Gegen den Strich

01. Jan. 2021

China versus USA

Befindet sich die Welt in einem neuen kalten Krieg? Wenn ja, wer wird ihn gewinnen? Und wo bleibt Europa im Ringen der Giganten? Wenig ist sicher in der Auseinandersetzung zwischen Peking und Washington. Nur eines steht fest: Dieser Wettbewerb wird das kommende Jahrzehnt bestimmen. Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen.

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Bild: Demonstranten zeigen Solidarität mit Hingkong und Taiwan
Mit harter Hand: China zieht es vor, seinen Machtanspruch friedlich durchzusetzen, es zögert aber nicht, Gewalt anzuwenden. Proteste in Hongkong im Herbst 2019.
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„Wir erleben den Beginn eines neuen kalten Krieges, nun zwischen China und den USA“

Man könnte das so nennen – aber dieser kalte Krieg wird anders sein als der alte. Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion war eine Auseinandersetzung zweier Supermächte, an deren Machtfülle niemand anders auch nur annähernd heranreichte. Die Auseinandersetzung wurde zwischen zwei Militär- und Wirtschaftsblöcken ausgefochten; zwischen den Blöcken gab es kaum Handelsbeziehungen, die wirtschaftliche „Entkoppelung“ wurde durch aufwändige Sanktionsmechanismen überwacht. Im Kern der Auseinandersetzung standen miteinander unvereinbare Ideologien und Ordnungspolitiken: Waren Demokratie und Marktwirtschaft besser geeignet, gesellschaftliche Entwicklung weltweit voranzubringen, oder Lenins „demokratischer Zentralismus“ und die Planwirtschaft?



Der neue kalte Krieg (wenn wir ihn so bezeichnen wollen) kennt ebenfalls zwei Supermächte, aber im Unterschied zum alten sind die beiden Kontrahenten wirtschaftlich eng miteinander verwoben. 2019 kamen 18 Prozent der amerikanischen Importe aus China und 6 Prozent der chinesischen Einfuhren aus Amerika. Ein erheblicher Teil der US-Einfuhren aus China stammte von amerikanischen Unternehmen, die in China produzieren lassen: Die amerikanischen Direktinvestitionen in China beliefen sich 2019 auf rund 110 Milliarden Dollar, Tendenz weiter steigend, trotz des Handelskriegs. Zum Vergleich: Die amerikanischen Direktinvestitionen in Japan beliefen sich im selben Jahr auf 113 Milliarden Dollar, die in Deutschland auf 146 Milliarden.



Der chinesische Staat ist einer der wichtigsten Gläubiger der USA: Er hält US-Staatsanleihen im Wert von über einer Billion Dollar, also rund 4 Prozent der gesamten amerikanischen Staatsschulden. Ökonomen haben diese wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit mit der Mutual Assured Destruction (MAD) verglichen, dem nuklearen Patt des Kalten Krieges: Diese wirtschaftlichen Interdependenzen auseinanderzureißen wäre für beide Seiten katastrophal.



In den engen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen zwischen Amerika und China („Chimerica“, wie das Niall Ferguson einmal genannt hat) unterscheidet sich demnach der neue kalte Krieg vom alten. Allerdings sollte man gerade diesen Unterschied nicht überbewerten: Es stimmt zwar, dass im Kalten Krieg kaum wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten bestanden, aber die gegenseitige Bedrohung durch Atomwaffen schuf eine andere, existenzielle Form der Abhängigkeit. Diese trug dazu bei, den Kalten Krieg im vorigen Jahrhundert einzuhegen und zu entschärfen; diese gesicherte nukleare Zweitschlagsfähigkeit gilt auch im Verhältnis zwischen Amerika und China. Beides, die wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten wie die nukleare Zweitschlagsfähigkeit, sollte die Risikobereitschaft der beiden Kontrahenten dämpfen.



