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01. Aug. 2005

Mehr Freiheit, bitte!

Rot-grüne Weltpolitik ist zu sehr am Status quo orientiert – ein Plädoyer für eine neue, liberalere Außenpolitik

Länder, die in Freiheit leben, haben eine besondere Verpflichtung, auch anderen zur Freiheit zu verhelfen. Deutschland trägt 15 Jahre nach der Wiedervereinigung international mehr Verantwortung. Wir dürfen uns dem nicht verweigern – aber genauso wenig von der Kultur der Zurückhaltung zu einer Kultur des Auftrumpfens übergehen. Europäische Integration, transatlantische Kooperation, Menschenrechte und ein effektiver Multilateralismus müssen die Leitlinien deutscher Politik sein.

Deutschland hat sich in Jahrzehnten erarbeitet, was für ein friedliches Zusammenleben notwendig ist: Das Vertrauen anderer in uns. Klarheit im Ziel, gepaart mit Verlässlichkeit und Bescheidenheit im Auftreten, das vertrauliche Gespräch anstelle des schnelllebigen Auftritts, Pflege der Beziehungen zu kleineren Ländern und nicht nur Begegnungen mit den Staatsmännern der Großmächte – das war es, was den Charakter deutscher, insbesondere liberaler Außenpolitik stets ausmachte.

Für liberale Außenpolitik galten und gelten die Verfassungsprinzipien, die auch unser politisches Handeln insgesamt bestimmen. Damit ist sie freiheitlich und deutlich in Sachen Menschenrechte, klar marktwirtschaftlich und basiert auf Freihandel und Hilfe zur Selbsthilfe. In jahrzehntelanger Arbeit wurde unter den Ministern Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel so Vertrauen aufgebaut. Liberale Außenpolitik setzt auch weiterhin auf Vertrauen, auf Bündnisse und auf den Multilateralismus – und damit auf Organisationen wie die EU, die NATO, die OSZE sowie die Vereinten Nationen anstelle nationaler Alleingänge.

Die atlantische Partnerschaft und die europäische Einbettung sind aus gutem Grund zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland geworden. Bundespräsident Theodor Heuss hat das eindringlich als die Versöhnung der deutschen politischen Eliten mit den parlamentarischen Systemen des Westens beschrieben. Die Bereitschaft zum Lernen und zum Arbeiten hat das internationale Ansehen herausgebildet, auf das die damals junge zweite deutsche Demokratie so dringend angewiesen war. Wir sollten uns an dieses Stück Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland wieder erinnern. Rot-Grün hat in einigen Bereichen an Traditionslinien festgehalten – so wie es guter Brauch war bei Regierungswechseln und wie es unseren außenpolitischen Interessen entspricht, denn ein Stück Kontinuität ist in der Außenpolitik Staatsräson. Die Außenpolitik braucht mehr als alle anderen Politikbereiche Verlässlichkeit, sie taugt weniger als anderes zu parteipolitischer oder ideologischer Profilierung. Aber Traditionslinien wurden zum Teil auch verlassen. Die Bilanz nach sieben Jahren rot-grüner Außenpolitik ist mager, sie ist inhaltlich hinter medialen Ereignissen zurückgeblieben. Die transatlantische Freundschaft ist beeinträchtigt, die europäische Integration steckt in einer schweren Krise, die kleinen und mittleren EU-Partner wurden durch ungeschicktes Gerede über neue so genannte Achsenbildungen irritiert, die UN-Reform droht im Sande zu verlaufen, die Bundeswehr ist in vielen Auslands-einsätzen, ohne dass jeweils politische Lösungsperspektiven ausreichend und Erfolg versprechend deutlich werden, und die Glaubwürdigkeit Deutschlands in Sachen Menschenrechte ist erschüttert. All das gilt es jetzt durch Rückbesinnung auf alte Stärken und bewährte Prinzipien neu zu bearbeiten, manches auch zu korrigieren.

Der europäische Integrationsprozess ist keine Selbstverständlichkeit

Am wichtigsten ist und bleibt für uns Deutsche die Einbettung in Europa. Die EU muss aus ihrer gegenwärtigen Krise herausgeführt werden. Wir brauchen die europäische Zusammenarbeit – weil sie Garant ist für Frieden und Freundschaft unter den europäischen Völkern. Wir brauchen die Integration aber auch, weil wir als Exportnation vom Binnenmarkt und auch von der Erweiterung am meisten profitieren und unser Wohlstand davon abhängt. Nicht zuletzt ist die europäische Integration unsere Antwort auf die Globalisierung inklusive des Wettbewerbs mit aufkommenden starken Ländern wie Indien und China.

