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01. Febr. 2006

Kohle ist unverzichtbar

Clean Coal – Perspektiven der Kohleverstromung

Muss es Kernenergie sein? Clean Coal-Technologien haben viel Zukunftspotenzial

Für eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Stromerzeugung wird Kohle in Deutschland weiterhin gebraucht. Steinkohle und Braunkohle haben zusammen einen Anteil von mehr als 50 Prozent an der Stromerzeugung hierzulande. Daran wird sich nichts Entscheidendes ändern, auch wenn man dem Erdgas künftig einen höheren Anteil an der Stromerzeugung als bisher zutraut. Ebenso werden die erneuerbaren Energien – sieht man von der Wasserkraft ab – auf Dauer keinen ausreichenden Beitrag zu einer sicheren Stromerzeugung leisten können. Diese Gewichtung wird noch verstärkt durch den verabredeten Ausstieg aus der Kernenergie in den kommenden Jahren, einer Primärenergie, die heute einen Anteil von nahezu 30 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland hat.

Es gibt verschiedene Szenarien über die künftige Entwicklung in der Stromerzeugung. Realistisch sind nur diejenigen, die von einem Mix der Primärenergien ausgehen. Erdgas ist technologisch gesehen attraktiv in der Stromerzeugung, aber als Brennstoff teuer und zum überwiegenden Teil aus dem Ausland importiert. Kohle ist in Deutschland und weltweit verfügbar. Braunkohle und Steinkohle sind heimische Energieträger. Über den Anteil der heimischen Steinkohle entscheidet die Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland. Die heimische Steinkohle leistet aber auch heute noch einen signifikanten Beitrag in der Stromerzeugung.

Umweltverträgliche Kohlekraftwerke

Eine Diskussion in der energiepolitischen Landschaft findet allein statt über die Umweltverträglichkeit der Kohleverstromung und die Ressourcenschonung durch sparsamen Einsatz von Kohle.

Heute wird der Begriff Clean Coal angewendet, was die Emission von Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden, Staub, Feinstaub, Schwermetallen und Schall angeht. Die Verfahren zur Emissionsbegrenzung sind großtechnisch verfügbar und werden in ihrer Leistungsfähigkeit mehr und mehr gesteigert. Reststoffe wie Asche und Gips werden inzwischen nahezu völlig einer Verwertung zugeführt. Die Abwässer werden aufbereitet, so dass sie unbedenklich in die Vorfluter abgeleitet werden können. Die Zusatzbelastung eines modernen großen Kohlekraftwerks von 750 MW und mehr für die Umgebung ist nachweislich von einer nicht relevanten Größenordnung und mit den vorhandenen Methoden kaum messbar.

Den Anträgen auf Bau und Betrieb von Kohlekraftwerken im behördlichen Genehmigungsverfahren wird in der Regel auch stattgegeben, da sie nicht nur nachweislich die geforderten Grenzwerte gemäß BundesImmissionsschutzgesetz einhalten, sondern auch beispielhaft sind für den Anspruch eines integrierten Umweltschutzes, der in der europäischen IPPCRichtlinie (Integrated Pollution Prevention and Control Directive) für Industrieanlagen verankert ist. Hier zeigen sich der Erfolg einer konsequenten technologischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Deutschland ist darin weltweit führend.

Die Forderung nach Ressourcenschonung und Minderung der Emission von Kohlendioxid (CO2) führt zwangsläufig zur Entwicklung von Kraftwerken mit höheren Wirkungsgraden als bisher. CO2 entsteht bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Primärenergien und ist grundsätzlich für den Menschen und die Umwelt nicht schädlich. Es wird jedoch vielfach unterstellt, dass die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre durch die Verbrennung von Kohle und anderen Brennstoffen die Temperatur auf der Erde erhöht. Bezüglich der Höhe des Temperaturanstiegs und dessen Auswirkungen gibt es eine Vielzahl von Szenarien mit unterschiedlichen Aussagen über das Risikopotenzial. Die Verantwortung für die Umwelt gebietet es, unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge eine Risikobegrenzung anzustreben und die CO2Emission bei der Stromerzeugung zu vermindern.

