Verbesserung traditioneller Entwicklungshilfe
Die Rolle von Weltbank und IWF in der Globalisierung
Weltbank und Internationaler Währungsfonds sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Überwindung zentraler entwicklungspolitischer Probleme gescheitert zu sein. Peter Nunnenkamp vom Kieler Institut für Weltwirtschaft analysiert die Rolle der beiden Finanzorganisationen im Hinblick auf Entwicklungs- und Schwellenländer.
Die selbst gestellten Ansprüche von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) bezüglich Armutsbekämpfung oder der tatkräftigen Überwindung von Zahlungskrisen kollidieren häufig mit den entwicklungspolitischen Realitäten. Trotz einer außergewöhnlich dynamischen weltwirtschaftlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg muss die Hälfte der Weltbevölkerung immer noch mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Die gehäuften Finanzkrisen seit Mitte der neunziger Jahre, die der IWF nicht verhindern konnte und deren Bekämpfung – zum Beispiel in Asien – unter anfänglichen Fehldiagnosen litt, haben weite Bevölkerungsteile erneut unter die Armutsgrenze gedrückt.
Weltbank und IWF stehen deshalb unter schwerem Beschuss. Die heterogene Schar der Kritiker eint der Vorwurf, dass es diesen Institutionen nicht gelungen sei, zentrale entwicklungspolitische Probleme zu überwinden. Von Globalisierungsgegnern wird sogar behauptet, die internationalen Finanzorganisationen hätten den Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer bewusst zuwidergehandelt und deren wirtschaftliche und soziale Lage noch verschärft. Eine Reform der Bretton-Woods-Institute wird allseits angemahnt. Es bleibt aber höchst umstritten, welche Schritte erforderlich wären, um entwicklungspolitische Ziele besser zu verwirklichen. Bevor die Reformdebatte aufgegriffen wird, sollen zunächst die wichtigsten Einwände gegen Weltbank und IWF diskutiert werden.1 Vorwegzunehmen ist ein wesentliches Ergebnis, das beide internationalen Finanzorganisationen betrifft: Ihr Einfluss ist erheblich geringer, als häufig unterstellt wird.
Zweifel an Weltbank
Die Weltbank selbst hat mit ihrer Studie „Assessing Aid“ aus dem Jahr 1998 die Skepsis am Nutzen traditioneller Formen von Entwicklungshilfe genährt. Das zentrale Ergebnis dieser Studie war, dass Entwicklungshilfe in der Vergangenheit weniger effektiv als möglich blieb, weil die Hilfe nicht auf arme Empfängerländer mit einer die wirtschaftliche und soziale Entwicklung fördernden Wirtschaftspolitik fokussiert worden ist. Dieses enttäuschende Ergebnis wird in mehreren kritischen Studien mit Anreizproblemen der Entscheidungsträger in den Entwicklungsländern begründet. Der Anspruch, durch Entwicklungshilfe Wachstumsprozesse zu beschleunigen und Armutsprobleme zu lindern, sei nicht einzulösen, solange die Hilfe hauptsächlich die Staatshaushalte der Empfängerstaaten aufblähe. Um mehr Hilfe zu erhalten, weiteten manche Regierungen der Entwicklungsländer Finanzierungslücken künstlich aus und unterließen eigene Anstrengungen zur Mobilisierung von Investitionsmitteln .
Vor diesem Hintergrund wird insbesondere die Projektfinanzierung der Weltbank bemängelt – zum Beispiel von der so genannten Meltzer-Kommission, die im Jahr 2000 für den amerikanischen Kongress eine Evaluierung der internationalen Finanzorganisationen vorgenommen hat.2 Fehlgeschlagene Projekte scheinen sich vor allem dort zu häufen, wo Projekterfolge wegen der weit verbreiteten Armut – wie in Afrika – besonders dringlich gewesen wären.
Selbst wenn innerhalb der Weltbank für eine höhere Erfolgsquote gesorgt wird, was nach jüngsten Weltbankberichten bereits geschehen ist, ist die Effektivität der Projekthilfe keineswegs gesichert. Die Austauschbarkeit von Projektmitteln birgt vielmehr ein grundsätzliches Problem: Ein erfolgreiches Projekt wäre ohne Finanzierung durch die Weltbank möglicherweise aus Ersparnissen des Empfängerlands finanziert worden. Bei der Bewertung des Weltbankprojekts wäre also zu berücksichtigen, wie die freigesetzten internen Mittel verwendet werden. Da dies in der Praxis kaum zu beurteilen ist, haben Projektevaluierungen nur begrenzten Aussagewert.
