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01. März 2005

Märkte, Demokratie und Frieden

Kapitalismus funktioniert nicht ohne Freiheit. Globalisierung fördert die Demokratie

Unser Wohlfahrtsstaat entstand durch die fördernde Kraft des Wettbe­werbs, wird erhalten und gezähmt durch die Herrschaft des Rechts und basiert auf dem Respekt für grundsätzliche Werte. Er garantiert nicht nur Freiheit, sondern wirtschaftlichen Erfolg. Die Globalisierung erweist sich als größter Förderer von Demokratie, Wohlstand und Frieden. Deshalb brauchen wir mehr Globalisierung, nicht weniger.

Die Grundlage einer freien Gesellschaft ist der Respekt für das aktive, selbst bestimmte Individuum – der Glaube an die Freiheit des Einzelnen. In einer freien Gesellschaft wird die Balance gehalten zwischen den Formen sozialen Engagements, die sich jeder (zumindest jeder Erwachsene) selbst aussucht – oder zu denen er als Bürger verpflichtet ist. Das zentrale Merkmal einer solchen Gesellschaft ist die freiwillige Handlung.

Oft wird behauptet, dass freie Gesellschaften nur in bestimmten Kulturen entstünden, in denen dem Individuum ein Wert an sich zugesprochen wird und der Einzelne dazu angehalten ist, für seine Handlungen und sein Schicksal selbst die Verantwortung zu übernehmen. Max Weber formulierte die These, dass die in den nordwestlichen Ländern Europas vorherrschende protestantische Ethik maßgeblich zur Errichtung einer freien Gesellschaft und einer funktionstüchtigen Wirtschaft beitrug. Angesichts der Tatsache, dass auch das katholische Europa und einige konfuzianisch geprägte Länder Ostasiens erfolgreich ein modernes Wirtschaftssystem eingeführt haben, klingt die These nicht mehr allzu plausibel.1 Dennoch können wir davon ausgehen, dass einige Kulturen für die Errichtung einer liberalen Gesellschaft und einer freien Marktwirtschaft besser geeignet scheinen als andere. Leider verändern sich Kulturen nur sehr langsam.

Die Grundlage einer liberalen Gesellschaft ist, wie John Locke im 17. Jahrhundert feststellte, das Recht aller Individuen, im Rahmen sorgsam formulierter Gesetzesbeschränkungen Eigentum frei zu besitzen und zu verwenden. Liberale Gesellschaften sind „commercial societies“. Aber die Freiheit, unabhängig von sozialer Herkunft oder Geschlecht die eigenen Vorstellungen zu verwirklichen, kann nicht allein auf wirtschaftliche Handlungen beschränkt sein. Fest etablierte Macht- und Meinungshierarchien vertragen liberale Gesellschaften nur schlecht. Es ist kein Zufall, dass „commercial societies“ der Gedanken- und Redefreiheit eine so große Bedeutung beimessen. Ein Kaufmann ist ein Mann der Praxis, der rationale Urteile vor allem über die möglichen Risiken eines Geschäfts fällen muss. Er lernt aus eigener Erfahrung, nicht von irgendwelchen Autoritäten und verlässt sich auf sein eigenes Urteil, nicht das Anderer.

Liberale Gesellschaften akzeptieren das Neue nicht nur, sie begrüßen es. Der Kaufmann erzielt Gewinne, weil er in der Lage ist, Marktlücken schnell zu erkennen. Damit verändert er die Welt der Wirtschaft. Der Intellektuelle verschafft sich Geltung, indem er etwas Neues hervorbringt und die Glaubenssätze der Welt verändert. Althergebrachte Hierarchien, Ehrerbietungsgesten, überkommene Lebens- und Glaubensformen sind der auflösenden Kraft der Freiheit ausgesetzt. Liberalismus bedeutet fortdauernde, rastlose Veränderung. Das ist, was die meisten seiner Gegner hassen.

Wenn Individuen frei sein sollen, dann müssen sie geschützt werden – und zwar sowohl von – als auch vor – dem Staat. „Ein Wirtschaftssystem bringt nur dann große Gewinne, wenn viel investiert wird, wobei man sich darüber im Klaren ist, (und sich darauf verlassen muss), dass ein Großteil der Investitionen ihren Ertrag erst sehr viel später abwerfen.“2 Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen Gesellschaften, die reich wurden, und solchen, denen das nicht gelang, war die Möglichkeit, sehr langfristig angelegte vertragliche Bindungen einzugehen. Dazu ist ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und, noch wichtiger, Vertrauen in die politische Autorität vonnöten. Denn langfristige Investitionen werden nur dann getätigt, wenn man sich darauf verlassen kann, nicht um den Ertrag gebracht zu werden. Alle nur halbwegs komplexen Gesellschaften besitzen eine breite Palette an Märkten für schnelle Transaktionen. Der Basar ist eine typische Marktform in vielen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Aber ein Basar verhilft einem Land nicht zu Reichtum. Nur komplexe Gesellschaften besitzen Märkte mit einem eng gesponnenen Netz wohlstandsfördernder Langzeitverträge. Dies ist das entscheidende Merkmal dessen, was Karl Marx „Kapitalismus“ genannt hat – eine Gesellschaft, in der die Bürger bei geringem Risiko und getragen vom Fundament eines funktionierenden Rechtssystems langfristige Investitionen tätigen können.

