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31. Dez. 2010

Die pragmatischen Europäer

Auf der To-Do-Liste der Tories: wieder mehr europapolitisches Engagement

Zwischen Großbritannien und den USA knirscht es, die anglo-amerikanische Freundschaft steht auf dem Prüfstand – für die konservative britische Regierung eine Gelegenheit, ihre europapolitischen Prioritäten zu überdenken. Denn mehr Hinwendung zur EU bringt mehr Gestaltungsmacht in Brüssel und stärkt das britische Gleichgewicht in der Welt.

Der frühere amerikanische Außenminister Dean Acheson bemerkte einmal trocken, Großbritannien habe sein Empire verloren, aber noch keinen neuen Platz in der Welt gefunden. Das war 1962, der Kalte Krieg trat gerade in seine heiße Phase ein. Der Satz erzeugte so starken Widerhall in der britischen Außenpolitik, dass er bis heute diskutiert wird – im britischen Außenministerium, im Chatham House und in anderen Hochburgen außenpolitischer Denkarbeit. In den folgenden Jahrzehnten versuchte Großbritannien, den schmerzlichen Verlust seines Empires mit besonders engen Beziehungen zu den USA und einer Brückenfunktion zwischen den USA und den europäischen Staaten auszugleichen.

Eine neue außenpolitische Elite in den USA hat diese Denkstrukturen jedoch hinter sich gelassen. Sie ist nicht mehr der Überzeugung, dass der Westen eine Sonderstellung genießt und sie betrachtet die spezielle Freundschaft zwischen Washington und London als Relikt längst vergangener Zeiten, wenn nicht sogar als kontraproduktiv. Jeremy Shapiro, hochrangiger Berater von Hillary Clinton im amerikanischen Außenministerium, fasste den pragmatischen Ansatz von US-Präsident Barack Obama in einer Publikation zu den transatlantischen Beziehungen kurz und knapp zusammen: „Wir brauchen keine besonderen Beziehungen mehr.“

Hat Großbritannien also nicht nur sein Empire, sondern auch seine historische Freundschaft mit den USA eingebüßt, ohne einen neuen Platz in der Welt zu finden? Wenn das stimmt, dann sollte die Regierung von David Cameron die Lösung in den Beziehungen zur EU suchen. Es wäre eine Art Nixon-in-China-Situation: Ebenso, wie die strikt antikommunistische Haltung von Richard Nixon 1972 eine Entspannung im amerikanisch-chinesischen Verhältnis ermöglichte, wäre die euroskeptische Haltung der Tories letztlich dem britisch-europäischen Verhältnis zuträglich.

Abgesang auf die Freundschaft

Dass die anglo-amerikanischen Beziehungen einen Tiefpunkt erreicht haben, wie es ihn seit der Suez-Krise 1956 nicht mehr gab, zeigte sich schon im Juli 2010 beim Antrittsbesuch von David Cameron in Washington. Obwohl sich Barack Obama und der neue britische Premier redlich um eine entspannte Atmosphäre bemühten, war die Verunsicherung spürbar. Etliche britische Intellektuelle, von Timothy Garton Ash bis zu Simon Shama, stimmen bereits in den Abgesang auf die bilaterale Freundschaft ein.

Die Verschlechterung der Beziehungen ist teilweise konkreten Ereignissen geschuldet. Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko etwa schien die amerikanische Öffentlichkeit den BP-Konzern mit Großbritannien gleichzusetzen. Es war keinem Zufall geschuldet, dass amerikanische Politiker stets von „British Petroleum“ sprachen, obwohl der Konzern offiziell BP heißt. In die scharfe Kritik der amerikanischen Medien und der Kongressabgeordneten hatten sich deutlich antibritische Untertöne gemischt. Während der Anhörungen des Senatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten suchte man gar nach möglichen Zusammenhängen zwischen der Freilassung des Lockerbie-Attentäters Abdelbaset al-Megrahi und den Explorationskonzessionen, die BP kürzlich von der libyschen Regierung erhielt.

