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01. März 2010

Mittler zwischen Nord und Süd

Südafrikas Position nach dem Klimagipfel in Kopenhagen

Südafrika hat an dem in letzter Minute ausgehandelten „Copenhagen Accord“ maßgeblich mitgewirkt. Das zeigt die wachsende Bedeutung von informellen oder Ad-hoc-Gruppen in der multipolaren Weltordnung. In weiteren Klimaverhandlungen wird Pretoria gebraucht – und auf weitere Geld- und Technologietransfers drängen.

Als einziges Land in Subsahara-Afrika verfügt Südafrika über eine international wettbewerbsfähige Industrie. Es gehört zu den 20 Ländern, die für 90 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, und es hat den Klimawandel vergleichsweise früh als drängendes Problem erkannt. Entsprechend hat Südafrika vor und in Kopenhagen sowohl als prominentes Mitglied der G-77/China- als auch der Afrika-Verhandlungsgruppe agiert. Die Regierung versuchte, gleichzeitig die Interessen der Entwicklungsländer zu vertreten und einen Kompromiss zwischen Industrie- und Entwicklungsländern für ein rechtlich verpflichtendes Klimaschutzabkommen zu erzielen. Allerdings führte in Kopenhagen nicht Südafrikas Präsident Jacob Zuma die Verhandlungen für die Afrika-Gruppe sondern Äthiopiens Premierminister Meles Zenawi. Südafrika war lediglich in seiner Funktion als Vorsitzender der Afrikanischen Umweltministerkonferenz (AMCEN) Teilnehmer der afrikanischen Delegation. In öffentlichen Erklärungen spiegelt sich ein großes Engagement in Klimafragen wider.

Bereits 1998 setzte sich die südafrikanische Regierung in einem Weißbuch zu Energiefragen die Minderung des Wachstums von Treibhausgasen zum Ziel; 2004 folgte eine nationale Klimastrategie, die sowohl Emissionsminderung als auch Anpassung an den Klimawandel vorsieht. Im März 2006 gab das Kabinett „Long Term Mitigation Scenarios“ in Auftrag und zusammen mit Mexiko war Südafrika das erste Schwellenland, das eigene Verpflichtungen zur Emissionsreduktion nicht mehr rundweg ablehnte. Dies bedeutet gleichzeitig ein Eingeständnis der Mitverantwortung Südafrikas für den Klimawandel: Kohle bildet den wesentlichen Teil der Energieerzeugung und die Pro-Kopf-Emissionen gehören mit durchschnittlich zehn Tonnen pro Kopf jährlich zu den höchsten der Welt. Sie sind etwa doppelt so hoch wie bei anderen Entwicklungsländern und liegen über den Werten von Österreich oder Spanien.

Doch diese „progressive Position“1 hat eine Kehrseite: Südafrika vertrat auf internationaler Ebene explizit die Position Chinas und Indiens, wonach sich die Industrieländer auf konkrete Ziele zur Minderung von Treibhausgasen zu verpflichten hätten, während Reduktionsziele für Entwicklungs- und Schwellenländer das so wichtige Wirtschaftswachstum beeinträchtigten. Die Betonung des Verursacherprinzips unterstrich die Regierung erneut auf dem EU-Südafrika-Gipfel am 11. September vergangenen Jahres. Jedoch bot die südafrikanische Regierung unmittelbar vor Kopenhagen an, die Treibhausgas-Emissionen des Landes bis 2020 um 34 Prozent und bis 2025 um 42 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau zu senken. Dieses Angebot steht unter dem Vorbehalt, dass das Land dafür finanzielle und technische Unterstützung von Industriestaaten erhält.2 Damit nahm Südafrika vor den Verhandlungen erneut eine fortschrittliche Position im Vergleich zu anderen Schwellenländern ein.

