Weltspiegel

24. Febr. 2025

Konkurrenz zum Dollar

Die Zusammensetzung von Währungsreserven ist ein Spiegelbild geopolitischer Kräfteverhältnisse und ein Indikator für die Zukunft der internationalen Ordnung.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der US-Dollar das internationale Währungssystem dominiert. Unsere neuen Daten bestätigen jedoch die anhaltende Tendenz zu einem multipolaren Währungssystem, in dem andere Währungen einen gewichtigeren Platz einnehmen und in Konkurrenz zum Dollar treten werden. Geopolitische Ereignisse wie Russlands Krieg gegen die Ukraine oder die politische und wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den USA und China beschleunigen diesen Wandel und zeigen, dass die Zusammensetzung von Währungsreserven weit mehr ist als nur eine Frage ökonomischer Rationalität. Sie ist ein Spiegelbild der geopolitischen Kräfteverhältnisse und ein Indikator für die Zukunft der internationalen politischen und wirtschaftlichen Ordnung.


Aus ökonomischer Sicht wird die Zusammensetzung von Währungsreserven davon beeinflusst, wie stark mit den emittierenden Ländern von Währungen Handel betrieben wird und insbesondere, in welchen Währungen Handel abgewickelt wird. So ist beispielsweise der Anteil des abgewickelten Handels in Dollar eine deutlich bessere Maßzahl für den in Dollar gehaltenen Anteil der Währungsreserven als das tatsächliche Handelsvolumen eines Landes mit den USA. Denn weltweit werden im grenzüberschreitenden Handel im Schnitt deutlich mehr Waren und Dienstleistungen in Dollar abgewickelt, als dies dem amerikanischen Anteil am Welthandel entspricht. 


Außerdem entscheidet die Struktur der Auslandsverschuldung von Ländern – sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors inklusive des Finanzsektors – über die Zusammensetzung der Währungsreserven. Ist ein Land beispielsweise mehrheitlich in Euro verschuldet, weisen die Währungsreserven dieses Landes typischerweise einen hohen Anteil an Euro auf. Hintergrund ist, dass Zentralbanken zur Absicherung der Handelsströme als auch der Verschuldung Rücklagen in den Währungen halten, in denen das Land Handel treibt oder in denen das Land verschuldet ist. Nicht ­zuletzt beeinflusst eine mögliche Bindung einer Landeswährung, in welcher Währung die Reserven eines Landes zusammengesetzt sind. Koppelt ein Land seine Währung zum Beispiel an den Dollar oder an den Euro, hält es einen Großteil seiner Reserven in der entsprechenden Bezugswährung. Hierdurch kann die Zentralbank eines Landes über Währungsan- und -verkäufe die eigene Währung stabilisieren. 


Weltwirtschaftliche Verschiebungen 

Diese Beispiele zeigen, dass die Zusammensetzung der Währungsreserven ein Abbild der globalen wirtschaftlichen Verflechtungen ist. Eine Betrachtung der Währungsreserven erlaubt somit Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden Verschiebungen in der Weltwirtschaftsordnung. Für die wichtigsten Währungen zeichnet die Haltung von Reserven durch Zentralbanken derzeit folgendes Bild: 

  • Der US-Dollar bleibt als Reserve­währung, als Zahlungsmittel im Welthandel und als Bezugsgröße für viele Rohstoffe eine tragende Säule der internationalen Wirtschaft. So sind rund 60 Prozent der globalen Währungsreserven in US-Dollar denominiert. Die größten (prozentualen) Halter von Dollar-Reserven sind die Staaten Südamerikas und der Eurozone. Australien und die Länder Ozeaniens gehören zu den geringsten (prozentualen) Haltern von US-Dollar-Reserven.
  • Der 1999 eingeführte Euro ist mittlerweile die zweitgrößte Reservewährung, konnte seinen großen Erwartungen aber nur zum Teil gerecht werden und hat in den vergangenen Jahren global sogar teilweise an Bedeutung verloren. Während er Anfang der 2000er Jahre einen Anteil von über 25 Prozent an den weltweiten Reserven hielt, liegt dieser heute eher in der Nähe von 20 Prozent – und damit nur rund 5 Prozentpunkte über dem historischen Anteil der Deutschen Mark an internationalen Reserven vor Einführung des Euros. Gründe dafür sind wirtschaftliche Unsicherheiten in der Eurozone und Entwicklungen wie die Schuldenkrise ab 2008. Vor allem in Europa außerhalb der Eurozone und Nordamerika spielt der Euro eine wichtige Rolle. Die Staaten Südamerikas halten, trotz ihrer kulturellen Nähe und historischen Verbindung zu Europa, die geringsten Anteile an Währungsreserven in Euro.
  • China hat ambitionierte Pläne, den Yuan als internationale Währung zu etablieren, und dieser hat in den letzten Jahren einen stetigen, wenn auch langsamen Aufstieg erlebt. Der Anteil des Yuan an den weltweiten Reserven ist mit weniger als 3 Prozent weiterhin gering. Australien und Ozeanien sind die Weltregion mit den höchsten Anteilen an Yuan an ihren Reservebeständen, während die Staaten der Eurozone wie auch die USA und Kanada die geringsten Yuan-Bestände im Durchschnitt halten. Auffällig sind signifikante Wachstumsraten in Südamerika, wo der Yuan zuletzt an Bedeutung gewinnen konnte. Der Yuan, der eher von Schwellenländern gehalten wird, ist die einzige Währung, die in allen Weltregionen ihren Anteil erhöhen konnte. 