Dieses Vertrauen beruht auf der „Herrschaft des Rechts“. Freiheit bedeutet dabei nicht Anarchie – diese Konzepte stehen einander diametral gegenüber. In der Anarchie ist das Leben „nasty, brutish and short“, wie Thomas Hobbes in seinem Klassiker „Leviathan“ schrieb. Die Grenzen des Einzelnen werden durch die Brutalität und das Durchsetzungsvermögen seines Nächsten gesetzt. Freiheit hingegen bedeutet Schutz durch den Staat auch vor dem Staat. Das aber scheint ein Widerspruch zu sein. Der Staat beansprucht das Gewaltmonopol. Warum sollte er dann die Herrschaft der Gesetze akzeptieren, die seine Macht beschneiden? Diese Frage stellt sich gegenwärtig die chinesische Ein-Parteien-Regierung. Sollte sie sich nicht auf ein Modell einlassen, in dem der Staat durch die Bürger „gefesselt“ wird wie Gulliver von den Liliputanern, könnte sich das für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas als äußerst hinderlich erweisen.

Die fördernde Kraft des Wettbewerbs

Ein starker und gleichzeitig für seine Bürger Fürsorge tragender Staat entstand aus einer Kombination dreier Kräfte: der fördernden Kraft des Wettbewerbs, der Herrschaft des Rechts und aus ideellen Werten.

Einer der Gründe, dass Europa andere Mächte wie China, Indien und die islamische Welt überflügeln konnte, die alle vor tausend Jahren noch einen deutlichen Vorsprung besaßen, war die Konkurrenz unter den europäischen Herrschern. Joel Mokyr schreibt in seinem Klassiker über den technologischen Vorsprung Europas, dass „die technologische Kreativität des Westens seit ihren bescheidenen Anfängen in den Klöstern und regennassen Feldern und Wäldern Westeuropas auf zwei Säulen basiert: erstens einem materialistischen Pragmatismus, der in der Überzeugung wurzelt, dass die Nutzung und Veränderung der Natur zu wirtschaftlichen Zwecken nicht nur akzeptabel, sondern sogar wünschenswert sei. Und zweitens auf dem andauernden Wettbewerb zwischen den politischen Einheiten im Kampf um die politische und ökonomische Vorherrschaft.“3

Heute bemängeln Globalisierungskritiker, dass der Nationalstaat und unsere sozialen Netze durch den größeren Wettbewerb, durch Kapitalflucht oder die Abwanderung von Arbeitskräften untergraben würden. Dem wäre zu entgegnen, dass Staaten sich gar nicht immer wohltätig oder gar weise verhalten.

Die Konkurrenz unter den europäischen Herrschern erlaubte gewisse Freiräume. Als der französische König im 17. Jahrhundert die Hugenotten vertrieb, wurden diese fleißigen Menschen in England mit Handkuss empfangen. Als die Kirche Galileo Galileis Ideen zu unterdrücken versuchte, verbreiteten sie sich andernorts: „Es gab ein ständiges Wechselspiel zwischen den finanziellen Bedürfnissen des Staates und seiner Glaubwürdigkeit gegenüber den Kaufleuten beziehungsweise der Bürgerschaft. Insbesondere die Entwicklung des Kapitalmarkts wurde entscheidend von der Politik des Staates beeinflusst. Sofern der Staat sich an das Zugeständnis hielt, dass er keine Gewinne konfiszieren würde, trug er wesentlich zur Entwicklung der Finanzinstitutionen und der Schaffung von effizienteren Kapitalmärkten bei“, beobachtete der Nobelpreisträger Douglass C. North.4

Wettbewerb ist auch heute noch eine wirkungsmächtige Kraft. Tatsächlich lag einer der Hauptgründe für die Verbreitung des wirtschaftlichen Liberalismus in den achtziger und neunziger Jahren in der Konkurrenz (und dem hervorragenden Abschneiden) der unmittelbaren Nachbarn. Deng Xiaopings Entscheidung für marktwirtschaftliche Reformen in China war wesentlich von den wirtschaftlichen Erfolgen Hongkongs, Singapurs, Südkoreas und Taiwans beeinflusst. Chiles wirtschaftlicher Aufstieg in den letzten beiden Jahrzehnten strahlte auf ganz Lateinamerika aus.

