Ein Kommando für Afrika
Warum die USA ihre militärische Präsenz auf dem schwarzen Kontinent ausbauen
Mit der Schaffung von AFRICOM, einem eigenen Afrika-Kommando, bauen die USA ihre militärische Präsenz auf dem schwarzen Kontinent deutlich aus. Dabei haben sie vor allem zwei Interessen im Blick: die Energieversorgung und den Kampf gegen den Terror. Wird aber Afrika von seiner gestiegenen Rolle profitieren können?
»An attempt by an outside force to gain control of the Persian Gulf will be regarded as an assault on the vital interests of the United States of America, and such an assault will be repelled by any means necessary, including military force.«
Mit diesen Worten verkündete US-Präsident Jimmy Carter 1980 die so genannte Carter-Doktrin, in der der sichere Zugang zum Öl des Mittleren Ostens erstmals als Teil der nationalen Sicherheit der USA definiert wurde. Eine Folge dieser Politik war die Einrichtung einer eigenen militärischen Kommandostruktur für den Mittleren Osten durch das amerikanische Verteidigungsministerium. Das damals geschaffene CENTCOM (Central Command) koordiniert seither alle Einsätze des US-Militärs im Mittleren Osten, so auch die alliierten Missionen der letzten beiden Golf-Kriege.
Die Schaffung eines Regionalkommandos durch die Vereinigten Staaten spiegelte stets die steigende Bedeutung einer Region oder eines Kontinents in den außenpolitischen Koordinaten der USA wider. Nach Jahren einer vor allem von humanitären Motiven getragenen Afrika-Politik geht es in den USA nun um eine grundlegende Neudefinition der eigenen Interessen in Afrika. Gleich in mehrfacher Hinsicht wird dem Kontinent dabei ein größerer Stellenwert als bisher eingeräumt: Zum einem gilt die Energieversorgung aus dem Mittleren Osten in den USA als zunehmend unsicher, weshalb der Anteil afrikanischen Öls an den eigenen Importen kontinuierlich gesteigert werden soll. Zum anderen scheint der Krieg gegen den Terror nun auch Afrika zu erreichen, wo Islamisten Siege in Somalia und im Maghreb feiern konnten. Deutlich sichtbar wird das neue Interesse an Afrika an der bevorstehenden Reorganisation der militärischen US-amerikanischen Kommandostruktur. Teilten sich bisher das für Europa zuständige US-Kommando EUCOM und das CENTCOM die Zuständigkeit für Afrika, bauen die Vereinigten Staaten nun ein eigenes Afrika-Kommando auf, das AFRICOM. Am 1. Oktober 2007 meldete AFRICOM seine vorläufige Einsatzbereitschaft; bis zur vollständigen Einsatzbereitschaft im Oktober 2008 berichtet das neue Kommando noch an EUCOM.
Mit der Etablierung von AFRICOM bauen die USA ihre militärische Präsenz in Afrika deutlich aus. Viele der in Europa stationierten Einheiten werden in Kürze nach Afrika verlegt. Schon jetzt betreiben die USA im ostafrikanischen Dschibuti eine große Basis, eine weitere ist in Westafrika auf dem Inselstaat São Tomé und Príncipe geplant, und eine Reihe von Satellitenbasen sollen schnelle Aufwuchsmöglichkeiten für Interventionskräfte bereitstellen.
Eckpfeiler der Energieversorgung
21 Millionen Barrel Öl konsumieren die USA jeden Tag, 60 Prozent müssen durch Importe gedeckt werden. Die Rohölversorgung will Washington allerdings dringend diversifizieren. Zu den wichtigsten Herkunftsländern amerikanischen Öls gehören mit Saudi-Arabien und Venezuela gegenwärtig zwei Staaten, die nicht als zuverlässige Partner gelten können.