Steigen die Temperaturen, wird Afrika am stärksten von Überschwemmungen und Dürren betroffen sein. Laut Statistiken des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) werden bis zu 250 Millionen Menschen auf dem Kontinent im Jahr 2020 unter Wasserknappheit leiden, der Ernteertrag könnte um die Hälfte sinken. Der globale Klimawandel würde sich somit gerade in der Region am schlimmsten auswirken, die ihn am wenigsten verursacht hat. Gleichwohl kündigte die Afrika-Verhandlungsgruppe mit prominenter Beteiligung Südafrikas vor Kopenhagen an, jeden Klimadeal zu blockieren, der ihren Finanzbedarf zur Anpassung an den Klimawandel nicht erfüllt. So boykottierte die Afrika-Gruppe am 3. November 2009 Vorverhandlungen in Barcelona mit dem Hinweis, erst wieder einzusteigen, wenn die Staaten des Nordens ihrer Führungsrolle nachkämen. Nach nur einem Tag kehrte sie jedoch wieder an den Verhandlungstisch zurück. Die Fortführung der Verhandlungen hielt man nach diesem „Warnschuss“ offensichtlich für eine aussichtsreichere Strategie. Ein ähnliches Muster findet sich in Südafrikas Verhalten in Kopenhagen: Vor Beginn der Konferenz hatte Südafrikas Umweltministerin eindeutig erklärt: „Wird Südafrika ein schwaches Ergebnis akzeptieren? Die Antwort ist ein klares Nein!“3 Im Gegensatz dazu war Präsident Zuma dann aber maßgeblich an der Formulierung des international stark kritisierten und rechtlich unverbindlichen „Copenhagen Accord“ beteiligt.

Zentraler Akteur und größter Emittent Afrikas

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen beziffert den Finanzbedarf Afrikas zur Anpassung an den Klimawandel auf bis zu 50 Milliarden Dollar pro Jahr, andere Experten gehen sogar von 200 Milliarden aus. Die Angebote der Industrienationen lagen deutlich darunter; in Artikel 8 des „Copenhagen Accord“ heißt es nun vage, dass für Anpassung und Emissionsminderung 30 Milliarden Dollar für die „am stärksten verwundbaren Entwicklungsländer“ im Zeitraum 2010 bis 2012 aufgewandt werden sollen. Zudem „bekennen“ sich die Industrienationen zu dem Ziel, ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer, also nicht nur für Afrika, zur Verfügung zu stellen.4 Die Koalition der afrikanischen Staaten verlangt vom Treibhausgas produzierenden Norden dagegen mindestens 67 Milliarden Dollar an Transferleistungen, teilweise wurde sogar über Kompensationsforderungen von 300 Milliarden Dollar spekuliert.5 Im Namen der Afrika-Verhandlungsgruppe hat Südafrika eine mehr als hundertfache Erhöhung der Mittel für die Anpassung an den Klimawandel durch die Industriestaaten gefordert.6

Außerdem verlangen die afrikanischen Staaten nach wie vor, dass die Industrienationen ihre Treibhausgase bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 senken. Da an den Klimaverhandlungen des UNFCCC 192 Staaten („Parteien“) beteiligt sind, können einzelne Länder ihre Positionen kaum individuell vertreten; sie bilden verschiedene Gruppen. Südafrika spielt sowohl in der Afrika- als auch in der Gruppe der 77/China (G-77/China) eine Schlüsselrolle. Zwar hatte das Land in der Vorbereitung auf Kopenhagen in der Afrika-Gruppe formal nicht die Führungsrolle inne, doch die zahlreichen Verhandlungs- und Kooperationsformate mit südafrikanischer Beteiligung belegen, dass Pretoria als ein zentraler, wenn nicht der zentrale Akteur in Afrika wahrgenommen wird. Auch engagierte sich Südafrika stark im Rahmen der G-77/China-Gruppe und versuchte, unter anderem durch ein Treffen mit Repräsentanten Brasiliens, Indiens und Chinas Ende November 2009 in Peking, die Positionen vor Kopenhagen abzustimmen. Eine „Regionalisierung“ der Position Südafrikas nach Kopenhagen lässt sich nicht ausmachen. Vielmehr wurde die Beteiligung Präsident Zumas am Nachttreffen kurz vor Ende der Verhandlungen von einzelnen afrikanischen Staaten kritisiert.