Konstitutionelle Demokratie und die Herrschaft des Rechts

Doch Wettbewerb allein reicht nicht, um derlei positive Ergebnisse zu erzielen. Ein absoluter Herrscher könnte noch immer die Reichtümer seiner Bürger konfiszieren oder im Fall einer Krise seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Freiheit benötigt Regierungen, die auch in der Lage sind, für die Stabilität ihres Landes sorgen zu können. Das vermögen nur konstitutionelle Demokratien mit einem repräsentativen Parlament – eine Regierung also, die ihren Bürgern Rechenschaft ablegt. Eine konstitutionelle Demokratie sorgt für die feste Verankerung individueller Freiheiten und Regeln des demokratischen Prozesses. Ein großer Schritt in diese Richtung, bemerkt Olsen, wurde im 17. Jahrhundert getan, als zwei Revolutionen in Großbritannien eine besondere Regierungsform hervorbrachten, in der erstmals die Gläubiger des Staates durch das Parlament die Regierung kontrollierten. Sie kümmerten sich um die Kreditwürdigkeit ihres Schuldners und sorgten durch die Schaffung einer gefestigten Struktur der Staatsschulden sowohl für die Stärkung des Staates als auch für solide Finanzmärkte.5

Daraus entstand die Idee der Gewaltenteilung, wie sie dann in der amerikanischen Verfassung verankert wurde. Überbracht wurde sie den neugeborenen Vereinigten Staaten von einem Franzosen – Charles Montesquieu, Autor des 1748 veröffentlichten Klassikers „L’Esprit des Lois“. Wie eine kürzlich erschienene Studie des „National Bureau of Economic Research (NBER) bemerkt: „Sowohl die englische als auch die amerikanische Konzeption von Freiheit basiert auf der Ansicht, dass der Wille des Souveräns – selbst eines demokratisch gewählten Souveräns – eingeschränkt werden muss. Und beide weisen die Idee zurück – die am deutlichsten von Rousseau vertreten wurde – dass der demokratisch gewählte Souverän im Auftrag des Volkes ohne Einschränkungen handeln dürfe. Sowohl das englische als auch das amerikanische Konzept von Freiheit beschäftigt sich mit den Grenzen einer Regierung, aber beide beziehen sich auf unterschiedliche Grenzen.“6

Die englische Konzeption begann mit der Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Das bürgerliche Recht gab es schon sehr lange, immerhin stammt das britische Geschworenengericht aus dem 12. Jahrhundert. Auf diesen Grundlagen errichteten die Amerikaner die Idee der „checks and balances“: Einer unabhängigen Gerichtsbarkeit wird das Recht garantiert, die Verfassungskonformität der Gesetzgebung zu überprüfen. Heute sehen wir, dass die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nach dem englischen Modell sowohl zur wirtschaftlichen als auch zur politischen Freiheit eines Landes beiträgt, wohingegen amerikanische Institutionen hauptsächlich zur politischen Freiheit beitragen.

Für gewöhnlich, wenn auch nicht immer, hat eine demokratische Wählerschaft (sofern sie das einsieht) ein Interesse daran, Institutionen zu wählen, die der gesamten Gesellschaft zu Wohlstand verhelfen anstatt den Besitz einer Minderheit an sich zu reißen. Das kann sich ändern, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich dramatisch wächst. Sobald eine große Mehrheit deutlich weniger verdient als das Durchschnittseinkommen, könnte auch in einer Demokratie eine Mehrheit durchaus das Anliegen durchsetzen, Besitz oder Einkommen der reichen Minderheit zu beschlagnahmen. In den populistischen Demokratien Lateinamerikas war das oft der Fall. Womit man die Durchschnittseinkommen langfristig stärker senkte als das bei der Anwendung einer weniger brutalen Maßnahme der Fall gewesen wäre. Wir können also feststellen: Die Stabilität einer Demokratie benötigt eine Kontrolle solcher Ungleichheit, denn „die Einführung der Demokratie und freie Wahlen führen nicht notwendig zu sicheren Vertrags- oder Eigentumsrechten.“7

Das Recht auf Privatbesitz ist aber auch eine notwendige Bedingung für einen politischen Pluralismus. Eine politische Einheit (ganz gleich ob es sich um einen Einzelnen, einen Clan oder eine Partei handelt), die in einem Staat die gesamten Ressourcen kontrolliert, wird höchstwahrscheinlich keinerlei Opposition zulassen. Sind alle wirtschaftlichen Entscheidungen gleichzeitig politisch, bedroht ein Machtverlust dieser Einheit die schiere Existenz. Nur wer in solchen Systemen politische Macht erringt, wird sich auch Wohlstand erwerben können. Das ist nicht nur für die Wirtschaft tödlich, sondern auch für jegliche Form politischer Auseinandersetzungen, die schnell zu Bürgerkriegen eskalieren können. Nur wenn Politik nicht für das Überleben des Individuums entscheidend ist, ist eine stabile Demokratie vorstellbar. Damit die Demokratie funktionieren kann, muss deshalb die Domäne der Politik eingegrenzt werden. Die Marktwirtschaft, basierend auf Privateigentum, leistet dies.

