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01. Sep 2010

Knappheit trotz Überfluss

Die Energieprobleme des Iran

Trotz riesiger Erdöl- und Erdgasreserven gerät der Iran immer weiter in die Energiekrise. Infolge einer über Jahre verfehlten Politik ist die Islamische Republik bereits auf Gasimporte angewiesen, droht langfristig zum Ölimporteur zu werden und so auch für den internationalen Energiemarkt auszufallen. Auch die Sanktionen zeigen Wirkung.

Der Energiemix der Islamischen Republik setzt sich fast ausschließlich aus Erdöl (44,6 Prozent) und Erdgas (53,4 Prozent) zusammen. Das ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die iranischen Öl- und Gasreserven zu den dritt- bzw. zweitgrößten der Welt zählen.1 Theoretisch könnte der Iran mit diesen Reserven Jahrzehnte auskommen und nebenbei große Mengen Öl und Gas exportieren.

Die angestrebte Nutzung von Kernenergie verzögert sich seit Jahren aus technischen, finanziellen und immer mehr auch aus politischen Gründen; sie würde mit dem bisher einzigen iranischen Atomkraftwerk in Buschehr die derzeitigen Kraftwerkskapazitäten auch lediglich um zwei Prozent erhöhen. Eine nennenswerte Diversifikation der Energiequellen und damit eine Loslösung aus der starken Abhängigkeit von Öl und Gas ist bisher nicht erfolgt und auch in naher Zukunft nicht absehbar.

Gleichzeitig haben das kontinuierliche Bevölkerungswachstum und die hohe Energieintensität der iranischen Wirtschaft den Energieverbrauch stetig steigen lassen. Diese Entwicklung ist durch hohe Energiesubventionen wesentlich begünstigt worden, deren Abschaffung gegenwärtig zwar vorgesehen, bisher jedoch nur schrittweise umgesetzt worden ist. Daher ist es für die Islamische Republik von größter Bedeutung, die Kapazitäten des Energiesektors aufrechtzuerhalten bzw. auszubauen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Einnahmen aus dem Ölexport noch immer die Haupteinnahmequelle des Staates sind. Hier liegt ihr Anteil aktuell bei 50 Prozent, von den Exporteinnahmen gehen bis zu 80 Prozent auf den Ölexport zurück. Vor diesem Hintergrund ist es umso alarmierender, dass die Entwicklung des Energiesektors seit Jahren problematisch und teilweise sogar rückläufig ist.

Stagnierende Förderung

Die Rohölförderung des Iran erreichte im Jahr 1974 mit sechs Millionen Barrel pro Tag (b/d) ihren Höhepunkt – eine Zahl, die der iranische Ölsektor heute nicht mehr annähernd erreicht. Teheran war weder in der Lage, die für den Ausbau des Ölsektors notwendigen Investitionen selbst zu tätigen, noch die daher umso wichtigeren ausländischen Investoren anzuziehen. Zwar hat die Rohölproduktion zwischenzeitlich 4,1 Millionen b/d erreicht. Seitdem stagniert sie bzw. nimmt langsam ab.

Diese Entwicklung ist neben dem Investitionsmangel auch darauf zurückzuführen, dass dem Rückgang der Förderung in zahlreichen älteren Ölfeldern jetzt keine entsprechende Produktion mehr aus neu erschlossenen Feldern entgegengesetzt werden kann. Moderne Technik, die eine längere Ausbeutung alter Felder möglich machen würde, steht nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung.2

Sollte Teheran seine Ölproduktion nicht ausbauen können, wäre zwar die inneriranische Ölversorgung nicht unmittelbar gefährdet, wohl aber die Exportkapazität und damit die wichtigste Quelle der Staatseinnahmen. Einige Forschungsszenarien schließen nicht einmal aus, dass der inländische Bedarf nicht mehr selbst gedeckt werden kann und der Iran zum Ölimporteur werden könnte.3

Die unzureichende Entwicklung des Raffineriesektors bereitet der Islamischen Republik bereits heute große Probleme. Die aktuellen Kapazitäten von 1,5 Millionen b/d erlauben zwar den Export einzelner Raffinerieprodukte, doch die Benzinnachfrage des Landes kann schon seit Jahren nicht mehr selbst gedeckt werden. Der Iran war in den vergangenen fünf Jahren zeitweilig auf den Import von über 40 Prozent des Bedarfs angewiesen, was den Staatshaushalt regelmäßig mit Milliardenbeträgen belastete.