Neben der Effizienz der in einem Kraftwerk eingesetzten Komponenten und Maschinen bestimmt die Höhe der Temperaturen am Anfang des Prozesses den Wirkungsgrad von thermischen Kraftwerken. Kohle wird in der Regel in Dampfturbinenkraftwerken mit hoher Leistung verstromt. Technologisch sind heute Dampftemperaturen bis zu 620°C zulässig. Dadurch ist man in der Lage, bei Steinkohlekraftwerken einen Wirkungsgrad von mehr als 45 Prozent und bei mit Braunkohle gefeuerten Kraftwerken einen Wirkungsgrad von mehr als 43 Prozent zu realisieren. Die Errichtung neuer Kraftwerke in Deutschland ist auf diese Art der Auslegung ausgerichtet.

Zielsetzung ist selbstverständlich, den Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken noch weiter zu erhöhen. Angestrebt werden Wirkungsgrade von mehr als 50 Prozent. Ob ein solcher Wirkungsgrad erreicht wird, hängt davon ab, dass geeignete Werkstoffe zur Verfügung gestellt werden. Hier besteht ein erheblicher Entwicklungsbedarf. Für die heutige neue Kraftwerksgeneration mit Wirkungsgraden von mehr als 45 Prozent stehen so genannte austenitische Werkstoffe zur Verfügung, die neben dem Grundwerkstoff Eisen Chrom in einer Höhe von 17 bis 27 Prozent enthalten. Hinzu kommen noch andere metallische Zuschlagstoffe. Soll der Wirkungsgrad darüber hinaus gesteigert werden, sind Dampftemperaturen bis 700°C und mehr erforderlich. Für diesen Kraftwerksprozess sind so genannte Nickelbasislegierungen einzusetzen. Dieses Material besteht nahezu ausschließlich aus Nickel mit weiteren metallischen Zuschlagstoffen. Nickelbasislegierungen stellen für den Kraftwerksbereich neuartige Werkstoffe dar. Es sind insbesondere Techniken zu entwickeln, damit im vertretbaren Aufwand Werkstücke hergestellt werden können und darüber hinaus eine mechanische Bearbeitung möglich ist. Hinzu kommt, dass diese Materialien durch einen direkten Einsatz im Kraftwerk noch nicht erprobt wurden. Versuchsanlagen sind erst seit kurzem in Betrieb.

Stand der Technik ist somit heute ein Wirkungsgrad von mehr als 45 Prozent bei Steinkohlekraftwerken mit Einsatz von fortgeschrittenen austenitischen Werkstoffen; Entwicklungsziel ist ein Wirkungsgrad von über 50 Prozent. Es existieren dazu alternative Kraftwerksprozesse. Verbrennt man z.B. Kohle unter Druck und reinigt man das Rauchgas von Asche und alkalischen Gasbestandteilen, dann ist dieses Gas für den direkten Einsatz in einem GasDampfturbinenprozess geeignet. Die Gasreinigung bei Temperaturen von 1400°C ist gelöst. Hinzu kommen muss nun die Entwicklung einer Gesamtkraftwerksanlage, um dieses Wirkungsgradpotenzial zu nutzen. Hier ist noch langjähriger Entwicklungsaufwand zu leisten.

Abscheidung und Lagerung von CO2

Die Kraftwerksindustrie steht vor der Aufgabe, Kraftwerke ohne die Emission von CO2 zu entwickeln. Diese Zielsetzung lässt sich aufteilen in die Entwicklung der Technologie der CO2Abscheidung und der langfristigen Lagerung von CO2. Die Verfahren für die Abtrennung von CO2 aus Energieumwandlungsprozessen sind grundsätzlich bekannt. Man unterscheidet hier Verfahren, die vor der Verbrennung, und Verfahren, die nach der Verbrennung eingesetzt werden. Bei der Vergasung von Kohle kann man den Prozess so steuern, dass Wasserstoffgas und CO2 entstehen. Über Membrantechniken lässt sich das CO2 vom Wasserstoff abtrennen und danach weiter behandeln. Wasserstoff selbst verbrennt zu Wasser (H2O).