Ein Land kann auch wirtschaftliche Freiheit ohne politische Freiheit gewähren – Marktwirtschaft, aber keine Demokratie oder Bürger- und Menschenrechte. Trotzdem besteht zwischen diesen Freiheiten ein starker Zusammenhang. Wird die Autonomie des Individuums in der wirtschaftlichen Sphäre respektiert, so gilt das oft auch für die andere. die politische Sphäre. Auf lange Sicht werden Marktwirtschaften demokratisch, wie man in jüngster Zeit vor allem in Ostasien beobachten konnte. Mehr noch: Auch wenn nicht alle Marktwirtschaften gleichzeitig Demokratien sind, so ist nach Ansicht des renommierten ungarischen Wirtschaftswissenschaftlers Janos Kornai das Wirtschaftssystem in Demokratien immer eine freie Marktwirtschaft.8 Sozialdemokraten ignorieren oft diese enge Verbindung zwischen ökonomischem Liberalismus und politischer Demokratie, zwischen den Werten des Kaufmanns und denen des Bürgers. Der Markt ist der Unterbau der Demokratie.

Der Markt unterstützt die Demokratie noch auf eine andere Weise – durch Wachstum. Die moderne Marktwirtschaft ist das einzige System, das einen großen und dauerhaften Anstieg des realen Pro-Kopf-Einkommens erzeugt. Diese Tatsache hat den Übergang von autoritären Regimes zu demokratischen Systemen bedeutend vereinfacht. Wachstum ist eine „Positivsumme“ – jeder kann besser wegkommen. In statischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen gerät das gesellschaftliche Leben zur „Nullsumme“: Wenn jemand mehr bekommt, dann muss ein anderer offensichtlich etwas einbüßen. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Systemen sind beträchtlich: Eine Gesellschaft, in der das Pro-Kopf-Einkommen jährlich um beispielsweise 1,5 Prozent steigt, verfügt nach einer Generation bereits um ein um 50 Prozent höheres Pro-Kopf- Einkommen. Gelänge es beispielsweise den in der Antiglobalisierungsbewegung stark engagierten Umweltschützern, eine Null-Wachstums-Gesellschaft durchzusetzen, würde diese Gesellschaft gewiss sehr schnell autoritär regiert. Vermutlich würde eine Priesterkaste die Macht ausüben, die unsere Mutter Natur in Gestalt einer Göttin Ökologia anbetet.

In den fortgeschrittenen Wirtschaftssystemen wurde das allgemeine Wahlrecht nicht zufällig erst im frühen 20. Jahrhundert universell. Ökonomische Freiheit und ein bestimmter Grad an politischer Repräsentation gehen der Massendemokratie voraus. In Wachstumsgesellschaften wird ein besserer Zugang zu Bildung garantiert. Entscheidend ist auch das Entstehen einer Mittelschicht, die sich für Politik interessiert und Mitspracherecht fordert. Ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz grundsätzlich akzeptiert, wird es schwierig, die Bürger von der Gestaltung des Gemeinwesens auszuschließen.

Die Macht der Werte

Das dritte für das Entstehen eines liberalen „Service-Staats“ und einer erfolgreichen Marktwirtschaft notwendige Element kann man schlicht als „Moral“ bezeichnen. Werte sind wichtig. Die Herrschaft des Rechts muss von Richtern, Polizisten oder Soldaten geschützt werden, die sich ihrer Regierung gegenüber loyal verhalten, selbst wenn sie für sie nur Verachtung hegen sollten. Wie erringt der unbewaffnete Teil einer Gesellschaft die unbedingte Loyalität von Polizei und Streitkräften? Zum einen durch eine vernünftige Bezahlung, die sich vor allem wohlhabende Staaten leisten können. Zum anderen, weil sie einer Regierung dienen, die vom Willen des Volkes legitimiert ist. Eine dritte Erklärung basiert aber auf einem moralischen Grundsatz. Die Symbiose zwischen Staat und Markt, bemerkte die kanadische Journalistin Jane Jacobs, entspricht der Symbiose zwischen zwei kulturellen Formen: einer „Kaufmanns-Kultur“ und einer „Wächter-Kultur.“ Beide sind notwendig.

Die Essenz der „Kaufmanns-Kultur“ besteht im Recht auf freie Entscheidung, in Ehrlichkeit im Geschäftsleben, Offenheit für Fremde, Respekt vor Verträgen, in der Lust an Innovationen, in Unternehmertum, Effizienz und Toleranz, in der Möglichkeit produktiver Investition, Fleiß, Sparsamkeit und Optimismus.

Der Wächter hingegen meidet die Welt des Handels. Er ist für die Bewachung des Territoriums zuständig, er muss Gehorsam, Tapferkeit und Disziplin zeigen und Traditionen respektieren. Wächter lieben die Muße und schätzen die Ehre. Das ist das Ethos des Kriegers. Heute sind die Wächter Diener des Staates und die Kaufleute Diener des Marktes. Weil beide notwendig sind, einander aber nicht trauen, herrscht ein beständiges Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Kulturen. Zwischen dem Kaufmann, der das Recht besitzt, seine Waren an den Meistbietenden zu verkaufen, ohne Gewalt anzuwenden. Und den Wächtern wie Richtern und Soldaten, die Gewalt ausüben, aber ihre Dienste nicht an den Meistbietenden verkaufen dürfen.