Trotzdem ist ein einfaches „Weiter so“ heute keine Option mehr – das zeigen das vorläufige Scheitern des Verfassungsprojekts, die wachsende Skepsis über zukünftige Erweiterungen, der Streit über die Finanzen, aber auch die mutwillige Beschädigung des Stabilitätspakts. Ein Großteil der Bürger Europas nimmt den Integrationsprozess nicht mehr als Selbstverständlichkeit. Es müssen neue Anstrengungen unternommen werden, um die Bürger zu gewinnen. Gipfelveranstaltungen allein reichen dafür nicht aus. Die politischen Eliten haben es ganz einfach nicht geschafft, mit Europa zu überzeugen. Sie haben die Bedenken der Menschen nationalstaatlich bearbeitet und das Ganze, das mehr Chancen als Risiken hat, aus dem Blick verloren. Europa ist ein sehr ambitioniertes Projekt und erfordert europäische Haltung. Wer stets nur aus nationalen Egoismen heraus über Europa redet, wird sich schwer tun, den Bürgern Europa näher zu bringen.

Das Verfassungsprojekt geht trotz aller Mängel in der Zielsetzung in die richtige Richtung, die EU demokratischer und bürgernäher zu machen. Deshalb ist es so tragisch, dass dieses Projekt jetzt ausgerechnet wegen fehlender Zustimmung der Bürger zunächst gestoppt ist. Eine Neuauflage desselben Textes wird es – auch nach der viel zitierten und sicher richtigen Denkpause – nicht geben können. Ein neuer Ansatz ist notwendig. Es gilt, den Text von allem zu entschlacken, was nicht wirklich konstitutioneller Regelung bedarf. Wir brauchen eine Verfassung, die ihren Namen verdient, mit Grundrechten und den wichtigsten Strukturfragen.

Das vorläufige Scheitern des Verfassungsprojekts hatte aber auch sein Gutes: In Europa wird jetzt wieder diskutiert über Sinn und Finalität des Integrationsprojekts. Das von Rot-Grün gern beschworene „europäische Sozialmodell“ sieht sich heute der Herausforderung von flexibleren Arbeitsmärkten, Förderung von Forschung und Wissenschaft und weiterer Öffnung des Binnenmarkts für den Wettbewerb gegenüber. Es gibt keine Alternative zu Wettbewerb und keine Chance der Abschottung. Tony Blair hat Recht, wenn er die Glaubwürdigkeit der Integration messen will an Erfolgen im Kampf für Wachstum und Arbeitsplätze, aber auch im Kampf gegen die organisierte Kriminalität oder im außenpolitischen Krisenmanagement. Zustimmung wird es am Ende nur geben, wenn soziale Chancen durch Arbeitsplätze und neue Beschäftigungsdynamik in Europa entstehen, eine Aufgabe, die ganz eindeutig zuallererst in den Nationalstaaten erfolgreich oder weniger erfolgreich gelöst wird. Hier schwächelt besonders das oft zitierte deutsch-französische Tandem. Wir brauchen es und Liberale bekennen sich dazu, aber es muss wieder dynamischer werden. Führung hat nichts mit Kommandieren zu tun, die Abstimmung mit anderen wie z.B. Großbritannien muss verbessert werden.

Unbequeme Entscheidungen müssen endlich beherzt angegangen werden. Fast die Hälfte des EU-Budgets für die Landwirtschaft, in der nur fünf Prozent der Menschen in Europa beschäftigt sind – so ist den Bürgern ein zukunftsgerichtetes Europa nicht mehr zu vermitteln. Die Bauern dürfen nicht im Stich gelassen werden. Zusagen gilt es einzuhalten. Aber wir sollten einen neuen Anlauf zu einer Kofinanzierung wagen, bei der die Nationalstaaten einen Teil der Hilfen für ihre Landwirte wieder selbst übernehmen. Die EU-Mittel müssen mehr für gemeinsame, den Bürgern auch vermittelbare Zukunftsaufgaben verwendet werden können, für Wissenschaft und Forschung, kurzum für Innovation.

Die Erweiterung der Europäischen Union ist und bleibt für die Bürger Europas Chance und Verantwortung zugleich. Die Transformationsländer in Südost- und in Osteuropa gehören historisch und kulturell zu Europa, ohne sie wäre das Integrationsprojekt inkomplett. Diese Länder brauchen die Eu-ropa-Perspektive als Licht am Ende des Tunnels, um nationalistisch oder ethnisch bedingte Spannungen zu überwinden und die schwierigen Reformprozesse einzuleiten, die uns zum Teil noch bevorstehen. Aber die EU darf sich auch nicht überdehnen. Sie ist kein allgemeiner Mitgliederverein. Sie muss den Menschen ihre Identität nicht verweigern. Deshalb darf diese Stabilisierungsfunktion nicht nur auf Vollmitgliedschaften fokussiert bleiben. Es müssen andere Formen der Anbindung an die EU erwogen werden. Für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Aber die Verhandlungen müssen auch wirklich ergebnisoffen geführt werden. Es hat keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Niemand kann heute die Aufnahmefähigkeit der EU in zehn Jahren vorhersagen oder eine Bewertung von Politik und Gesellschaft in der zukünftigen Türkei vornehmen. Über Alternativen rechtzeitig nachzudenken, ist verantwortungsbewusst.