Der Kritik an der „punktuellen Projektitis“ (Franz Nuscheler) hat die Weltbank dadurch Rechnung getragen, dass man verstärkt auf Strukturanpassungskredite setzte, um breiter angelegte Reformprogramme finanziell zu unterstützen. Aber auch den Strukturanpassungskrediten scheint ein durchschlagender Erfolg versagt geblieben zu sein. Zwar weisen Analysen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft den Vorwurf von Globalisierungskritikern zurück, wonach die Armutssituation in den Entwicklungsländern durch Strukturanpassungsprogramme generell verschärft worden sei. Es werden aber nur beschränkte Erfolge im Hinblick auf gesamtwirtschaftliche Stabilisierung und Einkommenswachstum konstatiert.
Jene Kritiker, die die Verantwortung für das häufige Scheitern von Strukturanpassungsprogrammen allein der Weltbank anlasten, vernachlässigen überdies, dass die Reformvorgaben (wirtschaftspolitische Konditionalität) von vielen Ländern gar nicht implementiert wurden. Im Zeitraum 1980 bis 1996 erfüllten lediglich zehn von 37 afrikanischen Staaten, die Anpassungskredite in Anspruch nahmen, die Auflagen der Weltbank. Überall dort, wo es an interner Reformbereitschaft mangelte, ist die Weltbank kaum der richtige Adressat für Vorwürfe, wenn wirtschaftliche und soziale Ziele verfehlt wurden. Der häufige Bruch von Finanzierungsauflagen relativiert auch die gängige Klage, die Entwicklungsländer litten unter der „Daumenschraube“ einer aufgezwungenen Konditionalität.
Für Vollansicht bitte hier klicken Für die Weltbank müsste die zweifelhafte Wirksamkeit der Konditionalität zur Konsequenz haben, dass Finanzhilfen bevorzugt an bedürftige Entwicklungsländer mit erwiesener Reformbereitschaft vergeben werden, um die Erfolgsbilanz der Hilfe zu verbessern. Dies ist bisher kaum zu beobachten. Zwar haben Entwicklungsländer mit verbreiteter absoluter Armut (gemessen am Anteil der Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar pro Tag) relativ mehr Weltbankmittel (in Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts) erhalten als Länder ohne drängende Armutsprobleme. Auch sind in Länder mit einer als schlecht oder sehr schlecht eingestuften Wirtschaftspolitik in den neunziger Jahren weniger Finanzhilfen geflossen als in Länder mit einer mittelmäßigen Wirtschaftspolitik (vgl. Schaubild). Länder mit guter und sehr guter Wirtschaftspolitik sind von der Weltbank aber klar benachteiligt worden. Selbst für Empfängerländer auf einem vergleichbaren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau ergaben genauere statistische Analysen des Instituts für Weltwirtschaft im Länderquerschnitt keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Mittelvergabe der Weltbank und der Qualität der jeweiligen Wirtschaftspolitik.
Demgegenüber kommt die Weltbank zu dem Ergebnis, dass zumindest die stark konzessionären Mittel der International Development Association (IDA), die Teil der Weltbankgruppe ist, zielgerichtet verteilt worden seien. Besonders hervorgehoben wird, dass Ländern mit guter Wirtschaftspolitik in den späten neunziger Jahren fast drei Mal so viele IDA-Mittel zugeflossen seien als Ländern mit schlechter Wirtschaftspolitik. Dieses Eigenlob beruht jedoch auf wenig belastbaren Durchschnittswerten. Wenn man die Berechnung um nur zwei Sonderfälle korrigiert (Kap Verden und Honduras, dem wegen des Hurrikans Mitch extrem hohe Mittel zugewiesen wurden), erweist sich die Erfolgsmeldung als falsch. Die restlichen Länder mit guter Wirtschaftspolitik wurden bei der Mittelvergabe der IDA nicht bevorzugt, sondern im Durchschnitt vielmehr benachteiligt.
Der Erkenntnis von Entwicklungsökonomen, dass Finanzhilfen nur dann gesamtwirtschaftliche Wachstumsprozesse fördern und Armutsprobleme lindern, wenn die Hilfe auf arme Länder mit guter Wirtschaftspolitik konzentriert wird, ist von der Weltbank bisher also kaum Rechnung getragen worden. Der brisante Befund lautet demnach, dass die finanzielle Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern davon abhängig ist, ob die dortigen Regierungen Reformen durchführen oder nicht.