Die Beziehungen des Staates zum Markt, der Demokratie zur individuellen Freiheit, der Sphäre des Kaufmanns zu der des Wächters sind schwierig und werden ständig neu verhandelt, weil es auch keine konformen Einstellungen zur genauen Rolle von Staat und Wirtschaft gibt. Grundsätzlich haben die Regierungen freier Gesellschaften die Aufgabe, die Freiheiten der Bürger zu beschützen. Ihnen wurden nach und nach auch die Verwaltung anderer öffentlicher Güter wie Gesundheits- und Bildungswesen, Infrastruktur, Umweltschutz angetragen. Die Staatsausgaben der westlichen Länder sind um ein Vielfaches gestiegen, in einigen europäischen Ländern machen sie bereits bis zu 50 Prozent aus. Spätestens der Zusammenbruch des Kommunismus bewies, dass liberale Demokratien das einzige politische und wirtschaftliche System sind, die dauerhafte Stabilität und Wohlstand generieren können.

Internationale Beziehungen liberaler Demokratien

Nicht nur das: Eine liberale Demokratie ist auch das einzige Regierungssystem, das sich zu dauerhaft harmonischen zwischenstaatlichen Beziehungen fähig zeigt. Liberale Demokratien mögen mit anderen Systemen in Konflikt geraten, aber sie bekämpfen sich selten gegenseitig. Der britische Liberale Norman Angell behielt Recht, als er in seinem 1909 veröffentlichten und seinerzeit verspotteten Meisterwerk „The Grand Illusion“ schrieb, dass ein Krieg zwischen den Großmächten nur im Ruin aller enden könnte. Dass der Krieg doch stattfand und genau zu der Katastrophe wurde, die Angell beschrieb, beweist nur, dass besonders unter naiven Kollektivisten und selbst ernannten Realisten die Dummheit unerschöpflich ist.

Der Wohlstand einer Nation ist nicht von der Größe eines Territoriums oder der Bevölkerungszahl abhängig, sondern von einer Kombination wirtschaftlicher Entwicklung innerhalb eines Staates und dem freien Handel mit anderen Ländern. Das ist die Grundthese in Adam Smiths „Wealth of Nations“. Smith beschrieb nicht nur Gesetze der Ökonomie, sondern analysierte auch äußerst treffend die Natur internationaler Beziehungen. Der Merkantilismus – die Ansicht, Export sei wichtiger als Import und Handel diene allein dem Ziel, Reichtum anzuhäufen – war nach Smith noch verheerender als jede schlechte Wirtschaftspolitik. Denn der Merkantilismus führte seiner Ansicht nach zu Konflikten (beispielsweise um Territorium), die gar nicht notwendig sind. Das rapide, von der Industrialisierung verursachte Wachstum hätte uns helfen können, Smiths Analyse zu verstehen. Leider brauchten wir zwei Jahrhunderte dazu. „Wohlstand, der auf Besitz und der Herrschaft über möglichst viel Territorium basiert, ist ein Nullsummenspiel, so dass gewaltsame Auseinandersetzungen unausweichlich sind. Wohlstand, der auf der Industrie basiert, ist hingegen ein Positivsummenspiel – trotz der Tatsache, dass marxistische und merkantilistische Begrifflichkeiten über den Wettbewerb der Märkte diese Botschaft fast ein Jahrhundert lang verschleiert hatten. Zwei Weltkriege waren nötig, um die Lektion zu lernen. Aber jetzt ist die Vorstellung, dass mehr Territorium auch mehr Macht bedeutet, endgültig auf dem Abfallhaufen der Geschichte gelandet. Zumindest können wir das für die fortschrittlichen Industrienationen behaupten.“9

Ein Land mit sicherem Eigentumsrecht, wissenschaftlicher Forschung und technologischen Innovationen wird reicher. Und da die Arbeitsteilung durch die Größe des Marktes begrenzt ist, wird es auch vom Handel profitieren, und zwar nicht nur durch den Handel mit Waren und Dienstleistungen, sondern auch durch den mit Ideen, Kapital und Menschen. Je kleiner ein Land ist, desto größer ist dabei dessen Gewinn. Handel zu treiben ist viel billiger als Eroberungszüge zu führen, genauso wie interne Weiterentwicklung der effektivere Weg zum Wohlstand ist als Plünderei.

Der friedliche internationale Handel und die Marktwirtschaft können einen Lebensstandard generieren, der dem der riesigen, wirtschaftlich abgeschotteten und schlecht regierten Länder um ein Vielfaches überlegen ist. Im Jahr 2000 verfügte zum Beispiel Hongkong mit einer Bevölkerung von sieben Millionen Menschen und ohne nennenswerte natürliche Ressourcen über ein Bruttoinlandsprodukt von 25 600 Dollar, Singapur mit vier Millionen über ein BIP von 24 900 Dollar und Dänemark mit fünf Millionen Einwohnern über ein BIP von 27 300 Dollar. China mit seinen 1,25 Milliarden Einwohnern bringt es auf ein Bruttoinlandsprodukt von 3900 Dollar, Indien mit einer Milliarde auf 2300 Dollar, und Russland mit 146 Millionen Einwohnern und einer Größe, die ein Sechstel der gesamten Landmasse einnimmt, verfügt über ein BIP von 8000 Dollar. Macht erzeugt keinen Wohlstand. Das war einer der großen Irrtümer der Kollektivisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Allerdings benötigen kleine Länder einen sehr ausgeprägten Handel, um einen hohen Lebensstandard zu erreichen. Hongkongs Bruttohandel (Export plus Warenimport) lag im Jahr 2000 bei 259 Prozent des BSP; Singapurs bei 294 Prozent und Dänemarks bei 69 Prozent. Chinas lag bei 9 Prozent, während Indiens über 4 Prozent nicht hinauskam.