Nach der erfolgten Aufnahme zahlreicher neuer Mitglieder ist es noch wichtiger geworden, dass Deutschland wieder Anwalt und vertrauensvoller Partner vor allem der kleinen und mittleren EU-Länder wird. Viele warten geradezu darauf, sich mit dem wichtigen Partner abzustimmen und gemeinsam voranzugehen. Diese Neumitglieder haben der alten EU viel zu bieten. Aber Rot-Grün hat durch das Gerede über Achsenbildung Paris-Berlin-Moskau, durch antiamerikanische Begleittöne und durch unglückliches Handeln des deutsch-französischen Tandems einige Neumitglieder geradezu verärgert. So wurden etwa Litauen und Polen durch die Teilnahme des Bundeskanzlers und des französischen Präsidenten an Putins Feierlichkeiten zu 750 Jahre Königsberg, zu denen sie selbst nicht eingeladen waren, schlicht brüskiert. Das Weimarer Dreieck mit Polen muss wieder stärker belebt werden. Die moderne Europäische Union ist eben nicht nur Westeuropa. Und ein Bundeskanzler oder ein Bundesaußenminister, der nach Moskau fährt, sollte auf dem Hin- oder Rückweg immer auch z.B. in Riga, Prag oder Laibach Station machen, um so gar nicht erst den Verdacht einer Politik über die Köpfe anderer hinweg aufkommen zu lassen.

Grundlage für eine gute transatlantische Partnerschaft: Vertrauen

Auch die transatlantische Freundschaft braucht dringend neue Dynamik. Europa und Nordamerika haben vieles gemeinsam. Wir teilen unsere Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, und wir sind trotz des heraufziehenden asiatischen Jahrhunderts bis heute durch die weltweit wichtigsten Handels- und Investitionsströme miteinander verbunden. Unsere enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist auch Voraussetzung für globale Stabilität. Die neuen sicherheitspolitischen Bedrohungen, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, zerfallende Staaten und der fundamentalistisch-islamistische Terrorismus, richten sich gegen die gesamte freie Welt und sind nur gemeinsam zu bekämpfen. Grundlage für eine funktionierende transatlantische Partnerschaft ist das Vertrauen. Ausgerechnet auf dieser Ebene ist das Verhältnis zwischen der Bush-Administration und der Bundesregierung seit den Verwerfungen über den Irak-Krieg nie so richtig wieder ins Lot gekommen. Es schadet deutschen Interessen, wenn ein Bundeskanzler dem russischen Präsidenten in den Armen liegt, dem amerikanischen jedoch die kalte Schulter zeigt. Die europäische Einigung eher als Gegenmodell, wenn nicht Konkurrenz, zu Nordamerika voranzutreiben, damit wurde gespielt. Rot-Grün hat die bewährte außenpolitische Linie aufgegeben, nie in eine Situation zu geraten, in der zwischen Paris und Washington gewählt werden müsste.

Natürlich gibt es transatlantische Differenzen. Der Beginn des Irak-Kriegs ohne klares Mandat des Sicherheitsrats, die verheerenden Misshandlungsszenen in Abu Ghraib, die rechtsstaatlich zweifelhafte Situation in Guantánamo, die Nichtunterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs – all das ist kritikwürdig, aber eben unter Freunden, und nicht durch Abwendung von den USA. Der grundlegende Wertekonsens und die transatlantische Freundschaft sind und bleiben unabhängig von den jeweiligen Regierungen. Die Bush-Administration hat jetzt die Hand nach Europa ausgestreckt. Präsident Bush war nach seiner Wiederwahl bereits vier Mal in Europa. Und die neue Außenministerin Condoleezza Rice hat sich im State Department ein stark transatlantisch orientiertes Führungsteam zusammengestellt. Diese ausgestreckte Hand gilt es zu ergreifen. Es gibt dazu allen Grund und genügend gemeinsame Aufgaben im Mittleren Osten und anderswo. Zum weltweiten Potenzial der euroatlantischen Partnerschaft besteht keine Alternative. Kein Land braucht diese Partnerschaft im Übrigen so dringend wie Deutschland.

Mit der NATO hat die transatlantische Partnerschaft einen über Jahrzehnte bewährten, aber auch zukunftsfähigen institutionellen Rahmen. Die USA müssen wieder davon überzeugt werden, dass die NATO für sie mehr sein kann als ein Werkzeugkasten für Ad-hoc-Koalitionen. Dazu müssen die Europäer alles daran setzen, als Bündnispartner der USA wieder ernster genommen zu werden. Nicht Gegengewicht zu den USA, sondern mehr Gewicht für Europa im atlantischen Bündnis – das muss der Ansatz sein. Dazu muss Eu-ropa außenpolitisch möglichst mit einer Stimme sprechen, um seine Interessen und strategischen Vorstellungen nachhaltiger vorbringen zu können. Dazu bedarf es aber auch verbesserter militärischer Fähigkeiten der Europäer. Unsere Sicherheit wird längst nicht mehr an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet. Wir leben in einem globalen Dorf und brauchen wie andere Demokratien Verbündete. Wir können uns unserer Verantwortung nicht entziehen. Kein Land kann nur passiver Verbraucher von Sicherheit sein, die andere erbringen. Alle müssen entsprechend dem Völkerrecht handeln und etwas dafür tun. Recht und Frieden entstehen leider nicht immer von selbst.