Ein weiterer oft genannter Unterschied zwischen dem alten Kalten Krieg und der Lage heute ist die Beobachtung, dass der Konflikt zwischen Amerika und China nicht ideologisch aufgeladen sei. Weder das China von Staats- und Parteichef Xi Jinping noch das Amerika von Donald Trump (oder künftig von Joe Biden) wollen ihr Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikmodell 1:1 exportieren. Das stimmt – aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Dann zeigt sich, dass der neue kalte Krieg zwar in der Tat vor allem ein Statuskonflikt ist: Es geht um die Vormachtstellung in der Region Ostasien-Pazifik. Aber der Gegensatz hat durchaus etwas mit ideologischer Systemkonkurrenz zu tun. Das hat auch die EU für ihr Verhältnis zu China festgestellt: Die Volksrepublik gilt ihr als Partner, aber gleichzeitig als Konkurrent und systemischer Rivale. Denn die kommunistische Führung Chinas sieht sich seit jeher durch das liberaldemokratische Gedankengut des Westens in ihrem innenpolitischen Machtanspruch bedroht; Peking versteht das als Kampf auf Leben und Tod und reagiert darauf mit einer weltweiten Propagandakampagne und gezielter Einflussnahme.



Umgekehrt rufen in den USA nicht nur die Paladine von Donald Trump zum ideologischen Kreuzzug gegen China auf, sondern auch führende Demokraten wie Nancy Pelosi. Kein Zweifel: Der Konflikt zwischen Amerika und China trägt auch ideologische Züge. Er reicht tief hinein in die Innenpolitik nicht nur der beiden Supermächte, sondern auch von anderen Ländern – wie damals zu Zeiten des Kalten Krieges, wenn auch Propaganda und Einflussversuche heute mit anderen Mitteln funktionieren, etwa über die sozialen Medien.



„Über kurz oder lang wird China die USA als einzige Supermacht ablösen“

Wohl kaum. Zwar hat die Volksrepublik inzwischen zu den USA aufgeschlossen und spielt heute mit Amerika als einzige andere Supermacht in der obersten Liga der Weltpolitik. Aber daraus folgt nicht, dass China Amerika ablösen wird; eher zeichnet sich ein weltpolitisches Patt ab, ein Tauziehen zwischen China, dem Westen, der ja keineswegs nur aus Amerika besteht, und anderen Staaten.



Gegen Ende des Kalten Krieges erregte eine Studie des britisch-amerikanischen Historikers Paul Kennedy viel Aufmerksamkeit, die sich mit dem Aufstieg und Fall der Großmächte in der modernen Geschichte beschäftigte. Kennedys Schlüsselthese lautete: Wirtschaftskraft sei die wichtigste Voraussetzung für militärische und politische Machtentfaltung. Umgekehrt führten aber gerade die Ausübung und Entfaltung dieser Macht dazu, dass ihre wirtschaftlichen Grundlagen überfordert würden – mit der Folge einer Machtüberdehnung und einem Abstieg als Großmacht.



Chinas beispielloser Aufstieg seit 1978, aber auch die Krise der amerikanischen Führungsmacht scheinen diese Thesen zu bestätigen: Die Volksrepublik hat die Vereinigten Staaten inzwischen in ihrem wirtschaftlichen Gewicht je nach Berechnungsmodus schon jetzt überholt (so etwa das World Fact Book der CIA) oder wird sie sehr bald überholen. Allerdings sieht es beim Durchschnittseinkommen pro Kopf noch ganz anders aus: Hier liegen die USA kaufkraftbereinigt bei rund 60 000, China bei 18 200 Dollar pro Jahr.



Gestützt auf seinen historisch einzigartigen Wirtschaftsaufschwung entwickelte sich China zur Militärmacht: Mit ihren Rüstungs- und Verteidigungsausgaben von rund 261 Milliarden Dollar lag die Volksrepublik 2019, wenngleich mit deutlichem Abstand zu den USA (731 Milliarden Dollar), weltweit auf Platz zwei vor Russland, Indien, Saudi-Arabien, Frankreich sowie Deutschland und Großbritannien. Zwar ist der Abstand zu Amerika noch groß, aber die Lücke schließt sich rasch: Noch im Jahr 2000 gaben die USA fast elf Mal so viel wie China für Rüstung aus, 2010 noch sechs Mal, inzwischen nur noch knapp drei Mal so viel.



Es scheint also nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis China die USA auch hier überholt haben wird. Hinzu kommt, dass Amerika mit seinen Rüstungsausgaben eine globale Führungsrolle abstützt, während sich die Volksrepublik auf ihre eigene Region konzentrieren und deshalb die militärische Dominanz der USA in Ostasien schon jetzt ernsthaft gefährden kann.