Das Fundament friedlicher Außenbeziehungen ergibt sich nicht nur aus den Zielen und politischen Strukturen einer liberalen Demokratie, sondern aus ihrer Natur. Ein gesetzestreuer Staat ist die einzige Art Staat, die verlässlich in internationale Verträge eingebunden werden kann, weil die Betroffenen im Zweifelsfall bei den Gerichten gegen ihre Regierung klagen können. Ein Tyrann wird eine internationale Verpflichtung aufkündigen, sobald es ihm nützlich erscheint. Einem gesetzestreuen Staat wird das viel schwerer fallen. Nach Meinung einiger Experten gibt es heute „keine strenge Trennung mehr zwischen staatsinternen und staatsübergreifenden Justizregeln.“10 Der Hauptgrund dafür ist, dass die Vereinbarungen, die die Regierungen eingehen, Teil ihres eigenen Gesetzeskorpus und als solche bindend geworden sind. Viele davon sind Übereinkünfte, die festlegen sollen, wie der Staat seine Bürger zu behandeln hat. Als solche sind sie ein Ausdruck des Grundprinzips der liberalen Demokratie, dass der Staat den Bürgern zu dienen und sie – auch vor sich selbst – zu schützen hat. Das Ausmaß der daraus resultierenden Vertragsaktivität ist außergewöhnlich. Allein zwischen 1946 und 1975 hat sich die Anzahl der in Kraft getretenen internationalen Verträge zwischen Regierungen von 6351 auf 14 061 mehr als verdoppelt, während die Anzahl solcher Verträge von multilateralen Regierungsorganisationen von 623 auf 2303 anwuchs. Zwischen 1909 und 1996 stieg die Anzahl solcher multilateralen Regierungsorganisationen von 37 auf 260 an.

Der zweite Grund für die friedlichen Beziehungen liberaler Demokratien sind die Verbindungen, die sich über die Grenzen hinweg zwischen Privatpersonen und Organisationen von Privatpersonen gebildet haben. Wie der große französische Liberale Alexis de Tocqueville beobachtete, war – und ist – eines der erstaunlichsten Merkmale der amerikanischen Demokratie die Anzahl der privaten Organisationen und Verbände. Dieses Phänomen ist jetzt weltweit zu bemerken. Im Jahr 1909 gab es 176 internationale Nichtregierungsorganisationen. 1996 ist diese Zahl schon auf 5472 angewachsen. Das Wachstum der Antiglobalisierungsbewegung ist selbst ein Beweis für die Möglichkeit des Aufbaus privater Organisationen oder Bürgerinitiativen in liberalen Demokratien.

Die kollektivistische Gefahr

Liberalismus ist somit viel mehr als nur ein rein ökonomisches Credo. Er ist der Grundstein der Demokratie im Inneren und der friedvollen Beziehungen nach außen. Aber der Liberalismus ist auch fragil, wie man gegen Ende des 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts sehen konnte. Er ist verletzlich gegenüber kollektivistischen Ideen – dem Nationalismus, dem Sozialismus, dem Kommunismus, dem Faschismus und, als schlimmster Ideologie, die alles Grauen in einer Gestalt zusammenführte: dem Nationalsozialismus. Die Verbindung zwischen Nationalismus, maßloser Gewalt und der Wahrnehmung des Volkes als Kollektiv kam mit der Französischen Revolution auf. Aber seine volle Blüte erreichte sie mehr als ein Jahrhundert später. In seinem Klassiker „Nations and Nationalism“ behauptete der Philosoph Ernest Gellner, dass der Nationalismus aus praktischen Gründen heraus entstand. Der moderne Staat braucht eine gemeinsame Hochkultur, weil er auf qualifizierte, ersetzbare Bürger angewiesen ist. Diese Kultur ist normalerweise (allerdings nicht immer) in der gemeinsamen Sprache verwurzelt. Eine gemeinsame Sprache erzeugt ein Nationalgefühl, das wiederum das Bedürfnis nach einem eigenen Staat beflügelt.