Bei genauerer Betrachtung des Gassektors zeigt sich, dass dessen Kapazitäten zwar kontinuierlich gewachsen sind, den Erfordernissen der iranischen Energieversorgung aber ebenfalls nicht mehr gerecht werden können. Im Jahr 2008 stand der Produktion von 116,3 Milliarden m3 ein Verbrauch von 119 Milliarden m3 gegenüber. Das Land ist damit trotz seiner riesigen Reserven zu Gasimporten gezwungen, die immer wieder Probleme bereiten. So wurde z.B. die Gasversorgung des Nordiran, die durch Importe aus Turkmenistan gewährleistet wird, im Winter 2007/08 aufgrund von Preisstreitigkeiten zwischen beiden Staaten unterbrochen, mehrere Menschen erfroren.4 Gasexporte finden derzeit in minimalem Umfang und nur in die Türkei statt. Ihr Potenzial als zweite große Exporteinnahmequelle konnte bislang nicht ausgeschöpft werden.

Sicher haben die Zerstörungen des Iran-Irak-Kriegs (1980 bis 1988) dazu beigetragen, dass die Entwicklung des Energiesektors in den Anfangsjahren der Islamischen Republik Rückschläge hinnehmen musste; doch dies kann nicht als Rechtfertigung für spätere und bis heute anhaltende Fehlentwicklungen gelten. Der wesentliche Grund für die Unterentwicklung ist der Mangel an Investitionen und technischem Know-how. Unstrittig ist daher auch, dass der Sektor in den kommenden Jahren Investitionen im dreistelligen Milliardenbereich benötigt. Das Engagement ausländischer Investoren ist dabei unerlässlich. Um sie in ausreichendem Maße ins Land zu bringen, müssten jedoch zunächst die vom Iran selbst zu verantwortenden Hindernisse abgebaut werden.

Probleme des revolutionären Erbes

Das größte Hindernis ist die Verfassung des Iran, die gemäß Artikel 3 V die Unabhängigkeit von ausländischem Einfluss zum Staatsziel erhoben hat. Diese Position wird explizit in den Prinzipien der iranischen Wirtschaftsordnung aufgegriffen, die die „Verhinderung einer ausländischen Vorherrschaft über die Wirtschaft des Landes“ vorschreiben (Art. 43 VIII). Artikel 81, der auf Auslandsgeschäfte Bezug nimmt, verbietet darüber hinaus die Konzessionsvergabe an Ausländer, die im Bereich der Rohstoffförderung tätig sind. In Artikel 153 heißt es ferner, dass „jede Form einer Vereinbarung, die in der ausländischen Kontrolle der natürlichen Ressourcen resultiert“, verboten ist.

Um dennoch Investitionen aus dem Ausland anziehen zu können und gleichzeitig den verfassungsrechtlichen Beschränkungen zu entsprechen, hat das Land die so genannten Buyback-Verträge eingeführt. Sie erlauben zwar das Engagement ausländischer Investoren, sind aber aus wirtschaftlicher Sicht, trotz einiger Nachbesserungen in den vergangenen Jahren, wenig attraktiv. Diese Abkommen sind für den Investor zeitlich begrenzt, seine Anteile an dem jeweiligen Projekt gehen nach Vertragsende auf einen iranischen Partner über. Der ausländische Investor trägt während des ausgehandelten Projekts sämtliche Entwicklungskosten, wofür er dann einen vorher festgelegten Anteil an der Förderung erhält. Bei ungünstiger Entwicklung der Rohstoffpreise kann dieser Gewinn geringer als erwartet ausfallen.5

Eine Änderung der Verfassung, die den Abschluss investorenfreundlicherer Verträge ermöglicht, ist aber nicht zu erwarten, da die Unabhängigkeit vom Ausland einer der entscheidenden Grundpfeiler der Revolution von 1979 ist, der die Islamische Republik eindeutig von der Situation in der Pahlavi-Zeit unterscheidet. Trotzdem haben in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche internationale Energiekonzerne in den iranischen Energiesektor investiert, wenngleich nicht in dem für eine ausreichende Entwicklung notwendigen Maße. Doch mittlerweile haben sich die meisten dieser Investoren zurückgezogen. Dies lässt sich auf die zahlreichen Sanktionen zurückführen, die in den vergangenen Jahren gegen den Iran erlassen worden sind.

