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01. Mai 2007

Söldner mit neuer Mission

Hat der Trend zur Privatisierung von Sicherheit auch Einfluss auf deutsche Einsätze?

Das „Outsourcing“ von Sicherheitsdienstleistungen an Privatfirmen nimmt weltweit zu. Das gilt inzwischen sogar schon für die Nachsorge von Konflikten und den staatlichen Wiederaufbau. Welche Implikationen hat dieser Trend für militärische Auslandseinsätze, insbesondere für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik?

Der letzte Irak-Krieg (seit 2003) steht nicht nur als Synonym für das Scheitern der US-geführten Intervention im Mittleren Osten, sondern gilt auch als Indiz für den voranschreitenden Trend der Delegation von Sicherheitsdienstleistungen an private, kommerzielle Anbieter. Nie zuvor sind bei einem demokratisch geführten Krieg derartig viele Angestellte privater Sicherheits- und Militärfirmen eingesetzt und Verträge mit dem Privatsektor zur Übernahme diverser Schutzaufgaben auf und neben den Kriegsschauplätzen abgeschlossen worden. International operierende Firmen wie Blackwater oder DynCorp International gelten dabei als ein Sinnbild für „neue“ Formen der privatisierten Kriegsführung und signalisieren eine politisch sanktionierte Delegationslogik selektiver Sicherheitsproduktion an kommerzielle Unternehmen.

Der Einsatz kommerzieller Sicherheitsanbieter ist mit zwei weiteren Makrotrends verknüpft. Zum einen hat die Zunahme militärischer Interventionen zur Einhegung von Kriegen und zur Durchsetzung demokratischer Normen und Werte eine gestiegene Nachfrage zur Bewältigung der schlimmsten Kriegsfolgen nach sich gezogen. Private Sicherheits- und Militärfirmen bieten daher nicht mehr nur vielfältige Dienstleistungen entlang militärischer Auslandseinsätze an, sondern versuchen als hoch professionalisierte und legal registrierte Unternehmen zunehmend den Anforderungen der Kriegsnachsorge und des staatlichen Wiederaufbaus gerecht zu werden. Zum anderen ist eine veränderte militärische Ressourcenallokation zu beobachten, die sowohl durch eine zunehmende militärische Kooperation europäischer Staaten bei der Aufstellung und Ausstattung militärischer Schutzgüter als auch durch eine voranschreitende Privatisierung staatlicher Armeen wie der Bundeswehr charakterisiert ist. Begleitet werden diese Veränderungen von sinkenden Militärausgaben, den Anforderungen an eine Reorganisation der Streitkräfte seit dem Ende des Ost-West-Konflikts sowie von Konzentrations- und Ausdifferenzierungsprozessen in der privaten Rüstungs- und militärischen Dienstleistungsindustrie.

Vor dem Hintergrund dieser Ausgangsbeobachtungen fragt dieser Beitrag danach, welche Implikationen die Privatisierung von Sicherheit für militärische Auslandseinsätze hat und wie europäische Staaten, insbesondere Deutschland, auf die Herausforderungen eines veränderten Sicherheitsumfelds und des privaten Sicherheitsmarkts reagieren. In den Mittelpunkt rücken dabei vor allem die Reichweite sowie der Stellenwert von Privatisierungspraktiken in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

Veränderte Formen militärischer Einsätze

Die gestiegene Nachfrage nach Sicherheitsaufgaben in der Folge militärischer Interventionen (Aufbau von Polizei- und Militärapparaten, Security Sector Reform) hat sowohl zu einer Reorganisation der deutschen Militärstreitkräfte geführt1 als auch die Frage nach Fähigkeiten und Leistungen im Bereich der Kriegsnachsorge und des Wiederaufbaus staatlicher Institutionen akzentuiert. Reflektiert wird dieser Wandel in den drei Kernaufgaben der Bundeswehr, wie sie in den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) 2003 sowie im Weißbuch 2006 formuliert werden: 1. herkömmliche Landes- und Bündnisverteidigung, 2. Verhütung und Bewältigung von Konflikten und 3. Krisennachsorge.2