Der Freiheitswille ist der natürliche Gegner der Autokratien

Länder, die in Freiheit leben, haben eine besondere Verpflichtung, auch anderen zur Freiheit zu verhelfen. Die Menschen in immer mehr Ländern wollen heute ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und demokratische Rechte einfordern. Das hat sich für die ehemaligen Sowjetrepubliken gezeigt bei der „Rosen-Revolution“ in Georgien, der „orangenen Revolution“ in der Ukraine und – nicht ganz vergleichbar – beim Umsturz in Kirgistan. Das gilt aber auch im Nahen und Mittleren Osten. Im Irak haben Millionen von Bürgern unter Todesdrohungen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die Palästinenser haben nach Arafats Tod in wirklich demokratischen Wahlen eine neue Führung bestimmt. Afghanistan steht nach dem Erfolg der ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen jetzt vor Parlamentswahlen. Und die Libanesen begehren friedlich gegen die Fremdbestimmung durch Syrien auf und haben erstmals demokratisch gewählt. Auch in Afrika können heute übrigens weit mehr Staaten als demokratisch bezeichnet werden als noch vor einigen Jahren.

Der Freiheitswille der Bürger ist der natürliche Gegner der Autokraten und der Fremdbestimmung durch andere Staaten. Transformationsprozesse verlaufen nicht ohne Brüche. Aber Stabilität in Diktaturen bedeutet oft Friedhofsruhe, und die ist auf die Dauer ohnehin nicht haltbar. Das gilt vor allem dann, wenn der Freiheitswille in anderen Ländern sichtbar und erfolgreich aufbegehrt und ein Beispiel setzt. Denn durch kürzere und kaum zu unterbindende Kommunikationswege wird in der globalisierten Welt der unbedingte Freiheitswille der Menschen weltweit immer ansteckender. Stabilität darf deshalb nicht so verabsolutiert werden, dass sie zum Bremsklotz für Transformation und Modernisierung wird. Die deutsche, aber auch europäische Politik ist in dieser Phase des weltweiten Aufbegehrens der Freiheit viel zu sehr an Status quo orientiert und setzt zu wenig auf den Freiheitsdrang der Menschen weltweit.

Der vom amerikanischen Präsidenten George W. Bush proklamierte weltweite Siegeszug der Freiheit stößt nicht in seiner Zielsetzung, wohl aber in seiner strategischen Umsetzung in Europa auf viel Skepsis. Unter Freunden darf auch festgestellt werden, dass die Vernachlässigung von Völkerrecht, Vereinten Nationen und Multilateralismus und das „Messen mit zweierlei Maß“ im Umgang mit unfreien Staaten auf der arabischen Halbinsel den USA Glaubwürdigkeit und Effektivität rauben. Deutschland und Europa müssen deshalb ein gemeinsames Bekenntnis und eine eigene Strategie zur aktiven Unterstützung der weltweiten Freiheitsbestrebungen entwickeln. Dazu gehört eine aktivere Unterstützung von Modernisierungsprozessen und die Stärkung der Zivilgesellschaften in Transformationsländern genauso wie der Einsatz der spezifisch europäischen Stärken, also der ökonomischen Kraft, der Vorbildwirkung der Befriedung Europas durch die Integration sowie der Instrumente der Soft Power.

Wichtigstes transatlantisches Projekt: Terrorbekämpfung

Das derzeit wichtigste gemeinsame transatlantische Projekt ist und bleibt der Kampf gegen den Terrorismus, die neue totalitäre Bedrohung für die gesamte westliche Welt. Die furchtbaren Bombenanschläge von London haben erneut gezeigt, dass sich dieser Terror nicht nur gegen die USA richtet, sondern gegen die gesamte „freie Welt“. Diese asymmetrische Bedrohung durch fanatisierte Selbstmordattentäter könnte vor allem dann wirklich existenziell werden, wenn internationale Terroristen sich Zugriff auf Massenvernichtungswaffen verschaffen. Deshalb bleibt die Nonproliferationspolitik elementarer Teil der Terrorismusbekämpfung. Die westlichen Gesellschaften dürfen im Kampf gegen den Terrorismus nicht überreagieren, sich abschotten und Freiheit und Toleranz als grundlegende Ordnungsprinzipien über Bord werfen. Der Westen muss vielmehr alles daran setzen, die Modernisierungsbestrebungen in vielen islamisch geprägten Staaten zu unterstützen. Viele kritische Intellektuelle und Unternehmer in der islamischen Welt sind bereit, den politischen Kampf mit den fundamentalistischen Gegenkräften aufzunehmen. Das ist wichtig, denn Modernisierung lässt sich von außen nicht verordnen oder aufzwängen.

