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01. Nov. 2018

Déjà-vu in Washington

Warum Donald Trump in zwei Jahren wiedergewählt werden könnte

Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten 2016 war ein Betriebsunfall der amerikanischen Demokratie und wird sich nicht wiederholen, denken viele. Doch bei Trumps vielen Schwächen übersehen seine Kritiker schnell seine unleugbaren Stärken, die ihm im Wahlkampf helfen werden. Und wer Trump 2020 denn schlagen sollte, ist völlig offen.

Es ist der 4. November 2020. Überall in den Vereinigten Staaten – und auf der ganzen Welt – erwachen Liberale und Trump-kritische Konservative aus einem unruhigen Schlaf. Übermüdet, die Augen gerötet und erfüllt von Angst, Unverständnis und einem unwillkommenen Gefühl des Déjà-vu. Wie konnte ER es noch einmal schaffen?

In der Nacht zuvor ist Donald Trump als Präsident wiedergewählt worden – trotz einer chaotischen ersten Amtszeit, zahlreicher Skandale, Ermittlungen und einer historisch schlechten Zustimmungsrate. Natürlich hatte Trump schon 2016 all seiner Schwächen zum Trotz die Wahl gewonnen, aber diesen Sieg hatte man als Zufallstreffer abgetan, als Produkt einer schwachen Gegenkandidatin, russischer Einmischung und der Neuartigkeit dieses Kandidaten. Niemals hätten die Kritiker geglaubt, dass sich ihr Alptraum wiederholen könnte.

In seiner zweiten Amtszeit kann Trump zu einem der einflussreichsten Präsidenten der US-Geschichte aufsteigen. Seine Wiederwahl verschafft ihm das Mandat, seine Politik der Aushöhlung jahrzehntealter Allianzen und der Aufkündigung von Handelsabkommen fortzusetzen. Der Kongress wird Trumps Forderung nach einer Grenzmauer zu Mexiko wahrscheinlich nachgeben. Schon zuvor hatte es unter Trump Razzien gegen Millionen illegale Einwanderer gegeben; mit seiner Rhetorik ließ er in weiten Teilen der Gesellschaft die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen gen Null sinken. Nun wird er wohl auch seine Pläne zur Eindämmung der legalen Migration vorantreiben.

Nachdem er bereits in seiner ersten Amtszeit drei Richter des Obersten Gerichtshofs ernannt hatte, wird Trump in den nächsten vier Jahren womöglich noch mindestens einen oder zwei weitere Richter nominieren dürfen – und damit den Supreme Court auf Jahrzehnte hinaus noch strammer konservativ ausrichten. Seit fast 100 Jahren hat es das nicht mehr gegeben.

Radikaler als zuvor wird Trump die gesamte Regierung auf seine Vorstellung des Laisser-faire-Konservatismus einschwören. Nach seinen Erfahrungen mit dem Sonderermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre und einer immer wieder im Raum stehenden Amtsenthebung dürfte Trump erpicht darauf sein, auch das Justizministerium mit treuen Gefolgsleuten zu besetzen und sich so vor weiteren Untersuchungen zu schützen.

Von Presse und Wissenschaft wird Trump nahezu einhellig als Katastrophe bezeichnet, als schlechtester US-Präsident aller Zeiten. Und obwohl beide Institutionen in der Bevölkerung nicht gerade hohes Ansehen genießen, ist eine Mehrheit der Wähler der gleichen Meinung. In Scharen votieren sie auch dieses Mal für Trumps Gegner von den Demokraten, der am Ende ein paar Millionen Stimmen mehr erhält als der Amts­inhaber. Aber das spielt keine Rolle: Dank einer Mischung aus kluger Strategie und massiven Wahlkampfausgaben, jeweils deutlich weiterentwickelt gegenüber der Wahl 2016, gelingt es Trump, einen beträchtlichen Vorsprung im Wahlmännergremium herauszuholen. Es ist ein getrübter Sieg, denn erneut gewinnt Trump nicht das „Popular Vote“ – wenngleich er weiter das Gegenteil behauptet und bereits neue Manöver gegen die Medien erwägt, die akribisch seine Lügen und Übertreibungen aufdecken. Für den Moment jedoch genießt der alte und neue Präsident seinen Triumpf. Kaum jemand hatte ihm die Wiederwahl zugetraut. Und doch hat er es geschafft.