Angesichts des selbst formulierten Anspruchs demokratischer Staaten, zur Durchsetzung von Menschenrechtsnormen das Mittel der Gewalt nicht auszuschließen, ist die sicherheitspolitische Nachsorge bei militärischen Auslandseinsätzen demnach zu einem zentralen Bestandteil von Interventionen geworden. Pointiert formuliert könnte man sogar sagen, dass Interventionsentscheidungen und Wiederaufbau mittlerweile ordnungspolitisch aufs engste miteinander verknüpft sind. Gerade in westlichen Demokratien wird die Entscheidung zur Entsendung von Streitkräften inzwischen sowohl an normative Argumentationsfiguren zurückgebunden, die als Antwort auf Genozide bzw. Völkermorde formuliert werden, als auch mit den Anforderungen verknüpft, die ein demokratisch inspiriertes State-Building mit sich bringen. Die Nachfrage nach Nachsorgeleistungen ergibt sich demnach nicht nur funktional aus der Konfliktdynamik, sondern ist immanenter Bestandteil gegenwärtiger Interventionsentscheidungen.

Die empirisch beobachtbare Verschiebung sicherheitspolitischer Problemlagen von zwischenstaatlichen Konfrontationen hin zu inner- und substaatlichen Gewaltkonflikten hat die sicherheits- und ordnungspolitischen Herausforderungen noch einmal akzentuiert. Unmittelbar sichtbar wird dies an den militärischen Interventionen zur Einhegung von Staatszerfallskriegen und lokalen Gewaltexzessen oder zur Bekämpfung des transnationalen Terrorismus. Gemeinsam sind ihnen der normativ begründete Anspruch der externen Konfliktsteuerung und das Ziel des Aufbaus (stabiler) politischer Nachkriegsordnungen. Governance-Aufgaben der deutschen Bundeswehr in Krisengebieten reichen heute von der Übernahme administrativer Steuerungsleistung über die Ausbildung interner Sicherheitskräfte (Afghanistan, Irak) bis hin zur Errichtung von Protektoraten (Kosovo). Insgesamt ist die Bundeswehr gegenwärtig mit über 8000 Soldaten an zehn Auslandseinsätzen beteiligt. In der Mehrzahl handelt es sich um Friedensmissionen, bei denen direkte Kampfeinsätze die Ausnahme sind. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Formen der zivil-militärischen Zusammenarbeit im Bereich der staatlichen Rekonstruktion.

Neben der Entsendung von Militärstreitkräften setzt die Bundesrepublik im Rahmen der EU auch Polizeikräfte in Auslandseinsätzen ein. Missionen wie EUPM in Bosnien-Herzegowina, EUPOL Kinshasa (DRC), EUSEC DRC sowie EUPOL COPPS – Palestinian Territories machen deutlich, dass Deutschland und andere europäische Staaten zunehmend auch auf zivilere Formen des Konfliktmanagements setzen, insbesondere auf Mechanismen zur Stärkung der internen Sicherheit, der Demokratieförderung und des Aufbaus politischer Institutionen.

Internationale Trends der Privatisierung

Allerdings sind nicht nur reguläre Einheiten westlicher Interventionsstaaten an der Bereitstellung von Sicherheit in Räumen begrenzter Staatlichkeit beteiligt. Sowohl die Einsätze in Afghanistan und dem Irak als auch der Balkan sind Belege dafür, dass sich in Krisenzonen und Nachkriegsgesellschaften neue Formen von Governance unter Beteiligung privater Sicherheitsdienstleister herausbilden.

