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01. Dez. 2007

Investieren geht über Schmieren

Statt korrupte Eliten sollte der Westen in Afrika innovatove Unternehmen fördern

Machen wir uns nichts vor: Das Konzept der Entwicklungshilfe in Form von Geldtransfers an die Regierenden in Afrika ist gescheitert. Um für nachhaltiges Wachstum zu sorgen, gilt es stattdessen, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich privates Unternehmertum erfolgreich entfalten kann.

Armut ist eines der großen globalen Themen unserer Zeit. Nirgendwo ist diese Armut derart mit den Händen zu greifen wie in Afrika. Kein Wunder also, dass Politiker, Wissenschaftler, Prominente und Aktivisten weltweit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit immer wieder auf den Kontinent gelenkt haben. Als Allheilmittel für die Rettung Afrikas aus der Armut gilt dabei nach wie vor finanzielle Unterstützung aus dem Westen. Manche sprechen sogar von einem „Marshall-Plan für Afrika“ und fordern einen Schuldenerlass.

Nun ist allerdings das Verteilen von Geld keine so ganz neue Form der Entwicklungspolitik. Zwischen 1960 und 2003 erhielt Afrika Schätzungen zufolge 600 Milliarden Dollar als Entwicklungshilfe oder in Gestalt von Schuldenerlässen. Und doch sind heute viele Menschen in Afrika ärmer als im Jahr 1960. Lebten 1981 in Afrika elf Prozent der Ärmsten weltweit, so stieg diese Zahl 2001 auf 29 Prozent. Und wenn wir schon vom Marshall-Plan sprechen: Auf seinem Höhepunkt machten die Leistungen des Planes nur 2,5 Prozent des Bruttosozialprodukts seiner größten Empfängerländer – Frankreich und Deutschland – aus. Ein durchschnittliches afrikanisches Land dagegen bekommt Hilfe von außen in einer Größenordnung von 13 Prozent seines Bruttosozialprodukts – ein Geldtransfer von reichen in arme Länder, der in der Geschichte ohne Beispiel ist.

Und doch ist Afrika ärmer und ärmer geworden und hat sich immer stärker verschuldet. Der Westen hat in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren mit Umschuldungen oder Schuldenerlässen reagiert, ohne dass der Kontinent dadurch reicher oder solvent geworden wäre. Europa und die USA haben Sonderkonditionen für Produkte aus Afrika eingeführt. Doch der Anteil des Kontinents am Welthandel geht weiter zurück: von sechs Prozent im Jahr 1980 auf zwei Prozent im Jahr 2005, Tendenz sinkend. Das macht einen Verlust von 70 Milliarden Dollar pro Jahr aus – drei Mal soviel wie der Kontinent im Moment an Entwicklungshilfe bekommt. Nicht besser sieht es mit Afrikas Anteil an ausländischen Direktinvestitionen aus: 1970 erhielt Afrika 31,2 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen, die an Entwicklungsländer gingen. Bis 1998 war dieser Anteil auf 4,5 Prozent gesunken, Tendenz fallend.

Klüngel oder Knast

Warum ist diese Form der Entwicklungshilfe gescheitert? Nun, zunächst einmal sind die Interessen derer, die Hilfe gewähren, nicht identisch, im Gegenteil: Oft stehen sie geradezu im Konflikt miteinander. Manche Geber mögen schlicht und einfach daran interessiert sein, Armut zu reduzieren. Andere, insbesondere die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, sind vielleicht von geostrategischen Erwägungen bestimmt. Kommt hinzu, dass ein Großteil der Spendengelder durch Regierungskanäle fließt. Selbst wenn die Geber also eine gemeinsame Agenda haben sollten, so wäre es möglich, dass diese sich nicht mit den Interessen der jeweiligen Empfängerregierung vereinbaren lässt.

Nur ein Beispiel. Regierungen wollen an der Macht bleiben. Das zwingt sie dazu, loyale Unterstützer zu belohnen, neue Wahlkreise zu gewinnen, reale oder mögliche Oppositionelle zu korrumpieren und andere auszuschalten. Afrikanische Regierungen tun dies mittels einer Mischung aus Klientelpolitik und Repression; etwa, indem sie einigen Eliten Jobs verschaffen und anderen Regierungsaufträge und -auschreibungen zuschustern, während sie diejenigen einsperren, die sich nicht korrumpieren lassen. Doch Regierungen brauchen gleichfalls Legitimität, also bauen sie Straßen, Schulen und Krankenhäuser in den Teilen des Landes, in denen sie über Rückhalt verfügen oder diesen doch zu gewinnen hoffen. Diese unterschiedlichen Strategien stehen miteinander im Widerstreit.

