Vermittler in Bedrängnis
Politische Stiftungen und Demokratieförderung in der arabischen Welt
Knapp ein Jahr nach Beginn der Arabellion fällt die Bilanz zum Teil ernüchternd aus. Die EU, die mit dem „Demokratiefonds Nordafrika“ auch die deutschen politischen Stiftungen mit zusätzlichen Ressourcen ausstattet, muss feststellen, dass sie bei den Eliten in einigen Ländern auf Widerstand stößt. Scheitert der Versuch, den Wandel mitzugestalten?
Am 29. Dezember 2011 wurden die Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und zahlreicher Nichtregierungsorganisationen in Kairo durchsucht, Computer wurden beschlagnahmt, Unterlagen konfisziert und Konten gesperrt. Im Februar 2012 erhob die ägyptische Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verdachts der illegalen Präsenz im Land und nicht genehmigter finanzieller Transaktionen. Der gleiche Vorwurf galt einer Reihe von weiteren Organisationen, hauptsächlich amerikanischen. Obwohl der außenpolitische Schaden, den sich Ägypten durch sein Vorgehen einhandelte, beträchtlich war, gingen die Behörden unnachgiebig und mit wachsender Härte gegen das vermeintlich illegale Handeln vor.
Bald entwickelte sich der Fall zu einem Katz- und Maus-Spiel zwischen den ägyptischen Behörden und den betroffenen Institutionen. Zunächst wurde die Razzia als Missverständnis deklariert; man versprach, alle Unterlagen herauszugeben und die Konten zu entsperren. Dann kündigten die Behörden die Verhängung eines Ordnungsgeldes an. Es folgten ein Ausreiseverbot für die Mitarbeiter, die Erhebung einer Anklage und der Prozessbeginn im Februar. Nach massiven Protesten wurde dieser vertagt. Die meisten der Angeklagten haben inzwischen nach Zahlung einer hohen Kaution das Land verlassen.
Angst um Posten und Privilegien
Seit beinahe 40 Jahren ist die Konrad-Adenauer-Stiftung in Ägypten präsent. Auch nach den Umbrüchen Anfang 2011 blieb die Stiftung ein geschätzter Partner; die ägyptischen Behörden waren sogar bereit, sich auf politisches Neuland einzulassen. Noch im Frühling 2011 startete die KAS ein Projekt zum Informationsaustausch zwischen der Stasi-Unterlagenbehörde und dem ägyptischen Innenministerium. All dies ließ zunächst auf einen neuen Umgang mit der Vergangenheit schließen.
Doch dieser Eindruck täuschte offenbar. Hintergrund der Anklage war ein Gesetz, das auf das Regime von Hosni Mubarak zurückging und das vorsah, dass sich alle Nichtregierungsorganisationen registrieren lassen müssen. Dieses war derart restriktiv verfasst, dass es im Widerspruch zu dem stand, wie eine NGO operiert und was sie ausmacht, vor allem ihre Unabhängigkeit. Jede Organisation, die sich unter diesem Gesetz hätte registrieren lassen, wäre unter intensive staatliche ägyptische Kontrolle geraten. Da kaum eine Nichtregierungsorganisation nach dem Gesetz registriert war, gab es ein stillschweigendes Übereinkommen, einzelne Projekte zu melden, aber ansonsten unabhängig durchzuführen. An dieses Abkommen hielt man sich von Stiftungsseite, zumal Kosten wie Reisemittel und Unterkunft ohnehin direkt von den Stiftungen übernommen wurden und den lokalen Partnern nur Summen in einer Größenordnung von 300 bis 500 Euro direkt erstattet werden konnten.
Mit den Umbrüchen im Jahr 2011 änderte sich das. Vor allem amerikanische Organisationen brachten erhebliche Geldsummen ins Land; teilweise nutzten die Mitarbeiter dieser Organisationen Touristenvisa, um vor Ort Projekte durchzuführen. Durch dieses Vorgehen wurde das stillschweigende Übereinkommen mit den Regierungsbehörden verletzt. Insbesondere die Vertreter des Ministeriums für internationale Zusammenarbeit empfanden es als Provokation, dass auf einmal erhebliche finanzielle Mittel nahezu unkontrolliert nach Ägypten transferiert wurden. Hinzu kamen die Ängste vor Kontrollverlust und die Sorgen um die eigenen Posten und Privilegien auf Seiten des Militärs, die bereits durch die Jugendproteste im Land geschürt worden waren.
