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01. Febr. 2005

Die Zähigkeit von Vorurteilen

Holocaust-Gedenken immunisiert nicht gegen Antisemitismus

Während der Holocaust zur universellen Chiffre für Intoleranz und die Verletzung von Menschenrechten avanciert, nehmen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa zu. Bildungseinrichtungen und Medien müssen dieser paradoxen Entwicklung aktiv entgegentreten.

Am 27. Januar 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung des größten nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz, wurde des Holocausts auf unterschiedlichen regionalen, nationalen und internationalen Ebenen gedacht. Israel gedenkt bereits seit 1959 offiziell der Shoah und des Warschauer Ghetto-Aufstands, in Europa wurden Holocaust-Gedenktage erst in den letzten Jahren eingeführt.

Deutschland erklärte 1996 den 27. Januar zum Holocaust-Gedenktag. Ebenso wird in Frankreich, Großbritannien und Schweden am 27. Januar an die Befreiung von Auschwitz und an den Holocaust erinnert. Das Engagement für die Erinnerung an den Holocaust in Europa ist seit der Jahrtausendwende groß, allerdings wurden verschiedene Daten gewählt, um des Holocausts zu gedenken. Auch die Inhalte der Gedenktage unterscheiden sich teilweise: Zum einen wird der Bemühungen der Bevölkerung, die Juden vor dem Genozid zu retten, gedacht und die Aufnahme von Flüchtlingen allgemein gewürdigt (Andorra, Bulgarien, Finnland, Griechenland, Türkei). Zum anderen wird der Inhalt des Gedenkens noch weitaus breiter gefasst: So beinhaltet der Holocaust-Gedenktag etwa in Belgien und Frankreich die Mahnung zu Toleranz und zur Wahrung der Menschenrechte sowie die Aufforderung zum Kampf gegen Rassismus. Der Holocaust-Gedenktag in Großbritannien ist zugleich zum Gedenktag für alle Genozide in der Welt erklärt worden. Nachdem einige europäische Staaten Holocaust-Gedenktage eingeführt hatten, beschlossen die Bildungsminister der Mitgliedsstaaten des Europarats, zum 27. Januar 2003 den „Tag des Gedenkens an den Holocaust und der Verhütung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ einzuführen. Gedacht werden soll besonders in den Schulen der Mitgliedsstaaten. Auch hier wird das Gedenken an den Holocaust mit der Mahnung zu Menschenrechten und Toleranz verbunden. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem Grauen des Zweiten Weltkriegs, so scheint es, ist in Europa zu einem Grundpfeiler des europäischen Selbstverständnisses geworden, das kosmopolitisch ist und auf der Grundlage der Vergangenheit zu Toleranz, internationaler Verständigung und Einhaltung der Menschenrechte aufruft.

Auch auf internationaler Ebene wird heute das Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und den Holocaust angeregt. Am 24. Januar trat die Vollversammlung der UN zu einer Sondersitzung zusammen, um an die Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager vor 60 Jahren zu erinnern. Der Autor des schriftlichen Vorschlags, der amerikanische UN-Botschafter John Danforth, argumentierte: „Wir halten es für wichtig, dass die Vereinten Nationen – eine Organisation, die aus der Asche des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust entstanden ist – diesen Anlass in einer Art würdigen, die seiner historischen Bedeutung entspricht … Das ist eine Gelegenheit für uns alle, sich zu erinnern und sich den Gründungsprinzipien und edlen Idealen neu zu verpflichten, auf denen die Vereinten Nationen errichtet wurden.“ Im Jahr 2005, 60 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, wird nun auch auf höchster Ebene der Weltorganisation, der UN-Vollversammlung, des Holocausts gedacht. Dieses jüngste Gedenken auf nationaler und internationaler Ebene ist auch Ausdruck der Bedeutungserweiterung des Holocaust-Begriffs im Sinne von Verletzung der Menschenrechte und Intoleranz.

