Historische Herausforderung
Die USA werden sich mehr und mehr auf China und Asien konzentrieren. Europa muss seine Verteidigung selbst übernehmen – und das schnellstmöglich.
Noch bis vor wenigen Jahren lebten wir in einem „unipolaren Zeitalter“. Die USA waren weitaus stärker als jeder andere Staat, und die meisten anderen Großmächte waren mit Washington verbündet. Die internationale Sicherheitslage spiegelte dies wider: Angesichts eines schwachen postsowjetischen Russlands und eines sich noch entwickelnden Chinas konnte das US-Militär – im Zusammenspiel mit seinen Alliierten – jede Bedrohung rund um den Globus im Keim ersticken. Die größten Widersacher der USA waren in dieser Zeit relativ schwache „Schurkenstaaten“. Washington war schon bald in der Lage, es auch mit mehreren Gegnern gleichzeitig aufzunehmen. In der Planung des Pentagons sprach man vor diesem Hintergrund auch von dem sogenannten „Zwei-Kriegs-Standard“.
Für die meisten Verbündeten der USA war dies eine außergewöhnlich sichere und komfortable Situation. Deshalb war es auch kaum verwunderlich, dass viele von ihnen sich in diesen Jahren mehr oder weniger entmilitarisierten. Insbesondere in Deutschland arrangierte man sich schnell mit der Idee vom „Ende der Geschichte“ und stellte sich auf das Leben auf einem friedlichen europäischen Kontinent ein.
Doch heute existiert diese Welt nicht mehr – und wir müssen unser Denken und Handeln neu justieren. Dafür gibt es vor allem einen Grund: China. Die Volksrepublik ist zur Großmacht aufgestiegen und es sieht so aus, als wäre ihr Höhenflug noch lange nicht abgeschlossen. Bereits heute ist China aus wirtschaftlicher Perspektive ein Riese und verfügt je nach Maßstab entweder über die größte oder die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Dank der größten militärischen Aufrüstung seit Generationen stellt China mittlerweile – abgesehen von den Vereinigten Staaten selbst – auch die stärksten konventionellen Streitkräfte der Welt.
Es sieht nicht so aus, als sei China dazu bereit, sich auf diesen Erfolgen auszuruhen. Vielmehr scheint Peking darauf bedacht zu sein, zunächst die regionale Hegemonie über Asien, den größten Markt der Welt, zu erlangen und später auch die globale Vorherrschaft anzustreben. Sein erstes Ziel, so ist man sich unter Experten inzwischen einig, wird dabei wahrscheinlich Taiwan sein. Ob das allerdings auch der Endpunkt der chinesischen Ambitionen sein wird, darf bezweifelt werden. Wie allein schon das wachsende Netz aus Militärstützpunkten und modernen Truppenverbänden zeigt, sind Pekings Bestrebungen eindeutig globaler Natur.
Doch China ist nicht die einzige Bedrohung für die USA und ihre Verbündeten. Wie in der Ukraine deutlich wird, stellt auch Russland eine ernstzunehmende Gefahr dar. Und auch der Iran, Nordkorea und der dschihadistische Terrorismus könnten in den kommenden Jahren für viel Unruhe sorgen.
Das Mehrfrontenproblem
Zusammengenommen bedeutet dies, dass die USA sich darauf einstellen müssen, in Zukunft gleich in mehrere weit voneinander entfernte Konflikte verwickelt zu werden – und das womöglich zeitgleich. An diesen Konflikten könnten zudem nicht mehr nur schwächere Schurkenstaaten beteiligt sein, sondern mitunter auch mächtige Widersacher wie China und Russland. Herbeigeführt werden könnten diese Konflikte sowohl zufällig oder durch eine Verkettung unglücklicher Umstände als auch absichtlich, etwa aufgrund von opportunistischen Erwägungen. So könnten Widersacher der USA in Betracht ziehen, Washington in einen Konflikt zu verwickeln, um die amerikanische Position anderswo nachhaltig zu schwächen. Wirklich gefährlich wäre es vor diesem Hintergrund, wenn die Gegner der USA gemeinsam daran arbeiten würden, die amerikanische Vormachtstellung zu schwächen und daraus Vorteile zu ziehen. So könnte Russland neue Konflikte in Europa schüren, um die Aufmerksamkeit der Amerikaner von seinem nunmehr engen Verbündeten China abzulenken.