Alptraum, Tagtraum, Vorhersage?

Ist das der euphorische Tagtraum aller Trump-Fans? Der dystopische Alptraum der Progressiven? Oder schlicht eine plausible Vorhersage für 2020?

Vielleicht alles drei. Trotz der Probleme seiner Präsidentschaft, die im In- und Ausland und selbst innerhalb der US-Regierung (wie ein anonym verfasster Beitrag für die Meinungsseite in der New York Times im September 2018 gezeigt hat) erkannt werden, ist es gut möglich, dass Trump in zwei Jahren wiedergewählt wird. Es gibt zwar auch andere mögliche Szenarien – davon später mehr. Aber die Aussicht auf eine Wiederwahl Trumps wird von seinen vielen Kritikern trotz ihrer Plausibilität derart hartnäckig ausgeblendet, dass gerade dieses Szenario diskutiert werden muss.

Nach den Midterms wird Trumps Wahlkampf sofort Fahrt aufnehmen, obwohl es bis zur Präsidentschaftswahl noch zwei Jahre dauert. Trump macht in Wahrheit viel lieber Wahlkampf als zu regieren: Gleich am ersten Tag seiner Amtszeit meldete er die Kampagne für seine Wiederwahl offiziell bei der Wahlkommission an. Bis heute redet er gern und oft über die Wahl 2016. Und seit Amtsantritt hält er regelmäßig Kundgebungen ab, die reine Wahlkampfveranstaltungen sind. Trumps mögliche Rivalen werden ihm das wohl bald nachmachen. Seit Jahren schon benennt die amerikanische Politikwissenschaft das Phänomen des „permanenten Wahlkampfs“, womit die Übernahme von Wahlkampftaktiken in den politischen Alltag gemeint ist. Trump hat buchstäblich eine permanente Wahlkampagne geschaffen – er behält den Wahlkampfmodus bei, während er die Regierungsarbeit, abgesehen von ein paar Kernthemen, weitgehend ignoriert.

Beim Griff nach seiner zweiten Amtszeit wird Trump sowohl von den Besonderheiten des politischen Systems der USA als auch von ein paar seiner persönlichen Eigenschaften profitieren können. Schauen wir auf die systemischen Faktoren: Zunächst ist da der Amtsbonus. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben lediglich zwei der gewählten Präsidenten, die eine Wiederwahl anstrebten, diese verpasst. Der eine, Jimmy Carter, wurde von einer schwachen Wirtschaft ausgebremst. Der andere, George H.W. Bush, litt ebenfalls unter einer Rezession und unter der Tatsache, dass die Republikaner das Land seit zwölf Jahren regierten, was die Wechselstimmung beförderte. Selbst die Präsidenten, deren Parteien in den Zwischenwahlen abgestraft worden sind, wurden wiedergewählt (Ronald Reagan, Bill Clinton, Barack Obama). Ebenso wie jene, die Kriegsdesaster zu verantworten hatten (Richard Nixon, George W. Bush).

Besonders groß ist der Amtsbonus, wenn es der Wirtschaft gut geht. Mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit steigen die Umfragewerte des Präsidenten, wenn die Wirtschaft wächst, auch wenn der Politiker selbst wenig zum Aufschwung beigetragen hat. Derzeit geht es mit der amerikanischen Wirtschaft bergauf. Die Beschäftigungsquote und die Aktienwerte steigen, wenngleich die Lohnzuwächse bislang auf niedrigem Niveau bleiben. Bis November 2020 kann sich allerdings einiges wieder ändern. Manche Ökonomen glauben, dass die nächste Rezession bevorsteht, doch solange der aktuelle Trend anhält, hat Trump Rückenwind.

Donald Trump profitiert auch von den Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems. Jahrelang haben progressive Wahlforscher die Theorie von der „entstehenden demokratischen Mehrheit“ vertreten. Da der demografische Wandel die Anteile schwarzer, hispanischer und asiatischer Wähler sowie junger Leute in der Bevölkerung erhöhe, entstünde ein Vorteil für die Demokratische Partei, weil die genannten Wählergruppen eher zu liberalen Kandidaten neigten. Die beiden Wahlsiege Barack Obamas, getragen von den Stimmen der Afroamerikaner, schienen diese Theorie zu bestätigen. Als die Republikanische Partei die Niederlage Mitt Romneys in der Präsidentschaftswahl 2012 aufarbeitete, lautete eine Schlussfolgerung, dass sich die Partei nicht­weißen Wählern öffnen müsse, wenn sie in Zukunft nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken wolle.