Bei der Direktverbrennung von Kohle lässt sich das anfallende CO2 durch Absorptionsverfahren abtrennen und zur Weiterbehandlung zur Verfügung stellen. In der Entwicklung sind so genannte Oxifuelverfahren, bei denen der in der Luft enthaltene Sauerstoff abgetrennt wird und mit dem Kohlenstoff der Kohle zur Reaktion gebracht wird. Es entstehen als Reaktionsprodukte CO2 und H2O, die leicht voneinander getrennt werden können. Das CO2 steht dann zur weiteren Behandlung zur Verfügung.

Weiter behandeln heißt die Verbringung von CO2 in Hohlräume der Erde oder Versenkung in die Tiefsee. Die Verfahren dafür werden derzeit erprobt. Abgesehen von der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit sind aber die technischen und ökologischen Probleme bei weitem nicht gelöst. Alle Abscheidungsprozesse mit Verbringung von CO2 haben einen zusätzlichen hohen Energiebedarf zur Folge. Letztlich sinkt der Gesamtwirkungsgrad des Prozesses um bis zu 15 Prozentpunkte. Wird nun mit der heutigen Technologie aufwendig ein Wirkungsgrad von 45 Prozent erreicht, sinkt er nach Abscheidung und Verbringung wieder auf 30 Prozent. Entsprechend mehr Brennstoff ist zur Sicherung der Stromversorgung aufzubringen. Dies verstößt in hohem Maße gegen die Forderung nach Ressourcenschonung.

Deutschlands Technologievorsprung

Die Minderung der CO2Emission ist derzeit der eigentliche Treiber bei der industriellen Forschung und Entwicklung im Bereich der Stromerzeugung. Folgende Entwicklungsschritte ergeben sich:

  • Kurzfristig ist die Umsetzung der vorhandenen Technologie in ein Großkraftwerk auf der Basis austenitischer Werkstoffe mit modernen Dampfparametern und Wirkungsgraden von mehr als 45 Prozent zu realisieren. Entsprechende Projekte sind aktuell in der Bearbeitung.
  • Mittelfristig muss eine Erhöhung der Wirkungsgrade von Dampfkraftwerken auf  mehr als 50 Prozent durch den Einsatz von Nickelbasislegierungen in Angriff genommen werden. Derzeit wird an verschiedenen Materialprüfungsprojekten gearbeitet.
  • Langfristig steht die Entwicklung von Technologien und Prozessen zur weiteren Steigerung der Wirkungsgrade sowie der CO2Abtrennung und Speicherung auf dem Programm.

Über die heute bereits angewendete Clean CoalTechnologie bei der Verstromung von Kohle hinaus gibt es weiteres Potenzial zur Verminderung der CO2Emission. Erkennbar ist der hohe Entwicklungsbedarf, um Wirkungsgradsteigerungen zu realisieren. Innovation ist gefordert. Systematische technologische Entwicklungen führen zu technischen Spitzenprodukten, die  Deutschland braucht, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Spitzentechnologie in der Kraftwerkstechnik bedeutet einerseits eine wettbewerbsfähige Stromerzeugung für die heimische Versorgung, andererseits verbessert sie die Exportfähigkeit der Kraftwerksindustrie, insbesondere dann, wenn die Produkte und Techniken in Deutschland erprobt wurden.

Deutschland hat derzeit noch einen deutlichen Vorsprung in der Kraftwerkstechnik, unter anderem auf den Gebieten der konventionellen Dampfkraftturbinenwerke, der Gasturbinen, der Prozessleittechnik, der Materialentwicklung, der Materialprüfung und der Umwelttechnik. Nicht zu vergessen ist der Bereich der Stromerzeugung aus regenerativen Energien wie Windenergie, Solarenergie und Biomasseeinsatz, in denen Deutschland technologisch führend ist.

Zu bedenken ist jedoch, dass sich ein Technologievorsprung verbraucht. Die Wettbewerber im Ausland lernen rasch dazu. Daher bedarf es ständiger Forschung und Entwicklung, um die derzeit gute Wettbewerbsposition nicht zu verlieren. Es wird sich lohnen, die Entwicklung in der Kraftwerkstechnik voranzutreiben. Aufgefordert hierzu sind die herstellende Industrie, die Universitäten und Großforschungseinrichtungen sowie die Betreiber von Kraftwerken. Eine Unterstützung der öffentlichen Hand für entsprechende Forschungsvorhaben wäre eine sinnvolle Investition in die Sicherheit der künftigen Energieversorgung Deutschlands.

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