Eine Stabilisierung des neuen Irak ist bei aller berechtigten Kritik am Beginn des letzten Irak-Kriegs im Interesse der gesamten westlichen Welt. Wir können uns ein Scheitern nicht leisten, der Irak ist bereits heute Anrainerstaat der NATO und vielleicht in Zukunft auch EU-Nachbar. Die europäischen Staaten, die EU insgesamt und auch Deutschland müssen ihre Fähigkeiten z.B. beim Aufbau von Rechtstaat, Polizei und Medizinwesen stärker einsetzen und mehr Engagement zeigen, ohne deshalb Truppen in den Irak schicken zu müssen.

Der Iran muss von seinen gefährlichen Nuklearwaffenambitionen abgebracht werden. Hierzu ist es wichtig, dass transatlantisch Hand in Hand vo-rangegangen wird. Das Vertrauen Europas gepaart mit der Stärke Amerikas müssen hierbei klug eingesetzt werden. Ziel muss ein für alle Seiten faires Ergebnis sein. Ein strategisch wichtiges und kulturell so reiches Land wie der Iran darf nicht auf Dauer isoliert bleiben, sondern muss eine Chance für eine friedliche Entwicklung bekommen.

Schließlich kann der Kampf gegen den Terrorismus ohne eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts nicht gewonnen werden. Die deutsche Außenpolitik bleibt geprägt von der besonderen deutschen Verantwortung für Israel. Die demokratische Wahl einer neuen Palästinenserführung und die mutige Initiative der Scharon-Regierung zum Abzug aus Gaza sind Anlass zur Hoffnung. Voraussetzungen für eine tragfähige Friedenslösung bleiben die Anerkennung des Existenzrechts Israels als jüdischer Staat, die Abkehr von Gewalt und Terrorismus und die Durchsetzung der Ansprüche der Palästinenser auf einen eigenen, lebensfähigen Staat. Die Friedenslösung muss von innen kommen, aber die internationale Staatengemeinschaft kann und muss von außen Hilfe leisten. Europa und die USA müssen dabei den unseligen Eindruck überwinden, Amerika stünde auf Seiten Israels und die EU auf Seiten der Palästinenser, und stattdessen gemeinsam versuchen, beide Seiten zu Friedensschritten zu ermutigen. Es gibt keine Alternative zu einem friedlichen Nebeneinander in zwei Staaten.

Wichtigste Waffe im Kampf der westlichen Welt gegen den Terrorismus ist die Glaubwürdigkeit, gerade auf dem Gebiet der Menschenrechtspolitik. Deutschland hat hier leider Boden verloren. Wir müssen die Menschenrechte wieder zur Leitlinie der deutschen und europäischen Außenpolitik machen. Diesen Grundsatz befolgt die derzeitige Bundesregierung nur dort, wo es nicht weh tut. Eingefordert werden die Menschenrechte etwa gegenüber Togo, Burundi und Simbabwe sowie auf internationalen Workshops. Aber sobald geopolitische und wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen, werden die Menschenrechte beiseite gelassen.

Das gilt etwa in der Russland-Politik. Weder die Tschetschenien-Frage noch die dramatisch verschlechterte Lage der Bürgerrechte in Russland stehen oben auf der deutsch-russischen Tagesordnung.

Liberale Außenpolitik sucht Russland als Nachbarn und großes wichtiges Land. Aber sie zielt auch auf eine Förderung der Transformationsprozesse und auf eine Stärkung der Zivilgesellschaft in Russland. Kritikpunkte müssen offen angesprochen werden. Das Muster von Gewalt und Gegengewalt in Tschetschenien, die Probleme mit der Pressefreiheit, die fehlende Rechtskultur bei der Verurteilung Chodorkowskijs, die immer neuen Hürden für unabhängige Kandidaten und regierungskritische Parteien – all das wird von der rot-grünen Bundesregierung mit dem Mantel des Schweigens überdeckt.

Für eine enge Anbindung Russlands an Europa und die westliche Welt ist Transformation hin zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ohne Alternative. Ein reformiertes Russland wird ökonomisch und energiepolitisch noch bessere und langfristig gesicherte Kooperationsmöglichkeiten bieten. Deutschland muss gegenüber dem wichtigen Partner Russland die zur Freundschaft ausgestreckte Hand mit dem offenen Wort verbinden.

