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31. Aug. 2018

Risiken und Nebenwirkungen

Was Trump für die Führungsrolle der USA in globaler Gesundheit bedeutet

Bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten weltweit haben die USA traditionell eine führende Rolle gespielt. Mit der Amtsübernahme Donald Trumps droht nun der Rückzug Amerikas. Die Folgen für Gesundheit, Entwicklung und Sicherheit wären erheblich. Immerhin: ­Bisher konnte das Schlimmste abgewendet werden.

Als die Gesundheitsminister der G20-Staaten im Mai 2017 in Berlin zusammenkamen und mit Experten der WHO und der Weltbank über den Ausbruch einer tödlichen und hochinfektiösen Krankheit berieten, handelte es sich zum Glück nur um eine Übung. Der fiktive Ausbruch einer Seuche in „Anycountry“, die sich weltweit auszuweiten droht, soll die internationalen Krisenreaktionsmechanismen auf den Ernstfall vorbereiten. Denn dieser, so warnen Experten, könnte jederzeit eintreten – mit verheerenden Folgen für Stabilität und Sicherheit für ganze Regionen.

Die Gefahr von Epidemien und Pandemien ist im hypervernetzten 21. Jahrhundert so hoch wie selten zuvor in der Geschichte. Durch die stete Zunahme von Reise- und Handelsverkehr, durch Urbanisierung und Umweltzerstörung ist das Risiko einer raschen und weiten Ausbreitung von Infektionskrankheiten stark gestiegen. Ihre Bekämpfung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.

Einen sehr wichtigen Beitrag in diesen Bemühungen haben bisher die USA geleistet. Als Führungsmacht in globaler Gesundheit und als Garant der multilateralen, regelbasierten Weltordnung war das Engagement Washingtons stets maßgeblich bei der Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten. Es sind im Wesentlichen vier Parameter der amerikanischen Außenpolitik, aus denen sich die Führungsrolle der USA in globaler Gesundheit gespeist hat.

Geld und Expertise

Zum einen ist es die Bereitstellung von erheblichen finanziellen und technischen Ressourcen, die Wa­shington weltweit für den Kampf gegen Krankheiten zur Verfügung stellt und die seine Bedeutung in globaler Gesundheit unterstreichen. Die USA sind der größte finanzielle Förderer globaler Gesundheit und gaben 2016 schätzungsweise 10,2 Milliarden Dollar für die Stärkung von Gesundheit weltweit aus. Damit macht die ­globale ­Gesundheit den größten Einzelposten im US-Entwicklungsetat aus; das zeigt, welche Priorität die Entscheidungsträger in Washington dem Thema bislang eingeräumt haben.

Ein weiterer Trumpf ist die herausragende Expertise, die sich in US-Behörden und Institutionen findet, etwa in den Centers for Disease Control and Prevention (CDC), der U.S. Agency for International Development (USAID) oder auch den biomedizinischen Laboren der US Navy und Army. Experten in diesen Institutionen arbeiten täglich daran, die Gefahr von Seuchen zu verringern – ob durch die Erforschung von potenziellen Impfstoffen, durch die Auswertung von Krankheitsdaten, durch Frühwarnung bei Ausbrüchen oder durch technische Beratung von ausländischen Regierungen.

Neben den Ressourcen, die Washington für globale Gesundheit bereitstellt, zeigt auch die Präsenz des Themas in wichtigen nationalen Strategiedokumenten den hohen Stellenwert, den die Förderung von Gesundheit weltweit für die USA genießt. So wurde bereits im Dezember 1999 in der Nationalen Sicherheitsstrategie vor der Ausbreitung von internationalen Epidemien wie HIV/Aids, Polio und Tuberkulose und den daraus resultierenden negativen Folgen für Entwicklung und Stabilität gewarnt. Auf höchster Regierungsebene wurde das Thema bereits 1998 im Nationalen Sicherheitsrat aufgegriffen.

