Titelthema

30. Dez. 2024

Europa muss massiv investieren – woher soll das Geld kommen?

Aus den nationalen Etats können die Mittel für Europas Strategiefähigkeit kaum genommen werden, eine Finanzierung auf EU-Ebene bleibt schwierig. Die Lösung: ein Politikwechsel.

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Bild: Porträt Friedrich Merz
Friedrich Merz steht für einen fiskalisch konservativen Ansatz, der darauf setzt, Mittel beispielsweise für die Bundeswehr freizumachen, indem man an anderen Stellen spart. Allerdings dürfte das nicht ausreichen.
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Seit Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 verfestigt sich mit hoher Geschwindigkeit eine geopolitische Albtraumkonstellation für Europa. Den Ausgang des Krieges werden die Europäer nicht maßgeblich beeinflussen, für seine Folgen aber in vollem Umfang aufkommen müssen – sei es durch eigene ­Aufrüstung, die Aufnahme von Flüchtlingen, die wirtschaftspolitischen Folgen oder die Kosten des Wiederaufbaus. 

Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf Europa von fast allen Seiten: China setzt alles daran, die amerikanisch-westliche Dominanz in globalen Fragen zu beseitigen. Es steht dabei einer Koalition vor, die außer Russland, Iran und Nordkorea auch noch eine wachsende Zahl antiwestlich gesinnter Staaten des sogenannten Globalen Südens umfasst. Gleichzeitig ist Peking in Handelsfragen ein immer aggressiverer Wettbewerber, der sich um die Regeln des Welthandels kaum oder gar nicht kümmert. 

Die Lage im Nahen Osten wird von Europa ebenfalls nicht maßgeblich mitbestimmt. Und das, obwohl die Lage vor Ort intensiv nach Europa hineinwirkt, die Innenpolitik polarisiert und den Antisemitismus wieder bis weit in die gesellschaftliche Mitte salonfähig macht. 

Zudem bleibt die Frage nach der Eindämmung der ungeregelten Zuwanderung nach Europa innen- und außenpolitisch unbeantwortet, während sich die Fluchtursachen in der Sahelzone, im Nahen Osten und in Zentral- und Südasien eher verschärfen als verbessern. 

Und schließlich droht mit dem Wiedereinzug Donald Trumps ins Weiße Haus der mindestens teilweise Verlust der amerikanischen Schutzmacht, die für die konventionelle und nukleare Sicherheit in Europa kaum ersetzt werden kann, garniert durch eine Vielzahl von Handelskonflikten und diplomatischen Auseinandersetzungen, mit denen Trump den Europäern immer wieder gedroht hat. 


Nicht wollen und nicht können

Lange Zeit konnte man Europas außenpolitische Schwäche angesichts dieser Entwicklungen vor allem als Mangel an politischem Willen abtun. Die Mitgliedstaaten der EU hätten in ihrem kleinkarierten Kirchturmdenken letztlich kein Interesse an einem machtvollen gemeinsamen Auftritt und dem Sprechen „mit einer Stimme“, so hieß es. Die sicherheitspolitische Abhängigkeit von Amerika habe bei den Europäern für eine weiche, willenlose und weltfremde Subventionsmentalität gesorgt; die Friedensdividende nach 1989 sei wichtiger gewesen als das öffentliche Gut Sicherheit, und ohnehin habe man hoffnungsfroh das Ende der Geschichte erwartet statt Landnahme und Kriegsverbrechen in großem Stil. 

Alles das ist wahr und schlimm genug. Doch über zehn Jahre nach der ­Annexion der Krim, acht Jahre nach dem Warnschuss der ersten Amtszeit Trumps und fast drei Jahre nach Putins Einmarsch in der Ukraine wird nun auch deutlich, dass es nicht nur am politischen Willen zur echten Zeitenwende in Deutschland und Europa mangelt. Es mangelt auch an Geld. 

Es geht nicht mehr nur ums Nichtwollen. Jetzt geht es auch ums Nichtkönnen. Zugespitzt formuliert: Europa ist just in dem Moment pleite, in dem es vor seiner größten sicherheitspolitischen Her­ausforderung seit dem Ende des ­Zweiten Weltkriegs steht. 