Derweil profitierten die Demokraten noch von ihrer traditionellen Stärke im Rust Belt, der im Niedergang begriffenen Industrieregion im Nordosten der USA. Die schrumpfende, aber immer noch große Zahl der Arbeiter in den Rust-Belt-Staaten schien der Demokratischen Partei noch so lange einen Vorsprung im Electoral College zu verschaffen, wie die neue Minderheiten- und Jugendbewegung einträfe und den Demokraten weitere Wahlsiege garantierte.

Doch Trump zerstörte beide Annahmen der Demografen. 2016 erbrachte er den Beweis, dass eine Wahl noch immer von den Stimmen der weißen Amerikaner entschieden werden kann. Mehr noch: Trump konnte genügend Stimmen sammeln, während er Konflikte zwischen den Ethnien explizit anstachelte. Gleichzeitig ging der Anteil der Minderheitenstimmen für die Demokraten auf das Niveau vor Obama zurück, was dafür spricht, dass es eines ­besonderen Kandidaten bedarf, um die für den Sieg nötige hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Schließlich eroberte Trump auch noch die einstigen demokratischen Rust-Belt-Hochburgen Ohio, Wisconsin, Michigan und Pennsylvania.

Republikaner mit eingebautem Vorsprung

Auf der neuen politischen Landkarte sind es die Republikaner, die einen eingebauten Vorsprung zu haben scheinen. Wenn Trump die meisten seiner 2016 gewonnenen Staaten halten kann, befindet er sich auf dem besten Weg zur Wiederwahl. Die Liste der traditionell eher republikanischen Staaten, die die Demokraten erobern könnten, ist hingegen kurz. Sie hoffen, eines Tages Texas und die minderheitenstarken Südstaaten wie Georgia zu gewinnen. Doch es dürfte noch ein bis zwei Wahlzyklen dauern, bis das gelingt. Die Zeit der Minderheiten wird kommen, aber noch nicht sofort. Mittelfristig könnte sich die Strategie der Republikaner, auf weiße Stimmen und rassistisch-spaltende Rhetorik zu setzen, daher als selbstmörderisch erweisen. Bis es so weit ist, wird Trump allerdings schon lange Geschichte sein.

Nicht zuletzt profitiert Trump vom Zustand der amerikanischen Medienlandschaft. Er genießt die uneingeschränkte Unterstützung der republikanischen Haus- und Hofmedien. Eine parteiische Presse ist heute nichts Neues mehr, aber anders als in anderen Demokratien gab es in den USA jahrzehntelang keine Presseorgane, die strikt einer Parteilinie folgten. Stattdessen existierte eine Mitte-links verortete Mainstream-Presse, die in der Regel um Objektivität bemüht war, und eine kleine derbe, konservative Alternative.

In den vergangenen 30 Jahren ist die rechte Presse erstarkt, unter Trump hat sie ihren Höhepunkt erreicht. Dabei dient sie weniger dem Konservatismus als Trump selbst. Das prominenteste Beispiel ist natürlich der Fernsehsender Fox News mit seinem Star-Moderator Sean Hannity, der angeblich täglich mit dem Präsidenten telefoniert. Bill Shine, der ehemalige Vizepräsident des Senders, der wegen Vertuschung sexueller Belästigungen gehen musste, ist nun Trumps Kommunikationsdirektor im Weißen Haus. Und neben Fox News gibt es noch eine Reihe weiterer konservativer Medien, die innerhalb ihrer Zielgruppe extrem einflussreich sind.

Trumps angeborener Instinkt

Und dann sind da noch die Besonderheiten des aufziehenden Wahlkampfs 2020. Überall werden Trumps Schwächen rauf- und runterdiskutiert, dabei vergessen die Beobachter allerdings schnell seine Stärken als Politiker. Viele nahmen Trump 2016 deshalb nicht ernst, weil er der nächste in einer ganzen Reihe von Unternehmern zu sein schien, die mit großen Erwartungen auf die politische Bühne drängen, nur um dann schnell wieder zu verschwinden. Es war nicht sofort offensichtlich, dass Trump anders als seine gescheiterten Vorgänger einen angeborenen Instinkt besitzt, die Wähler zu erreichen und Missstände gnadenlos auszunutzen. Eine von Trumps größten Schwächen ist dabei gleichzeitig eine Stärke: Er ist bereit, fast alles zu sagen und zu tun, ohne jegliches Schamgefühl zu zeigen.