IWF unter Beschuss
In weiten Teilen der Öffentlichkeit herrscht das Bild eines übermächtigen IWF vor. Gleichwohl steht auch diese Institution vor dem Problem, wie die mit Krediten verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen durchzusetzen sind. Eindeutige Aussagen darüber, wie viele IWF-Programme gescheitert sind, lassen sich kaum treffen, weil man dazu wissen müsste, welchen Verlauf Zahlungsprobleme von Entwicklungsländern ohne Eingreifen des IWF genommen hätten. Wenn man das in der Literatur übliche Kriterium einer unvollständigen Auszahlung ursprünglich vereinbarter IWF-Kredite heranzieht, zeigt sich allerdings, dass in der jüngeren Vergangenheit mehr als zwei Drittel der Programme von den Empfängerländern bestenfalls partiell implementiert und deshalb abgebrochen oder ausgesetzt wurden.
Umstritten ist nicht nur die Durchsetzbarkeit der IWF-Konditionalität. Seit der Asien-Krise von 1997 wird dem IWF verstärkt vorgeworfen, im Bereich seiner Kernkompetenz versagt, sein Mandat weit überschritten und Anpassungslasten ungerecht verteilt zu haben. Unzweifelhafte Erfolge von IWF-Programmen sind selbst dort nicht durchgängig zu beobachten, wo sie am ehesten zu erwarten wären – nämlich beim Abbau von Leistungsbilanzdefiziten und internen Ungleichgewichten. Fehler bei der gesamtwirtschaftlichen Steuerung, die insbesondere die Asien-Krise zu verschärfen drohten, hat der IWF inzwischen selbst eingestanden.
Fehleinschätzungen beim Krisenmanagement bedeuten nach Meinung der meisten Ökonomen und Finanzpolitiker aber nicht, dass die makroökonomische Konzeption des IWF generell ungeeignet wäre, temporäre Zahlungsbilanzprobleme zu überwinden. Von dieser Seite wird vielmehr verlangt, der IWF solle sich in Zukunft auf seine Kernkompetenz bei der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung beschränken und die in viele struktur- und entwicklungspolitische Bereiche ausgeuferte Konditionalität zurückschneiden, um auf diese Weise zu einer sinnvollen Arbeitsteilung mit der Weltbank zu kommen. Zugleich wäre die nachträgliche Verknüpfung von Finanzhilfen mit wirtschaftspolitischen Auflagen wegen ihrer begrenzten Wirksamkeit soweit wie möglich durch allgemein verbindliche Qualifizierungskriterien zu ersetzen, die den Zugang zu IWF-Krediten im vorhinein regeln.
Der Forderung nach einer Rückbesinnung auf das ursprüngliche IWF-Mandat der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung widersprechen die Globalisierungskritiker. Sie beklagen die vermeintliche entwicklungspolitische Ignoranz des IWF, der die armutsrelevanten Auswirkungen seiner Programme nicht beachtet habe. Dabei wird häufig verkannt, dass die nationale wirtschaftspolitische Souveränität weiter ausgehöhlt würde, wenn man die interne Verteilung von Anpassungslasten in den Verantwortungsbereich des IWF verlagert.
Auch an die Kreditvergabe des IWF werden gegensätzliche Forderungen gestellt. Bis in die neunziger Jahre hinein herrschte die Auffassung vor, IWF-Kredite seien typischerweise „zu gering, teuer und kurzfristig“ (Overseas Development Institute). Demnach wäre eine großzügigere Kreditvergabe erforderlich, um unvermeidbare Krisen effektiver bekämpfen sowie Ansteckungseffekte und systemische Risiken im Keim ersticken zu können. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Zumeist wird nunmehr für eine beschränkte Kreditvergabe zu verschärften Konditionen plädiert. Damit sollen Anreize für ein Fehlverhalten („moral hazard“) der Kreditnehmer und ihrer privaten Gläubiger ausgeschaltet werden. Die Aussicht, im Ernstfall durch den IWF gerettet zu werden, habe die Entwicklungsländer verleitet, sich übermäßig zu verschulden, und ihre privaten Gläubiger hätten die Risiken ihres finanziellen Engagements sträflich vernachlässigt.