Die Auslagerung von Sicherheitsfunktionen an Anbieter des Privatsektors ist allerdings weder ein völlig neuartiges Phänomen noch auf die USA beschränkt. Bereits seit den späten achtziger Jahren unterliegen die Rüstungsmärkte der OECD-Welt im Allgemeinen und die Europas im Besonderen einem qualitativen Wandel, der schlagwortartig durch Privatisierungs-, Rationalisierungs-, Konsolidierungs- und Transnationalisierungsprozesse gekennzeichnet ist. Zurückzuführen ist diese Transformation zum einen auf die fortschreitende ökonomische Globalisierung und damit verbundene Konzentrations- oder Diversifizierungsprozesse nahezu sämtlicher Industriezweige, zum anderen auf die veränderte sicherheitspolitische Landschaft nach dem Ende des Kalten Krieges.

Parallel hierzu hat sich ein Markt für private Militär- und Sicherheitsdienstleistungen herausgebildet, auf dem diverse Firmen sowohl Sicherheitsleistungen im Inland als auch für Auslandseinsätze anbieten. Dabei wird schnell deutlich, dass das signifikante Wachstum der privaten Sicherheitsindustrie nicht ausschließlich auf US-amerikanische Aufträge und Vertragspraktiken zurückzuführen ist. Auch innerhalb der EU ist der private Sicherheitsmarkt in den letzten 15 Jahren in beachtlicher Weise angewachsen und hat eine umsatzstarke Industrie hervorgebracht. Allein die innerhalb der EU tätige private Sicherheitsindustrie hat im Zeitraum 2003/04 einen Umsatz von schätzungsweise 20 Milliarden Euro erwirtschaftet und beschäftigt gegenwärtig mehr als eine Million Mitarbeiter.

Trotz der offensichtlichen Privatisierungstendenzen auf europäischer Ebene sticht eine Besonderheit ins Auge: Noch unterscheidet sich der private Sicherheitssektor in Europa deutlich vom amerikanisch geprägten internationalen Sicherheitsmarkt. Der Hauptgrund dafür liegt vor allem in der besonderen Relevanz spezialisierter, kommerzieller Sicherheits- und Militärfirmen für das Einsatzspektrum US-geführter Interventionen und Kriege. Doch entgegen der Erwartungen in den neunziger Jahren, die noch von einem Anstieg in der Beteiligung privater Firmen an direkten Kampfeinsätzen – symbolisiert durch die legendären (und inzwischen aufgelösten) Firmen Executive Outcomes und Sandline International – ausgegangen sind, hat sich der von US-Verträgen abhängige Markt der privaten Sicherheitsindustrie in den letzten Jahren vor allem auf die Einsatzbereiche der Einsatzsicherung und Kriegsnachsorge spezialisiert.4 So gehören vor allem die Ausbildung von Polizeikräften, wie sie etwa von der Firma DynCorp im Kosovo durchgeführt wird, die Überwachung von Transportwegen (u.a. Rubicon International im Irak) und der Schutz von Zivilverwaltungen in Krisenzonen (u.a. durch Global Risk Strategies, Kroll Inc. und die britische ArmorGroup) zum Funktionsspektrum kommerzieller Sicherheitsanbieter, die sie im Auftrag oder in Kooperation mit staatlichen Akteuren anbieten. Rein numerisch stellten private Sicherheitsfirmen 2006 im Irak bereits das zweitgrößte Kontingent nach der US-Armee. Nach Angaben des Government Accountability Office (GAO) arbeiten im Irak gegenwärtig etwa 48 000 private Sicherheitsanbieter. Auch wenn nur wenige dieser „neuen Söldner“ im unmittelbaren Kriegseinsatz tätig sind, ist generell eine militärisch gestützte amerikanische Außenpolitik auf absehbare Zukunft ohne die Kooperation mit privaten Sicherheitsanbietern nicht denkbar.