Die wichtigste Fähigkeit, die Trump als Unternehmer lernte, ist die Medienmanipulation. Schon immer war sein Ruf weit besser als sein tatsächlicher Erfolg. Trump war seit jeher gut darin, positive Berichterstattung zu erzeugen. Diese Fähigkeit übertrug er auf seine Kandidatur, indem er nonstop Interviews und Pressekonferenzen gab (erst später schränkte er den Zugang der Medien ein). Die Wahl 2016 zeigte, dass traditionelle Medien schlecht auf den Umgang mit einem erfolgreichen Lügner wie Trump vorbereitet waren. Als Kandidat perfektionierte er die Kunst, eine unverschämte und meist unwahre Aussage zu machen – und dann schnell den Fokus auf die nächste unverschämte und meist unwahre Aussage zu lenken. Die Folge war, dass keine seiner Geschichten gewissenhaft überprüft werden konnte, Trump aber dauerhaft im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Eine Agentur bezifferte den Werbewert von Trumps Medienpräsenz im Wahlkampf 2016 auf fünf Milliarden Dollar. Und noch immer scheinen Medien nicht zu wissen, wie sie über Trump berichten können, ohne ihm in die Karten zu spielen. Seit er Präsident der Vereinigten Staaten ist, ist es noch schwerer geworden, seinen Ködern zu widerstehen.

Obwohl Trump verdientermaßen für seine Unehrlichkeit bekannt ist, arbeitet er überraschend hartnäckig an der Erfüllung seiner wichtigsten Wahlversprechen – selbst gegen Widerstände in seiner eigenen Partei und auch wenn klar ist, dass die Umsetzung zwar seiner Wählerbasis gefällt, seiner Popularität insgesamt aber schadet. Trotz zahlreicher Rückschläge zeigt Trump keinerlei Bereitschaft, seinen Traum von der Grenzmauer zu Mexiko aufzugeben. Er hat Handelskriege angezettelt, obwohl diese auch amerikanischen Produzenten und Konsumenten weh tun. Den Bedenken seiner Berater zum Trotz kündigte Trump den Atomdeal mit dem Iran auf. Seine Nominierten für den Supreme Court waren wie versprochen konservative christliche Kreuzritter – im Unterschied zu früheren republikanischen Präsidenten, die trotz größerer Verbundenheit zu konservativen und christlichen Idealen moderate Richter auswählten.

Es steht zu erwarten, dass Trump diesmal mit vollen Taschen in den Wahlkampf zieht. Während seine erste Kandidatur mit einem vergleichsweise schmalen Budget auskam, hat Trump bis zum Sommer 2018 bereits knapp 100 Millionen Dollar gesammelt. Er profitiert zudem von einer Republikanischen Partei, die ihm anders als damals nicht mehr ambivalent gegenübersteht, sondern von Trump weitgehend zu seinen Gunsten umgeformt wurde.

Und schließlich könnte Trump 2020 wieder einmal Glück mit seinen Konkurrenten haben. Hillary Clinton war 2016 eine dankbare Gegnerin, weil sie ungeschickt und zu langsam agierte. Noch gibt es keinen Favoriten auf ihre Nachfolge; entsprechend umkämpft und teuer dürften die Vorwahlen der Demokraten werden. Zwar ist die Liste der möglichen Kandidaten lang, doch alle haben potenziell entscheidende Schwächen: Sie sind zu alt (Elizabeth Warren, Bernie Sanders, Joe Biden), zu jung (Cory Booker, Kamala Harris), zu langweilig (Kirsten Gillibrand, Eric Garcetti), zu aufregend (Michael Avenatti), zu links (Warren, Sanders), zu moderat (Biden) und so weiter.