Eine weitere wichtige Dimension der Machtpotenziale eines Landes ist seine technologische Leistungsfähigkeit. Auch hier hat China in den vergangenen Jahrzehnten den Abstand zur Führungsmacht USA dramatisch verringert und ist in einigen Feldern wie dem maschinellen Lernen gleichgezogen. Mit gewaltigen staatlichen Förderprogrammen und anderen Lenkungsmaßnahmen versucht die Volksrepublik derzeit, die USA bis Mitte des Jahrzehnts in allen wesentlichen Zukunftstechnologien einzuholen oder zu übertreffen.

Dennoch liegt Amerika technologisch noch eindeutig in Führung – nicht zuletzt deshalb, weil dort die meisten der führenden Technologiekonzerne beheimatet sind: In der Informationstechnologie etwa haben 15 der 50 weltweit wichtigsten Unternehmen ihren Stammsitz in den USA, weitere 27 in Ländern, die eng mit Amerika verbündet sind; lediglich acht dieser Firmen kommen aus China.



Und auch in China wachsen die Bäume nicht in den Himmel: Vor fünf Jahren gab China mit der industriepolitischen Strategie „Made in China 2025“ das Ziel aus, seine ausgeprägte Abhängigkeit von Mikroprozessoren aus dem Ausland abzubauen. Damals importierte die Volksrepublik Halbleiter im Wert von jährlich rund 200 Milliarden Dollar, derzeit liegen die jährlichen Einfuhren sogar bei 300 Milliarden.



All diese Versuche, Machtverhältnisse zwischen Staaten zu quantifizieren, sind aber mit Vorsicht zu behandeln: Entscheidend für den tatsächlichen Einfluss eines Landes sind nicht die Machtpotenziale, sondern ihre Übersetzung in Einfluss durch kluge Politik. Salopp formuliert: Es geht letztlich darum, die Pferdestärken auch tatsächlich auf die Straße zu bringen, und dabei kann große Macht durchaus hinderlich sein, wenn sie Vorbehalte, Bedenken und Ängste schürt.



Um diesen Effekt auszugleichen, spielt „sanfte“ Macht eine wichtige Rolle, die vielbeschworene Soft Power: Sie ist definiert als die Fähigkeit, andere für die eigenen Ziele und Strategien einzunehmen und sie so als Verbündete zu gewinnen. Auch hier ist China in den vergangenen Jahren in die Offensive gegangen. Peking will mit einer weltweit ausgelegten Einflusskampagne Sympathien und Gefolgschaft gewinnen, um so „die Welt sicher zu machen“ – nicht für die Demokratie (wie Woodrow Wilson 1917 meinte), sondern für den Machterhalt der Kommunistischen Partei Chinas. Schließlich haben auch der Zusammenhalt einer Gesellschaft und die Qualität und Leistungsfähigkeit der politischen Ordnung erhebliche Bedeutung bei der Übersetzung von Macht in Einfluss.



Wie sich das Tauziehen zwischen den beiden Supermächten entwickeln wird, ist deshalb schwer zu prognostizieren. Die Krise der USA ist offensichtlich, China scheint in einer starken Position. Aber im Gegensatz zu Amerika oder Indien weist das Land eine sehr rasch alternde Gesellschaft auf, und es muss im Gefolge des ökologischen Raubbaus seines Wachstumsmodells in den kommenden Jahrzehnten mit massiven Umweltproblemen fertig werden.



Zudem ist Chinas Politikmodell anfällig für Machtmissbrauch und Diadochenkämpfe um die Nachfolge. Kurzum: China schließt zwar zu Amerika auf – aber das bedeutet noch nicht, dass es die USA als einzige Supermacht ablösen wird.



Das wahrscheinlichste Szenario ist eine bipolare Welt, in der andere Groß- und Mittelmächte, kleine Staaten, Vertreter der Zivilgesellschaft und internationale Organisationen zwischen den beiden Machtzentren Amerika und China navigieren und je nach Politikfeld mal mit dem einen, mal mit dem anderen kooperieren – oder auch mit beiden gleichzeitig.