Hinzu kamen weitere diplomatische Verwicklungen. So interpretierte die britische Regierung die zögerlichen Reaktionen von Hillary Clinton auf die erneuten Spannungen zwischen Großbritannien und Argentinien im Konflikt um die Falkland-Inseln im März 2010 als Weigerung der US-Regierung, sich bedingungslos zur britischen Staatshoheit im Südatlantik zu bekennen. Auch der schleppende Ratifizierungsprozess des anglo-amerikanischen Verteidigungsabkommens strapaziert die Geduld des britischen Verteidigungsministeriums. Das Abkommen wäre ein wichtiger Schritt, um den mühsamen Zertifizierungsprozess von amerikanischen Verteidigungstechnologien bei Exportkontrollen zu erleichtern, der in der Vergangenheit immer wieder zu Versorgungsengpässen beim britischen Militär führte. Obwohl die US-Regierung das Abkommen unterstützt, steht seine Ratifizierung im Senat seit drei Jahren aus.

Ein Großteil der Schwierigkeiten ist jedoch strukturell. Barack Obama betreibt eine bewusst postwestliche Außenpolitik, in der die westliche Allianz zwar weiterhin eine wichtige Komponente bildet, aber in einen größeren, globalen Kontext eingebettet ist. Während man früher die enge Kooperation mit Westeuropa als Fundament der amerikanischen Außenpolitik sah, ist sie heute nur noch Stützpfeiler einer übergeordneten Strategie, zu der auch die Selbstverpflichtung zu Stabilität im Nahen Osten, weitreichendes diplomatisches und wirtschaftliches Engagement in Südostasien und ein wieder erwachtes Interesse an Lateinamerika und Afrika gehören.

Jetzt, da sich sowohl die USA als auch Großbritannien auf abgekühlte Beziehungen einstellen, sollte die britische Regierung ihre EU-Politik überdenken. Denn ein stärkeres europapolitisches Engagement wäre keineswegs ein Verrat an der anglo-amerikanischen Freundschaft; im Gegenteil, eine Annäherung an die EU könnte sich auch positiv auf die Beziehungen zu den USA auswirken.

Der britische Sonderweg

Die Haltung der Briten zur EU war immer schon eine ganz besondere. Großbritannien unterschrieb weder die Europäische Sozialcharta noch das Schengen-Abkommen und trat auch der Euro-Zone nicht bei – fast so, als sei es eher ein privilegierter Partner als ein vollwertiges Mitglied. Wenn die Briten aber ihre traditionellen Vorbehalte gegen die mit der EU-Mitgliedschaft einhergehenden Verpflichtungen und Souveränitätsverluste überwänden, kämen sie schnell zu dem Schluss: Mit ihrer jahrzehntelangen EU-Skepsis haben sie die Chance vergeben, die EU stärker in ihrem Sinne zu gestalten.

Das gestand auch der konservative britische Außenminister William Hague in seiner ersten großen Ansprache ein, in der er die außenpolitischen Prioritäten seiner Regierung absteckte. In der Europäischen Kommission fehlen britische Beamte, die den politischen Gestaltungsprozess beeinflussen könnten. Obwohl die Briten zwölf Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung ausmachen, besetzen sie nur 1,8 Prozent der Einstiegsposten in den europäischen Institutionen. Echter Einfluss, gestand William Hague, sehe anders aus. Der Außenminister warf der Vorgängerregierung vor, hochrangige Posten innerhalb der EU-Institutionen nicht genügend mit britischen Beamten besetzt zu haben. Damit erkannte er erstens jenes Prinzip an, das alle anderen EU-Mitgliedstaaten bereits mehr oder weniger erfolgreich befolgen: EU-Politik ist auch in hohem Maße Personalpolitik. Und zweitens zeigte er seine Bereitschaft, innerhalb des europäischen Institutionengefüges zu agieren, um die britischen Interessen voranzutreiben.