Nehmen wir einmal an, eine Regierungspartei geht in einem bestimmten Landesteil auf Stimmenfang und bedient sich dafür der Klientelpolitik. Indem sie den wichtigsten Meinungsführern, den Stammesältesten und Vertretern der Kirche hohe Regierungsposten verschafft, gewinnt sie das Vertrauen mächtiger Persönlichkeiten, die ihre Anhängerschaft mobilisieren können, damit diese die regierende Partei unterstützt. Eine andere Strategie könnte darin bestehen, vernünftige Straßen, Schulen und Krankenhäuser im betreffenden Landesteil zu errichten. Doch diese Strategie setzt voraus, dass der Staat effektive öffentliche Einrichtungen schafft, die in der Lage sind, derartige Pläne in die Tat umzusetzen. Diese Strategie hat also ihren Preis: Sie verschlingt eine Menge Geld und Zeit. Für jeden rational denkenden Handelnden ist Klientelpolitik im Vergleich dazu die kosteneffektivere Strategie. Daraus folgt, dass sich dort, wo Klientelpolitik große politische Rendite bringt, die Schaffung effektiver öffentlicher Einrichtungen für die herrschenden Eliten kaum lohnt. Im Gegenteil: Die Schaffung effektiver öffentlicher Einrichtungen birgt die Gefahr, dass von der Regierung unabhängige und mit ihr konkurrierende Machtzentren entstehen. Daher sind die Regierenden in der Regel eher daran interessiert, die Entwicklung von solchen Institutionen zu verhindern. Und doch pumpen Spendenorganisationen jedes Jahr Milliarden von Dollars in Projekte zur Personal- und Organisationsentwicklung.

Nichtsdestotrotz benötigen alle Regierungen finanzielle Ressourcen, um ihr politisches Überleben zu sichern. So muss die Polizei bezahlt und bewaffnet werden, um für ein gewisses Maß an Recht und Ordnung zu sorgen. Darüber hinaus aber brauchen afrikanische Regierungen, denen ja ein Hang zu diktatorischen Herrschaftspraktiken nicht ganz fremd ist, die Armee und die Polizei, um die Opposition in Schach zu halten. Politische Anhänger wollen zufriedengestellt, politische Widersacher korrumpiert werden. Zudem gilt es, eine infrastrukturelle und soziale Grundversorgung zu gewährleisten – eine Straße hier, ein Krankenhaus da, eine Schule woanders.

Wenn die eigene Bevölkerung die Quelle der Staatseinnahmen darstellen würde, könnte die Regierung sich aus purem Eigeninteresse zu einer etwas zurückhaltenderen Herrschaftspraxis veranlasst sehen. Sie könnte sich bemüßigt fühlen, ihren Bürgern zuzuhören, wenn es um Maßnahmen und Institutionen geht, die für eine Produktivitätssteigerung der Bürger notwendig sind, damit letztlich höhere Steuereinkünfte erzielt werden können. Eine solche Regierung wäre qua Eigeninteresse dazu genötigt, eine „aufgeklärte“ Politik zu betreiben. Das Dumme an der Entwicklungshilfe ist nur, dass sie die Anreize für Regierende umkehrt. Statt zu versuchen, die Ressourcen für ihr Überleben bei ihren Bürgern zu mobilisieren, tut sie das durch Spenden aus aller Welt.

Anstatt ihren Bürgern zuzuhören, wird die Regierung eher auf den IWF, die Weltbank und andere Geber von Entwicklungshilfe hören. In diesem Prozess werden die Bürger zu reinen Klienten, die man mit dem korrumpiert, was sich aus der Entwicklungshilfe finanzieren lässt – Nahrungsmittel, Medizin, Gesundheitsfürsorge (freilich auf niedrigem Niveau), Bildung. Vielleicht ist die Entwicklungshilfe in der Lage, kurzfristige humanitäre Ziele zu erreichen, doch zum Preis, dass man die wichtigsten Mechanismen für die Entwicklung einer verantwortlichen Regierung ausschaltet.