Das Argument, der IWF sei wegen seiner Kreditvergabe für die gehäuften Finanzkrisen selbst verantwortlich, ist empirisch kaum zu belegen. Die Gefahr eines bewussten Fehlverhaltens von Entwicklungsländern und privaten Gläubigern wird manchmal aus dem markanten Anstieg des Bestands an IWF-Krediten abgeleitet. Die laufenden Kreditauszahlungen lassen aber keinen klaren Trend erkennen (Schaubild, S. 23). Zwar ist die Kreditvergabe bei jeder größeren Krise hochgeschnellt, schon kurz danach aber wieder annähernd auf das Ausgangsniveau zurückgeführt worden. Letzteres wäre kaum möglich gewesen, wenn „moral hazard“ so schwerwiegend und verbreitet wäre, wie z. B. von der Meltzer-Kommission behauptet.
Nicht zu bestreiten ist allerdings, dass finanzielle Rettungsaktionen des IWF es insbesondere den privaten Auslandsbanken ermöglicht haben, trotz schwerer Krisen eher glimpflich davonzukommen. Die Krisenlasten sind etwa im Fall Mexikos und Asiens einseitig den betroffenen Ländern aufgebürdet worden, während die IWF-Kredite großenteils den privaten Gläubigern zugute gekommen sind, die ansonsten höhere Zahlungsausfälle zu verkraften gehabt hätten. Auch wenn empirische Erkenntnisse es zweifelhaft erscheinen lassen, dass allein die Aussicht auf derartige Rettungsaktionen das Verhalten privater Gläubiger nachhaltig beeinflusst hat, bildet diese ungerechte Lastenverteilung einen wesentlichen Grund für eine Reform der internationalen Finanzarchitektur.
Künftiger Bedarf
Aus ökonomischer Sicht bestimmt sich die zukünftige Bedeutung von Weltbank und IWF daraus, ob sie Leistungen erbringen können, bei deren Bereitstellung die Märkte versagen. An globalen Herausforderungen mangelt es nicht. Wenn die internationalen Finanzorganisationen dennoch harscher Kritik ausgesetzt sind, so liegt das darin begründet, dass ihr Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen bislang enttäuschend gering geblieben ist.
Die Globalisierungsdebatte verweist auf zwei Bereiche, die für Weltbank und IWF besonders relevant sind: die Bekämpfung der weltweiten Armut und die Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte. Im Rahmen einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen den Bretton-Woods-Instituten müsste sich die Weltbank auf armutsbezogene Aufgaben konzentrieren. Dem IWF kommt mit der finanziellen Stabilisierung eine zentrale öffentliche Aufgabe zu, weil die Annahme voll funktionsfähiger internationaler Finanzmärkte seit den gehäuften Krisen durchweg als unrealistisch verworfen wird.
Der erhöhte Stellenwert der Armutsbekämpfung erklärt sich teilweise aus der verbreiteten Forderung nach einer „gerechten“ Globalisierung. Das Armutsproblem umfasst aber nicht nur die Lebensbedingungen der unmittelbar Betroffenen, sondern weist auch Interdependenzen mit globalen Fragen im Hinblick auf Umwelt, auf Gesundheit, Sicherheit und Frieden auf. So beschwört die Weltbank in ihrem jüngsten Weltentwicklungsbericht die Gefahr eines Teufelskreises zwischen dem Armutsproblem einerseits und der Umweltzerstörung sowie der Verbreitung sozialer Unruhen andererseits herauf. Allerdings bleibt es auch nach Abschluss des Gipfeltreffens zur nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg im Sommer 2002 fraglich, ob das Ziel, die absolute Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren, in Afrika erreicht werden kann, wo dies am dringlichsten wäre.
Zu einer wirksamen Strategie der Armutsbekämpfung kann die Weltbank auf zweierlei Weise beitragen. Im Verhältnis zu einzelnen Partnerländern geht es darum, die Effektivität der traditionellen Entwicklungshilfe zu verbessern. Dazu muss die politische Ökonomie von Entscheidungsprozessen in den Empfängerländern ins Kalkül gezogen werden. Demnach verbietet es sich, das Heil in einer strikteren wirtschaftspolitischen Konditionalität zu suchen, die nur noch größere Implementierungsdefizite zur Folge haben dürfte. Stattdessen wären Erfolg versprechende Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer durch finanzielle und technische Hilfe zu honorieren.