William Hagues Ansprache ist Ausdruck einer neuen Strategie, sich wieder stärker in der EU-Politik zu engagieren. In den offiziellen Statements der Regierungskoalition spiegelt sich dieser Ansatz wider. Im Regierungsprogramm heißt es, Großbritannien solle in der EU ein „positiver Teilnehmer“ sein. Und in diesem Herbst bekräftigte der Außenminister seine europapolitische Vision: Die Europäische Union solle ihre Macht geschickter einsetzen; es gebe vieles, was in dieser Hinsicht erreicht werden könne. Er nannte insbesondere die Wirtschaft – vor allem die weitere Vertiefung des europäischen Binnenmarkts – und das Gewicht der EU in der Welt als Stärken, die es auszubauen gelte.

Der britische Staatssekretär für Europa David Lidington fordert, EU-Richtlinien in konkrete Maßnahmen zu übersetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Klimawandel und die globale Armut zu bekämpfen. Sein Ruf nach Effizienz auf europäischer Ebene ist eine radikale Abkehr von der Rhetorik der Tories zu Oppositionszeiten. Großbritannien kämpft offenbar wieder um einen Platz an der Spitze der EU. David Cameron sollte daher, wenn er von „Außenpolitik in einer vernetzten Welt“ spricht, vor allem eines betonen: Die EU ist das wichtigste politische und wirtschaftliche Netzwerk der Briten.

In sieben Schritten nach Brüssel

Dass meist konservative britische Regierungen die größten Schritte in Richtung EU-Integration unternahmen, wird oft vergessen. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war das Ergebnis von Verhandlungen, die 1973 der konservative Premierminister Edward Heath führte. Selbst Margaret Thatcher, Inbegriff der Europaskepsis, zu deren europapolitischer Hinterlassenschaft der 1984 ausgehandelte Britenrabatt und das 1988 in Brügge vorgetragene Plädoyer gegen den Sozialstaat gehören, setzte sich 1984 für die Wahl von Jacques Delors und 1986 für die Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte ein. 1990 führte sie Großbritannien in den Wechselkursmechanismus und legte während der Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung den Grundstein für die Verabschiedung des Maastrichter Vertrags von 1992. London sollte sich auf diese Tradition besinnen, anstatt der EU den Rücken zu kehren. Die Wahrung nationaler Interessen und eine engagierte Europa-Politik schließen einander nicht aus.

Die neue britische Regierung hat bereits eine konstruktive Haltung zum Lissabonner Vertrag eingenommen, der im November 2009 noch unter der Labour-Vorgängerregierung in Kraft trat. Zwar haben die Tories moniert, der Vertrag habe – vor allem aus konservativer Sicht – Mängel. Doch Anträge europaskeptischer Hinterbänkler, die nach Neuverhandlungen verlangten, hat die Tory-Führung abgewiesen. David Cameron kann nun diese ersten Schritte ausbauen, indem er die europäische Integration dort vorantreibt, wo sie mit den britischen Interessen vereinbar ist: Erstens sollte die britische Regierung ihre Position als Champion des Binnenmarkts wieder zurückerobern, vor allem im Bank- und Finanz-, Dienstleistungs- und Energiesektor. Malcolm Harbour, der als konservativer Abgeordneter dem Komitee für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament vorsitzt, legt Wert darauf, dass diese Themen weiterhin weit oben auf der europapolitischen Prioritätenliste stehen.

Auch die Regulierung des Binnenmarkts ist ein wichtiges Thema, bei dem sich Großbritannien profilieren kann – als Aufpasser, der dafür sorgt, dass wichtige Regulierungskompetenzen nicht an die nationalstaatliche Ebene delegiert werden, da dies zu einer starken Fragmentierung des Binnenmarkts führen würde. Kurz: Großbritannien sollte der Empfehlung des Monti-Berichts folgen, einen einheitlichen Binnenmarkt wieder zur Priorität des europäischen Projekts zu machen.