Privatisierte Sicherheit in Deutschland

Anders als in den USA fällt der Rückgriff auf private Sicherheits- und Militärdienstleistungen in Europa und Deutschland vergleichsweise moderat aus. Im Rahmen der Neukonzeption der Bundeswehr vertritt die Bundeswehr die Meinung, dass zur Erfüllung der Kernziele nicht alle bisherigen Fähigkeiten aufrechterhalten werden müssen. Entscheidend sei, dass die militärischen Kernfähigkeiten5 erhalten blieben.

Wenn bei Auslandseinsätzen auf den Privatsektor zurückgegriffen wird, dann überwiegen sporadische Unterstützungsleistungen in den Bereichen der strategischen Verlegefähigkeit, der Aufklärung sowie der Logistik und Wartung.6 Im Kosovo wurden beispielsweise Teile der Grundversorgung (Betrieb von Kantinen und sanitäre Anlagen) ebenso privatisiert wie die Errichtung von Feldlagern. Bewacht werden solche Feldlager im afghanischen Faizabad von einem privaten Sicherheitsdienstleister, dessen Personal vom ehemaligen General der Nordallianz, Nasir Mohammed, rekrutiert wurde. Für den Afghanistan-Einsatz wurden zudem auch Aufgaben im Bereich Instandsetzung und Logistik an private Sicherheitsdienstleister übertragen. So hat die Bundeswehr beispielsweise zur Unterstützung bei Verlegung und Versorgung des ISAF-Kontingents auf die Firma Antonov-Airlines zurückgegriffen, um die fehlenden Ressourcen im Bereich der schweren Luftfracht auszugleichen.7 Aber auch das von der EU und NATO etablierte SALIS-Programm (Strategic Airlift Interim Solution) nutzt Antonov-Maschinen, welche in diesem Fall von der Ruslan SALIS GmBH bereitgestellt werden.8

Mitarbeiter der Firma Rheinmetall-DeTec AG (Unternehmensbereich Defence) wiederum haben zwischen Mai und Juni 2003 im Bundeswehrlager Kabul die Wartung des Kettenfahrzeugs „Wiesel“ übernommen und dabei gleichzeitig die Soldaten in Bedienung und Instandhaltung eingewiesen. Während ihres Aufenthalts begleiteten sie die Soldaten auch auf Patrouillenfahrten.9 Dieser Fall widersprach der damals offiziellen Regierungslinie. Auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der FDP, wo und in welchem Umfang die Bundesregierung zur Unterstützung von Bundeswehrmissionen private Sicherheitsfirmen unter Vertrag genommen habe, reagierte die Bundesregierung mit dem Verweis, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt „im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr weder deutsche noch ausländische Sicherheitsfirmen zur Durchführung militärischer Aufgaben unter Vertrag genommen [wurden]“.10

Eine besondere Kooperation zwischen der Bundeswehr und privaten Sicherheitsanbietern gibt es auch in der Vorbereitung von Auslandseinsätzen. So haben Firmen des Privatsektors 2004 die interne Logistik und das operative Management im Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ) übernommen (daran beteiligt sind u.a. die Serco GmbH und SAAB Training Systems AB). Das GÜZ auf dem Truppenübungsplatz Altmark zählt nicht nur zu den modernsten militärischen Ausbildungszentren in Europa, sondern es zielt auch explizit auf die einsatzvorbereitende Ausbildung im Rahmen von SFOR, KFOR und ISAF sowie auf die Ausbildung von NATO Response Forces und der im Südosten Afghanistans eingesetzten Kommando Spezialkräfte (KSK). Die Kooperationspartnerschaft mit dem Privatsektor ist somit der letzte und entscheidende Schritt für die Auslandseinsätze auf dem Balkan, in der DR Kongo und in Afghanistan.