Sanktionen zeigen Wirkung

Nahezu seit Beginn ihres Bestehens ist die Islamische Republik Iran mit diversen Sanktionen konfrontiert, die direkt gegen die Entwicklung des Energiesektors gerichtet sind – vor allem gegen den Ausbau des Kernenergieprogramms. Sein vorgeblicher energiepolitischer Zweck wird angesichts zahlreicher Ungereimtheiten und des wenig kooperativen Verhaltens in Frage gestellt und stattdessen wird der Aufbau eines Kernwaffenprogramms vermutet. Um die finanziellen Mittel zum weiteren Ausbau eines solchen Programms zu beschränken, richten sich die Sanktionen gegen Investitionen in den iranischen Energiesektor und zielen so auf die Haupteinnahmequelle des Staates.

Lange Zeit hatten diese Sanktionen nicht den gewünschten Erfolg. Insbesondere die Effektivität des Iran Sanctions Act (ISA) ist immer wieder, auch von Seiten der USA, stark angezweifelt worden. Da hier amerikanisches Recht außerhalb der Vereinigten Staaten Anwendung finden soll, kam es insbesondere mit den europäischen Verbündeten zu Spannungen, die dazu geführt haben, dass bisher keine Sanktionen im Rahmen des ISA durchgesetzt wurden und sich zahlreiche Investitionen nicht verhindern ließen.6

Mit dem offenen Ausbruch des Atomkonflikts 2002 und dem Erlass mehrerer UN- und EU-Sanktionen gegen den Iran verschärft sich die Situation jedoch spürbar. Zusätzlich zu diesen Strafmaßnahmen haben die USA erfolgreich Druck auf internationale Banken ausgeübt, ihr Iran-Geschäft aufzugeben. Die Europäische Union einigte sich auf ein Geschäftsverbot für die iranische Nationalbank. Im Juni und Juli 2010 haben sowohl die Vereinten Nationen als auch die EU und die USA ihre Maßnahmen noch einmal verschärft.

So wird es immer schwieriger, Öl- und Gasprojekte durchzuführen; ihre finanzielle Abwicklung wird durch die Finanzsanktionen nahezu unmöglich. Verschärfte und umfassendere Exportbestimmungen tragen dazu bei, dass nicht mehr alle zur Durchführung von Öl- und Gasprojekten notwendigen Technologien ins Land gebracht werden können. Die meisten ausländischen Investoren haben sich daher aus teilweise bereits ausgehandelten Projekten zurückgezogen bzw. ihr Engagement verschoben.

Wie sich die neuen Sanktionen insbesondere auf den Benzinimport auswirken, bleibt noch zu beobachten. Der Ölexport selbst unterliegt noch keinem Embargo. Sollte der Iran aber seine Förderkapazitäten aufgrund der Sanktionen nicht mehr ausbauen bzw. erhalten können, müsste langfristig auch das Öl, das bisher exportiert wird, für den inländischen Verbrauch umgeleitet werden. Dann stellt sich auch für diesen Sektor die Frage, wie lange er die Energieversorgung noch gewährleisten kann. Drastische Einsparungen beim Ölverbrauch wären erforderlich, was die Gefahr von sozialen Unruhen birgt, wie schon bei der Rationierung subventionierten Benzins zu beobachten war.

Mittlerweile gefährden die Sanktionen ernsthaft die wichtigste Einnahmequelle und damit die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Das gilt auch für die Finanzierung des Kernenergieprogramms. Ob der Iran sich aber dadurch tatsächlich zu einer Beendigung dieses Programms bewegen lässt, ist angesichts der Erfahrungen der Vergangenheit und der großen Bedeutung des Themas für das Regime offen.

Internationale Auswirkungen

Die Fehlentwicklungen der iranischen Energiepolitik und die Sanktionen gegen das Atomprogramm haben dem Ausbau des Energiesektors schwer geschadet:

• Hohe Subventionen haben den ohnehin hohen Energieverbrauch noch gesteigert.

• Eine nennenswerte Diversifizierung der Energieversorgung und damit eine Loslösung aus der Abhängigkeit von Öl und Gas ist nicht erfolgt.

• Ungünstige rechtliche Rahmenbedingungen und selbst zu verantwortende Sanktionen blockieren die Akquise dringend benötigter Investitionen.

• Langfristig wird der Ölexport verringert bzw. unmöglich gemacht und so droht die wichtigste Einnahmequelle des Staates zu versiegen.