Der jüngste Ölboom in Westafrika scheint da eine willkommene Alternative zu bieten. In den nächsten Jahren wollen die USA den Importanteil afrikanischen Öls von gegenwärtig etwas über zehn auf 25 Prozent aller Importe erhöhen, denn afrikanisches Öl bietet viele Vorteile: Das im Golf von Guinea geförderte Öl ist von besonders hoher Qualität und daher leicht zu raffinieren. Die Transportwege von Westafrika nach Amerika sind deutlich kürzer als vom Mittleren Osten. Keines der strategisch wichtigen Nadelöhre der internationalen Handelswege – die Straße von Hormuz im Mittleren Osten, die Straße von Malakka in Asien oder die Meerenge am Horn von Afrika – muss passiert werden. Gerade diese Nadelöhre waren in den letzten Jahren wegen verbreiteter Piraterie und Angst vor Terroranschlägen in die Schlagzeilen geraten. Am deutlichsten wurde diese Gefahr mit dem Terroranschlag auf den französischen Öltanker Limburg 2002 am Horn von Afrika.1
Die Verstärkung der US-Militärpräsenz in Westafrika durch einen Stützpunkt auf São Tomé würde der gestiegenen Rolle Westafrikas in der amerikanischen Ölversorgung Rechnung tragen, weist aber gleichzeitig auch auf ein Problem der neuen Strategie hin: Die afrikanischen Ölförderstaaten sind alles andere als Musterdemokratien. Angola befindet sich nach einem verheerenden Bürgerkrieg immer noch in einer schweren Transitionsphase. Nigeria steht vor der womöglich schwierigsten Phase seiner Geschichte – im Nigerdelta gibt es immer wieder bewaffnete Aufstände, die Spannungen zwischen dem eher christlichen Süden und dem muslimischen Norden nehmen zu, und die zahlreichen ungelösten ethnischen Konflikte könnten das Land mittelfristig sprengen.
In Gabun und Äquatorial-Guinea können zwar die Regierungen von der Rohstoffhausse profitieren, doch das hat bisher nur zur Stabilisierung der dortigen Regime geführt. Gabuns Omar Bongo ist der dienstälteste Diktator und das Regime von Teodorian Nguema Obiang in Äquatorial-Guinea ist ebenso autokratisch wie totalitär. Tatsächlich ist gerade Äquatorial-Guinea mit einem Wachstum von mehr als 18 Prozent in 2005 eine der am schnellsten wachsenden Ökonomien weltweit, doch davon kommt bei der Bevölkerung nichts an – die Hauptstadt Malabo ist noch immer ein einziger Slum mit einem Palast.
Die Chancen auf eine Demokratisierung und damit auf gerechtere Verteilung des Einkommens bzw. auf ein nachhaltiges Wachstum der Wirtschaft sind aber gering, denn neben den USA ist auch die Volksrepublik China in zunehmendem Maße an den Rohstoffen Westafrikas interessiert.2 Die Regime befinden sich in der glücklichen Position, von zwei sehr unterschiedlichen Großmächten umgarnt zu werden. Das erlaubt es ihnen, Reformen zu vermeiden. Die gestiegene Rolle Afrikas in der internationalen Energieversorgung scheint in den Ölförderstaaten eher den politischen Status quo zu zementieren.
Kampf gegen den Terror
Dass Afrika eine immer wichtigere Rolle in der US-Außenpolitik spielt, liegt aber auch daran, dass der Kontinent aufgrund seiner offenen Grenzen, seiner oftmals informellen Wirtschaft und der zum Teil kaum kontrollierten Finanzströme für Terroristen attraktiv geworden ist. Zwar bemühen sich die afrikanischen Regierungen darum, die eigenen Finanzmärkte besser zu überwachen, aber auf einem Kontinent, wo viele Staaten schon Probleme haben, die großen Städte zu kontrollieren und sich manche Staaten aus ganzen Regionen zurückgezogen und das staatliche Gewaltmonopol aufgegeben haben, ist das mehr als schwierig.
Doch viele Länder Afrikas laden nicht nur zur Geldwäsche ein, auch Terroranschläge wurden in Afrika verübt: So hat der Krieg der Islamisten gegen die Vereinigten Staaten und deren Alliierte mit den Anschlägen auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi 1998 lange vor dem 11. September seinen Anfang genommen. Washington fürchtet, dass die Dschihadisten die nächste Front im Krieg gegen den Terror in Afrika aufmachen könnten. Ähnlich wie nach dem Ende der sowjetischen Besatzung in Afghanistan, könnten nach einem Ende des Krieges im Irak islamistische Veteranen des Irak-Krieges den Kampf gegen die USA und ihre Alliierten in anderen Ländern fortzuführen versuchen.