Der Bedarf an Investitionen, die notwendig wären, um die eigene Sicherheit zu garantieren, um europäische Macht regional und global zu projizieren und um den Großmächten auch nur annähernd auf Augenhöhe zu begegnen, ist gigantisch. Es fehlen Satellitennetzwerke für die eigene Aufklärung und für die globale Operationsführung in Echtzeit. Es fehlt die eigene militärische Innovationskraft bei Künstlicher Intelligenz, Drohnen und integrierter, datengestützter Kriegsführung. Es fehlt an Masse und an Klasse, an Luftverteidigung, strategischer Transportfähigkeit, offensiven Cyberfähig­keiten und nachrichtendienstlicher Exzellenz. Es fehlt an Personal und Material, um die NATO-Planungsziele dauerhaft zu erreichen, also hinterlegt mit Reserven und ständiger Aufwuchsfähigkeit. Und dies ist nur die militärische Seite. Andere Aspekte gesamtstaatlicher Sicherheit und gesellschaftlicher Resilienz kommen noch hinzu.

Die Steigerungen der Verteidigungshaushalte, die Europa seit 2014 durchgehend verzeichnet, können das erforderliche Volumen nicht einmal annähernd erreichen. Wo aber soll das zusätzliche Geld herkommen? Großes Wirtschaftswachstum, das die Steuerkasse füllte, wird auf absehbare Zeit die Lücke nicht schließen können. Zwar wachsen nicht alle europäischen Volkswirtschaften so geringfügig wie Deutschland (Erwartung für 2025: 0,1 Prozent, nach zwei Rezessionsjahren), trotzdem verzeichnet Europa im Langzeitvergleich deutlich geringere Wachstumsraten als beispielsweise die USA oder China. 


Kaum noch Luft zum Atmen

Gleichzeitig sind die Schuldenstände wichtiger europäischer Länder auf einem Niveau angekommen, das eine massive Neuverschuldung für die Verteidigung (oder für jedes andere beliebig zu wählende Politikfeld) wenig aussichtsreich macht. Frankreichs öffentlicher Schuldenstand liegt Ende 2024 bei 112 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was in Kombination mit einem Staatsdefizit von –6 Prozent in der Haushaltskrise am Jahresende die Möglichkeit einer Staatsschulden­krise aufblitzen ließ. Die haushalterischen Spielräume in Frankreich sind extrem eng. Quantensprünge in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik lassen sie nicht zu.

Ähnlich dramatisch ist die Lage in Italien, dessen Staatsverschuldung bei rund 137 Prozent des BIP liegt. Ein geringeres Defizit von –4 Prozent und eine stabile Mehrheit für die Regierung von Ministerpräsidentin Georgia Meloni, gepaart mit einer berechenbaren Haushaltsführung, bewahren Italien noch vor einer Schuldenkrise. Aber ohne die milliardenschweren Corona-Hilfsfonds der EU, von denen Italien noch profitiert, wäre die Lage weniger stabil; und so stehen auch in Italien die Zeichen eher auf Sparen denn auf expansiver Fiskalpolitik. 

Auch Großbritannien, das zwar nicht mehr EU-Mitglied ist, dafür aber eine zentrale Säule Europas in der NATO, ist in massiven finanziellen Schwierigkeiten. Auch hier überschreitet die Staatsverschuldung das Gesamtvolumen der jährlichen Wirtschaftsleistung (101,3 Prozent), und die neue Regierung von Premier Keir Starmer konnte sich die deutliche Neuverschuldung für 2025 nur erlauben, indem sie auch Steuern und Abgaben deutlich anhob und gleichzeitig die Staatsausgaben zurückfuhr, also dem Schuldenmachen auch fiskalische Disziplin entgegensetzte. In der Gesamtbetrachtung sind aber auch in Großbritannien kaum die Sprünge möglich, die die strategische Lage fordert. 