Daneben haben die USA auch immer wieder punktuell bei der Bekämpfung von Gesundheitskrisen eine herausragende Rolle gespielt. Etwa im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika 2014/15. Dort trat Wa­shington als größter nationaler Geldgeber auf, stellte weitreichende technische Expertise bereit und stationierte fast 3000 Soldaten in Liberia. Auch wenn das der bisher größte Einsatz der USA in einer internationalen Gesundheitskrise war, haben sie sich – insbesondere durch die CDC – zuvor auch in zahlreichen anderen akuten Ausbruchsbekämpfungen engagiert, etwa im Fall der Cholera in Haiti 2010. Aber nicht nur bei akuten Krankheitsausbrüchen hat Washington oft umfassend reagiert, auch für die Bekämpfung einzelner schwerer Infektionskrankheiten wie HIV/Aids oder Malaria unterhalten die USA mit PEPFAR (President’s emergency plan for AIDS relief) oder der President’s Malaria Initiative umfassende Programme.

Für die Förderung von globaler Gesundheit spielen multilaterale Organisationen und Partnerschaften eine besondere Rolle. Denn die Lösung von Problemen wie der grenzüberschreitenden Ausbreitung von Infektionskrankheiten kann nur gemeinsam gefunden werden. Als Garant und aktiver Unterstützer der multilateralen Weltordnung, als einer der größten Geldgeber der WHO und wichtiger Förderer von Initiativen wie der Global Health Security Agenda (GHSA) haben die USA auch hier einen besonders wichtigen Beitrag geleistet.

Die GHSA wurde 2014 als Partnerschaft zwischen internationalen Organisationen, NGOs und Ländern gegründet und hat aktuell rund 60 Mitglieder. Sie fördert Prävention, Früherkennung und Bekämpfung von Epidemien besonders in ärmeren Ländern, in denen die Gesundheitssysteme nur schwach ausgebildet und Krankheitsausbrüche wahrscheinlich sind. Bei der Gründung und Entwicklung der GHSA hat Washington eine führende Rolle gespielt und dazu beigetragen, dass die Initiative schnell gewachsen ist.

Die bisherige amerikanische Führungsrolle in globaler Gesundheit hatte viel mit der Überzeugung der Präsidenten zu tun, dass der Einsatz für Gesundheit weltweit im Interesse der USA liegt. Mit der Amtsübernahme von Präsident Trump fürchteten viele Beobachter, dass nun das Ende dieser Vorreiterstellung gekommen sei. Ein Präsident, der mit dem Slogan „America First“ angetreten ist und sich kritisch gegenüber Entwicklungshilfe, Multilateralismus und Amerikas starker Rolle in der Welt geäußert habe, würde das bisherige amerikanische Engagement auch für globale Gesundheit drastisch einschränken, mit verheerenden Folgen für Gesundheit, Entwicklung und Stabilität weltweit.

Und tatsächlich hat die Regierung Trump Änderungen angestoßen, die auf einen Rückzug der USA hindeuten. Mit Blick auf die einzelnen Parameter der amerikanischen Führungsrolle entsteht allerdings ein gemischtes Bild für das zukünftige Engagement der USA in globaler Gesundheit.

Massive Budgetkürzungen

Anlass zur Sorge geben insbesondere die massiven Budgetkürzungen für Investitionen in globale Gesundheit, welche die Trump-Regierung sowohl für 2018 als auch für 2019 vorgeschlagen hat. Als die Regierung im Februar 2018 ähnlich wie im Jahr zuvor ankündigte, die Mittel für das State Department und USAID, die der Förderung globaler Gesundheit dienen sollen, um 23 Prozent gegenüber 2017 kürzen zu wollen, befürchteten Beobachter schwere Rückschritte im Kampf gegen Krankheiten weltweit.

Geht es nach Donald Trump, soll auch das Budget, das für die Aktivitäten der CDC eingeplant ist, um 6 Prozent sinken. Nicht anders verhält es sich mit den Mitteln für die gezielte Bekämpfung einzelner schwerwiegender Krankheiten wie HIV/Aids, Tuberkulose oder Malaria. Nach dem Budgetentwurf der Regierung Trump sind somit nahezu alle amerikanischen Programme, die zum Ziel haben, globale Gesundheit zu stärken, von Kürzungen betroffen. Der einzige Posten, der eine Aufstockung von finanziellen Mitteln erfahren soll, ist das Programm der CDC, das für die Früherkennung von Krankheitsausbrüchen weltweit zuständig ist und aus dem unter anderem auch der Beitrag der USA für die GHSA gezahlt wird.