Bundeskanzler Schröder tritt für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China ein, obwohl die Menschenrechtslage überaus bedenklich bleibt. Das zeigen die Unterdrückung der Tibeter, der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und der religiösen Minderheitenrechte, die Einparteienherrschaft, die hohe Zahl der vollstreckten Todesurteile und die Administrativhaft. Bundeskanzler Schröder behauptet zwar, mit der Aufhebung des Waffenembargos keine Waffen liefern, sondern gegenüber der Führung in Peking lediglich „ein Signal“ setzen zu wollen. Er verkennt, dass dieses Signal als menschenrechtspolitisches Gütesiegel missbraucht werden würde  und dass es dabei im Übrigen nicht allein um ein deutsch-chinesisches Signal geht, sondern dass sich daraus ein europäisch-amerikanisches Problem entwickelt. China ist wirtschaftlich und politisch ein Partner von enormer Bedeutung. Aber die Kooperationserfolge, die die USA mit China haben, zeigen, dass man dazu die bedenkliche Menschenrechtslage in China nicht unter den Teppich kehren muss.

Asien-Politik braucht maßgeschneiderte, regionale Ansätze

Japan produziert als Volkswirtschaft heute allein 60 Prozent des gesamtasiatischen Bruttosozialprodukts. Trotzdem spielt Japan in der deutschen Außenpolitik heute kaum mehr eine Rolle. Das derzeit stattfindende „Deutschland-Jahr“ in Japan musste etwa ohne Präsenz des Bundeskanzlers oder des Bundesaußenministers auskommen. Japan muss als Wirtschaftspartner, aber auch und gerade als den westlichen Ideen und Strukturen besonders nahe stehender außenpolitischer Partner wieder ernst genommen werden. Indien ist die größte Demokratie der Welt, es hat in den letzten Jahren erhebliche Modernisierungsschübe durchlaufen, gilt heute schon als Software-Zentrum der Welt und verfügt in Südost- und Ostasien über erheblichen Einfluss. Wir müssen unseren Blick erweitern.

Die deutsche Asien-Politik muss mit allen wichtigen Partnern ausgewogener zusammenarbeiten, ohne China zu vernachlässigen. Die Modernisierungsschübe und das Wirtschaftswachstum in großen Teilen Asiens müssen mit der Entwicklung oder Festigung rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen einhergehen. Der Kontinent ist mit fast zwei Drittel der Weltbevölkerung und mit seiner wirtschaftlichen, demographischen, gesellschaftspolitischen und politischen Dynamik der Zukunftskontinent schlechthin – und längst nicht mehr nur Schauplatz und Objekt, sondern zum wichtigsten Motor und Nutznießer der Globalisierung geworden. Dort wird in absehbarer Zeit ein Teil der Grundlagen auch für unseren Wohlstand gelegt.

Asien-Politik braucht maßgeschneiderte, regionale Ansätze und eine konsequente Umsteuerung unserer Instrumente und Ressourcen. Es ist nicht vertretbar, dass wir in Europa dreimal so viel Personal in unseren Auslandsvertretungen einsetzen wie im gesamten asiatischen Raum. Dort, wo die deutschen Interessen wirkungsvoller im EU-Verbund wahrgenommen werden, sollten wir unser bilaterales Engagement zugunsten einer effizienten europäischen Arbeitsteilung reduzieren.

Lateinamerika wurde von der deutschen Außenpolitik in den vergangenen Jahren geradezu sträflich vernachlässigt. Die Demokratie in den lateinamerikanischen Staaten galt seit den formal-demokratischen Umwälzungen der achtziger und neunziger Jahre als gesichert, der Kontinent als weitgehend konfliktfrei. Die jüngsten Entwicklungen in Venezuela, Bolivien, Ecuador oder auch Nicaragua bilden dazu einen dramatischen Kontrast. Gleichzeitig ist Lateinamerika ein bedeutender Wachstumsmarkt, Mexiko steht heute an achter, Brasilien an neunter Stelle der Weltwirtschaften. Zudem hat Lateinamerika im weltweiten Vergleich aufgrund sprachlicher, kultureller und religiöser Voraussetzungen die besten Startchancen, um in der Entwicklung zu den Gesellschaften Nordamerikas und Europas aufzuschließen. Die Anknüpfungspunkte für eine aktivere europäische und deutsche Lateinamerika-Politik sind auch aufgrund traditioneller Verbindungen, weitgehend fehlender historischer Belastungen und einem überragenden Interesse der Region, US-amerikanischen Einfluss durch enge Beziehungen zu Europa auszubalancieren, hervorragend. Diese Chance gilt es zu nutzen. Aber weder bei der Annäherung zwischen der EU und Mercosur (dem gemeinsamen Markt Südamerikas) noch bei der Unterstützung des lateinamerikanischen Integrationsprozesses gab es in letzter Zeit nennenswerte Fortschritte. Deutschland hat die enormen Chancen, die sich durch die Liberalisierung der lateinamerikanischen Binnenmärkte im Außenhandel ergeben haben, fast vollkommen verschlafen. Allein in dem riesigen Wachstumsmarkt Brasilien ist Deutschland vom zweiten auf den sechsten Platz der Auslands-investitionen zurückgefallen. Das Potenzial für eine Intensivierung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen ist enorm. Lateinamerika muss wieder auf den Radarschirm der deutschen Außenpolitik zurückgeführt werden.