In einem zweiten Schritt sollte sich Großbritannien für eine stärkere Vereinheitlichung des europäischen Marktes für Verteidigungstechnologien einsetzen – vor allem jetzt, da sich viele europäische Regierungen anschicken, Sparpakete zu verabschieden, die starke Kürzungen in ihren Verteidigungsetats vorsehen. Die britische Regierung sollte sich um die gegenseitige Anerkennung von Qualitätsstandards und Testzertifikaten bemühen, für eine gemeinsame Finanzierung von Forschung und Entwicklung, eine schnelle Umsetzung der Defense Procurement Directive (Abwehrtechnikbeschaffungsrichtlinie) und für ein entschlosseneres Durchgreifen gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen.

Dank solcher Unternehmen wie BAE und Rolls Royce gehört die britische Verteidigungsindustrie mit einem Gesamtvolumen von 42 Millionen Euro zu den größten in der EU. Sie würde von einem integrierten Verteidigungsmarkt enorm profitieren. Großbritannien sollte auch auf größere Harmonisierung und die Durchsetzung von Exportkontrollen bei der Belieferung von Drittländern dringen, um sowohl innerhalb der EU als auch gegenüber Drittländern das Vertrauen in die Beschaffungspolitik der Mitgliedstaaten zu fördern. Um das zu erreichen, sollte Großbritannien die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) stärken.

Drittens sollte die britische Regierung die EU drängen, ein Vorreiter in der Entwicklung erneuerbarer Energien zu werden, damit die strengen Emissionsziele eingehalten werden können. Großbritannien hat sich zu dem gesamteuropäischen Ziel einer 30-prozentigen Minderung von Treibhausgasemissionen verpflichtet. Entsprechende Maßnahmen wären mehr Engagement zur Erforschung alternativer Energiequellen und mehr Unterstützung für Integrationsmaßnahmen, um langfristig einen integrierten europäischen Energiemarkt zu schaffen, der stärker auf erneuerbare Energien setzt. Vor allem Offshore-Windkraftanlagen sind in Großbritannien eine wichtige erneuerbare Energiequelle.

Viertens sollte sich Großbritannien der deutschen Forderung nach fiskalischer Besonnenheit anschließen. Zwar sträubte sich London gegen den Vorschlag, die EU-Kommission solle nationale Haushaltsentwürfe vor ihrer Verabschiedung prüfen. Doch eigentlich entsprechen die britischen Pläne zur Verminderung des Haushaltsdefizits durchaus der finanzpolitischen Orthodoxie der Kommission. Auch in der Debatte über die Staatsfinanzen liegen die britische und die deutsche Position nicht weit auseinander. Die beiden Staaten könnten in internationalen Foren wie dem G-20-Gipfel einen harten europäischen Kern bilden und für größere Sparsamkeit werben. Die britische Regierung sollte sich dafür einsetzen, eine Instanz zur länderübergreifenden Budgetkontrolle innerhalb der Euro-Zone zu schaffen. Diese Maßnahme wäre ein wichtiger Schritt für die Einhaltung des Wachstums- und Stabilitätspakts und zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Euro – beides unabdingbare Voraussetzungen für den kanalübergreifenden Handelsfluss.

Fünftens: Großbritannien sollte versuchen, bei der Umsetzung der europäischen 2020-Strategie eine Vorreiterposition einzunehmen. In einer Rede im Juni 2010 lobte der britische Europa-Minister Lidington die Strategie dafür, dass „sie auf Arbeitsplätze, kluges und nachhaltiges Wachstum durch verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität setze“. Im gleichen Atemzug mahnte er aber auch, die EU müsse ihren hochgesteckten Zielen nachkommen: „Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir in den letzten Jahren eine Menge europäischer Strategien kommen und gehen sahen, die wenig konkrete Resultate brachten. Es ist daher entscheidend, dass es diesmal Ergebnisse gibt. Wir müssen Fortschritte dort erzielen, wo Menschen wirklich betroffen sind – bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen und beim Wirtschaftswachstum. Wir können es uns einfach nicht leisten, dass die europäische 2020-Strategie auf der Kommissions-Website herumliegt, ohne umgesetzt zu werden.“