• Damit fehlen auch Mittel für eigene Investitionen in den Energiesektor.

Eine derart kontraproduktive Politik führt zwangsläufig in eine Energie- und Wirtschaftskrise, auch wenn der Reichtum an Energierohstoffen noch so groß ist. Somit schwächt die Krise des Energiesektors auch die Position der Regierung im Streit mit der internationalen Staatengemeinschaft. Die Führung in Teheran brüstet sich geradezu täglich, der Iran sei einer der stärksten Staaten der Welt und stehe an der Spitze einer Bewegung, die die Vorherrschaft des Westens herausfordere. Die Realität sieht aber so aus, dass Teheran nach und nach die finanziellen Mittel ausgehen, mit deren Hilfe es eine derart dezidierte Großmachtpolitik betreiben könnte. Damit besteht die Hoffnung, dass die Politik der Sanktionen eines Tages erfolgreich sein wird. Allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen. Diese Krise bleibt wohl kaum auf die Islamische Republik begrenzt. Trotz Klimawandel und Weltwirtschaftskrise steigt der globale Energiebedarf weiter an. Laut Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden auch in Zukunft Erdöl und Erdgas sowie Kohle den größten Teil des internationalen Energieverbrauchs ausmachen.7 Sollte der derzeit weltweit viertgrößte Erdölexporteur ausfallen und auch in Zukunft nicht als Gasexporteur zur Verfügung stehen, könnte dies Angebotsengpässe auf den internationalen Energiemärkten nach sich ziehen, was mit massiven Preisanstiegen verbunden wäre. Bereits heute schnellen die Ölpreise bei jedem „Kriegsgrollen“ gegen den Iran in die Höhe, weil auf den Märkten Angst vor einem Ausfall dieses Öllieferanten herrscht.

Kurzfristig gibt es keine Alternativen zu den iranischen Öl- und Gasreserven. Derzeit noch freie Förderkapazitäten von Staaten wie Saudi-Arabien gehen zurück. Die Erschließung neuer Ölfelder außerhalb der Golf-Region und der OPEC hat durch die Explosion der BP-Ölplattform im Golf von Mexiko Rückschläge erlitten. Eine verstärkte Förderung nichtkonventioneller Gasreserven wie in den USA ist zumindest für Europa derzeit keine Alternative, da ihr vor allem Bedenken aufgrund möglicher Umweltschäden im Zuge der Erschließung entgegenstehen.

Eine baldige signifikante Verbesserung des Zustands des iranischen Energiesektors erscheint unwahrscheinlich. Daher sollte der Ausbau alternativer Energiequellen verstärkt vorangetrieben werden. Damit aus der iranischen Energiekrise nicht allzu bald eine internationale wird.

KIRSTEN WIEGAND ist Doktorandin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit dem Thema „Die Energiepolitik des Iran“.

  • 1Die Autorin stützt sich vor allem auf die Daten der Energy Information Administration (EIA): International Energy Statistics, http://tonto.eia.doe.gov/cfapps/ipdbproject/IEDIndex3.cfm; Country Analysis Briefs. Iran, Januar 2010, http://www.eia.doe.gov/emeu/cabs/Iran/pdf.pdf sowie der Internationalen Energieagentur (IEA): Energy Statistics, http://www.iea.org/statist/index.html.
  • 2Vgl. Keith Crane, Rollie Lal und Jeffrey Martini: Iran’s Political, Demographic, and Economic Vulnerabilities, Santa Monica u.a. 2008, S. 68.
  • 3Vgl. Nikolaus Supersberger: Szenarien eines diversifizierten Energieangebots in OPEC-Staaten am Beispiel Irans. Strategien eines auf klimaschonenden Energieträgern basierenden Umstiegs, Osnabrück 2007, S. 180 f.
  • 4Vgl. Alex Forbes: Iran: Gas-export hopes fade, as home supply grows, in: Petroleum Economist, September 2008.
  • 5Vgl. Neil Ford: Iran’s Oil Buy-Back Deals Hit Snags, in: Middle East, April 2007.
  • 6Zur aktuellen Diskussion vgl. Jo Becker und Ron Nixon: U.S. Enriches Companies Defying Its Policy on Iran, in: The New York Times, 6.3.2010.
  • 7Vgl. IEA: World Energy Outlook 2009, Paris 2009, S. 74 f.
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, September/Oktober 2010, S. 86 - 93

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