Ein Ausdruck für diese Verwandlung des Holocausts in eine „universelle Chiffre“ war das Stockholmer International Forum on the Holocaust im Jahr 2000. Die daraus resultierende Gründung der International Task Force on Holocaust Education (ITF), die sich aus 20 Mitgliedsstaaten zusammensetzt und auf den Bildungsbereich zielt, ist ein deutliches Bekenntnis zu einer vergangenheitsbewussten Zukunftsgestaltung.

Auschwitz ist bereits in der Kunst und Literatur der vierziger und fünfziger Jahre zur Metapher für die nationalsozialistischen Konzentrationslager und den Holocaust geworden. Schon damals wurde Auschwitz nicht allein als Teil des Holocausts wahrgenommen, sondern stand als pars pro toto für ihn. Tatsächlich hat sich der Begriff „Holocaust“ erst viel später als „Auschwitz“ für die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden etabliert. Der Begriff Holocaust wurde Ende der fünfziger Jahre in Israel in diesem Zusammenhang erstmals benutzt, in Großbritannien Anfang der Siebziger; in Deutschland fand der Begriff erst durch den Film „Holocaust“ Ende der siebziger Jahre Verbreitung. Der Begriff kommt aus der englischen Übersetzung der christlichen (griechischen) Bibel und bezieht sich auf Beschreibungen von Unglück. Auf Deutsch bedeutet Holocaust „das, was in der Luft aufsteigt“, ohne Bezug zu einem speziellen Ereignis. Luther übersetzte es mit Brandopfer. Wegen seiner religiösen Konnotationen stieß der Begriff in Fachdebatten häufig auf Kritik. Heute wird der Begriff Holocaust kaum mit seinen etymologischen Wurzeln assoziiert und bezeichnet den während des Nationalsozialismus verübten Genozid an den Juden, im weiteren Sinne auch die systematische Ermordung von Angehörigen anderer gesellschaftlicher, religiöser oder ethnischer Gruppen, etwa der Sinti und Roma, der polnischen Intellektuellen, der Zeugen Jehovas und der Homosexuellen.

Das institutionalisierte Holocaust-Gedenken ist ein neues Phänomen. Mit der Europäisierung und Internationalisierung sowie der Bedeutungserweiterung des Holocausts in dieser Form des Gedenkens hat sich auch der eindeutige Fokus auf Deutschland als einzig Schuldigem am Holocaust verlagert. Während über Jahrzehnte hinweg sich das Augenmerk auf Deutschland richtete und vor allem Deutschland mangelhafte Aufarbeitung der Vergangenheit und das Fortleben des Antisemitismus vorgeworfen wurde, richtet sich der Blick heute vielfach allgemeiner auf Intoleranz und die Verletzung der Menschenrechte, aber auch zunehmend auf den aktuellen Antisemitismus weltweit. Gleichzeitig beginnt seit einigen Jahren in verschiedenen europäischen Ländern – wie etwa in Polen (Jedwabne-Debatte) und anderen osteuropäischen Staaten (Restitutionsfragen) –eine Aufarbeitung der eigenen Verwicklung in den Holocaust. In jüngster Zeit wird Deutschland zu Feiern zum Gedenken an den Holocaust und die Grauen des Zweiten Weltkriegs fast selbstverständlich mit eingeladen. Auch am Gedenken an die Befreiung von Auschwitz in der Gedenkstätte am 27. Januar 2005, zu dem der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski 50 Staats- und Regierungschefs einlud, nahm der deutsche Bundespräsident Horst Köhler teil.

Neuer Antisemitismus?

Doch neben dieser zu beobachtenden Etablierung des Holocaust-Gedenkens nimmt Antisemitismus zu – und das muss in diesem Zusammenhang erst einmal verwundern. Aufgrund einer neuen verbalen Radikalität gegenüber Israel und Juden insgesamt sowie einer gestiegenen Anzahl von Übergriffen gegen Juden und jüdische Institutionen seit Beginn dieses Jahrtausends spricht man von einem „neuen Antisemitismus“.1 Was die Debatte über den „neuen Antisemitismus“ prägt und sie von der Debatte um den „alten Antisemitismus“ unterscheidet, ist der Bezug auf den Nahost-Konflikt. Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung ist die Frage, ob die kritische Referenz auf den Nahost-Konflikt durch den Konflikt selbst geprägt wird und durch ihn sachlich gerechtfertigt ist, oder ob der Konflikt nur einen Vorwand darstellt, um antisemitische Haltungen und Weltbilder des „alten Antisemitismus“ zu vertreten. So würde Kritik gegen Israel zum Katalysator von Antisemitismus.