Dass private Mitarbeiter in Krisenregionen dann mitunter selbst extremen Sicherheitsgefährdungen ausgesetzt sind, macht der Entführungsfall von vier Mitarbeitern der Firma Ecolog AG deutlich, die in Afghanistan für die Müllentsorgung, die Betreuung sanitärer Anlagen und Reinigungsdienste in deutschen Kasernen verantwortlich ist. Die vier Mitarbeiter wurden bei einer Fahrt von Kabul ins 600 Kilometer entfernte Kandahar von vier bewaffneten Afghanen verschleppt und getötet. Ähnliches ereignete sich im Februar im Irak: Erneut wurden zwei Ecolog-Leute verschleppt, nach Zahlung eines Lösegelds allerdings wieder freigelassen.

Dieser Fall unterstreicht ein besonderes Problem, das durch den Rückgriff auf kommerzielle Anbieter entsteht: Angesichts der Ausweitung von Aufgaben- und Funktionsbereichen und des Auflösens der Scheidelinie von Krieg und Frieden wird eine klare Definition von Sicherheitsfirmen entlang ihrer Einsatzreichweite immer schwieriger. Einerseits bieten internationale Marktführer und Unternehmenskonglomerate wie DynCorp, Blackwater, Kellogg Brown & Root, Defense Services Ltd. (DSL) oder L-3 Communications eine breite Palette an Dienstleistungen an, die auch die direkte Beteiligung an bewaffneten Einsätzen umfassen. Andererseits werden Angehörige privater Firmen nicht nur zu Opfern in Krisenzonen, sondern tragen in Extremfällen selbst zur Aufrechterhaltung der Unsicherheit oder zur Eskalation der Gewalt bei. Insbesondere in Räumen begrenzter Staatlichkeit wie im Irak, in der DR Kongo oder in Afghanistan sind plötzliche Übergriffe bewaffneter Gruppen oder Entführungen als Strategie des Konfliktaustrags an der Tagesordnung. Selbst private Mitarbeiter, die keine militärischen Kernaufgaben erbringen, können somit durchaus in Situationen geraten, in denen der bewaffnete Schutz bzw. Kampfhandlungen zur eigenen Verteidigung notwendig werden. In einem Extremfall vom Frühjahr 2004 stand die Tötung und öffentliche Schändung von vier Angehörigen des im US-Auftrag operierenden Unternehmens Blackwater Security Consulting in Falludscha (Irak) in Zusammenhang mit der Operation Vigilant Resolve der US-amerikanischen Streitkräfte, in deren Folge über 600 Iraker getötet wurden. Und selbst wenn Sicherheitsfirmen hauptsächlich für die Bereiche Ausbildung, Logistik, Nachrichten und Objektschutz eingesetzt werden, zeigen doch gerade die internationalen Erfahrungen in Afghanistan und vor allem im Irak, wie nah diese unterstützenden Tätigkeiten inzwischen an das Schlachtfeld herangerückt sind.

Bundeswehr: Privatisierung vor allem im Inland

Der Schwerpunkt der Delegation von Sicherheitsfunktionen an private Unternehmen liegt hierzulande vor allem im Inland. Privatisierung wird in diesem Zusammenhang primär als Mittel zur Senkung operativer Kosten sowie einer Erhöhung der Kosteneffektivität genutzt, um so trotz des sinkenden Militärhaushalts den nötigen Grad an Operabilität zu garantieren. Faktisch füllt Privatisierung damit teilweise die Lücken, die durch eine Absenkung der Militärausgaben seit den frühen neunziger Jahren entstanden sind.

