Schlusspunkt

01. März 2013

Gemeinsam alleine

Mali zeigt: Es gibt keine Kommunikation über eine europäische Außenpolitik

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Für den Zustand der europäischen Außenpolitik könnte man in diesen Tagen kein besseres Sprichwort finden. Auf der Goldenen deutsch-französischen Hochzeit wurde viel über die gemeinsame Verantwortung für Europa salbadert. Auch über die Verteidigung gemeinsamer Werte. De facto haben die selbstverliebten Jubilare den Elefanten im Raum lieber verschwiegen. Gestern hieß er Libyen. Heute heißt er Mali. Morgen vielleicht – doch Syrien? Reden ist Silber, Schweigen ist Gold wert. Sagten sich die Franzosen in Mali. Und die Deutschen? Hoben erschrocken die Hände angesichts des Fait accompli. Es war der Bundespräsident, der seinen Landsleuten – und wohl auch dem Nachbarn Frankreich – ins Stammbuch schrieb: Wortreiche Solidarität genügt nicht, denn man braucht „Gemeinsamkeit im Handeln“.

Im Hinblick auf eine gemeinsame Außenpolitik ist davon nichts zu spüren. Und man fragt sich: Haben die beiden Führungsmächte in Europa miteinander gesprochen, bevor der eine in Mali Fakten schafft, die im Zweifel beide ausbaden müssen? Alles spricht dafür, dass sie es nicht getan haben. Warum auch? Die alte Kolonialmacht Frankreich blickt über ihre muslimischen Banlieues hinweg nach Afrika. Und die Wirtschaftsmacht Deutschland? Wenn nicht auf den eigenen Nabel, dann über den schwäbisch besetzten Prenzlauer Berg entlang der Erdgas-Pipelines nach Russland. Chacun à son goût, würde der Alte Fritz sagen, der lieber kein Deutsch sprach.

Die Versuchung liegt nahe, 50 Jahre nach Unterzeichnung des Freundschaftsabkommens einen neuen bilateralen Vertrag über gemeinsame Sicherheitsinteressen zu fordern. Der würde die kleineren Staaten in Europa zu Recht vor den Kopf stoßen. Was es allerdings geben muss, ist mehr Kommunikation zwischen den beiden führenden Mächten über die gemeinsamen Interessen. Das ist mühsam, weil die einstige Kolonialmacht Frankreich und das wiedervereinte Deutschland grundverschiedene Sichtweisen zum Beispiel auf Afrika haben. Verständigen wir uns darüber nicht in den nächsten Jahren, und zwar in parlamentarischen Debatten und in den Medien, dann sind alle Sonntagsreden von „mehr Europa“ reine Makulatur.

Voilà, jetzt haben die Franzosen in Mali erst einmal Fakten geschaffen. Hätten sie es nicht getan, wäre Mali ein weiterer „failed state“ geworden, der die Sicherheit Europas bedroht. Diese Sichtweise kann man infrage stellen. Aber wer wie Deutschland in Gestalt des Außenministers jammernd daneben steht, weil er Soldaten für Transallmaschinen bereitstellen soll, ist nicht fähig zum Dialog auf Augenhöhe. Also: Entweder gemeinsam oder gar nicht intervenieren. Das muss das Ziel sein. Das europäische.

Nana Brink ist freie Journalistin in Berlin.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2013, S. 144

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