Während die Demokraten fest mit einem Wahlsieg bei den Zwischenwahlen im November rechnen, läge auch darin eine Gefahr. Schon jetzt plant die Partei neue Untersuchungen wegen angeblicher Korruption und schmiedet weitere Pläne, wie man Trump attackieren kann. Es stimmt zwar, dass Trump ungewöhnlich unpopulär und anfällig für derartige Ermittlungen ist. In der Vergangenheit sind aggressive Angriffe der Opposition auf die Regierung nach gewonnenen Zwischenwahlen aber auch schon öfter nach hinten losgegangen: In den Midterm-Wahlen 1994 verhalfen die Wähler zwar den Republikanern zur Mehrheit, ermöglichten Präsident Clinton zwei Jahre später aber dennoch eine weitere Amtszeit. Auch Obama machten die Wähler 2010 das Leben schwer, indem sie in Scharen den Republikanern der „Tea Party“-Bewegung ihre Stimmen gaben. 2012 wurde Obama dennoch mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt.

Noch wissen wir nicht, wie sich die amerikanische Wirtschaft in den nächsten zwei Jahren entwickeln wird und wie sich die Demokraten im Kongress verhalten werden. Genauso wenig wissen wir, ob Trump in eine nicht hausgemachte Krise geraten wird. Es ist deshalb noch zu früh, um ihn zum Favoriten für 2020 zu erklären. Aber nach der Betrachtung der genannten Faktoren ist es gut möglich, dass es so kommen könnte.

Wer könnte Amtsinhaber Trump schlagen?

Dennoch sind Trumps Schwächen real; es ist leicht vorstellbar, wie er sich neben Jimmy Carter und George H.W. Bush in die Riege der Präsidenten einreiht, die nur eine Amtsperiode regieren durften. Die Frage ist: Wer könnte ihn 2020 schlagen?

Vielleicht entscheidet sich Trump ja, nicht noch einmal anzutreten. Am Wahltag wird er 76 Jahre alt sein, älter als jeder andere Nominierte in der Geschichte. Trumps erste Amtszeit war geprägt von Frustration und endlosen Ermittlungen – oft wirkte Trump schlicht unglücklich mit seinem Job, den er angeblich ohnehin nie wirklich haben wollte und mit dem er 2016 angeblich bis zuletzt selbst nicht gerechnet hatte. Angesichts Trumps trotziger Persönlichkeit ist es zwar schwer vorstellbar, dass er sein Amt freiwillig abgeben würde – ein Rücktritt nach vier Jahren würde ihm allerdings einen vergleichsweise eleganten Abgang ermöglichen. Sowohl für ihn als auch für das Land wäre es wahrscheinlich eine Erleichterung.

Nun war Eleganz aber noch nie Trumps Stärke. Eher stellt sich also die Frage, wer Trumps Konkurrenten sein werden. Nach Lage der Dinge würde Trump wahrscheinlich in den Vorwahlen von einem republikanischen Mitbewerber herausgefordert werden. John Kasich gilt dabei als aussichtsreichster Kandidat. Dass ein extrem unpopulärer Präsident innerparteiliche Rivalen hat, ist nicht ungewöhnlich. Doch Trump ist in einer erstaunlich starken Position: Trotz seiner schlechten allgemeinen Umfragewerte ist er unter republikanischen Wählern weiterhin extrem beliebt.

Bei den Demokraten bleibt das Rennen eng. Im Grunde hat die Partei drei Alternativen: Sie könnte ein bekanntes, verlässliches Gesicht nominieren, so wie den früheren Vizepräsidenten Joe Biden, den 2016 gegen Clinton unterlegenen Bernie Sanders oder den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick. Sie könnte sich aber auch für ein neues Gesicht entscheiden. Infrage kommen unter anderem die Senatoren Cory Booker, Elizabeth Warren, Kirsten Gillibrand und Kamala Harris; der Gouverneur von Colorado, John Hickenlooper; und Eric Garcetti, der Bürgermeister von Los Angeles. Nicht zuletzt könnte die Wahl auf einen politischen Newcomer fallen. Es spricht für die desolate Lage der Parteiführung, dass jeder dieser Wege mit Gefahren gepflastert ist.

Was die bekannten Gesichter angeht: Biden hat schon mehrfach die Präsidentschaft angestrebt und nie gut abgeschnitten. Außerdem wäre er bei seiner Amtseinführung 77 Jahre alt. Sanders, der ebenfalls am Ende seiner Karriere angekommen ist, konnte in den Vorwahlen 2016 überraschen – ob sein radikaler Linkskurs allerdings landesweit genug Stimmen bringen würde, ist mehr als fraglich. Deval Patrick war zwar ein angesehener Gouverneur, hat allerdings kein nationales Profil.