Insgesamt ist zu bezweifeln, dass Institutionen wie die CDC ihre Aufgaben in Zukunft noch vernünftig erfüllen können, falls die Kürzungen vom Kongress verabschiedet werden. Immerhin: Das ist mit Blick auf die Erfahrungen des vergangenen Jahres eher unwahrscheinlich. 2017 stellte sich der Kongress entschieden gegen den Entwurf des Weißen Hauses und konnte die massiven Kürzungen für die Förderung globaler Gesundheit abwenden. Durch eine breite, parteiübergreifende Mehrheit im Kongress konnten weitreichende Gelder für Amerikas Engagement für globale Gesundheit 2018 gesichert werden; das wird auch von rund der Hälfte der amerikanischen Bevölkerung unterstützt – wie die Kaiser Family Foundation in aktuellen Umfragen herausfand.

Auch in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie, die im Dezember 2017 unter Präsident Trump bekanntgegeben wurde, findet sich weiterhin die Bekämpfung von Epidemien und Pandemien als eine wichtige Aufgabe für die Außen- und Sicherheitspolitik. Allerdings ist es um die Repräsentation des Themas auf höchster Regierungsebene im Weißen Haus seit Mai 2018 schlecht bestellt. Am 9. Mai – ausgerechnet einen Tag, nachdem im Kongo ein erneuter Ebola-Ausbruch gemeldet wurde – verkündete die Trump-Regierung die Entlassung Tim Ziemers und die Auflösung ­seines Postens, der bis dahin als „­Senior Director for Global Health ­Security and Biothreats“ im Nationalen Sicherheitsrat die Regierung beraten hatte. Somit ist derzeit unklar, wer im Fall einer Epidemie oder Pandemie im Weißen Haus für die Koordinierung der Eindämmungsmaßnahmen zuständig ist. Da Zeit ein kritischer Faktor bei der erfolgreichen Eindämmung von Infektionskrankheiten ist, sind das äußerst schlechte Bedingungen für eine schnelle, effektive US-Reaktion auf Krankheitsausbrüche.

Des Weiteren ist ungewiss, wie das amerikanische Engagement unter Trump bei einer zukünftigen Gesundheitskrise in der Welt aussehen würde. Während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika 2014/15 äußerte sich Donald Trump sehr kritisch über amerikanische Helfer, die in Westafrika an Ebola erkrankt waren und in die USA zurückgeflogen werden sollten. Per Twitter verlangte er, dass die Rückführung gestoppt werde, da sich sonst die Krankheit auch in den USA ausbreiten würde. Weiterhin kritisierte er die Stationierung von US-Soldaten in Liberia, um die Epidemie einzudämmen, und befürwortete ein Einreiseverbot für Menschen aus den hauptbetroffenen Ländern Westafrikas. Später beschuldigte er fälschlicherweise einen Liberianer, der im September 2014 nach Dallas gereist und dort wenige Tage später an Ebola verstorben war, illegal ins Land eingereist zu sein.

Ein solcher Mix aus verweigerter Unterstützung von erkrankten Helfern, der Verbreitung von Falsch­meldungen und einer Befürwortung von rigorosen Einreiseverboten führt dazu, dass Hysterie und Angst vor Ansteckung in der Bevölkerung steigen und die Bereitschaft zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten sinkt. In der Folge steigt die Befürwortung von Abriegelung oder gar autoritären Maßnahmen. Dadurch wird die effektive Bekämpfung von Epidemien massiv geschwächt.

Während die WHO einen erneuten Ebola-Ausbruch im Kongo im Mai 2018 vermeldete, schlug die Regierung Trump vor – unter großem Aufschrei von Demokraten und zivilgesellschaftlichen Gruppen –, das Sonderbudget, das der Kongress 2014 für die Bekämpfung von Ebola freigegeben hatte und nun für die schnelle Reaktion auf eine erneute Epidemie zur Verfügung stand, abzuschaffen. Nach anhaltender Kritik zog die Regierung diesen Vorschlag allerdings im Juni zurück.