Dieses Mehrfrontenproblem ist von entscheidender Bedeutung, da das US-Militär vor allem auf die Bewältigung bestimmter Arten von Konflikten – oder in der Militärsprache: bestimmter Szenarien – vorbereitet ist. Alle potenziellen Konflikte gleichzeitig zu bewältigen, dazu sind selbst die USA nicht in der Lage. Vielmehr müssen sie sich darauf konzentrieren, ihre Fähigkeiten an bestimmten Orten zu bündeln – schon allein durch den Aufstieg Chinas kann Amerika nicht mehr überall auf der Welt gleich stark vertreten sein.
Am besten vorstellen kann man sich dieses Problem mit dem der Volkswirtschaftslehre entlehnten Begriff der „Knappheit“. Das Problem besteht nicht darin, dass die USA kein großes und sehr fähiges Militär haben. Vielmehr fehlt es ihnen an der Fähigkeit, mehrere Konflikte gleichzeitig auszufechten – vor allem gegen Großmächte wie China und Russland. Das zeigt sich vor allem in den Bereichen, die für die moderne Kriegsführung entscheidend sind, also die Verfügbarkeit von Langstrecken-Kampfjets, U-Booten und Munition sowie in Fragen der Logistik und der Produktion von Verteidigungsgütern. Zudem ist auch nicht einmal klar, ob die USA einzelne schwierige Konflikte zu ihren Gunsten entscheiden könnten. So könnte die Munition selbst in einem potenziellen Krieg um Taiwan knapp werden – ganz so, wie es Russland gerade in der Ukraine erlebt.
Diese Knappheit spiegelt letztlich nur die strukturelle Realität einer Welt wider, in der nicht mehr nur eine Supermacht existiert, sondern es mit China eine zweite gleichrangige Supermacht neben den USA gibt. Dabei ist die Feststellung sicher richtig, dass die Vereinigten Staaten ihre militärischen Ressourcen im Nahen Osten über Jahre hinweg falsch eingesetzt und in dieser Zeit weder China noch Russland genug Beachtung geschenkt haben. Gleichzeitig lässt sich dieses Problem allein schon angesichts der schieren Größe Chinas und der massiven chinesischen Militärinvestitionen nicht einfach durch mehr Entschlossenheit, mehr Geld oder eine klügere Strategie lösen. Sicherlich kann Washington mit diesen Herausforderungen besser umgehen; ganz einfach beseitigen lassen sie sich jedoch nicht.
Die Notwendigkeit, dieses strukturelle Ungleichgewicht auszugleichen, hat der amerikanische Verteidigungsapparat schon vor Jahren erkannt. So wurden die entsprechenden Verteidigungsstrategien bereits unter der Trump-Regierung angepasst. Die nationale Verteidigungsstrategie von 2018 betonte, man müsse fortan in der Lage sein, zwei Kriege (gegen Schurkenstaaten) gleichzeitig zu führen und zu gewinnen und sich darüber hinaus auch in einem Krieg gegen eine andere Großmacht (also etwa gegen China) durchsetzen können. Die nationale Verteidigungsstrategie der Biden-Regierung von 2022 hat diesen Ansatz aufgenommen und weitergeführt. Der Fokus auf China und Asien wird beibehalten, ein möglicher Konflikt um Taiwan noch stärker in die Erwägungen des Pentagons miteinbezogen.
Das hat natürlich tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische Sicherheit. Denn klar ist, dass die USA nicht länger über die militärischen Ressourcen verfügen, sowohl mit China und Asien fertig zu werden, als auch die eigene Dominanz im Nahen Osten und in Europa aufrechtzuerhalten. Stattdessen werden hier und da Schwachstellen entstehen. Länder wie China, Russland, Iran und Nordkorea werden versuchen, diese Schwachstellen auszunutzen. Wie also sollten die USA und ihre Verbündeten mit der Problematik der begrenzten amerikanischen Militärdominanz und den steigenden globalen Herausforderungen umgehen?
Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt man sich noch immer gerne der Illusion hin, dass die USA nach wie vor mehrere Konflikte gleichzeitig dominieren können – oder dass Washington das zumindest mittelfristig wieder könnte. So argumentieren bekannte Neokonservative in den USA, dass man es sich nicht leisten könne, sich auf eine begrenzte Anzahl von Brandherden zu fokussieren; sie fordern stattdessen eine Verdopplung des Verteidigungshaushalts auf 6 oder 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch in Europa gibt man sich einmal mehr der Hoffnung hin, dass die USA ihren Rückstand aufholen werden. Dieser Ansatz geht jedoch völlig an den Tatsachen vorbei – die gegenwärtige Lage lässt kaum mehr Raum für hoffnungsvolle Gedankenspiele. Wird diese Realität nicht schnellstens erkannt und entsprechend gehandelt, wird sie am Ende nur noch umso brutaler über uns hereinbrechen.
Auf amerikanischer Seite scheint es unter den derzeitigen Bedingungen kaum wahrscheinlich, dass der Verteidigungshaushalt verdoppelt wird. Ohnehin ist es höchst fraglich, ob es für die Vereinigten Staaten wirtschaftlich ratsam wäre, diese zusätzlichen Ausgaben zu schultern, geschweige denn, ob diese unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Verteilung unter den Alliierten angebracht wären. Zudem könnten Forderungen nach einer Verdopplung des US-Verteidigungshaushalts die Prioritätensetzung innerhalb der westlichen Allianz auch nachhaltig negativ beeinflussen und sowohl für die USA als auch für Europa zu einem Problem werden. Denn könnten die Vereinigten Staaten beispielsweise nicht ausreichend Truppen in Asien stationieren, hätte Peking einen größeren Anreiz, Taiwan anzugreifen. Sollte dieser Angriff gelingen, hätte China die Möglichkeit und vielleicht auch den Willen, über Taiwan hinaus vorzustoßen und jede antihegemoniale Koalition auf dem Kontinent im Keim zu ersticken. Unter diesen Umständen müssten die USA ihre ganze Aufmerksamkeit auf Asien verlagern, und das wahrscheinlich radikal und in einer Art und Weise, die ihre Verbündeten anderswo und insbesondere in Europa in hohem Maße gefährden würde, wenn sie unvorbereitet sind.
Mit anderen Worten: Wenn die Europäer unvorbereitet auf dieses Szenario sind, macht sie das gegenüber Russland sehr verwundbar. Deshalb wäre es für Europa unklug, sich einmal mehr auf die vermeintliche Stärke und den Investitionswillen der USA zu verlassen. Wenn die Europäer nichts unternehmen, wird das Ergebnis wohl ein Sicherheitsvakuum in Deutschlands unmittelbarer Umgebung sein. Die USA werden sich in diesem Fall entscheiden müssen, ob sie Europa auf Kosten der eigenen Verteidigungsfähigkeit in Asien einmal mehr vor Russland beschützen wollen oder ob sie sich auf China fokussieren und dafür eine russische Aggression in Europa in Kauf nehmen.
Wir können nicht wissen, wie Washington sich entscheiden würde. Aber wir können einschätzen, welche Wahl im Interesse der Amerikaner läge: Asien, der größte Markt der Welt, würde höchstwahrscheinlich den Vorzug erhalten, das Risiko in Europa würde wohl in Kauf genommen. Natürlich sollten die USA alles daransetzen, nicht in die Zwickmühle einer solchen Entscheidung zu geraten. Klar ist jedoch, dass eine zögerliche europäische Haltung die Wahl am Ende nicht zugunsten der EU beeinflussen dürfte.
Die neue geopolitische Realität
Sowohl für die USA als auch für Europa besteht die bessere Alternative darin, sich der neuen geopolitischen Realität gemeinsam anzupassen. Das würde am besten funktionieren, wenn die USA sich auf China und Asien konzentrierten und eine klar umrissene Rolle innerhalb der NATO übernähmen und die EU einen verstärkten Fokus auf die Selbstverteidigung legte. In diesem Szenario würde Europa die Hauptverantwortung für seine eigene konventionelle Verteidigung übernehmen, was angesichts seiner wirtschaftlichen Ressourcen durchaus möglich wäre, und die USA würden sich im Rahmen der NATO um klar definierte Aufgaben kümmern.