Insgesamt erschweren zahlreiche Faktoren die Ausübung eines klaren Mandats: Staaten können gleichzeitig Mitglieder verschiedener Koalitionen wie zum Beispiel der Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS), der Gruppe der am wenigsten entwickelten Staaten (LDCs) und der G-77/China sein. Auch innerhalb der Gruppen sind die Interessen keineswegs identisch, wie der Blick auf die G-77/China zeigt: Diese wurde 1964 von 77 Entwicklungsländern gegründet, um die Anliegen des Südens auf globaler Ebene besser zur Geltung zu bringen. Die Gruppe ist mittlerweile auf 130 Staaten angewachsen, die ganz unterschiedliche Interessen verfolgen. Genannt sei hier die Abhängigkeit der Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) von Öl-Einnahmen, die Dominanz der Landwirtschaft in den meisten Entwicklungsländern und die Befürchtung der kleinen Inselstaaten, dass sie beim Ansteigen der Meeresspiegel überflutet werden.

Auch die wirtschaftlichen Unterschiede sind beträchtlich: So sind die am wenigsten entwickelten Staaten der Erde genauso Mitglied wie Singapur, Israel, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Südafrika gehört in diesem Club ebenfalls zu den – insgesamt – wohlhabenderen Mitgliedern. Auch aus diesem Grund gibt es noch immer Bestrebungen des Nordens, die Entwicklungsländer (so genannte Non-Annex-1-Staaten) in den Klimaverhandlungen weiter zu unterteilen. Dagegen beharren Vertreter der G-77/China wie Saudi-Arabien, unterstützt von Brasilien, China, Indien und Südafrika darauf, weiter alle Staaten als einen Block zu behandeln; sie wären schließlich gleichermaßen von den Effekten des Klimawandels betroffen und trügen nicht die Hauptverantwortung für den Klimawandel.

Potenzial für Mittlerposition

Dass Südafrika als einziges afrikanisches Land zu den 20 Staaten gehört, die fast 90 Prozent der globalen Treibhausgase emittieren, liegt vor allem an der hohen Abhängigkeit der Wirtschaft vom fossilen Energieträger Kohle. Die beiden Unternehmen Sasol und Eskom sind dabei für fast zwei Drittel der Emissionen des Landes verantwortlich. Eskom betreibt Kohlekraftwerke zur Stromproduktion und Sasol wandelt Kohle und Gas in Benzin um. Während Südafrika im Jahr 2020 15 Prozent seines Bedarfs durch erneuerbare Energien decken will, plant die staatliche Eskom den Bau neuer Kohlekraftwerke. Sasol will eine weitere Kohleverflüssigungsanlage in der Limpopo-Provinz errichten. Schon heute ist deren Secunda-Fabrik angeblich der größte Kohlendioxid-Emittent der Welt.7 Folglich decken sich die Interessen Südafrikas keinesfalls mit dem Rest des wenig industrialisierten Kontinents. Wie bei anderen Schwellenländern stehen auch in Südafrika Minderung der Emissionen und Technologietransfer an oberster Stelle und nur langsam auch Anpassung an den Klimawandel sowie Forschung und Entwicklung. Für andere afrikanische Staaten hingegen ist die Anpassung (adaptation) an den Klimawandel von besonderer Wichtigkeit.

Südafrika leidet zudem unter der Proliferation von Kommissionen und Beratungsformaten mit unterschiedlichsten Akteuren im Süden und Norden. Das Land ist nicht nur der größte Emittent in Afrika, sondern auch der wichtigste Ansprech- und Verhandlungspartner, wenn es um den Klimawandel geht. Neben der Beanspruchung durch verschiedene Formate werden zeitweise auch Vorbehalte gegen die Verhandlungsstrategie der im Mai 2009 ernannten Umweltministerin Buyelwa Sonjica geäußert. Deren Vorgänger Marthinus van Schalkwyk spielte in den UNFCCC-Verhandlungen in Bali (2007) und im polnischen Posen (2008) eine unerwartet prominente Rolle und sorgte dafür, das Misstrauen zwischen dem Norden und dem Süden zu verringern. Das Potenzial für eine Mittlerposition ist also da. Bislang ist die südafrikanische Klimadiplomatie unter Sonjica allerdings zurückhaltender geblieben.