„Corona hat gezeigt, dass das autoritäre China dem demokratischen Amerika überlegen ist“

Nun ja. Zweifellos hat China die Pandemie, nachdem örtliche Funktionäre sie zunächst vertuscht und so ihren weltweiten Ausbruch ermöglicht hatten, eisern in den Griff genommen und seither erfolgreich kontrolliert. Das hat auch eine rasche Erholung der chinesischen Wirtschaft ermöglicht, die als erste schwer getroffen wurde. Die US-Regierung unter Führung von Präsident Donald Trump hat dagegen in der Pandemie versagt und dadurch viele der inzwischen mehr als 280 000  Toten zu verantworten, die Amerika bislang zu beklagen hat.



Die Ansicht, dass autoritäre Staaten die Pandemie insgesamt erfolgreicher gemeistert hätten als demokratisch regierte, ist allerdings irrig: Am besten haben bislang demokratisch regierte Staaten in Ostasien-Pazifik abgeschnitten, etwa Südkorea, Japan und Neuseeland (25 Todesfälle), aber auch das kommunistische Vietnam (35 Todesfälle).



Besonders eindrucksvoll war und ist der Umgang Taiwans mit der Pandemie: Das Land verzeichnete bislang nur 580 Ansteckungsfälle und sieben Tote, die Volksrepublik China dagegen offiziell 4746 Tote bei einer Gesamtbevölkerung, die rund 60 Mal so groß ist (1,394 Milliarden gegenüber 23,6 Millionen). Taiwan erreichte dies mit einer Politik, die auf höchste Transparenz aller Maßnahmen und darauf setzte, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten. Demokratisch regierte Länder sind in Krisensituationen also ebenso wenig zum Scheitern verurteilt wie autokratisch oder totalitär regierte Systeme diese stets erfolgreich meistern.



Das Chaospotenzial der kommunistisch regierten Volksrepublik China zeigte sich unter Mao Zedong, als eine verfehlte Kampagnenpolitik die größte Hungersnot der Geschichte auslöste: Viele Millionen Chinesen starben, seriöse Schätzungen reichen von 15 bis zu 55 Millionen Opfern.



„Chinas Aufstieg ist für niemanden eine Bedrohung“

Frag nach bei den Nachbarn. Die sehen den Aufstieg des Reiches der Mitte mit großer Sorge: Etwa Japan, das sich wachsendem massiven militärischen Druck seitens Chinas ausgesetzt sieht, oder Taiwan. Erst kürzlich erklärte der Botschafter der Volksrepublik China in Frankreich, es sei selbstverständlich, dass chinesische Kampfflugzeuge im Luftraum Taiwans operieren dürften – schließlich sei Taiwan ja Teil des chinesischen Staatsgebiets. In Südostasien zeigte eine Umfrage unter Eliten der ASEAN- Staaten, dass China immer größerer wirtschaftlicher, politischer und strategischer Einfluss in der Region zugeschrieben wird und dies eine große Mehrheit sehr beunruhigt.



Ohnehin ist die Geschichte vom friedlichen Aufstieg Chinas eine historische Mär. Im 17. und 18. Jahrhundert, als sich europäische Staaten überseeische Kolonialreiche verschafften, expandierte die Qing-Dynastie mit überlegener militärischer Macht nach Zentralasien und verdoppelte so das von ihr beherrschte Territorium in den eineinhalb Jahrhunderten von 1650 bis 1800. Am Ende der Expansionsphase gebot der Kaiser Qianlong über rund 10 Prozent der Landfläche der Welt, über rund 30 Prozent der Weltbevölkerung und ein Drittel der Weltwirtschaft. Auch das kommunistische China vergrößerte seinen Herrschaftsbereich mit militärischer Eroberungs- und Unterdrückungspolitik, etwa in Tibet 1951 und 1959 oder gegenüber Vietnam 1974 und 1979.



Und auch wenn Peking die traditionellen Konzepte für seine bilateralen Beziehungen, das harmonische Zusammenleben aller „unter einem Himmel“ oder das Tributsystem für den Warenaustausch, heute wieder aufgreift und neu zu beleben versucht: Sie passen nicht mehr zur modernen, nationalstaatlich verfassten internationalen Politik. Schließlich definiert sich die Volksrepublik nicht mehr als Imperium, sondern als Nationalstaat und beansprucht Souveränität – Begriffe, für die es in der vormodernen Geschichte Ostasiens keine Entsprechungen gab.