Alle blicken auf Berlin

Bleibt Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft. Der Rest Europas beneidet die Bundesrepublik um ihre vergleichsweise gesunden Staatsfinanzen. Die Schuldenquote beträgt nur knapp 63 Prozent, mit sinkender Tendenz. Das Defizit von –2 Prozent liegt solide innerhalb der europäischen Defizitkriterien. Rein theoretisch also hätte Deutschland einigen Verschuldungsspielraum nach oben, was auch der Grund dafür ist, dass ganz Europa auf Berlin schaut und sich deutliche fiskalpolitische Signale von der Bundesregierung erhofft. 

Doch die mit Verfassungsrang ausgestattete „Schuldenbremse“ verhindert hier den schnellen Ausweg hin zur Neuverschuldung. Schon das Sondervermögen für die Bundeswehr konnte nur mit verfassungsändernder Mehrheit als Sonderfonds außerhalb des regulären Haushalts (und damit außerhalb der Schuldenbremse) eingerichtet werden. Das dafür geliehene Geld wird allerdings zurückgezahlt werden müssen, was den regulären Bundeshaushalt dann wiederum mit Zins- und Tilgungszahlungen belasten wird. 

Das Klischee der solide wirtschaftenden „schwäbischen Hausfrau“ ist bei 
vielen Grundüberzeugung

Innenpolitisch haben sich mindestens die CDU/CSU und die FDP zu Anwälten der Schuldenbremse gemacht, und auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte seinem damaligen Finanzminister Christian Lindner in Sachen Verteidigung der Schuldenbremse lange den Rücken gestärkt, wenngleich die Scholz-Regierung am Ende an der Schuldenfrage scheiterte. Wo in anderen Ländern die schon bestehende prekäre Finanzlage die Neuverschuldung bremst, ist in Deutschland die Innenpolitik die wichtigste Hürde. Die Kultur der solide wirtschaftenden „schwäbischen Hausfrau“ ist keinesfalls nur ein Klischee aus der Mottenkiste, sondern bei vielen Wählern eine Grundüberzeugung, die sich nicht einfach wegwischen lässt. 

Wer keine Schulden machen kann, dem bleiben zwei weitere Optionen, um seine „fiscal firepower“ zu erhöhen: Steuern erhöhen und Ausgaben senken, so wie es Starmer vorgemacht hat. Steuererhöhungen haben aber nicht nur den Nachteil, politisch extrem unpopulär zu sein; sie schaden auch den Wachstumsaussichten, weil sie Bürgern und Unternehmen Kapital entziehen. 


Ist Umverteilung durchhaltbar?

Und so landet man beim schwierigsten Teil des strategischen Fiskal-Puzzles: bei den Einsparungen. Wer kaum Wachstum hat, sich nicht verschulden kann und die Steuern nicht anheben will, der muss weniger ausgeben. Das ist das fiskalisch konservative Credo von Friedrich Merz, der gute Aussichten hat, 2025 Bundeskanzler zu werden; und auch von Christian Lindner, der vor dem Scheitern der Ampelkoalition immer wieder insistiert hatte, dass es in Deutschland kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem gebe. Ginge es nach ihnen, könnte Deutschland erhebliche Mittel freimachen (zum Beispiel für Verteidigung oder die Unterstützung der Ukraine), indem es wenig produktive Ausgaben an anderer Stelle einsparen könnte. 

Hiergegen gibt es zwei Einwände: Erstens könnte auch maximales Sparen im Haushalt wohl nicht das Volumen erbringen, das man über lange Zeit für eine echte strategische Ertüchtigung des Landes benötigen würde. Und zweitens würde massives Sparen auch zu großen politischen Konflikten mit all jenen führen, denen dann etwas weggenommen würde – Verteilungskämpfe, die hohes Krisenpotenzial für Regierungen und für den sozialen und politischen Frieden in Deutschland bergen. 