Die aktive Rationalisierungsstrategie der Bundeswehr zur Einstreichung der Friedensdividende für jahrelange Investitionen in militärische Schutzgüter zu Zeiten des Kalten Krieges hat in diesem Zusammenhang den Effizienzdruck erhöht und damit die Auslagerung von Nichtkernbereichen an die Privatwirtschaft immer attraktiver gemacht. 1998 ist in diesem Zusammenhang im Auftrag des damals amtierenden Verteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) ein Rahmenkonzept zur Aufteilung zwischen Bundeswehr und Industrie im Bereich der Bundeswehrlogistik ausgearbeitet und seither zunehmend ausdifferenziert worden. Der Rahmenvertrag über Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr von 1999 bildete schließlich den Ausgangspunkt, um eine verdichtete Kooperation zwischen Bundeswehr und Industrie in Form von Public Private Partnerships (PPP) zu beschleunigen. Der Vertrag zielte dabei vor allem darauf, die Fähigkeit der deutschen Industrie zur Innovation zu nutzen und daraus abgeleitet die Möglichkeiten der Bundeswehr zur Investition zu steigern sowie die Wirksamkeit eingesetzter Mittel zu Gunsten neuer Investitionsfreiräume zu erhöhen.11 Im Rahmenvertrag war in diesem Zusammenhang zudem die Gründung einer Agentur vorgesehen, die zivile Dienstleistungen übernehmen sollte. Bereits im August 2000 begann die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (g.e.b.b) als Inhouse Gesellschaft damit, ihre Arbeit aufzunehmen. Das Unternehmen weist privatwirtschaftliche Organisationsformen auf und übernimmt Serviceleistungen, die bislang von der Bundeswehrverwaltung erbracht wurden. Ihre Kernaufgaben umfassen die Optimierung des Liegenschaftswesens der Bundeswehr, Logistik, Verpflegung, Aus- und Weiterbildung sowie Travel Management. Im operativen Bereich sollte g.e.b.b vor allem das Know-how der Privatwirtschaft für die Reorganisation der Bundeswehr nutzbar machen sowie das Management der von ihr initiierten Public Private Partnerships übernehmen. Die wohl bekanntesten Kooperationsprojekte sind in diesem Zusammenhang die 2002 gegründete BwFuhrparkService GmbH sowie die im selben Jahr gegründete LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft mbH. Neben diesen Unternehmungen hat die Bundeswehr etliche Privatisierungsprojekte auf den Weg gebracht (siehe Kasten Seite 65).

Der zwischen 1998 und 2002 vom damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping vorangetriebene Privatisierungskurs führte bisher allerdings nicht zu den erwarteten Einsparungen in Milliardenhöhe, so dass der amtierende Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im Juni 2006 der g.e.b.b das operative Geschäft wieder entzog und es zurück in sein Ministerium verlagerte. Jung argumentiert in diesem Zusammenhang, dass „die Effektivität der Bundeswehr das Entscheidende [sei], nicht die Privatisierung um der Privatisierung willen“.12 Auch wenn das Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr mit der Bietergemeinschaft SI (Siemens Business Services und IBM) am 28. Dezember 2006 einen neuen Vertrag über das bei weitem größte Privatisierungsprojekt „Herkules“ abgeschlossen hat, das die Telekommunikations- und Computerausrüstung der Bundeswehr modernisieren und vereinheitlichen soll, bleibt offen, in welchem Maße die Bundeswehr zukünftig auf Privatisierungspraktiken zurückgreifen wird.

Ebenso wenig ist derzeit klar, in welchem Maße die Privatisierung der Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz steht.13 De facto ist der Einsatz privater Sicherheitsdienstleister durch Grundgesetzbestimmungen stark eingeschränkt. So besagt Art. 87a Grundgesetz (GG), dass die Aufstellung von Streitkräften zur Verteidigung eine notwendige und exklusive Aufgabe des Staates ist. Allerdings schreibt das Gesetz nicht vor, dass die damit verbundenen Instandhaltungsaufgaben exklusiv von der Bundeswehr oder der Bundeswehrverwaltung ausgeführt werden müssen. Unzweifelhaft ist, dass quasi eine materielle Privatisierungssperre besteht, da Art. 87a des Grundgesetzes ausschließlich den Bund beauftragt, Streitkräfte aufzustellen. Privatpersonen oder Firmen ist es dagegen verboten, Armeen zu bilden.14 Die Bundesregierung argumentiert darüber hinaus, dass hoheitliche Sicherheitsaufgaben lediglich im Wege der „Beleihung“ an Private übertragen werden können. Die Übertragung von Regelzuständigkeiten ist gemäß Art. 33 Abs. 4 GG allerdings ausgeschlossen. Insgesamt sollte vor diesem Hintergrund deutlich geworden sein, dass der Einsatz privater Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik sowohl rechtlich als auch politisch umstritten bleibt.