Subventionierte Korruption

Diese deprimierende Botschaft zieht sich wie ein Roter Faden durch die Geschichte der Entwicklungshilfe für Afrika. Sie hat zur Schaffung von Staaten geführt, die von Almosen leben – und die sich daher kaum für die Ansichten ihrer Bürger zur Zukunft des Landes interessieren. So war Entwicklungshilfe maßgeblich dafür verantwortlich, die Klientelpolitik in Afrika zu unterstützen, politisch gesehen eine erfolgreiche Strategie, ökonomisch gesehen verheerend. Wenn eine Regierung daran scheitert, in vernünftige Straßen, angemessene Erziehung und die Gesundheit ihrer Bürger zu investieren, kann langsames, stagnierendes oder schrumpfendes Wachstum die Folge sein. Das wiederum reduziert die Ressourcen, die der Regierung zur Verfügung stehen, um ihr politisches Überleben zu sichern.

Indem man Regierungen, die auf einer neopatrimonialen Logik basieren, mehr Entwicklungshilfe gibt, subventionieren die Spender im wahrsten Sinne des Wortes Korruption und Inkompetenz einer Regierung und ermutigen sie, in ihrem wirtschaftlich schädlichen Treiben fortzufahren. Kurz gesagt, wir stecken in einer paradoxen Situation – je mehr Entwicklungshilfe Afrika bekommt, desto stärker scheint der Kontinent Armut, Korruption, Konflikte, Schulden und schlechte Regierungen zu produzieren. Der Verdacht liegt nahe, dass Entwicklungshilfe keine Lösung für Afrikas Probleme ist, mehr noch: dass sie zu den Faktoren zählt, die die Krise des Kontinents noch anheizen. Doch je stärker sich diese Krise zuspitzt, desto stärker sorgt sie für ein anderes Paradox, den Ruf nach mehr Entwicklungshilfe und nach Schuldenerlass. Das ist so, als wenn man sagen würde: „Dem Patienten geht es mit dieser Medizin schlechter. Wunderbar, geben wir ihm mehr davon.“

Aber der noch bedenklichere Effekt der Entwicklungshilfe ist politischer Natur. Weil Entwicklungshilfe die finanziellen Ressourcen der Regierungen wachsen lässt, nimmt auch die Attraktivität des Staatsdiensts zu. Statt sich also wirtschaftlich zu engagieren, tendieren viele Menschen dazu, ihr finanzielles Glück in der Politik zu suchen. In Afrikas multiethnischen Staaten kann das zu einer Verstärkung der zentrifugalen Kräfte führen. Das erklärt zum Teil, warum einige der am stärksten mit Entwicklungshilfe bedachten Länder wie etwa Liberia, Ruanda, die Elfenbeinküste oder Somalia unter dem Druck von ethnischen und Stammeskonflikten kollabiert sind.

Diejenigen, die für Geld als Instrument der Entwicklungspolitik plädieren, konzentrieren sich größtenteils auf seine Fähigkeit, „die Armut zu beenden“. Armut wird in diesem Zusammenhang charakterisiert als die Unfähigkeit, Grundbedürfnisse wie drei Mahlzeiten am Tag, anständige Kleidung, ein angemessenes Zuhause, den Schulbesuch der Kinder oder vernünftige medizinische Versorgung zu befriedigen. Die Menschen in reichen Ländern können sich all das leisten, weil sie Geld haben. Der Schluss scheint einfach: Die Menschen in Afrika sind arm, weil sie kein Geld haben. Lösung: Bringe die reichen Länder dazu, den armen Ländern Geld zu geben.

Und doch ist das eben eine allzu vereinfachte Darstellung des Problems. Menschen in reichen Ländern haben Geld, weil sie über hohe Einkommen verfügen. Über diese hohen Einkommen verfügen sie, weil sie die Gelegenheit haben, auf einem entsprechend hohen Niveau zu arbeiten oder Handel zu treiben. Reiche Länder sind aber nicht reich, weil sie schon Geld hatten, als ihr wirtschaftlicher Aufstieg begann; sie haben Geld, weil sie reich sind. Bill Gates’ Marktwert liegt derzeit nicht deshalb bei 60 Milliarden Dollar, weil er seine Karriere mit zehn Milliarden Dollar auf dem Bankkonto startete. Sein heutiges Vermögen ist das Produkt von harter Arbeit, exzellentem Management und Innovationsfähigkeit.