Der Yuan ist die einzige Währung, die in allen ­Weltregionen ihren Anteil erhöhen konnte

Insgesamt deutet der Blick auf Währungsreserven eine zunehmende Diversifikation an. Während der Dollar und der Euro weiterhin dominieren, steigt der Anteil anderer Währungen, einschließlich des Yuan und kleinerer Währungen wie des kanadischen oder des austra­lischen ­Dollars (­sogenannte „nontraditional reserve currencies“). Wenngleich einzelne Länder ihre Yuan-Bestände erhöht haben, bleibt die Währung für viele Zentralbanken unattraktiv. Gründe hierfür sind unter anderem Chinas Kapitalverkehrskontrollen, die begrenzte Liquidität der chinesischen Finanzmärkte und Bedenken hinsichtlich des politischen ­Systems des Landes.


Folgen des Krieges in der Ukraine

Wie sehr die Frage des Weltwährungssystems mit geopolitischen Entwicklungen verknüpft ist, zeigt der russische Krieg in der Ukraine. So hat die Ukraine im Zeitraum 2013 bis 2023 den US-Anteil an ihren Währungsreserven von 63 auf 93 Prozent erhöht und zugleich ihre Bestände an Euro, Yuan, britischem Pfund und japanischem Yen verringert. 


Russland wiederum als einer der weltgrößten Halter von Währungsreserven nutzt seine Reserven zum Schutz vor Sanktionen und hat im ersten Jahr des Krieges gegen die Ukraine aufgehört, die Zusammensetzung seiner Währungsreserven zu veröffentlichen. In den fünf Jahren vor der Invasion (2017 bis 2021) reduzierte die russische Nationalbank ihre Dollar-­Bestände signifikant von 46 auf 11 Prozent. Dies ging mit einem Anstieg des Anteils an ­Beständen in Euro (von 22 auf 34 Prozent) und Yuan (von 3 auf 17 Prozent) einher. Dieses Beispiel zeigt, wie geopolitische Ereignisse, Sanktionen oder internatio­nale Allianzen die Zusammensetzung von Währungsreserven beeinflussen können.


Ein neues BRICS-Zahlungssystem

Während die westliche Allianz zeigt, dass die Kontrolle über die globalen Finanzströme ein mächtiges geopolitisches Instrument bleibt, suchen Länder, die sich vom Einfluss westlicher Staaten lösen wollen, nach Alternativen. Die Staatschefs Russlands, Chinas, Indiens und Brasiliens drücken regelmäßig ihre Unzufriedenheit mit dem globalen US-zentrierten Finanzsystem, der Rolle des Dollars im Warenhandel oder auch der Bedeutung von SWIFT als Zahlungsverkehrssystem der Banken aus. 


Konkrete Handlungen erfolgten in der Vergangenheit beispielsweise als Reaktion auf die gegen Russland verhängten Sanktionen und das Einfrieren eines großen Teils der russischen Währungs­reserven in Dollar und Euro durch den Westen nach Beginn des Krieges in der Ukraine. Bei den getroffenen Maßnahmen steht im Zentrum einiger Länder insbesondere die Absicht, Alternativen zu den Währungen der Länder zu entwickeln, die Sanktionen verhängt haben. So gab es beispielsweise verschiedene Bestrebungen zur Verwendung lokaler Währungen für die Abwicklung von Handelsgeschäften, insbesondere mit Rohstoffen, und die mögliche Schaffung neuer gemeinsamer Währungen als Alternative zum US-Dollar, zum Euro und zu anderen Währungen von Ländern, die Sanktionen verhängt haben.