Wie diese Verteilungskämpfe in Deutschland aussehen würden, ließe sich mit einiger Sicherheit vorhersagen. Denn die größten Töpfe, über die die Regierung nach eigenem Ermessen verfügen kann, ohne vollständig rechtlich gebunden zu sein, sind die Sozialausgaben und der Verteidigungshaushalt. Anders als in den USA hat sich bei diesen beiden Kostenposten in ganz Europa über viele Jahrzehnte eine Ausgabenpraxis verfestigt, bei der die Sozialausgaben um den Faktor 3 bis 4 größer sind als der Haushalt für Verteidigung. 

Rein theoretisch könnte man dieses Verhältnis zugunsten des Militärs verschieben. Ob aber eine Regierung eine nennenswerte Umschichtung zulasten des Sozialstaats an der Wahlurne überstehen würde, ist höchst zweifelhaft. Zu stark sind die Ansprüche verfestigt, zu sehr sind alle Politikergenerationen seit den 1950er Jahren in dieser politischen Grundkonstellation sozialisiert, als dass an ihr gerührt werden könnte. 

Wer die Pfadabhängigkeiten durchbrechen wollte, müsste mit erheblichem Widerstand rechnen, ganz abgesehen von dem Reputationsverlust als herzloser Sparkanzler ohne soziales Gewissen. Anfang 2024 haben die Landwirte eindrucksvoll demonstriert, was passiert, wenn einer gut organisierten gesellschaftlichen Gruppe finanzielle Vorteile gestrichen werden sollen, die sie als ihren natürlichen Besitzstand betrachtet. Die Sparmaßnahmen wurden nach wenigen Wochen militanter Bauernproteste in weiten Teilen zurückgenommen. Ähnliche Proteste hatte es auch in anderen Ländern Europas gegeben. Umverteilung scheint kein vielversprechender Weg zu sein, um aus der fiskalischen Bedrängnis zu kommen. 


Letzter Ausweg EU

Was aber tun, wenn weder Wachstum noch Schulden noch Steuern noch Sparen angezeigt sind? Letzter Ausweg der allein nicht mehr handlungsfähigen Europäer ist die EU. Seit vielen Jahren wollen einige Mitgliedstaaten, angeführt von Frankreich, Gemeinschaftsschulden („common borrowing“) zu einem regulären Mittel der europäischen Haushaltspolitik machen. Einige von ihnen wollen solche auch ­Euro-Bonds genannten EU-Anleihen ganz grundsätzlich als allgemeine Finanz­quelle einführen, andere nur für sachlich und zeitlich begrenzte Vorhaben. 

Einig sind sie sich darin, auf diesem Wege die Kreditwürdigkeit der gesamten EU zu nutzen, um die desavouierte Bonität einzelner Mitgliedstaaten im Kapitalmarkt zu überwinden. Die Gemeinschaft soll sich so selbst hebeln, dass daraus mehr als die Summe der Einzelteile wird. In der Corona-Pandemie hatte dieser Weg bereits einmal funktioniert, als die EU über den Notfallmechanismus des Artikels 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) die Haushaltsmittel für den Wiederaufbaufonds gemeinschaftlich aufnahm – Mittel, die bis heute nach genau definierten Plänen ausgeschüttet werden und noch nicht annähernd verbraucht sind. 

Eine Bundesregierung, 
die eine Umschichtung zulasten des Sozialstaats ­versuchte, würde scheitern

Im November und Dezember 2024 arbeitete das Team der gerade im Amt bestätigten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Europäischen Rat und den Mitgliedstaaten an einem umfangreichen EU-Hilfspaket für die Ukraine, das auf diesem Wege (bei gleichzeitiger Heranziehung anderer noch bestehender Reservemittel der EU) kurzfristig generiert werden sollte, um noch vor Amtsantritt des wiedergewählten US-Präsidenten Trump ein mächtiges strategisches Signal nach Washington und Moskau zu senden: Wir lassen Kyjiw nicht im Stich, selbst wenn Amerikas Unterstützung versiegt. 