Die schwachen Staaten Afrikas müssen dabei als besonders verwundbar gelten. Im Norden Nigerias, an den Küsten Tansanias und Kenias und auch in Teilen Südafrikas sind Islamisten schon seit langem dabei, ihren Einfluss auszuweiten. In Somalia, seit 1991 ein so genannter Failed State, ein Staat ohne zentrale Regierung, hatten die Islamisten der Union der islamischen Scharia-Gerichte im Juni 2006 die Kontrolle über die Hauptstadt -Mogadischu übernommen – was keinem der vielen somalischen Warlords in den vergangenen 15 Jahren gelungen war. Erst eine massive äthiopische und von den USA unterstützte Invasion konnte sie Weihnachten 2006 wieder aus Mogadischu vertreiben; seither führen die Islamisten einen Guerillakrieg gegen die äthiopischen -Truppen. Mittlerweile haben sich auch mehrere pakistanische Islamisten auf den Weg nach Somalia gemacht, um die dortigen Islamisten zu unterstützen. Die Islamisten um Hassan Dahir Aweys, dem die USA Kontakte zu Al-Qaida nachsagen, haben bereits Äthiopien den Heiligen Krieg erklärt; regionale Politiker fürchten, der Konflikt in Somalia könnte die ganze Region in Mitleidenschaft ziehen.3 Washington geht außerdem davon aus, dass Terroristen der Al-Qaida in der Sahel-Region untergetaucht sein könnten. Allein im April 2007 starben bei simultanen Anschlägen in Casablanca und Algier 33 Menschen, mehrere Hundert wurden verletzt.
Gleichzeitig rückt auch Westafrika bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus in den Fokus der Politik. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Al-Qaida vom Handel mit so genannten Blut-Diamanten im Kongo und in Sierra Leone profitiert. Auch hier sind es offene Grenzen und schwache Staatlichkeit, die die Geldwäsche erleichtern. Dennoch zeigen die USA Stärke: Mit der neuen Basis auf São Tomé sollen auch verschiedene Satellitenbasen in der umliegenden Region errichtet werden, die nach Bedarf zur Basis größerer Truppenverbände -werden können. Solche Stützpunkte, so genannte „cooperative security locations“ („lily pads“) sollen in Kenia, Marokko, Mali, Namibia, Gabun, Senegal, Tunesien, Uganda und Sambia entstehen. Zwar wird im Golf von Guinea vor allem offshore gefördert, was die Ölversorgung vor politischer Instabilität afrikanischer Staaten einigermaßen schützt, doch auch dort ist Piraterie ein ernsthaftes Problem und nicht wenige Strategen fürchten einen terroristischen Angriff auf Ölförderplattformen.
Strategische Neuausrichtung
Gleich mehrere Initiativen haben die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren in Gang gesetzt, um die afrikanischen militärischen Fähigkeiten und die Kapazitäten bei der Grenzkontrolle auszubauen; dazu gehören die Trans-Sahara Counterterrorism Partnership (TSCTP) und die East African Counterterrorism Initiative (EACTI). Im Rahmen dieser Initiativen sind US-Spezialkräfte in Ländern der Sahel-Zone aktiv geworden, wo sie lokale Kräfte im Kampf gegen Islamisten unterstützen.4 Mit der Aufwertung der amerikanischen Afrika-Politik ist auch eine deutliche Ausweitung dieser Aktivitäten zu erwarten: So wurden für das TSCTP-Programm in diesem Jahr 70 Millionen Dollar bereitgestellt, bis 2012 sollen die Ausgaben allein im Rahmen dieses Programms auf 500 Millionen Dollar steigen.