Während WHO, zahlreiche NGOs und einzelne Staaten wie Deutschland und Kanada ihr Engagement zügig ausbauten, war das der USA zunächst nur mäßig, insbesondere im Vergleich zu der starken Rolle 2014/15. Mit lediglich einer Million Dollar – Deutschland hatte zuvor 5,9 Millionen Dollar zugesagt – und einer geringen Anzahl von technischen Experten schienen die USA ihrer Führungsrolle in globaler Gesundheit nicht mehr nachzukommen, so die Einschätzung zahlreicher Beobachter. Der endgültige Abgesang auf die amerikanische Führungsrolle kam dann aber doch zu früh – am 22. Mai verkündete Gesundheitsminister Alex Azar, zusätzlich sieben Millionen Dollar für die Unterstützung der Eindämmung der tödlichen Infektionskrankheit im Kongo bereitzustellen.

Auch wenn es in der jüngeren Vergangenheit immer mal wieder Phasen gab, in denen eine US-Regierung mehr oder weniger unilateral handelte, erreicht die Art, wie unverhohlen Donald Trump multilaterale Organisationen und internationale Abkommen infrage stellt, ein neues Ausmaß. Zur Lösung globaler Gesundheitsprobleme ist die multilaterale Zusammenarbeit aber von entscheidender Bedeutung. Die „America First“-Philosophie des Präsidenten und sein tiefes Misstrauen gegenüber den Vereinten Nationen und anderen multilateralen Organisationen werden die Zusammenarbeit und Lösung globaler Gesundheitsprobleme wohl in Zukunft erschweren.

Künftige Führungsrolle ungewiss

Letztlich ergibt sich keine eindeutige Aussage darüber, ob die USA unter Präsident Trump ihre Führungsrolle in globaler Gesundheit aufgeben werden. Die breite überparteiliche Unterstützung für eine starke Rolle der USA in der internationalen Bekämpfung von Epidemien und eine aktive Zivilgesellschaft haben bisher das Schlimmste im Hinblick auf den befürchteten Rückzug der USA verhindert. Aber die generelle Infragestellung von multilateralen Organisationen, die Ablehnung von Auslandsinvestitionen und Entwicklungsgeldern sowie die Degradierung des Themas im Weißen Haus deuten darauf hin, dass Amerika in Zukunft eine weniger aktive Rolle in globaler Gesundheit spielen wird.

Das bedeutet für Länder wie Deutschland, die in den vergangenen Jahren schon mehr Verantwortung in Sachen Gesundheit übernommen haben, aber auch für die EU, dass sie ihre Bemühungen in der Bekämpfung internationaler Epidemien verstärken sollten. Gleichzeitig sollten sie auch die Stimmen in den USA, die ein anhaltend starkes Engagement Wa­shingtons in globaler Gesundheit befürworten, unterstützen und stärken.

Es ist also nicht alles verloren mit Blick auf die künftige Rolle der USA in globaler Gesundheit. Schließlich war Washington mit acht Millionen Dollar einer der größten nationalen Geldgeber im Kampf gegen Ebola im Kongo und wird voraussichtlich auch auf absehbare Zeit einer der größten Geber der WHO bleiben. Dennoch ist Präsident Trump kein aktiver Unterstützer einer Führungsrolle der USA in globaler Gesundheit, wie es etwa sein Vorgänger war; und angesichts der massiven Herausforderungen im Kampf gegen Epidemien und Pandemien weltweit sollten wir uns keiner Illusion hingeben. Ein Ausbruch, wie er in „Anycountry“ im Mai 2017 fiktional geübt wurde, kann jederzeit eintreten. Ob die USA dann unter der aktuellen Regierung eine Führungsrolle spielen werden – auch mit starker, direkter Beteiligung vor Ort –, ist zweifelhaft.

Daniela Braun ist Associate Fellow im Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen der DGAP und promoviert zum Thema „Health Security“ an der FU Berlin.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, September-Oktober, 2018, S. 46 - 51

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