Zudem schätzt die Kommunistische Partei zwar den Rückgriff auf das kulturelle Erbe und die Traditionen Chinas wie etwa den Konfuzianismus, um sie für ihre Zwecke zu nutzen. Zugleich aber ist sie eine marxistisch-leninistische und damit zutiefst westlich geprägte Kaderorganisation, die nichts mit konfuzianischen Werten wie Mäßigung und Selbstbescheidung im Sinn hat. Kein Wunder also, dass Chinas Nachbarn sich bedroht fühlen: Sie sehen, dass China es zwar vorzieht, seinen Machtanspruch mit friedlichen Mitteln durchzusetzen, aber nicht zögern würde, auch Gewalt anzuwenden, wenn dies der Führung in Peking opportun erscheint.



Vorsicht ist auch geboten, wenn es um Chinas Bemühungen geht, sich als Vorkämpfer für den Multilateralismus zu präsentierten. Xi Jinping hat das im Februar 2017 in Davos als Kontrastprogramm zum frisch gekürten US-Präsidenten Donald Trump und seinem Programm des „America First“ sehr clever gemacht und tut es seither immer wieder, zuletzt bei der Verabschiedung des größten Freihandelsabkommens der Welt RCEP.



Und es stimmt ja: China hat sich inzwischen zu einem Befürworter des Multilateralismus entwickelt – allerdings nur, solange dieser inhaltlich den Vorstellungen der eigenen Führung entspricht. Offene Märkte sind nach dieser Lesart vor allem dann gut, wenn das chinesische Produkte betrifft; weniger gut dagegen, wenn es um Einfuhren nach China in Wirtschaftsbereiche geht, die aus Sicht der Staatsführung strategisch bedeutsam sind.



Menschenrechte zu schützen und gegen Unterdrückung zu protestieren, ist wiederum schlecht, weil das eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ sei.



„Aus dem Ringen zwischen Peking und Washington wird Europa als lachender Dritter hervorgehen“

Schön wär’s. Das ist nur dann vorstellbar, wenn es der Europäischen Union gelingt, außen- und sicherheitspolitisch wirklich handlungsfähig zu werden, gerade China gegenüber. Dafür gibt es bislang nur wenige Anhaltspunkte: Insgesamt wirkt die EU im Umgang mit Peking häufig zerstritten – was China durch seine Politik des „Teile und herrsche“ auch bewusst und gezielt fördert.

Der Mangel an Geschlossenheit der EU war so offensichtlich und gravierend, dass sich der Hohe Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell, im Mai 2020 veranlasst sah, in einem Meinungsbeitrag für mehrere europäische Tageszeitungen Geschlossenheit anzumahnen.



Und so waren gleich mehrere Anläufe notwendig, bis sich die EU auf gemeinsame Sanktionen wegen des chinesischen Vorgehens in Hongkong verständigen konnte. Immerhin gelang die Einigung am Ende, und auch in anderen Bereichen gab es Fortschritte, etwa bei der Prüfung chinesischer Direktinvestitionen in Europa. Für das Jahr 2021 sind zwei chinesisch-europäische Spitzentreffen geplant, eines mit den 27 Mitgliedstaaten der EU und ein zweites im Format „China+17“, wo China die Staats- und Regierungschefs 17 mittel- und osteuropäischer Staaten um sich schart, darunter etliche EU-Mitgliedsländer. Geschlossenes Auftreten sieht anders aus.



Doch nur als schlagkräftige Einheit wäre die EU in der Lage, Koalitionen etwa mit der US- Regierung und Partnern im Indo-Pazifik zu schmieden und so China zu beeindrucken. Europas wichtigste Trumpfkarte bleibt die Fähigkeit, den Zugang zum europäischen Binnenmarkt und damit zum (noch) größten einheitlichen Wirtschaftsraum der Welt zu regeln, mit allem, was dazu gehört: seinen Absatzchancen, seiner technologischen Innovationskraft und seinen vielfältigen materiellen und immateriellen Ressourcen.



Prof. Dr. Hanns W. Maull ist Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Senior Associate Fellow beim Mercator Institute for China Studies (MERICS).

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar-Februar 2021, S. 110-115

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