Der Nationalismus fördert den modernen Staat und die moderne Wirtschaft: Er erhöht seine Autorität; er verbessert die Fähigkeit, Ressourcen zu mobilisieren, genauso wie die, sich von den Bereichen loszusagen, die seine Mobilität und ökonomische Effektivität behindern. Seine primäre Loyalität eben der Nation gegenüber macht aus dem Nationalstaat eine außerordentlich wirkungsvolle Form der sozialen Organisation. Die Tatsache, dass der Nationalismus aus Nützlichkeitserwägungen entstanden sein mag, macht die Gefühle, die er hervorruft, nicht weniger elementar. Menschen sind gesellig und der sozialen Einheit gegenüber, die ihre Loyalität beansprucht, zu großer Hingabe fähig. Der Nationalismus lebt von diesen Instinkten. Er gibt uns das Gefühl, in einer großen Familie – der Nation – zu leben. Im Extremfall ermöglicht er es, uns im warmen Bad einer kollektiven Harmonie von den Qualen des Individualismus zu erlösen. Es ist offensichtlich, dass der Nationalismus Nutzen und Gefahr birgt, denn diese Instinkte können auch liberale Demokratien in einen Krieg treiben, vor allem wenn in diesen Gesellschaften noch starke prä- oder antiliberale Kräfte wirken.

Dieser Effekt war bei den europäischen Großmächten im späten 19. Jahrhundert zu beobachten – insbesondere in Deutschland. Doch der extreme militärische Nationalismus und, später noch, dessen hässlicher Bastard Faschismus, kamen nicht in den am meisten fortgeschrittenen und stabilen liberalen demokratischen Staaten auf, wie z.B. Großbritannien, sondern in genau jenen Staaten, in denen prä- und antiliberale Kräfte wirkten, weil der Wandel hin zu liberalen Ideen noch nicht tief genug verwurzelt war. Deutschlands Einigung wurzelte ja schließlich nicht in der starken Sehnsucht nach der liberalen Demokratie, sondern wurde vom preußischen Militär unter der Federführung Otto von Bismarcks durchgeführt. Die Behauptung der Marxisten und Leninisten, dass Imperialismus, Militarismus und Faschismus eine natürliche Folge der liberalen Demokratie oder des Kapitalismus seien, ist nur eine ihrer vielen Lügen.

Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts fiel in dessen drei letzten Dekaden mit dem Wiederaufkommen des vormodernen Imperialismus und protektionistischer Ideen zusammen. Das Interesse dieser Länder lag nun darin, einen „cordon sanitaire“ für sich zu schaffen. Der Förderung des Wohlstands diente das keineswegs. Das gilt insbesondere für die Auseinandersetzungen des späten 19. Jahrhunderts um neue Herrschafts- und Kolonialgebiete in Afrika. Protektionismus und Imperialismus änderten die Logik internationaler Beziehungen: Plötzlich erschien es ziemlich unattraktiv, klein und schwach zu sein, weil das die Möglichkeiten zu friedlichem Handel und dem Erwerb von Wohlstand im Wege stehen könnte. In einer protektionistischen Welt werden die meisten Staaten eher versuchen, Teil eines Handelsblocks zu werden oder Imperien aufzubauen. Somit sind Imperialismus und Protektionismus sich selbst erfüllende Prophezeiungen – sie erzeugen genau das Jeder-gegen-jeden-Weltbild, das ihre Befürworter ja erst zur Rechtfertigung ihres Protektionismus herangezogen hatten.

Genau wie das Jeder-gegen-jeden-Weltbild des 19. Jahrhunderts mit dem wieder aufkommenden Imperialismus und Protektionismus einherging, so harmonisierte es, unbeschadet seiner supranationalen Werte, auch prächtig mit dem Sozialismus. Der sozialistische Staat machte aus dem Staat ein Pseudounternehmen. Was wäre nahe liegender gewesen, als dieses Unternehmen als eine Art Familienbetrieb der Nation zu betrachten? In multiethnischen sozialistischen Staaten versuchte die Obrigkeit Pseudonationalitäten zu kreieren – in noch größerem Ausmaß, als es bei den Nationalisten üblich gewesen war: Die Sowjetunion und Jugoslawien sind dafür die besten Beispiele.

Die beiden westlichen Ideologien, der Nationalismus und der Sozialismus, begannen nach dem Zweiten Weltkrieg aus denselben Gründen einen Siegeszug durch die Entwicklungsländer, aus denen sie sich im 19. Jahrhundert in Europa verbreitet hatten. Der Sozialismus hatte den besonderen Vorteil, dass er im Westen zur intellektuellen Mode geraten war, ohne dort wirklich praktiziert zu werden. So war es der Führung von Entwicklungsländern möglich, sich gleichzeitig modern und antiwestlich zu geben. Doch der Sozialismus hat nicht funktioniert, während der Nationalismus zum Vorwand für üble Tyrannei wurde. Das wurde in den achtziger Jahren offensichtlich. Eine neue Ära des Liberalismus schien angebrochen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden alle fortgeschrittenen Ökonomien zu liberalen Demokratien. Die Globalisierung ist letzten Endes eine Konsequenz dieses Wandels. Nur hat dieses Phänomen mit dem Laisser-faire des 19. Jahrhunderts nicht mehr viel zu tun. Heutige Regierungen agieren viel interventionistischer. Aber die grundlegenden Werte einer liberalen Demokratie – Wahlen, Eigentumsrechte, freier Handel und zunehmend auch der freie Kapitalverkehr – akzeptierten und verwirklichten alle fortgeschrittenen Marktwirtschaften. Es gibt unter ihnen allerdings Unterschiede bezüglich der Rolle des Staates bei der Umverteilung des Einkommens, der Regulierung privater Transaktionen und der Bereitstellung gewisser öffentlicher Dienste. All diese Unterschiede sind innerhalb der Länder genau wie zwischen verschiedenen Ländern verhandelbar. Schweden, Frankreich, die USA und Japan sind ohne Zweifel alle liberale Demokratien, auch wenn sie in diesem Punkt eine unterschiedliche Politik verfolgen. Der Globalisierung wohnt keine unüberwindbare Kraft inne, die diese Länder dazu zwingen würde, sich völlig einander anzupassen. Es gibt noch Raum für Unterschiede, und dieser Raum muss geschützt werden.