Dass Kopenhagen auch zum erneuten Beweis für die wachsende Bedeutung von informellen oder Ad-hoc-Gruppen in der multipolaren Weltordnung wurde, zeigte sich in den letzten Stunden des Kopenhagener Gipfels: Es waren die Vertreter der USA, Chinas, Indiens, Brasiliens und Südafrikas Präsident Jacob Zuma, die in letzter Minute den „Copenhagen Accord“ aushandelten. Brasilien, Indien und Südafrika spielten dabei eine zentrale Vermittlerrolle zwischen den beiden größten Emittenten USA und China. Die südafrikanischen Zeitung Business Day veranlasste das zu der Feststellung, dass „Südafrika nicht zum ersten Mal auf einem globalen Gipfel oberhalb seiner Gewichtsklasse agierte.“8

Der südafrikanische Autor William Gumede hingegen hält Kopenhagen für ein „Desaster für Afrika“ und auch Umweltministerin Sonjica nennt das Ergebnis „nicht akzeptabel“. Zuviel Energie sei auf prozessuale Fragen verwandt worden, anstatt über Inhalte in Bezug auf Anpassung, Emissionsminderung, Finanzierung und Technologietransfer zu diskutieren. Wie in anderen Ländern auch, sieht man den Klimagipfel von Kopenhagen in Südafrika nun als einen Zwischenschritt für weitere Klimaverhandlungen. Pretoria wird weiter auf zusätzliche Geld- und Technologietransfers sowie ambitioniertere Reduktionsziele der Industriestaaten drängen.

Dr. CHRISTIAN VON SOEST ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Afrika-Studien des GIGA (German Institute of Global and Area Studies).

  • 1Babette Never und Dennis Eucker: Der Obama-Effekt auf neue regionale Führungsmächte – Klimaschutz auf dem Weg nach Kopenhagen, GIGA Focus Global 8, Hamburg, German Institute of Global and Area Studies 2009, S. 5.

  • 2Vgl. Erklärung von Buyelwa Sonjica, Minister of Water and Environmental Affairs, South Africa. Highlevel Segment of the 15th Conference of the Parties (COP-15) of the United Nations Convention on Climate Change (UNFCCC) and the 5th Conference of the Parties Serving as the Meeting of the Parties (CMP-5) to the Kyoto Protocol, Copenhagen, 17.12.2009, http://www.deat.gov.za/climate-change/downloads/NATIONAL STATEMENT 171209 XOLISA.pdf.
  • 3Rede von Buyelwa Sonjica, Minister of Water and Environmental Affairs, at the National Information and Consultation Session at Colosseum, Pretoria, 10.11.2009, http://www.info.gov.za/speeches/2009/09111312151001.htm.
  • 4United Nations: Copenhagen Accord, Draft Decision – CoP 15, Copenhagen, United Nations, United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) 2009.

  • 5Vgl. Marc Engelhardt: Afrikas Milliardenforderung, Berlin, die tageszeitung, 20.11.2009.

  • 6Lwandle Mqadi: Key Issues Being Negotiated in Copenhagen, Perspectives. Political Analysis and Commentary from Southern Africa 2.09, Kapstadt, Heinrich-Böll-Stiftung, Südafrika 2009, 
S. 7.
  • 7Vgl. Tigere Chagutah: Grasping the Hydra: Reconciling South Africa’s Leading Role in the Global Climate Debate and the Struggle for Clean Energy Development at Home, Kapstadt, Heinrich-Böll-Stiftung, Südafrika, http://www.boell.org.za/web/144-410.html.
  • 8Watered Down. Copenhagen Accord is Only a Work in Progress, Business Day, 22.12.2009.
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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2010, S. 114 - 118

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Christian von Soest

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