Die Bürgergesellschaft in Afrika stärken

Das Subsahara-Afrika gilt heute vielen als hoffnungsloser Kontinent. Über zehn Prozent der Weltbevölkerung erwirtschaften nur 2,5 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts (BSP). Schuld daran sind einerseits die Fehlentscheidungen und die Misswirtschaft der einheimischen Eliten und andererseits eine Entwicklungshilfe, die falsche Anreize gesetzt hat. Dabei rückt doch Afrikas Rohstoffreichtum immer stärker in den Blickpunkt, der afrikanische Integrationsprozess mit der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD), der Afrikanischen Union oder der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft hat an Fahrt gewonnen, und in einigen Staaten haben erfolgreiche marktwirtschaftliche Reformen und Demokratisierung bereits zu beachtlichem Wirtschaftswachstum geführt.

Auf dem G-8-Gipfel in Schottland wurde im Juli 2005 eine erhebliche Aufstockung der Mittel für Afrika beschlossen und die Forderung nach einer Entwicklungshilfe in Höhe von 0,7 Prozent des BSP westlicher Staaten wieder belebt. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass reine Finanztransfers zu Abhängigkeit führen, Eigeninitiative hemmen und Reformanstrengungen und Entwicklung blockieren. Entwicklungshilfe darf nicht zur Weltsozialhilfe verkommen. Humankapital und Infrastruktur zur Absorption massiver Mittel sind oft nicht vorhanden. Gut gemeinten Ansätzen droht die Gefahr einer Verschleuderung von Mitteln, die nur in Patronage- und Korruptionskultur versickern.

Eine maßvolle Erhöhung der Hilfe für Afrika kann dann Sinn machen, wenn wir nicht wie bisher nach dem Gießkannenprinzip verfahren und eine Ausdehnung und Vertiefung der Reformprozesse einfordern. Internationale und auch deutsche Hilfe sollte sich deshalb auf effiziente sektorale und regionale Arbeitsteilung aller relevanten Geber konzentrieren, auf Unterstützung bei den Sicherheitssektorreformen, beim Post-Conflict-Peacebuilding und bei der Ausbildung von Sicherheitskräften zur Lösung von Konflikten und auf Handelsliberalisierungen im Rahmen der Doha-Runde. Die Öffnung der Märkte der Industrieländer für die Produkte der Entwicklungsländer wäre erheblich wirkungsvoller als ihre gesamte Entwicklungshilfe. Vertretbar ist auch ein Abbau der Verschuldung – jedoch selektiv und leistungsbezogen. In den Mittelpunkt jeder Zusammenarbeit mit Afrika muss aber die Förderung von Bürgergesellschaft, politischen Parteien, Rechtsstaat und Verwaltung gestellt werden. Good Governance ist die entscheidende Voraussetzung für Entwicklungschancen. Die afrikanischen politischen Eliten dürfen aus dieser Verpflichtung nicht entlassen werden.

Ein gemeinsamer europäischer Sitz im UN-Sicherheitsrat wäre besser

Die Vereinten Nationen werden als multilateraler Weltordnungsrahmen immer wichtiger. Handlungsfähigkeit und Legitimität der UN und ihrer regionalen Suborganisationen müssen gestärkt werden. Die Vereinten Nationen müssen ihre dreifache Rolle aus Friedenssicherung und Förderung von Entwicklung und Menschenrechten erfüllen können. Darum muss es bei der jetzt anstehenden UN-Reform gehen – und nicht um die Befriedigung nationaler Eitelkeiten. Die Bundesregierung hat mit ihrer verkrampften Fokussierung auf die Erlangung eines ständigen Sicherheitsratssitzes das Gesamtreformpaket nicht ausreichend unterstützt. Zudem wurden auch bei der Verfolgung des Primärziels taktische Fehler gemacht. Keine Vorabsprache mit dem wichtigsten Verbündeten USA, enger Schulterschluss mit anderen Aspiranten, die jeweils regional auch Gegnerschaften für die Erweiterung hervorrufen musste – die Chancen auf Erlangung eines ständigen Sitzes wären sicher größer, wenn die Bundesregierung sich auf das Gesamtreformpaket konzentriert hätte und ein solcher Sitz strategisch besser vorbereitet auf einen der wichtigsten nicht nur finanziellen Beitragsleister zugelaufen wäre. Ein europäischer Sitz wäre einem deutschen ohnehin vorzuziehen. Dafür müsste die EU sich allerdings zunächst so weiterentwickeln, dass sie mit staatenähnlicher Integrationsqualität zumindest in der Außenpolitik einen derartigen Sitz völkerrechtlich und auch faktisch überhaupt wahrnehmen könnte. Falls Deutschland jetzt einen nationalen Sitz erhält, sollte es diesen Sitz zumindest treuhänderisch für die nicht im Sicherheitsrat vertretenen EU-Partner mit wahrnehmen. Das wäre eine bedeutsame vertrauensbildende Maßnahme für Deutschland in Europa.