Antworten auf diese Frage kann für die „Deutschen Zustände“ die im Januar 2005 veröffentlichte gleichnamige Untersuchung „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) von Wilhelm Heitmeyer, Universität Bielefeld, geben.2 Hier wird die Verbreitung von Antisemitismus nach der Zustimmung zu unterschiedlichen Antisemitismusfacetten (u.a. klassischer Antisemitismus und Israel-Kritik) untersucht. Insgesamt kommt die Studie, in deren Rahmen eine repräsentative Umfrage unternommen wurde, zu dem Ergebnis, dass der Antisemitismus in den vergangenen Jahren angestiegen, aber im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen ist. Besonders Besorgnis erregend ist dem repräsentativen Survey zufolge der kontinuierliche Anstieg von Fremdenfeindlichkeit, die bereits 2002 und 2003 sehr hoch war und noch weiter gestiegen ist. Allerdings lässt auch die differenziertere Betrachtung der Erhebung zu antisemitischen Einstellungen aufhorchen.

Die Zustimmungsquoten zu den vorgelegten Fragen, die unterschiedliche Antisemitismusfacetten bzw. Haltungen zu Israel und Einstellungen zu Juden abdecken, sind zum Teil sehr hoch. Die Fragen zum klassischen (bzw. „alten“) Antisemitismus als offen antisemitischem Vorurteil weisen die geringsten Zustimmungen auf. Allerdings kann die GMF-Studie einen Zusammenhang von sekundärem (62,2% der Deutschen sind es leid, von den deutschen Verbrechen an den Juden zu hören), israelbezogenem Antisemitismus (44,4% stimmten der Aussage zu, „bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“) und NS-vergleichender IsraelKritik (51,2% stimmten dem direkten Vergleich Israels mit dem NS-Regime zu; 68,3% sind der Meinung, dass Israel gegen die Palästinenser einen „Vernichtungskrieg“ führt) mit klassischen antisemitischen Vorurteilen nachweisen. In diesem Befund zeichnet sich das Bild eines „neuen Antisemitismus“. Allerdings zeigt sich auch, dass Kritik an der israelischen Palästinenserpolitik in keinem Zusammenhang mit klassischem Antisemitismus stehen muss.3

Die enge Verbindung zwischen sekundärem und israelbezogenem Antisemitismus, NS-vergleichender IsraelKritik und klassischen antisemitischen Vorurteilen deutet auf die „Umwegkommunikationen“ im Fall des Antisemitismus hin. Untersuchungen und Einschätzungen renommierter Antisemitismus-Forscher wie Werner Bergmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung Berlin zeigen ebenso wie die Heitmeyer-Untersuchung, dass Antisemitismus in Deutschland stark gekoppelt ist mit einem Entschuldungsverlangen.4 Das spiegelt sich auch in gesellschaftspolitischen Debatten (Walser/Bubis, Möllemann, Hohmann) wider. Während „alter Antisemitismus“ durch den Holocaust weiterhin diskreditiert ist, wird es durch diese „Umwegkommunikation“, also durch Kritik an Israel und der israelischen Behandlung der Palästinenser, möglich, sich antisemitisch zu äußern. Bei der Argumentation des Antisemitismus treten – in Deutschland – irrationale verschwörerische Vorurteile („alter Antisemitismus“) zurück, Antisemitismus wird mit evidenten, öffentlich via Medien sichtbaren Ereignissen und damit mit dem Israel-Palästina-Konflikt („neuer Antisemitismus“) begründet. Diese öffentlich nicht geächtete Form des Antisemitismus öffnet dem Antisemitismus das Tor zur politischen Mitte. Zudem lässt durch die „Umwegkommunikation“ die Effektivität des politischen Tabus, Antisemitismus zu äußern, nach.