In der Vergangenheit mussten sich die Vereinigten Staaten des Öfteren Kritik an der eigenen Energiepolitik gefallen lassen. Ihre Rohstoffpolitik galt und gilt bis heute als wenig strategisch.5 Mit dem neuen Engagement in Afrika wird sich das allerdings ändern. Zum ersten Mal trägt Washington fast unmittelbar der gestiegenen Rolle einer Region in der internationalen Rohstoffversorgung durch stärkeres geostrategisches Engagement Rechnung. Afrika wird damit erneut Gegenstand globaler Rivalitäten: Hatten im Kalten Krieg noch die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion um die Gunst afrikanischer Regierung gebuhlt, könnten nun die USA und China in eine derartige Rivalität geraten. Andererseits reflektiert die Struktur des neuen Kommados auch den Lernprozess der Vereinigten Staaten aus den jüngsten Kriegen. Mehr als jedes andere Regionalkommando wird AFRICOM über zivile Komponenten verfügen – so soll der stellvertretende Kommandeur aus dem State Departement kommen.
Der klassische Gegensatz von amerikanischer Hard Power und europäischer Soft Power wird im Kontext Afrika so ohne weiteres nicht mehr gelten. Dennoch bleibt zu fragen, ob Afrika von seiner gestiegenen Rolle profitieren wird. Gegenwärtig gibt es vor allem Streit um die Frage, wo das neue Kommando angesiedelt werden soll. Bis Oktober 2008 wird es vorläufig in Stuttgart stationiert sein, langfristig soll es aber auf dem afrikanischen Kontinent angesiedelt werden. In Frage kommen dafür aber nur wenige Staaten, in der engeren Wahl sind derzeit Marokko, Botswana und Äthiopien. Um keine Alliierten in Afrika zu enttäuschen, gibt es inzwischen auch Überlegungen, das Kommando dezentral einzurichten und auf mehrere Länder zu verteilen. Welche Entscheidung auch immer gefällt wird: Es geht um viel politisches und ökonomisches Kapital. Die etwa 1500 Soldaten und Bediensteten, die dem Kommando angehören werden, werden mitsamt ihren Familien nach Afrika gehen und ihre Kaufkraft ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Zugleich ist die Auswahl des Ortes auch eine Belohnung für gute Alliierte im Kampf gegen den Terror, Marokko erscheint da als am ehesten geeignet.
Wenn die Vereinigten Staaten es verstehen, das neue Kommado in enger Abstimmung mit der Afrikanischen Union (AU) und den afrikanischen Regionalorganisationen zusammenarbeiten zu lassen, etwa in der Bereitstellung logistischer Fähigkeiten für Friedensmissionen der AU, dann könnten von der Einrichtung eines eigenen Kommados am Ende beide Seiten profitieren: Afrika durch verbessertes Training für die Armeen und logistische Unterstützung, die USA durch vermehrtes Prestige.
DUSTIN DEHEZ, geb. 1978, ist Historiker, Direktor für Nordostafrika-Studien am Düsseldorfer Institut für Außen- und Sicherheitspolitik (DIAS) und Mitglied im Arbeitskreis „Junger Außenpolitiker“ der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).
- 1Dazu Martin N. Murphy: Contemporary Piracy and Maritime Terrorism. The Threat to International Security, Adelphi Paper 388, International Institute for Strategic Studies, London 2007.
- 241 Prozent der chinesischen Importe aus Afrika stammen aus Angola, neun Prozent aus dem Sudan, acht Prozent aus Äquatorial-Guinea; keiner dieser Staaten wird allerdings von diesen Einnahmen dauerhaft profitieren, auch wenn diese Staaten von anderer Seite bereits als Gewinner der Entwicklung gesehen werden. Tamara Trinh, Silja Voss und Steffen Dyck: China’s Commodity Hunger. Implications for Africa and Latin America, Deutsche Bank Research, Current Issues, China Special, Juli 2006.
- 3Dustin Dehéz: Stellvertreterkrieg in Somalia, Blätter für deutsche und internationale Politik, 2/2007, S. 221–228.
- 4Das African Terrorism Bulletin nennt mehr als zwölf Länder in der Sahel-Zone und am Horn von Afrika, in denen US-Spezialkräfte bereits aktiv eingegriffen haben. „The Chicken and the Egg: Terrorism and Counter-Terrorism in Africa“, African Terrorism Bulletin, Oktober 2006, Issue 008.
- 5Thomas D. Kraemer: Addicted to Oil: Strategic Implications of American Oil Policy, U.S. Army Strategic Studies Institute, Carlisle, Mai 2006, S. 7.
Internationale Politik 12, Dezember 2007, S. 78 - 83.