Eine amerikanische Priorisierung der Herausforderungen in Asien wäre dabei sowohl für die USA als auch für Europa aus mehreren Gründen sinnvoll. Erstens ist die militärische Bedrohung, die von China ausgeht, im globalen Vergleich mit weitem Abstand die akuteste – und die USA sind der einzige Staat, der die Möglichkeit hat, eine Koalition gegen China anzuführen. Wenn sich die Vereinigten Staaten nicht mit aller Kraft auf Asien konzentrieren, wird die Region künftig wahrscheinlich vollends in die hegemoniale Einflusssphäre Pekings fallen.
Zweitens ist Asien mittlerweile auch der wichtigste geopolitische Schauplatz der Welt, schon deshalb, weil seine Wirtschaftskraft die der USA und Europas bereits heute in den Schatten stellt. Das bedeutet, dass eine chinesische Dominanz in Asien nicht nur für Asiaten und Amerikaner, sondern auch für Europäer ein ernstes Problem darstellt. Denn ein China, das den größten Markt der Welt beherrscht, wäre auch in der Lage, die globale Wirtschaft und Politik zu kontrollieren und so direkten Einfluss auf ein zerstrittenes Europa und selbst auf die Vereinigten Staaten auszuüben. Die Tatsache, dass man dieses Szenario in Washington fürchtet, sollte der EU, die weder über eine supranationale Regierung noch über bessere Wachstumsaussichten als die USA verfügt, zu denken geben. Europa würde vor diesem Hintergrund also sowohl direkt als auch indirekt davon profitieren, dass Amerika sich darauf konzentriert, eine chinesische Dominanz in Asien zu verhindern.
Gleichzeitig hat der Aufstieg Chinas die Bedrohung, die Russland für die europäischen Mitglieder der NATO darstellt, nicht beseitigt. Das hat Russlands abscheulicher Angriff auf die Ukraine deutlich gezeigt. Moskau scheint seinen militärischen Angriff auf die Ukraine noch einige Zeit aufrechterhalten wollen. Es wäre nur klug, davon auszugehen, dass Russland seine militärischen Fähigkeiten wiederherstellen wird, um in Zukunft auch die NATO zu bedrohen.
Wie also mit der anhaltenden Bedrohung durch Russland umgehen? Das wichtigste militärische Szenario für die NATO ist derzeit ein russischer Angriff auf einen Verbündeten in Nordosteuropa, etwa auf einen der baltischen Staaten, auf Polen oder – falls der Beitritt zur NATO zustande kommt – Finnland. Besonders gefährlich wäre so ein Angriff, weil er die NATO vor vollendete Tatsachen stellen und womöglich darauf abzielen würde, die Entschlossenheit des Bündnisses zu testen, die Invasoren trotz aller politischen Kosten und militärischen Risiken zurückzuschlagen.
Sollte es Russland gelingen, einem NATO-Verbündeten ein bedeutendes Stück seines Territoriums abzunehmen, hätte das für das Bündnis erhebliche Folgen, bis hin zur möglichen Auflösung des Bündnisses. Es ist wahrscheinlich, dass eine solche Invasion den europäischen Kontinent nachhaltig destabilisieren oder, schlimmer noch, große Teile Osteuropas direkt oder indirekt unter russische Kontrolle bringen würde. Und nur wenige Länder würden darunter mehr leiden als Deutschland.