Tatsächlich nehmen antisemitische Äußerungen im privaten Bereich zu und werden zunehmend offener und direkter vorgetragen. Auch Widerspruch zu antisemitischen Äußerungen wird im privaten Bereich weniger laut. Gegnern von Antisemitismus fällt es häufig schwer, einem über Israel-Kritik lancierten Antisemitismus zu widersprechen.5

Der Anstieg antisemitischer Einstellungen in der europäischen Bevölkerung seit Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 wird zunehmend unter dem Aspekt der Medienberichterstattung über den Nahost-Konflikt betrachtet. Die einseitige und antiisraelische Berichterstattung, so das Ergebnis der EUMC-Studie 2004, ist (mit-)verantwortlich, dass antisemitische Ressentiments in der Bevölkerung zunehmen.6

Vermutlich ist auch die Entscheidung von mehr als der Hälfte der EU-Bürger, Israel als den Weltfriedensstörer Nummer eins zu nennen, im Zusammenhang mit einer überdimensionalen Berichterstattung zu sehen. In der Umfrage der Europäischen Union (2004) steht Israel ganz oben als der Staat, der den Weltfrieden am stärksten gefährdet, also vor Nordkorea und Iran, von arabischen Staaten ganz zu schweigen. Hier wird die besondere Verantwortung der Medien deutlich, für eine ausgewogene und sensible Berichterstattung zu sorgen, um nicht Antisemitismus zu fördern.

Neben diesen Befunden, die die Bevölkerung insgesamt im Blick hatten, fällt in Deutschland – wie in anderen europäischen Staaten – ein aggressiver Antisemitismus bei muslimischen Migranten auf.7 In zunehmendem Maße sind sie – neben rechtsextremen Gruppen – für Übergriffe auf Juden und jüdisches Eigentum verantwortlich. Bei der Betrachtung von Rechtsextremismus in Deutschland zeigt sich, dass Antisemitismus, insbesondere alte antisemitische Stereotype, verstärkt zu einem zentralen Bezugspunkt der Szene geworden sind. Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) verzeichnete für Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Niederlande eine deutliche Zunahme antisemitischer Vorfälle.8

Antisemitische Vorfälle werden von Regierungen und öffentlichen Personen nachhaltig verurteilt, auch ist die Bereitschaft hoch, gegen antisemitische Gewalttaten aktiv vorzugehen. Einmalig ist die gegenwärtig hochrangige, internationale Thematisierung des Antisemitismus durch die OSZE. Sie beschäftigte sich auf zwei Konferenzen (2003 in Wien, 2004 in Berlin) mit dem Thema Antisemitismus, wobei die Bekämpfung von Antisemitismus als Menschenrechtsanliegen klassifiziert wird. Eine dritte Antisemitismus-Konferenz wird im Juni 2005 in Córdoba stattfinden.

Bereits im Dezember 2003 benannte die OSZE das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (Office of Democratic Institutions and Human Rights/ODIHR) als zentrale Stelle für Informationen über durch Hass motivierte Vergehen und Straftaten. Das ODIHR erstellte ein Programm zur Förderung von Toleranz und Nichtdiskriminierung und verfügt jetzt über einen Beauftragten, der sich ausschließlich dieser Angelegenheit widmet. Im Dezember 2004 wurde in Sofia beschlossen, drei Sonderbeauftragte für Toleranzangelegenheiten zu benennen, darunter einen Sonderbeauftragten für Antisemitismus, dessen Aufgabe es ist, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus umzusetzen, zu denen sich die Staaten verpflichtet haben.

Quintessenz und Ausblick

Die Erinnerung an Auschwitz ist im Alltagswissen der deutschen Bevölkerung erstaunlich präsent.9 Allerdings wird Gedenken an den Holocaust oder der Begegnung mit der Geschichte des Holocausts eine Wirkung unterstellt, die sie keineswegs hat: Sie führt nicht automatisch zu einer moralischen Besserung der Belehrten. Ein Alarmzeichen in diesem Kontext dürften die Evaluationsergebnisse von Gedenkstättenarbeit sein. Wirkungsuntersuchungen zeigten, dass antisemitische Stereotype infolge von Gedenkstättenarbeit teilweise sogar zugenommen hatten.