London sollte sich dafür einsetzen, mehr Mittel für das EU-Budget für Forschung und Entwicklung bereitzustellen, die dann im Rahmen eines transparenten und leistungsbasierten Ausschreibungsverfahrens investiert werden. Angesichts der Qualität seiner Universitäten und Forschungsinstitute würde Großbritannien von einem auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhten Forschungs- und Entwicklungsetat und einer Verschärfung des EU-internen Wettbewerbs enorm profitieren. Das britische Gespür für marktgerechte Lösungen wäre zudem ein willkommener Ausgleich zu den eher etatistischen Ansätzen anderer Mitgliedstaaten. Im Mittelpunkt sollten die Einführung einer EU-weiten Patentregelung und eine einheitlichere Lizensierungs- und Zertifizierungsprozedur stehen, damit neue Innovationen schneller auf den Markt gelangen.

Sechstens sollte Großbritannien die Erweiterungspolitik als das wichtigste außenpolitische Instrument der EU unterstützen, vor allem im Hinblick auf die Türkei. Wie William Hague vor Kurzem in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem finnischen Außenminister Alexander Stubb bemerkte: „Man kann potenziellen neuen Mitgliedstaaten die Tür nicht vor der Nase zuschlagen.“ Der offizielle Besuch von David Cameron in der Türkei im Sommer 2010 unterstreicht, dass die britische Regierung die EU-Erweiterung als Priorität versteht. Allerdings stehen die derzeitigen Chancen für einen baldigen EU-Beitritt trotz der neuen Selbstsicherheit und des erstaunlichen Wirtschaftswachstums in der Türkei nicht besonders gut. Daher sollte Großbritannien eine nüchterne und balancierte Haltung in den Beitrittsgesprächen einnehmen und eine türkische EU-Mitgliedschaft zwar unterstützen, aber auch die weiterhin bestehenden Schwierigkeiten in den türkisch--europäischen Beziehungen anerkennen. London sollte also sowohl bei den übrigen Staats- und Regierungschefs als auch bei den europäischen Bürgern für einen türkischen Beitritt werben.

Und schließlich: Die Tories sollten im EU-Parlament wieder zur Europäischen Volkspartei (EPP) zurückkehren. Ihr Austritt aus der EPP im März 2009 war vor allem eine Konsequenz aus der Unzufriedenheit vieler Tory-Abgeordneter. Doch diese Entscheidung hat vor allem die Möglichkeiten der konservativen EU-Parlamentarier begrenzt, auf das politische Geschehen in Brüssel Einfluss zu nehmen. Sie haben sich zudem auf diese Weise von anderen konservativen Politikern wie Nicolas Sarkozy oder Angela Merkel isoliert und sahen sich gezwungen, mit einer Reihe eher zwielichtiger kleiner Parteien zusammenzuarbeiten. Nun, da sie in Großbritannien an der Regierungsmacht sind, sollten die Tories endgültig den ideologischen Purismus der Opposition ablegen und wieder ihre lockere Verbindung mit den übrigen europäischen Konservativen eingehen.

In ihrem Bemühen, die britische Außenpolitik neu zu definieren, sollte eine engagierte EU-Politik ganz oben auf der To-Do-Liste der Tories stehen. Die Regierung Barack Obama befreit derzeit ihre Beziehungen zu Großbritannien vom emotionalen Ballast der Vergangenheit und richtet ihre Außenpolitik auf eine pragmatische, gesamteuropäische Basis aus. Das ist für die britische Regierung eine einzigartige Chance, mit der EU auf die gleiche Art zu verfahren. Mit einer aktiveren EU-Politik schlägt Großbritannien mehrere Fliegen mit einer Klappe: Es erobert seinen verdienten Platz in der EU zurück, treibt das europäische Projekt im Einklang mit den britischen Interessen voran und stärkt sein Gewicht in der Welt.

TYSON BARKER 
ist Senior Project Manager für transatlantische Beziehungen der Bertelsmann Foundation in 
Washington, DC.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar/Februar 2011, S. 73-79

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