Genauso wichtig wie die Sicherheitsratsreform sind die Reform der Generalversammlung, des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) und der Menschenrechtskommission (MRK). UN-Generalsekretär Kofi Annan hat u.a. vorgeschlagen, die MRK in einen kleineren, ständig tagenden Menschenrechtsrat umzuwandeln, der dem Sicherheitsrat gleichberechtigt ist und dem nur noch Staaten angehören, die gewisse menschenrechtliche Mindeststandards erfüllen. Dieser Vorschlag verdient uneingeschränkte Unterstützung, denn die gegenwärtige MRK, der u.a. Sudan, Kuba und Libyen angehören, ist zu einem Menschenrechtsbasar verkommen.

Deutschland trägt 15 Jahre nach der Wiedervereinigung international mehr Verantwortung. Die weltweiten Erwartungen an unser Land sind gestiegen – ob wir das wollen oder nicht. Wir dürfen uns dem nicht verweigern – aber uns genauso wenig übernehmen und von der Kultur der Zurückhaltung zu einer Kultur des Auftrumpfens übergehen. Das gilt auch für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Unsere Soldaten wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger ins Ausland geschickt, in teilweise weit entfernte Weltregionen. Und die multilateralen Anforderungen an eine deutsche Teilnahme an internationalen Friedensmissionen werden eher noch zunehmen. Deutschland kann und darf sich derartigen Anforderungen gegenüber nicht grundsätzlich sperren – das verbieten unsere Sicherheitsinteressen, unsere besondere Verantwortung für Frieden und Menschenrechte, unser aktives Bekenntnis zum Multilateralismus und zur Stärkung der Vereinten Nationen und unsere im internationalen Vergleich hohe Leistungsfähigkeit. Die Bundeswehr hat zudem mit herausragenden Leistungen bei den Friedensmissionen erheblich dazu beigetragen, dass Deutschland weltweit an Ansehen und Vertrauen gewinnen konnte. Die Bundeswehr ist eine gute Visitenkarte für Deutschland.

Andererseits darf Deutschland aus dem Erfolg der bisherigen Auslandseinsätze jetzt nicht den falschen Schluss ziehen, mit Militäreinsätzen Politik machen zu wollen. Internationale Militärmissionen dürfen grundsätzlich nur dazu dienen, politische Friedens-, Stabilisierungs- und Wiederaufbauprojekte einzuleiten und zu flankieren. Der Militäreinsatz ist niemals Allheilmittel, die eigentliche Friedensmission muss immer eine politische Mission bleiben. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr können der Politik helfen, ersetzen können sie diese nicht. Der eigentliche Erfolg einer Friedensmission, wie in Afghanistan oder auf dem Balkan, liegt nicht in einer vorübergehenden Konfliktberuhigung oder in anerkennendem Schulterklopfen, sondern ist erst dann erreicht, wenn ein Einsatz nach erfolgter politischer Stabilisierung auch wieder beendet werden kann.

Militäreinsätze sind für die Soldaten gefährlich, jeder Einsatz muss mit Blick auf die Sicherheitsrisiken und zum Teil erheblichen Härten für die Soldaten sorgsam abgewogen werden. Hier weist der Parlamentsvorbehalt gerade dem Bundestag mit Recht eine besonders wichtige Rolle und Verantwortung zu. Die Bundeswehr darf durch Umfang und regionale Ausdehnung von Auslandseinsätzen nicht überfordert werden. Deutschland kann und darf nicht den Eindruck vermitteln, internationale Konfliktbeilegung allein schultern zu wollen. So war etwa das ISAF-PRT-Konzept für Afghanistan viel zu lange eine fast rein deutsche Angelegenheit, erst in letzter Zeit ist die immer angestrebte internationale Einbindung und Lastenteilung wirklich in Gang gekommen. Deutschland sollte sich mit Zusagen für die Beteiligung an internationalen Militärmissionen auf Fälle konzentrieren, in denen mit internationalen Partnern arbeitsteilig vorgegangen wird. Wir wollen und dürfen uns vor der weltweiten Verantwortung nicht drücken – aber wir können die Probleme dieser Welt auch nicht allein lösen. Deutsche Soldaten in Auslandseinsätze zu schicken, darf kein Politikersatz werden, sondern nur dann erwogen werden, wenn es anders nicht geht.

Sinngemäß hat Bundeskanzler Schröder einmal gesagt, deutsche Außenpolitik würde nirgendwo anders als in Berlin gemacht. Damit hat er ohne Zweifel Recht. Aber das heißt eben nicht, dass deutsche Außenpolitik über die Köpfe anderer hinweg und an wichtigen Partnern vorbei oder gar gegen diese gemacht werden darf. Denn das schadet den deutschen Interessen. Deutschland hat aufgrund seiner Geschichte, seiner geographischen Lage, seiner Stellung als mittelgroße Macht und vor allem aufgrund der Exportabhängigkeit seiner Wirtschaft jedes Interesse daran, ein geachteter, verlässlicher und eingebundener Partner in der Weltpolitik zu sein.