Wie der Fall Falludscha oder auch die Beteiligung von Angehörigen privater Sicherheitsfirmen am Folterskandal von Abu Ghraib nahelegen, besteht eine Hauptaufgabe der deutschen wie europäischen Außen- und Sicherheitspolitik dabei in der Klärung des völkerrechtlichen Status privater Sicherheitsdienstleister und in der Normierung des kommerziellen Sicherheitssektors. Angesichts der Ausweitung des Aufgabenspektrums von Sicherheits- und Militärfirmen in Kriegs- und Nachkriegssituationen dürfte dies ein weit anspruchsvolleres Unterfangen sein als die kaum wirksame Antisöldnerkonvention. Nichtsdestotrotz gibt es erste Schritte der Selbstregulierung auf Seiten der Industrie. Exemplarisch ist hier der am humanitären Völkerrecht orientierte Weg, den die British Association of Private Security Companies (BAPSC) eingeschlagen hat.

Bilanz

In Deutschland ist der Einsatz privater Sicherheitsdienstleistungen noch kein ausdrückliches Instrument oder gar Palliativ der Außenpolitik. Dennoch gibt es Formen der Delegation von Sicherheitsaufgaben an kommerzielle Anbieter. Für Auslandseinsätze besonders relevant ist das Gefechtsübungszentrum in der Altmark, das militärische Aufgaben im Rahmen einer öffentlich-privaten Kooperationspartnerschaft vorbereitet. Insgesamt bestehen damit mindestens zwei gravierende Unterschiede zur Entwicklung in den Vereinigten Staaten, die allgemein als Vorreiter der Privatisierungswelle auf dem Sicherheitssektor gelten. Erstens erreichen privatisierte Sicherheitsfunktionen bei deutschen Auslandseinsätzen weder die Quantität noch die Qualität der amerikanischen Seite. Andererseits gibt es hierzulande auch keine so enge personelle Verknüpfung zwischen den großen Sicherheitsfirmen und den politischen Eliten. Ein illustres Beispiel dieser Verquickung ist US-Vizepräsident Cheney, der bei Amtsübernahme die Führung der Teilstreitkräfte durchgängig mit vormals hochrangigen Angehörigen privater Sicherheits- und Militärfirmen besetzte. Damit fällt auch eine Antinomie des demokratischen Friedens im deutschen Fall (noch) negativ aus: Selbst wenn die Nutzung von Sicherheitsdienstleistern durch demokratisch gewählte Regierungen eine potenzielle Strategie zur Senkung politischer und moralischer Kosten sein könnte, sind davon (bislang) nicht alle Demokratien gleichermaßen betroffen.

Im Unterschied zum US-amerikanischen Kalkül, private Militärfirmen auch in Kampfeinsätze einzugliedern, gibt es auf Seiten der Bundesrepublik deutliche Vorbehalte, militärische Kernfähigkeiten an private Militär- und Sicherheitsdienstleister zu übertragen. Privatisierungsoptionen werden hierzulande dagegen vor allem bei den Nicht-Kernfähigkeiten im Inland verfolgt. Ohnehin deutet die gesamte Marktentwicklung der privaten Sicherheitsindustrie heute eher darauf hin, dass die Kampfeinsätze der neunziger Jahre durch Executive Outcomes und Sandline International in Angola oder Sierra Leone sowie der massive Einsatz von kommerziellen Militärfirmen im Irak zukünftig eher die Ausnahme als die Regel bilden werden. Dabei zeichnet sich vor allem eine zunehmende Diversifizierung des Angebotsspektrums ab, von der die Marktsegmente Aufklärung, Logistik und Instandhaltung am meisten profitieren werden. Dass dies die notwendige analytische Erfassung wie auch die völkerrechtliche Normierung des globalen Sicherheitsmarkts nicht gerade erleichtert, liegt auf der Hand.