Mit frischem Wind, aber geringer Erfahrung

Die neuen Gesichter könnten den Demokraten frischen Wind bringen, haben aber den Nachteil, dass sie sich auf höchster Ebene noch nicht bewährt haben. Warren ist wohl die stärkste (aber auch die älteste) der möglichen Kandidaten, wenngleich sie bisher nur im äußerst liberalen Massachusetts Wahlkampferfahrung gesammelt hat. Booker ist hochambitioniert und charismatisch, aber undurchsichtig, was seine Politik angeht. Harris trifft den Geschmack vieler Demokraten, hat ihre Karriere im Senat aber gerade erst begonnen. Gillibrand hat zwar größere Erfahrung vorzuweisen und repräsentierte das wohlhabende und bevölkerungsreiche New York, gilt aber nicht gerade als die aufregendste Kandidatin. Garcetti wäre eine ungewöhnliche Wahl, denn seit 1812 wurde kein Bürgermeister mehr zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Hicken­looper ist der Liebling der Kommentatoren der politischen Mitte, aber seine Anziehungskraft über diesen Kreis hinaus ist nicht bewiesen.

Schließlich könnten die Demokraten Feuer mit Feuer bekämpfen und als Äquivalent zu Trump einen prominenten Kandidaten aufstellen, der nicht aus dem Politikbetrieb kommt. Dass es Unterstützung für einen solchen Plan gibt, zeigte sich im Januar 2018, als Oprah Winfreys Rede bei einer Preisverleihung zahlreiche Aufforderungen nach sich zog, sie möge sich um das Präsidentenamt bewerben. Winfrey äußerte Bedenken; andere Prominente könnten weniger zurückhaltend sein. Der frühere Starbucks-Geschäftsführer Howard Schultz erwägt wohl eine Kandidatur. Auch Michael Avenatti, der umtriebige Anwalt der Pornodarstellerin Stormy Daniels, mit der Trump ein Verhältnis gehabt haben soll, hat sein Interesse angekündigt und sogar bereits den ersten wichtigen Vorwahlstaat Iowa besucht.

Der Kampf zwischen dem Mitte-Links- und dem quasisozialistischen Flügel wird oft als bestimmende Konfliktlinie in der Demokratischen Partei beschrieben. Sollte Biden oder Sanders zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden, könnte dieser Streit offen ausbrechen. In allen anderen Fällen dürfte die Beschreibung an der Realität vorbeigehen. Zum einen haben selbst die vorsichtigeren und moderaten Kandidaten wie Booker einige von Sanders Ideen übernommen, wie zum Beispiel eine Jobgarantie für Erwachsene. Zum anderen wird es den Wählern der Demokraten vor allem darum gehen, unabhängig von der politischen Strömung einen Kandidaten zu finden, der Trump 2020 schlagen kann.

Angesichts der wachsenden Abhängigkeit der Partei von Minderheiten und weiblichen Wählern ist es schwer vorstellbar, dass die Demokraten einen weißen Mann nominieren. Zwar glauben manche in der Partei, dass man die weißen Arbeiter, die einst die Demokraten unterstützten und dann zu Trump wechselten, so am besten zurückgewinnen könnte. Doch die vorherrschende Meinung besagt, dass in einer Partei, die viele Frauen und Vertreter ethnischer Minderheiten zu Wahlen aufstellt, ein weißer Mann als Kandidat politisch unhaltbar wäre – gerade wegen Trumps spaltender Rhetorik gegenüber diesen Gruppen.

Da könnte etwas dran sein. Wenn es so ist, werden die Demokraten alle Kraft daransetzen, die Wahlbeteiligung der Minderheiten in die Höhe zu treiben, genau wie es Obama gemacht hat. Und sie müssten es schaffen, die Staaten des Rust Belt zurückzugewinnen. Denn am Ende dürfte der entscheidende Vorsprung bei den Wahlmännern hauchdünn sein. Sollte es nicht reichen, würden die Demokraten am Morgen nach der Wahl geschlagen aufwachen. Schon wieder.

David Graham beobachtet für das Magazin The Atlantic die amerikanische ­Innenpolitik.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November-Dezember 2018, S. 14-21

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