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01. Nov. 2019

Drei Fragen an Daniela Schwarzer

1. Welche Erwartungen verbinden Sie mit der neuen Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen?

Zu Recht hat sie ihr Team als „Geopolitische Kommission“ aufgestellt. In einem sich wan-delnden Umfeld mit neuen Bedrohungen und strategischer Konkurrenz großer Spieler muss sich Europa stärker um den Schutz seiner Interessen und die Durchsetzung seiner Ordnungsvorstellungen küm-mern. Über Portfolios wie Außenbeziehungen, Handel, Binnenmarkt, Industriepolitik, Verteidigung und Klima hinweg braucht es sehr eng koordinierte Arbeitsprozesse. Entscheidend werden auch die Beziehungen Kommission–Parlament–Rat sein, die zu einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments beitragen sollten.

2. Die Europäische Union hat derzeit viele ­Probleme. Welches ist Ihrer Ansicht nach das wohl größte?

Das größte Problem besteht darin, das übergeordnete strategische Interesse am gemeinsamen Handeln zu erkennen, zu kommunizieren und in konkrete Handlungen umzusetzen. Gründe sind die zunehmende politische Polarisierung in und zwischen Mitgliedstaaten, die wachsende politische und gesellschaftliche Überforderung mit Entgrenzungsprozessen, das von sozialen Medien geprägte kommunikative Umfeld und externe Einflüsse, die Europa im Inneren schwächen wollen. Angesichts der internationalen Lage, die wachsenden Druck auf Europa ausübt, ist es geradezu zwingend, enger zusammenzuarbeiten.

3. Macron macht mit europäischen Initiativen von sich reden. Wie bewerten Sie das, auch mit Blick auf Berlin?

Auf die vielfältigen Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU oder außenpolitische Initiativen etwa gegenüber Iran und Russland hatte die Bundesregierung keine als ebenbürtig wahrgenommene Antwort. Paris moniert Berlins fehlende Bereitschaft, sich mit großen strategischen Fragen zu befassen. Dieses Zögern wird in Frankreich und anderen EU-Staaten als Schwäche eines mit sich selbst beschäftigten Deutschlands gesehen. Hinter den Kulissen wird weiter eng bilateral kooperiert – wichtig wegen der Umsetzung des Aachener Vertrags und der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November/Dezember 2019, S. 8

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