Mit dem Verweis auf eine weitere Destabilisierung des Landes konnten die ägyptischen Behörden das Problem innenpolitisch lösen und dabei noch Sympathien in der Bevölkerung sammeln. Die KAS wurde dabei eher aufgrund unglücklicher Umstände einbezogen – zusammen mit den US-Instituten, gegen die sich die Razzien zunächst gerichtet hatten. Wenngleich der Gesamtbetrag, der den politischen Stiftungen aus EU-Mitteln und anderen Töpfen zur Verfügung steht, in der Summe nicht so sehr ins Gewicht fällt – Stiftungsvertreter sprechen von knapp einer Million Euro pro Land –, so schien ihr Wirken auch in Verbindung mit den Zuwendungen amerikanischer Institutionen und erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit für ihre Projekte den ägyptischen Behörden problematisch genug, um sie mit anzuklagen.
Außenpolitisches Debakel
Für die ägyptischen Behörden erwies sich ihr Vorgehen innenpolitisch zunächst als geschickter Schachzug: Ihnen konnte nicht der Vorwurf gemacht werden, ihre Aktion richtete sich gegen die USA; immerhin war auch eine deutsche Stiftung beteiligt. Gleichzeitig konnten sie darauf verweisen, den Fall einer „unabhängigen“ – freilich der Militärregierung unterstellten – Justiz übergeben und damit die Funktionsfähigkeit des ägyptischen Staates unter Beweis gestellt zu haben. Je unnachgiebiger die Justiz gegen die USA und Deutschland vorging, desto eher glaubte man beim ägyptischen Volk punkten zu können, das die Regierung lange als Vasallen der USA wahrgenommen hatte und Vorbehalte gegenüber Einflüssen von außen hatte. Neben der Militärregierung dürften auch die ägyptischen Ministerien Nutzen aus der Aktion gezogen haben. Sie erhofften sich Kontrolle darüber, welche Projektmittel im Land verteilt werden, wohin sie fließen und wer davon profitiert.
Doch die Aktion ist nicht nur ein Rückschlag für die Demokratiebewegung des Landes – außenpolitisch ist sie ein Debakel. Das Vorgehen wurde von der amerikanischen Regierung ebenso scharf verurteilt wie von der deutschen. Die USA strichen vor allem Zuwendungen für das ägyptische Militär. Allerdings ist ein Einlenken der ägyptischen Regierung kaum zu erwarten, ohne dass diese einen ernsthaften Gesichtsverlust befürchten müsste. Allzu deutlich hat der Fall demonstriert, dass die Regierung kein politisches Konzept hat, wie sie mit Nichtregierungsorganisationen oder politischen Stiftungen umgehen soll. Dabei muss ihr bewusst sein, dass sie dringend internationale Investitionen braucht, um überlebensfähig zu sein. Projekte etwa der KAS zur Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Dialog und Medienkompetenz fördern etwas, an dem es in Ägypten wie in vielen anderen Ländern der Region bisher mangelte: Gemeinsinn, die Überzeugung, dass es, wenn es dem Großteil der Bevölkerung gut geht und nicht nur den Eliten, dem ganzen Land besser geht. Das ist ein Lernprozess, bei dem die Stiftungen Hilfestellung leisten können. Und Ägypten kann es sich, anders als andere, wohlhabendere Länder der Region, kaum leisten, auf Hilfe aus den USA oder Europa zu verzichten.
Neuer Umgang mit internationalen Partnern
Mittlerweile scheint das Vorgehen der ägyptischen Behörden in der Region Schule zu machen. Das erst 2009 eröffnete KAS-Büro in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) musste inzwischen seine Aktivitäten einstellen; auch das Engagement der Stiftungen in Algerien könnte durch ein neues Gesetz für Nichtregierungsorganisationen beeinträchtigt werden. Hier lässt sich ein gewisser Trend beobachten: Dort, wo die alten Eliten an der Macht bleiben und es keinen echten Reformwillen gibt, reagiert man nervös auf Unterstützung von außen.