Die derzeitige Debatte über Entwicklungshilfe stellt die Symptome der Armut als ihre Ursachen dar. Der Mangel an Geld, um Essen, Ausbildung und Gesundheitsfürsorge zu bezahlen, ist nicht Ursache, sondern Folge der Armut. Der Erwerb eines Einkommens setzt die Möglichkeit voraus, einen Beruf zu finden oder Handel zu treiben. Wenn man jemanden mit kostenlosem Essen oder mit Medizin versorgt, rettet man vielleicht sein Leben, man sorgt allerdings nicht dafür, dass sein Einkommen steigt. Stattdessen bringt man ihn in die Lage, dauerhaft abhängig zu sein. Entwicklungshilfe mag also imstande sein, kurzfristige humanitäre Ziele zu erreichen (wenngleich auch das nicht immer klappt), doch geschieht das zu dem Preis, dass man die Mechanismen außer Kraft setzt, die einen institutionellen Wandel und damit langfristige Lösungen ermöglichen. Doch diese Einsicht ist der Entwicklungshilfeindustrie entgangen. Die afrikanische Herausforderung wird daher fälschlicherweise unter dem Slogan der „Armutsreduzierung“ abgebucht. Bilder von hungrigen Kindern und ihren ebenso bedauernswerten Müttern, die ihre ausgemergelten Arme den Entwicklungshelfern aus dem Westen entgegenstrecken, reproduzieren das koloniale Bild von den Weißen als Retter Afrikas. Sie rufen Mitleid hervor und damit den Spendenimpuls: freie Nahrung, freie Medizin, freie Bildung, freies Dies und Das.

Die historische Erfahrung zeigt, dass alle Volkswirtschaften, denen es gelungen ist, die Armut signifikant zu reduzieren, das allein dadurch geschafft haben, dass sie über Generationen hinweg für nachhaltiges Wachstum gesorgt haben. Die Herausforderung für alle, die sich um Afrika sorgen, ist es also, die Faktoren zu identifizieren, die für nachhaltiges Wachstum sorgen. Wenn wir anfangen würden, von Wachstum und Wohlstand zu sprechen statt von Armutsreduzierung, dann könnten wir beginnen, uns zu fragen: Wer sind diejenigen, die in einer Gesellschaft für Wohlstand sorgen? Zweifellos die Unternehmer – verstanden als Pioniere und Innovatoren. Nun macht diese Gruppe in der Regel nicht gerade die Mehrheit in einer Gesellschaft aus. Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat einmal geschätzt, dass ungefähr vier Prozent der Bevölkerung eines Landes solche Unternehmer sind, weitere 16 Prozent sind Imitatoren. Der Rest der Gesellschaft verdient seinen Lebensunterhalt, indem er für andere arbeitet.

Help the Rich

Nun klingt diese Argumentation leider nicht besonders politisch korrekt. Sie suggeriert, dass die Lösung für das Problem der Armut darin bestehe, eine gedeihliche Umgebung für das Wachstum von Privatunternehmen zu schaffen. Gleichzeitig sind diese Überlegungen politisch nicht attraktiv, weil sie nicht zu einfachen und schnellen Lösungen führen, die Zeitungsschlagzeilen erobern und aus einer Hollywoodberühmtheit eine Mutter Teresa machen. Zudem ist es eine Argumentation, die westliche Politiker ihren Wählern nicht „verkaufen“ können, um Unterstützung für Entwicklungshilfe erhalten. Wenn die Lösung für die Not der Armen es wäre, Privatunternehmen zu helfen, würde das nicht darauf hinauslaufen, die Reichen noch reicher zu machen? Nun, das Kapital überlebt, indem es sich vermehrt, und es vermehrt sich, indem es mehr Menschen zu Arbeit verhilft, indem es also Jobs schafft.

Die beste Lösung wäre es, für die geeigneten institutionellen, politischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen zu sorgen, damit privates Unternehmertum sich in Afrika entfalten kann. Privatunternehmen schaffen Jobs für die Armen und ermöglichen es ihnen, ein Einkommen zu erwerben, anstatt auf die Hilfe von Spendern oder ihrer Regierung zu warten. Nicht zu vergessen, dass auch aus den Steuern der Privatunternehmer soziale Sicherheitsnetze für die Schwachen finanziert werden können. Privatunternehmen tragen dazu bei, dass Innovation stattfindet, Talente sich entfalten können und der Mittelstand wächst. Dadurch schaffen sie die notwendige Infrastruktur für die Demokratisierung eines Landes.