Heute stellt sich die Frage, ob sich die liberale Demokratie sicher in einem Großteil der Entwicklungsländer einführen lässt. Das wird Zeit benötigen. Es ist unvermeidlich, dass die neueren Demokratien noch in hohem Maße unvollkommen sind. Oftmals versäumen sie es, Minderheitenrechte oder die Gesetzesherrschaft zu respektieren. Verarmte Mehrheiten sind für die Stabilität einer liberalen Demokratie besonders bedrohlich. Doch die Bewegung geht klar in die richtige Richtung. Betrachtet man die Argumente der Globalisierungskritiker, käme man jedoch gar nicht auf diese Idee. Ginge es nach ihnen, wäre der Wandel der letzten zwei Jahrzehnte hin zur ökonomischen Liberalisierung und Demokratisierung eine einzige Katastrophe gewesen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Es gab nicht nur einen großen wirtschaftlichen Fortschritt der Entwicklungsländer, die sich erfolgreich in die Weltwirtschaft integriert haben, sondern auch eine großflächige Verbreitung der Demokratie – einer Regierungsform, von der man vor 300 Jahren noch nichts gehört hatte, die vor 100 Jahren noch die absolute Ausnahme war, die es 1975 in nur 35 von 147 Ländern gab, aber die 1995 schon 84 Länder erreicht hatte. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit lebt mit 57 Prozent der Weltbevölkerung heute die Mehrheit in einer Demokratie. Der Zusammenbruch des verschwenderischen und autoritären Realsozialismus war ein Meilenstein auf diesem erfreulichen Weg.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Verzweiflung und Wut der Kritiker über die Globalisierung völlig unangemessen. Sollte es ihnen gelingen, die Bewegung in Richtung internationale Integration aufzuhalten, ist ein großer Teil dieses Fortschritts wahrscheinlich verloren. Der Wohlstand wird abnehmen, geschlossenere, nicht integrierte Systeme werden wie üblich ein korruptes Netz von Kontrollen über den freien Verkehr von Waren und Kapital legen. Die Abneidung gegen den Freihandel wüchse noch weiter – insgesamt würde die Stimmung sehr viel rauher.

Unsere Aufgabe besteht nicht darin, die globale wirtschaftliche Integration aufzuhalten, sondern vielmehr darin, sie für mehr Menschen als je zuvor möglich zu machen.

1 Arturo Fontaine Talavera: Trends Towards Globalization in Chile, in: Peter Berger und Samuel Huntington (Hrsg.): Many Globalizations: Cultural Diversity in the Contemporary World, Oxford 2002, S. 273.

2 Mancur Olson: Power and Prosperity: Outgrowing Communist and Capitalist Dictatorships, New York 2000, S. 25.

3 Joel Mokyr: The Lever of Riches: Technological Creativity and Economic Progress, Oxford 1990, S. 302.

4 Douglass C. North: Institutions, Transaction Costs and the Rise of Merchant Empires, in: James D. Tracy (Hrsg.): The Political Economy of the Merchant Empire: State Power and World Trade 1350–1750, Cambridge 1991, S. 33.

5 Mancur Olson: Power and Prosperity (Anm. 2).

6 Rafael La Porta, Florencio Lopez-de-Silanes, Cristian Pop-Eleches und Andrei Schleifer: The Guarantees of Freedom, NBER Research Paper 8759, Februar 2002, S. 1, www.nber.org.

7 Mancur Olson: Power and Prosperity (Anm. 2), S. 41.

8 Janos Kornai: What the Change of System from Socialism to Capitalism Does Not Mean, Journal of Economic Perspectives, Winter 2000, S. 36f.

9 Richard E. Baldwin und Philippe Martin: Two Waves of Globalisation: Superficial Similarities, Fundamental Differences, National Bureau of Economic Research Working Paper 6904, Januar 1999, S. 3, www.nber.org.

10 David Held, Anthony McGrew et al. (Hrsg): Global Transformations: Politics, Economics and Culture, Cambridge 1999, S. 57.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, März 2005, S. 6 - 16.

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