ŽELJKO BRANOVIĆ, geb. 1978, ist Mitarbeiter im Teilprojekt „Privatisierung und Kommerzialisierung von Sicherheit“ des Sonderforschungsbereichs 700.

Prof. Dr. SVEN CHOJNACKI,  geb. 1966, ist Juniorprofessor für Internationale Friedens- und Sicherheitspolitik an der FU Berlin und Leiter des SFB 700.
 

  • 1Vgl. Sascha Lange: Neue Bundeswehr auf altem Sockel, SWP-Studie, Berlin 2005.
  • 2Vgl. BMVg: Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR), Berlin, 2003, http://rk19-bielefeld-mitte.de/info/Recht/VPR2003/inhalt.htm, BMVg: Weißbuch 2006, S. 65-67, Berlin, http://www.weissbuch.de.
  • 4Siehe dazu ausführlich Alan Bryden und Marina Caparini (Hrsg.): Private Actors and Security Governance, Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Berlin 2006.
  • 5Zu militärischen Kernfähigkeiten zählen nach Auffassung des BMVg leistungsfähige Streitkräfte (Wirksamkeit/Durchhaltefähigkeit/Überlebensfähigkeit), Führungsfähigkeiten, weltweite Nachrichtengewinnung und Aufklärung, strategische Verlegefähigkeiten. Vgl. BMVg, Punkt 91–95, 2003 sowie Ulrich Petersohn: Die Nutzung privater Militärfirmen durch US-Streitkräfte und Bundeswehr, SWP-Studie S 36, Berlin 2006, S. 12.
  • 6Ulrich Petersohn (Anm. 5), S. 15 ff.
  • 7Die Bundeswehr versucht, diese Ressourcenlücke langfristig mit der Beschaffung des A400M zu schließen. Vgl. dazu BMVg: Wichtiger Schritt für NATO und EU, 28.3.2006, http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg sowie „Knapper Etat zwingt zum Outsourcing“, Handelsblatt, 21.4.2004, Nr. 077.
  • 8BMVg (Anm. 7)
  • 9Siehe http://www.rheinmetall-defence.com/index.php?lang=2&fid=916 sowie Ulrich Petersohn (Anm. 5), S. 18.
  • 10Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster) und weiterer Abgeordneter der Fraktion der FDP – Drucksache 15/4720 – Auslagerung spezifischer Sicherheits- und Militäraufgaben an nichtstaatliche Akteure, Drucksache 15/5824, 24.6.2005, S. 9.
  • 11Gregor Richter: Privatization in the German Armed Forces, in: Thomas Jäger und Gerhard Kümmel (Hrsg.): Private Military and Security Companies. Chances, Problems, Pitfalls and Prospects, Wiesbaden 2007, S. 170.
  • 12Siehe hierzu Handelsblatt.com: Bundeswehr wird wieder Staatsangelegenheit, http://www.handelsblatt.com/news/printpage.aspx?_p=200050&_t=ftprint&_b…, Stand April 2007.
  • 13Vgl. hierzu die Debatte in Rüdiger Voight und Martin Seybold: Streitkräfte und Wehrverwaltung. Eine verfassungsrechtliche Analyse von Art. 87a zu 87b GG, Baden-Baden 2003 sowie Joachim Wieland: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für Privatisierungen im Bereich der Bundeswehrverwaltung, NZWehr 1/2003, http://www.deutsches-wehrrecht.de/Aufsaetze/NZWehrr_2003_001.pdf.
  • 14Christoph Gramm: Privatisierung bei der Bundeswehr, Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung, 3/2004, S. 83.
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, Mai 2007, S. 58 - 67.

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