Belege gefällig? Nur sieben Prozent der gesamten arbeitenden Bevölkerung der Vereinigten Staaten sind selbstständig tätig, 93 Prozent arbeiten als Angestellte, hauptsächlich in Unternehmen. Dagegen sind über 80 Prozent der Afrikaner selbstständig – als Tagelöhner auf kleinen Parzellen, als Schuhputzer, als Fahrrradreparateure, als Straßenhändler. Dreimal dürfen Sie raten, warum die Amerikaner ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 46 000 Dollar haben, während die Afrikaner um die 1000 Dollar herumkrebsen. Einem Armen geht es besser, wenn er für ein großes Privatunternehmen arbeitet, als wenn er sich in Afrika auf eigene Faust als Fahrradreparateur durchschlägt. Je reicher ein Land, desto niedriger der Prozentsatz von Menschen, die selbstständig arbeiten. Nicht jeder kann so reich werden wie Bill Gates. Aber tausende von Menschen haben ein höheres Einkommen, indem sie für Microsoft oder für vor- und nachgeschaltete Industrien arbeiten – viel mehr, als sie verdienen können, wenn sie das Land bestellen oder Orangen verkaufen.

Ein Unternehmen wie etwa Toyota hat in den Vereinigten Staaten 386 000 Jobs geschaffen, einschließlich Direktbeschäftigte, Händler, Zulieferbetriebe etc. Doch die Entwicklunghilfeindustrie ist blind für den Zusammenhang zwischen dem Wachstum von Privatunternehmen und individuellem Wohlstand. Das liegt zum Teil daran, dass viele Menschen in der Entwicklungshilfeindustrie der Meinung sind, dass private Unternehmen die Armen „ausbeuten“. Und doch verdienen sogar unterbezahlte Fabrikarbeiter mehr und leben ein besseres Leben als Bauern auf kleinen Parzellen. Die Bauern selbst wissen das sehr gut: Man schaue sich nur einmal an, wie die chinesischen Bauern auf der Suche nach Fabrikjobs in die Städte strömen.

Die Transformation der USA von einem armen in ein Land mit hohen Einkommen an der Wende zum 20. Jahrhundert wurde durch das Wachsen von General Electric, Ford, Wal-Mart und JP Morgan ermöglicht. Japans Erfolge bei der Armutsbekämpfung wurde vom Wachsen von Toshiba, Mitsubishi, Honda, Toyota und Nissan begleitet. Das erfolgreichste der spät industrialisierten Länder, Südkorea, stieg mit Hyundai, Daewoo, Samsung und LG auf. Bei meinem Besuch in Seoul lebte ich in einem Appartement, das von Samsung gebaut war, bewahrte mein Essen in einem Kühlschrank von Samsung auf, wärmte es mit einer Samsung-Mikrowelle auf, arbeitete mit einem Samsung-Laptop, telefonierte mit einem Samsung-Handy und traf mich zu Meetings im Samsung-Bürokomplex. Genügt diese Aufzählung, um den Zusammenhang zwischen dem Erfolg von Samsung und dem erstaunlichen Erfolg Südkoreas bei der Armutsbekämpfung deutlich zu machen?

Afrika leidet unter einem Mangel an Risikokapital. Dieser Mangel blockiert das Wachstum privater Unternehmen und sorgt dauerhaft für Armut, indem er Investitionen und dadurch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Generierung von Einkommen einschränkt. Die jungen Firmen, die für Innovationen sorgen und Jobs für Millionen schaffen könnten, brauchen risikoreiche Kapitalinvestitionen in vernünftiger Höhe, um zu wachsen. Doch die meisten von ihnen haben nur Zugang zu kurzfristigen, hochverzinslichen Krediten mitsamt den möglichen unerfreulichen Nebenwirkungen. Die beste Maßnahme ist daher nicht Entwicklungshilfe aus dem Ausland für die Regierung, sondern ein langfristiger Kredit zu vernünftigen Bedingungen, der das Wachstum von Privatunternehmen ermöglicht.

ANDREW M. MWENDA, geb. 1972, ist Research Fellow bei ACODE, einem politischen Think-Tank in Kampala, Uganda. Zuvor hat er u.a. als Journalist und Berater für die Weltbank und Transparency International gearbeitet.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 12, Dezember 2007, S. 16 - 23.

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