Für Vollansicht bitte hier klicken Die Mittelvergabe der Weltbank müsste also selektiver und zugleich flexibler ausgestaltet werden. Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Ländern, die nicht selbst Initiativen zur Wachstumsförderung und Armutslinderung entfalten, wäre aber – von Katastrophenhilfe abgesehen – auszusetzen.
Neben der länderbezogenen Hilfe könnte die Weltbank als Mittler und Koordinator bei der Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter zur Armutsbekämpfung wirken. So könnte sie die Aufbringung der erforderlichen Finanzmittel für armutsrelevante Gesundheitsdienste organisieren und als Kapitalsammelstelle dienen. Die erforderliche multilaterale Bündelung von Entwicklungshilfe im Hinblick auf internationale öffentliche Güter lässt sich an der AIDS-Problematik veranschaulichen. Die gepoolten Mittel aller Geber wären dazu einzusetzen, AIDS-Präparate zu Marktpreisen aufzukaufen und den Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen; so würden die kaufkräftige Nachfrage nach wirksamen Therapien und damit auch die unternehmerischen Anreize zur Entwicklung neuer Präparate gestärkt.
Reform des IWF
Die in offiziellen Verlautbarungen gepriesenen Fortschritte bei der Reformierung des IWF verdecken, dass zentrale Fragen zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte auch fünf Jahre nach der Asien-Krise noch in der Schwebe sind. Die wünschenswerte Rückbesinnung auf die Kernkompetenz des IWF, konkrete Schritte zur Krisenvorbeugung sowie Regeln zur Lösung von staatlicher Überschuldung gegenüber privaten Gläubigern gilt es weiterhin umzusetzen.
Noch hat der IWF keinen konsistenten Kurs entwickelt. Die gebotene Übertragung der Kreditfazilität zur Armutsbekämpfung und Wachstumsförderung an die dafür eigentlich zuständige Weltbank ist unterblieben. Das Finanzierungspotenzial des IWF sollte in einer Krisenfazilität gebündelt werden. Für die Konditionen kurzfristiger Überbrückungskredite aus dieser Fazilität wären verbindliche Regeln und Qualifizierungskriterien festzulegen.
Ferner gilt es, das Dilemma zwischen einer restriktiven Kreditvergabe, die durch Fehlanreize begünstigte Krisen vermeiden hilft, und schnellen und ausreichenden Finanzhilfen zur Eindämmung unvermeidbarer Krisen zu entschärfen. Dies ist ohne eine engere Einbindung privater Gläubiger in die Lastenverteilung im Krisenfall kaum möglich. Verfahrensregeln, die im nationalen Konkursrecht üblich sind, lassen sich zumindest prinzipiell auf die internationale Ebene übertragen. Dies scheint politisch aber immer noch blockiert zu werden.
Ungeklärt sind schließlich Fragen der Repräsentanz und der Entscheidungsverfahren in den internationalen Finanzorganisationen. Der Anregung des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, vor der Generalversammlung 2000 der Vereinten Nationen, den Entwicklungsländern „mehr politische Mitbestimmung bei der Steuerung globaler Prozesse“ zu ermöglichen, wird nicht zuletzt auf europäischer Seite kaum Folge geleistet. Trotz der Überrepräsentation der EU-Länder im IWF ist ihre Neigung gering, auf Stimmrechte zugunsten unterrepräsentierter Entwicklungsländer zu verzichten. Überdies steht angesichts der Sperrminorität der Vereinigten Staaten und des Beharrens (überraschenderweise auch der Bundesbank) auf einem weisungsgebundenen IWF-Direktorium nicht zu erwarten, dass die Hauptanteilseigner in Zukunft darauf verzichten werden, den IWF zur Verfolgung eigennütziger Interessen zu instrumentieren. Eine stärkere Identifizierung der Entwicklungsländer mit den Aktivitäten des IWF („ownership“) bleibt somit illusorisch.
Anmerkungen
1 Die folgende Darstellung beruht großenteils auf einer Studie des Autors, die unter dem Titel „IWF und Weltbank: Trotz aller Mängel weiterhin gebraucht?“ als Kieler Diskussionsbeitrag 388 vom Institut für Weltwirtschaft im Mai 2002 veröffentlicht worden ist.
2 Auszugsweise abgedruckt in:Internationale Politik, 6/2000, S. 96–100.
Internationale Politik 11, November 2002, S. 17 - 24.