Gedenken an den Holocaust immunisiert nicht gegen Antisemitismus. Antisemitismus ist mit der Etablierung des Gedenkens an den Holocaust nicht verschwunden oder vermindert. Im Gegenteil, neben der Etablierung des Holocaust-Gedenkens ist ein neuer Antisemitismus zu beobachten, der durch die Kritik an Israel katalysiert wird. In Deutschland lässt durch diese „Umwegkommunikation“ auch die Effektivität des – nach dem Holocaust wirksamen – politischen Tabus nach, sich antisemitisch zu äußern.

Der Auftrag für Holocaust-Erziehung heißt weiterhin: den Holocaust weder zu vergessen noch zu relativieren und zudem „aus der Geschichte zu lernen“. Eine vergangenheitsbewusste Zukunftsgestaltung heute muss auch gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wirken. Neuere pädagogische Konzeptionen suchen eine pragmatische Annäherung an diese Aufgaben, indem sie die Erfordernisse und Themen der Erziehung zu demokratischer Kompetenz und Empathie einerseits und eine „Pädagogik des Gedenkens“ andererseits berücksichtigen. Dabei wird eine unreflektierte und direkte Verbindung dieser beiden Ebenen vermieden.10

So bleiben die drängenden Fragen für die Zukunft zum einen bezogen auf Pädagogik und Medien: Inwieweit gelingt es der Pädagogik und den Medien, mit den Themen der Politik Israels gegenüber den Palästinensern, dem Nahost-Konflikt, der deutschen Vergangenheit, Holocaust und Antisemitismus sensibel umzugehen und dem Schrecken auch positive Bilder und Konzepte entgegenzusetzen (Pluralismus, Menschenrechte, Toleranz, Vielfalt)? Hierfür muss weiterhin an pädagogischen Konzepten gearbeitet werden. Wesentlich ist es dann aber auch, die pädagogischen Konzepte breitflächig umzusetzen. Konzepte für die Medien bzw. Bildungskonzepte für die Medienmacher stehen noch aus.

Eine Frage für die deutsche Gesellschaft ist aber auch: Inwieweit gelingt es den politischen Eliten mit ihrem Gespür für Mehrheiten, die sie sich „in der Mitte“ sichern wollen, die Kraft und den Mut aufzubringen, weiterhin Normgrenzen zu setzen? Die Affäre Hohmann zeigte bereits eine deutlich verlangsamte Reaktion. Erst spät und mit ambivalenter Zustimmung wurde die Normgrenze durch Entzug seines Bundestagsmandats und Hohmanns Ausschluss aus der CDU deutlich gemacht.

1 Vgl. Doron Rabinovici, Ulrich Speck und Natan Sznaider (Hrsg.): Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte, Frankfurt am Main 2004.

2 Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 3, Frankfurt am Main 2005.

3 Aribert Heyder, Julia Iser und Peter Schmidt: Israelkritik oder Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus, in: Heitmeyer (Anm. 2), S. 144–165.

4 Werner Bergmann und Wilhelm Heitmeyer: Verliert die Vorurteilsrepression ihre Wirkung?, in: Heitmeyer (Anm. 2), S. 224–238.

5 Forsa: Antisemitismus in Deutschland, 14. bis 15. November 2003 im Auftrag des Stern, veröffentlicht in Heft 48/2003, S. 52–53.

6 EUMC: Manifestations of Antisemitism in the EU 2002–2003, Wien 2004.

7 Werner Bergmann und Juliane Wetzel: Manifestations of Anti-Semitism in the European Union. First Semester Report 2002. Synthesis Report, Wien 2003.

8 EUMC 2004 (Anm. 6).

9 Alphons Silbermann und Manfred Stoffers: Auschwitz: Nie davon gehört? Erinnern und Vergessen in Deutschland, Berlin 2000, S. 205 ff.

10 Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Konfrontationen. Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust, Frankfurt am Main 2000.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, Februar 2005, S. 48 - 53.

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