Ein Jahr nach den Umbrüchen in vielen Teilen der arabischen Welt haben Schulungen, wie sie noch Anfang 2011 von der KAS und dem National Media Council mit Nachwuchsjournalisten in den Emiraten durchgeführt wurden, politisch eine neue Bedeutung. Dem deutschen Botschafter in Abu Dhabi wurde Anfang 2012 mitgeteilt, dass die Präsenz der Stiftung im Land nicht weiter erwünscht sei und das Büro binnen drei Monaten geschlossen werden müsse. Das ist inzwischen auch geschehen. Das gleiche Schicksal ereilte das nach dem Modell der deutschen Stiftungen gegründete National Democratic Institute (NDI) und das renommierte US-Meinungsforschungsinstitut Gallup.
Hatten sich die Emirate 2009 noch als Fortschrittsmotor der Region präsentiert, kündigt sich hier ein neuer Umgang der VAE mit internationalen Partnern an. Zur Begründung geben die Behörden an, dass die angesprochenen Einrichtungen keine gültigen Lizenzen besäßen. Zwar liefen die Verfahren auch nach Aussage von Vertretern der betroffenen Institutionen formal korrekt ab. Doch da man diese Bedenken bei der Eröffnung des KAS-Büros offenbar noch nicht hatte – im Gegenteil, die Regierung erklärte seinerzeit ihre ausdrückliche Unterstützung –, dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass man hier Formalien benutzt, um eine politische Entscheidung zu rechtfertigen. Als „Alarmzeichen für Freiheit und demokratische Entwicklung“ wertet der KAS-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering den Schritt, der auch nicht unbedingt von politischer Weitsicht zeugt: Auch wenn es sich bei den Emiraten um Partner handelt, deren Öl- und Gasreichtum diese zu sehr wenig zwingt, ist internationale Zusammenarbeit auch für die VAE Teil ihrer wirtschaftlichen und politischen Strategie. Die Präsenz der Stiftungen gilt vor allem als Seismograph für die Offenheit des politischen Klimas.
Langer Atem
Für die politischen Stiftungen wird ihre Tätigkeit in Zukunft in bestimmten Ländern der Region schwieriger. Wo alte Machteliten herrschen, dürfte man unermüdlich nach Mitteln und Wegen suchen, die Möglichkeiten der Stiftungen zu beschneiden und die Förderung von Demokratisierungsprojekten zu unterbinden. Seien es eine direkte Aufforderung, das Büro zu schließen, eine Anklageerhebung vor Gericht oder neue Gesetze, die den Nichtregierungsorganisationen eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit praktisch unmöglich machen.
Deutschland und die EU werden einen langen Atem bei der Unterstützung von Transformationsprozessen haben müssen. Sie sollten sich genau überlegen, mit wem sie künftig vor Ort zusammenarbeiten und welche Projekte wirklich förderungswürdig sind. Dazu zählt auch, abwarten zu können, bis man wieder auf potenzielle Partner zugeht und um Unterstützung wirbt. Bei der Vergabe von Mitteln und dem Auftreten im Land sollte umsichtiger gehandelt werden, um keine unnötigen Angriffspunkte zu liefern. Hier geht Qualität vor Quantität: Wenn ein politisch interessierter junger Mensch aus der Region seine Arbeitswoche damit bestreiten könnte, jeden Tag ein Medientraining bei einer anderen Organisation zu absolvieren, dann ist es Zeit, eine kritische Überprüfung der eigenen Projekte vorzunehmen.
Es wäre falsch, das Engagement nun aus Vorsicht einzustellen und diejenigen im Stich zu lassen, die sich für mehr Demokratie einsetzen und auf Unterstützung von außen angewiesen sind. Vielmehr ist es notwendig, Länder, die sich auf einem guten Weg befinden, wie derzeit Tunesien, sichtbar und angemessen zu fördern, sodass sie eine Vorbildfunktion in der Region einnehmen und andere Länder ermuntern können, ihrem Beispiel zu folgen.
NICOLE RENVERT ist Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Internationale Politik 4, Juli/ August 2012, S. 46-49