Schlusspunkt

30. Apr. 2011

Der Riese, der ein Zwerg sein will

Schlusspunkt

Es ist natürlich nur ein Gerücht: Nach dem Beschluss des UN-Sicherheitsrats für eine Flugverbotszone in Libyen, bei dem sich Deutschland bekanntermaßen der Stimme enthalten hat, ringt die NATO in tage- und nächtelangen Sitzungen um eine angemessene Vorgehensweise. Dabei spielt sich folgende Szene ab: Die Franzosen stürmen selbstherrlich einen Sitzungssaal und winken den Deutschen zu, denen man – selbstverständlich versehentlich – die Tür vor der Nase zuschlägt.

Draußen sagt ein amerikanischer NATO-Vertreter achselzuckend: „Ihr wollt nicht mitspielen? Verstehe schon, die Schuld trägt wieder einmal Hitler.“

Das ist, wie gesagt, nur ein Gerücht. Doch wie irritierend die „Chaostage in der deutschen Außenpolitik“ (so der ehemalige Außenminister Joschka Fischer) für unsere Verbündeten derzeit sein müssen, lässt sich an zwei Beispielen erklären: die Luftraumüberwachung mit Awacs-Flugzeugen und die Kontrolle des Waffenembargos.

Zum ersten Beispiel: Es sind dieselben Flugzeuge und ähnliche Einsätze. Doch warum deutsche Awacs-Besatzungen über Afghanistan eingesetzt werden dürfen, nicht aber zur Überwachung des Luftraums über Libyen, ist nur für Eingeweihte zu verstehen. Der bislang nur unter der Hand geäußerten Kritik aus NATO-Kreisen begegnete die Bundeskanzlerin so: „Wir sind bereit, die NATO insbesondere bei den Awacs-Fähigkeiten zu entlasten, indem wir zusätzliche Verantwortung in Afghanistan übernehmen.“ Sie hätte besser sagen sollen: „In Afghanistan sind wir leider schon, da wollen wir jetzt nicht noch woandershin, erst recht nicht während eines Wahlkampfs.“

Und was das Waffenembargo betrifft: Auch hier geht es um dieselben Schiffe und ähnliche Einsätze. Doch das Waffenembargo gegen Libyen, das Deutschland ziemlich laut gefordert hat, will man mit deutschen Fregatten lieber nicht unterstützen. Vor dem Libanon allerdings dürfen deutsche Kriegsschiffe im Rahmen der UNIFIL-Mission die Küste überwachen. Was Außenminister Guido Westerwelle vielleicht so hätte erklären können: „Vor den Küsten des Libanon müssen wir halt nur gucken, nicht schießen“.

Was lehrt uns dieser Schlingerkurs? Der tumbe Riese Deutschland will außenpolitisch so gern ein Zwerg bleiben. Er will Autos, Bier und Bohrmaschinen oder – wie jüngst für die Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung“ im chinesischen Nationalmuseum – nur Bilder exportieren. (Die chinesischen Machthaber haben sich über diesen Fall von aufklärerischer Soft Power sicherlich sehr amüsiert.) Die Entsendung von Soldaten – egal unter welchem Mandat und zu welchem Zweck – aber gilt immer noch als Tabubruch. Dem Riesenzwerg geht es nicht um die Verantwortungsübernahme. Es geht ihm um ein ruhiges Gewissen.

Nana Brink ist freie Journalistin in Berlin.

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Nana Brink

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