Länder, die sich vom Einfluss westlicher Staaten ­lösen wollen, suchen nach Alternativen zu den Währungen der Länder, die Sanktionen verhängt haben  

Als Forum für ihre Bemühungen auf dem währungspolitischen Spielfeld nutzen die genannten Staaten dabei auch die auf nunmehr zehn Mitglieder angewachsene Gruppe der BRICS-­Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, Iran, Ägypten, Äthiopien, Vereinigte Arabische Emirate und Indonesien). Ein neues, im Oktober 2024 auf dem BRICS-Gipfel in Kasan diskutiertes Konzept soll das gemeinsame Zahlungssystem „BRICS Bridge“ sein, dessen Entwicklung unserer Meinung nach im Blick gehalten werden sollte. Dabei soll es sich um ein noch aufzubauendes unabhängiges Zahlungssystem handeln, das Nutzern grenz­überschreitende Zahlungen zwischen den Mitgliedstaaten in Landeswährungen ermöglichen soll. Das System soll digitale Währungen nutzen, die von den Zentralbanken der BRICS-Staaten ausgegeben werden, und Zentralbanken – statt Korrespondenzbanken mit Zugang zum Dollar-Abwicklungssystem in den USA – sollen im Zentrum grenzüberschreitender Transaktionen stehen. 


Hierdurch sollen Teilnehmer die Abhängigkeit von der Dominanz des Dollars und des Euros verringern und sich vor Sanktionen schützen können. Es bleibt abzuwarten, was von dem erklärten Ziel der Etablierung innerhalb eines Jahres bis zum kommenden BRICS-Gipfel in Brasi­lien Realität wird oder übrigbleibt.


Der US-Dollar bleibt Hauptwährung

Der Ausblick auf die Entwicklung der dominierenden Reservewährungen bleibt spannend und ist mit viel Unsicherheit verbunden. Zwar ist noch unklar, wie schnell und in welchem Umfang sich die Anteile dieser Währungen verändern werden; doch eine schrittweise Entwicklung hin zu einem stärker fragmentierten Weltwährungssystem scheint wahrscheinlich.
Die Zusammensetzung der Devisen­reserven dürfte weiterhin von einer zunehmenden Diversifizierung und auch einer gewissen Trägheit geprägt sein. Das bedeutet, dass der US-Dollar voraussichtlich noch viele Jahre die Hauptwährung bleiben wird, selbst wenn der Euro und der Yuan an Akzeptanz gewinnen.

Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik der EU-Staaten würde dazu beitragen, den Euro wieder zu stärken

Aus unserer Sicht verfügt der Euro über großes Potenzial, um zu den Gewinnern des globalen Währungswettlaufs zu gehören. Die mit dem Euro verbundenen Stärken sind bekannt: ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht der EU-Staaten, institutionelle Transparenz sowie Demokratie und Marktwirtschaft als Charakteristika des politischen Systems. Mit den richtigen wirtschaftlichen und monetären Politiken könnte der Euro erneut zu einem ernsthaften Konkurrenten des Dollars werden. Die internationale Rolle der Gemeinschaftswährung könnte sich insbesondere dann verbessern, wenn es gelänge, im Währungsraum auf den Pfad einer stabilen und positiven Wirtschaftsentwicklung zurückzukehren, die Nutzung des Euros zur internationalen Handelsabwicklung zu stärken und zudem die Tiefe und Integration der europäischen Finanzmärkte zu verbessern.


Entscheidende Erfolgsfaktoren sind dabei vor allem eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik der EU-Staaten, welche die aktuelle Wachstumsschwäche überwindet und die europäische Produktivität erhöht, sowie die Vermeidung bekannter Fehler. In Verbindung mit strukturellen Reformen würde ein sukzessiver Beitritt der wirtschaftlich erfolgreichen Staaten Mittel- und Osteuropas zum Euro (zu dem sie sich mit ihrem EU-Beitritt verpflichtet haben) der europäischen Gemeinschaftswährung weiteres Gewicht verleihen.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2025, S. 97-100

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Dr. Falk Laser ist Senior Manager bei ABC economics in Berlin.

Dr. Alexander Mihailov ist Associate Professor in Economics an der University of Reading und Director of the Group for Economic Analysis at Reading (GEAR).

Dr. Jan Weidner arbeitet bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der OECD in Paris.