Schlusspunkt

01. Sep 2013

Man wird ja wohl mal fragen dürfen

Wo stecken eigentlich die wackeren Streiter für Europas Alternativen?

Jetzt ist also wieder Wahlkampf. NSA-Schnüffeleien, Kita-Plätze, eine Drohnen-Scheindebatte und der Preis der Energiewende. Absurd ist, dass der Euro fehlt. Die Zukunft der Währungsunion als Wahlkampfthema – einfach ausgebremst. Die Cheftaktierer der großen Oppositionsparteien trauen sich nicht ran an Angela Merkels Mantra der Alternativlosigkeit, das sich wohlig übers Land gelegt hat.

Was ist denn da los, fragt man sich fassungslos im Rest Europas. Wo bleibt denn der große Euro-Zoff? Immerhin bauen die Euro-Regierungen gerade die Währungsunion radikal um, damit sie nicht doch noch auseinanderfliegt. „Echte WWU“ heißt das im Jargon. Klingt ja atemberaubend! Hat eigentlich einer dem deutschen Wähler mal erklärt, was das heißt? Und, wollen die Deutschen das dann haben? Dass die Bundesregierung hierzu elegant schweigt, liegt auf der Hand – Frau Merkel, der Chefarchitektin des Eurozonen-Umbauplans, nimmt eine Mehrheit der Deutschen ja offenbar sowieso ab, dass sie das schon machen wird für Deutschland und Europa.

Aber ihre Herausforderer, die wollen doch jetzt sicher ein Wörtchen mitreden bei den anstehenden Richtungsentscheidungen für die Euro-­Zone? Weniger marktliberal bitte, sozialer, nachhaltiger, raus aus den Hinterzimmern? Ist ja alles drin in den Wahlprogrammen der Opposition. Aber wo sind sie denn auf einmal, die wackeren Streiter für Europas Alternativen? Alle weg-gemerkelt?

Es scheint ja alles so einfach und dadurch so unendlich schwierig: Angela Merkel, die Königin von Europa, hält Hof. Und weil sie das einerseits so wunderbar bodenständig macht und diese Rolle andererseits auch gar nicht so recht zu wollen scheint, sind alle, die deutsche Medienlandschaft eingeschlossen, ein bisschen verliebt in diese Kanzlerin. Danke Angela, mit einer wie Dir dürfen wir wieder wer sein. Kritische Detailfragen zum Bauplan für die WWU? Im Hofzeremoniell nicht vorgesehen – völlig unpassend, wo es doch um ein so ehrwürdiges Thema wie die Zukunft Europas geht! Politische Auseinandersetzung? Ich bitte Sie, Europa ist unser Schicksal und nicht der richtige Ort für die Niederungen der Politik. Und dann fühlen sich die Deutschen ja gerade muckelig wohl im Herzen Europas. Die Wirtschaft läuft rund, die Krise weit weg – und tun wir Deutschen nicht auch genug dafür, dass es den anderen bald wieder besser geht?

Wie soll man denn da bitteschön noch punkten als einfacher wahlkämpfender Eurozonen-Ritter? Da kann man ja fast Mitleid bekommen. Und hoffen, dass irgendwann ein Hofnarr daherkommt und das Leben im Tal der Selbstzufriedenheit mal richtig aufmischt: mit der Ansage, dass es jetzt in Brüssel um die Wurst geht. In welchem Europa wollen Sie eigentlich leben?

Almut Möller leitet das Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen im Forschungsinstitut der DGAP.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, September/Oktober 2013, S. 144

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