Doch auch bei dieser Finanzierungsform gibt es erhebliche Widerstände innerhalb der EU, die sich wegen der grundsätzlich erforderlichen Einstimmigkeit bei diesen Fragen nicht leicht umschiffen lassen. Zwar sind die Bedenken der „frugalen“ Mitgliedstaaten, zu denen traditionell Deutschland, die Niederlande und Dänemark gehören, angesichts der schwierigen Lage in der Ukraine kleiner ­geworden. Aber selbst wenn ein solches Paket für die Ukraine geschnürt werden sollte, sind die Aussichten, dass mittels dieses Instruments ein dauerhafter Zugang zu umfangreichen neuen Haushaltsmitteln für die EU geschaffen wird, eher gering. 


Der große Politikwechsel

Unterm Strich weiß niemand so genau, wo das Geld herkommen soll, mit dem Europa im ganz großen Spiel um die sich neu herausbildende kommende Weltordnung bestehen könnte. Am Ende wären Umverteilungen, neue Steuern und höhere Schulden auch nur Hilfsmittel, die den eigentlich benötigten Politikwechsel nur begleiten, aber nicht ersetzen können: den Politikwechsel hin zu deutlich steigendem Wachstum und größerer Wettbewerbs­fähigkeit in Europa. 

Dazu müssten Arbeits- und Energie­kosten gesenkt, Bürokratie und Regulierung ernsthaft abgebaut werden, eine funktionierende Migrationspolitik Leistungsträger und Fachkräfte nach Europa spülen, Bildung, Forschung und Innovation deutlich verbessert werden, Anreize für längeres Arbeiten und mehr Frauen im Erwerbsleben gesetzt werden, der volle Einstieg auf die industrielle ­Revolution durch Künstliche Intelligenz erfolgen und ein in der Kapitalmarktunion konsolidierter Bankensektor einfachere Kredite an risikofreudige Unternehmer vergeben. Der ehemalige Chef der Europäischen ­Zentralbank, Mario Draghi, hat den Weg in seinem kürzlich vorgelegten Draghi-­Report dazu gewiesen – und auch die hierfür benötigten Investitionen be­ziffert: auf bis zu 800 Milliarden Euro. 

Die Gesetze politischer 
und militärischer Macht sind nicht ausgesetzt, Wirtschaftskraft, Ressourcen­zugang und Bevölkerungszahl bleiben die Faktoren

Kann die EU, können die Europäer einen solchen Kraftakt leisten? Noch dazu gemeinsam, abgestimmt und ohne großen Verzug, um nennenswerte Einkommens­effekte nicht erst in ferner Zukunft zu er­zielen? Wer die Misserfolgsgeschichte der vor einem Vierteljahrhundert verabschiedeten „Lissabon-Strategie“ vor Augen hat, mit der die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt werden wollte, der wird Zweifel haben. Genau das Gegenteil dessen ist passiert, Europas heutige Krise ist im Wesentlichen eine Wettbewerbsfähigkeitskrise. 

Die zeitlosen Gesetze politischer und militärischer Macht sind nicht außer Kraft gesetzt. Wirtschaftskraft, Ressourcenzugang und Bevölkerungszahl bleiben entscheidende Faktoren. Die Stärke, die zu machtvoller Verteidigung und notfalls robuster Durchsetzung eigener Interessen befähigt, muss bezahlt werden. Und bezahlen kann sie nur, wer Wohlstand erwirtschaftet. Kurzum: Fiskalpolitik ist strategisch.

Wenn im Frühjahr eine neue Koalition gebildet wird, dann wird es in letzter Konsequenz auch darum gehen, dieser wieder existenziell gewordenen Logik zu folgen. Ob die Parteien und ihre Führungen verstanden haben, um welche Dimensionen europäischer Daseinsvorsorge es dabei geht, wird man daran erkennen, ob sie sich in höchst angespannter Lage zu einem großen Wurf durchringen können oder im taktisch-parteipolitischen Kleinklein stecken bleiben.     

Dieser Artikel ist in der gedruckten Version unter dem Titel „Umverteilung für Weltgeltung?" erschienen.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar/Februar 2025, S. 52-57

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Jan Techau ist Director Europe bei der Eurasia Group in Berlin.

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