Drei Fragen an … Bronwen Maddox
Direktorin und Chief Executive, Chatham House
1. Wird die britische Außenpolitik mit Premierministerin Liz Truss wieder berechenbarer?
Nein, leider. Zumindest vorerst nicht. Die Regierung Truss hat eigentlich wenig außenpolitischen Spielraum angesichts der finanziellen Lage – aber die Premierministerin scheint gegenüber der EU, aber auch gegenüber China einen harten Kurs verfolgen zu wollen. Der Brexit-Flügel der Konservativen Partei hat weiterhin Einfluss auf die Gestaltung der Außenpolitik, und Truss hat viele dieser Leute in die Regierung geholt. Dies läuft aber konträr zu Großbritanniens ökonomischen Interessen. Meiner Meinung nach kann sich das Land keinen Handelskrieg mit der EU leisten. Aber Truss sieht sich als „distrupter“, die von konventionellen wirtschaftlichen Erwägungen nicht gebremst wird.
2. Wird es zu einer „Hinwendung“ oder stärkeren Orientierung in Richtung Indo-Pazifik“ kommen, wie ihn die Vorgängerregierung von Boris Johnson angestrebt hat?
Ja. Das Vereinigte Königreich hat gegenüber China lange einen ambivalenten Kurs verfolgt. Man hat in Sachen Menschenrechte klar Stellung bezogen, dennoch aber kommerzielle Verbindungen aufgebaut. Diese Verbindungen gilt es jetzt zu sichern, angesichts Chinas starker wirtschaftlicher Präsenz. Allerdings wird Russland beziehungsweise die von dem Land ausgehende Bedrohung eine größere Aufmerksamkeit erfordern, als man zuvor in London angenommen hatte.
3. Welche Rolle wird das Vereinigte Königreich zukünftig in Europa spielen?
Die Entscheidung darüber, welches Verhältnis sie mit der EU anstrebt, ist die außenpolitisch bedeutendste, die die neue Regierung treffen muss. Es gibt sehr viele gute Gründe für eine engere Zusammenarbeit – gemeinsame Interessen allein in Sachen Sicherheit und Migration. Aber beim Rennen um die Partei- und Regierungsspitze hat Liz Truss immer wieder Töne angeschlagen, die darauf hindeuten, dass sie eher den Streit mit der EU und mit Verbündeten wie Frankreich sucht. Damit würde sie auf Vorteile verzichten, die ein besseres Verhältnis für ihre „Wachstumsagenda“ mit sich brächte, beispielsweise durch eine engere Wissenschafts- und Forschungskooperation.
Internationale Politik 6, November/Dezember 2022, S. 8