Wenn die europäischen NATO-Mitglieder den größten Teil der Verantwortung für die konventionellen Streitkräfte des Bündnisses übernähmen, würden die europäischen Verbündeten ihre militärischen Fähigkeiten ausbauen und in Stellung bringen, während die USA ihren Beitrag zur NATO begrenzen. Alle Anstrengungen sollten darauf ausgerichtet werden, einen russischen Überfall auf einen NATO-Verbündeten abzuschwächen und im Idealfall zurückzuschlagen. Gleichzeitig würden sich die USA weiter in der NATO engagieren, ihren Beitrag zum Bündnis jedoch weitgehend auf die Bereitstellung jener Teile ihrer Streitkräfte konzentrieren, die ihre Position im pazifischen Raum nicht zu sehr beeinträchtigen würden: das Nukleararsenal oder ausgewählte Teile der konventionellen Streitkräfte.
Dabei wäre es für eine kohärente und wirksame Verteidigung der NATO von großem Nutzen, wenn ein einziger Akteur eine führende Rolle übernehmen würde. Und der einzige plausible Kandidat für diese Rolle ist Deutschland. Nur die Bundesrepublik verfügt über die Bevölkerungsgröße, die wirtschaftlichen Ressourcen, den technologischen Entwicklungsstand, die politischen Beziehungen und die zentrale geografische Lage innerhalb Europas, um diese Führungsrolle zu übernehmen.
In diesem Szenario würde sich Berlin darauf konzentrieren, rasch fähige Bodentruppen, taktische Luftstreitkräfte und logistische Kapazitäten für die Verteidigung der östlichen NATO-Staaten und Skandinaviens bereitzustellen, wobei die Verteidigung des Baltikums, Polens und Finnlands als Planungsszenario dienen würde. Diese deutschen Kernstreitkräfte würden es anderen Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Polen und den skandinavischen Ländern ermöglichen, die NATO-Truppen mit ihren eigenen Streitkräften aufzufüllen und taktisch sinnvoll zu ergänzen. Trotz seiner stolzen Nachkriegstradition sollte es Deutschland dank seiner wirtschaftlichen Stärke möglich sein, eine solche Streitmacht als Teil einer integrierten NATO-Verteidigung aufzustellen.
Erfreulicherweise scheint Berlin mit seiner „Zeitenwende“ bereits einen großen Schritt in diese Richtung getan zu haben. Alles weist darauf hin, dass Deutschland gemeinsame Lösungen anstreben wird, um die Probleme der Allianz zu lösen. Der russische Angriff auf die Ukraine hat gezeigt, dass die eigene Sicherheit nur durch eine wirksame Verteidigungsfähigkeit garantiert werden kann. Mit seiner Zeitenwende verspricht Deutschland, einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten. Jetzt kommt es darauf an, dass die Bundesregierung ihre Investitionsversprechen umsetzt und den Schwerpunkt auf die Entwicklung kampffähiger Streitkräfte legt, die mit den anderen NATO-Truppen zusammenarbeiten können, um Russland abzuschrecken und, wenn nötig, zurückzuschlagen.
Der Ernst der Lage darf nicht unterschätzt werden. So warnen die USA bereits heute davor, dass China Taiwan noch in diesem Jahrzehnt angreifen könnte. Viele Analysen und Einschätzungen zur Situation in Deutschland deuten darauf hin, dass die Implementierung der Zeitenwende noch dauern wird und fähige deutsche Streitkräfte erst in den frühen 2030er Jahren zur Verfügung stehen werden. Das wäre jedoch zu spät. Wenn Europa in diesem Jahrzehnt nicht bereit ist, könnte Russland seine Chance nutzen und das Machtvakuum auf dem Kontinent füllen. Deutschland muss also in großem Umfang und schnellstmöglich handeln.
Die grundlegende Logik muss dabei immer sein, einen Krieg zu vermeiden. Der einzige vernünftige Weg, dieses Ziel zu erreichen, besteht jedoch darin, sich offen und glaubwürdig auf eben diesen Kriegsfall vorzubereiten. Fest steht, dass Europa verwundbar sein wird, wenn es die neuen geopolitischen Realitäten ignoriert. Noch besteht die Chance, es besser zu machen und sich gemeinsam mit den USA auf den Ernstfall vorzubereiten. Das ist die sicherste Garantie für Frieden in einer Zeit, in der Frieden offensichtlich nicht mehr selbstverständlich ist.
Aus dem Amerikanischen von Kai Schnier
Internationale Politik 5, September/Oktober 2022, S. 32-38
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