.
  • Achtens sollten die ostasiatischen Länder und deren regionale Institutionen sich in den Reformprozess der Vereinten Nationen verstärkt einbringen, da sie viel von ihnen profitiert haben. Das mag schwierig sein, aber die UN sind die einzige globale Institution, die wir haben.

Fragen, bei denen sich globale Regelungen auf innere Angelegenheiten auswirken, müssen die nationalen Regierungen lösen. Ostasiatische regionale Institutionen sind in der jetzigen Phase noch nicht so weit, dass sie die Regierungen der einzelnen Staaten vertreten könnten. Dies würde nur eine erhebliche Vertiefung der Zusammenarbeit möglich machen und die Staaten müssten damit einverstanden sein, in spezifischen Fragen einen Teil ihrer nationalen Souveränität abzutreten. Was die wirtschaftliche Seite anbelangt, sind sie dazu bereit. Das zeigt sich etwa an der Chiang-Mai-Initiative zur finanziellen Zusammenarbeit, der Überwachung der Wirtschaftspolitik bei den Mitgliedern der ASEAN+3 oder den Freihandelszonen. In der Praxis müssen die Staaten, die sich auf regionaler Ebene vernetzen, auch die Weiterentwicklung globaler Normen und Institutionen vorantreiben.

JUSUF WANANDI, geb. 1937, ist Mitbegründer und Vizevorsitzender der Centre for Strategic and International Studies (CSIS)-Stiftung in Jakarta.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 11, November 2007, S.54 - 57.

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