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01. Jan. 2005

Schröder verfolgt eine kurzsichtige Strategie

Die Anbiederung an Moskau führt zu Misstrauen gegen Deutschland

Zahlt sich die Freundschaft von Bundeskanzler Schröder zu Präsident Putin aus? Oderschadet die enge Anbindung an Russland langfristig den eigenen Interessen?

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat ausgezeichnete Beziehungen zu Präsident Wladimir Putin. Beide, Schröder wie Putin, sind eher Taktiker als Strategen – vielleicht ist das ihre gemeinsame Basis. Aber liegt nicht gerade hier das Problem? Russland ist ein bedeutender Akteur in der internationalen Politik; Deutschland hat Wirtschaftsinteressen im wachsenden russischen Markt, braucht einen sicheren Energielieferanten und strebt einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an. Daher Schröders beschönigende Äußerungen über den Zustand von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland und über das Desaster in Tschetschenien. Wer im Dialog mit Russland westliche Werte verleugnet und Putins neo-imperiale Attitüden im „nahen Ausland“ ignoriert, sichert gerade nicht die langfristigen deutschen Interessen.

Polen und die baltischen Länder, unsere Nachbarn und Partner in der EU, reagieren zu Recht besorgt auf die russische Einmischung in Georgien, Moldawien, Weißrussland und in der Ukraine. Dreiergipfel von Paris, Berlin und Moskau erhöhen die Unsicherheit und das Misstrauen gegenüber Deutschland. Wenn Regierungsäußerungen den Eindruck erwecken, die Übertragung des „System Putin“ im „nahen Ausland“ sei aus deutscher Sicht akzeptabel, führt dies zu zusätzlichen Irritationen in der EU und in Washington. Der Bundeskanzler gab Moskau erst nach den gefälschten Wahlen in der Ukraine – und auch dann nur zögerlich – zu verstehen, dass Deutschland die demokratische Entwicklung eines souveränen Landes respektiert und dies auch von anderen erwartet. Das war in zweifacher Hinsicht ein Fehler: Berlins Partner waren befremdet, Präsident Putin blieb der Gesichtsverlust am Ende doch nicht erspart.

Nur wenn Russlands Wirtschaft floriert, kann auch die deutsche Wirtschaft langfristig profitieren. Das Vorgehen gegen Jukos und VimpelCom, das Aushebeln des Rechtsstaats, die zunehmende Monopolisierung des Energiesektors und der Großindustrie durch den Staat oder ehemalige KGB-Offiziere hat mit einer Transformationsstrategie nichts zu tun. Es führt in alte Zeiten zurück. Eine dynamische Wirtschaft ist ohne Rechtsstaat und Wettbewerb nicht erreichbar. Die Amputation demokratischer Rechte verhindert Modernisierung. Staatliche Kontrolle von TV-Anstalten, Beschränkung der Medienfreiheit, Eingriffe in Grundfreiheiten und Kontrolle von NGOs dienen nicht der Stabilisierung des Landes. Sie berauben das Land sämtlicher Korrekturmechanismen, die Fehlentwicklungen anzeigen können. Russlands altes Leiden, die Korruption, ist daher wieder akut. Eine Decke wohlwollender Nachlässigkeit über diese Entwicklung zu legen, mag zu einer Scheinstabilisierung führen – mittel- und langfristig wird Russland erneut vor einer Krise stehen.

Schröder verfolgt eine kurzsichtige Politik. Die öffentliche Anbiederung an Moskau dient mittel- und langfristig weder deutschen noch europäischen noch russischen Interessen. Sie bestärkt Russland auf einem falschen Weg.

Was tun? Die Russen reagieren empfindlich auf Kritik, sie sind zunehmend nationalistisch und antiwestlich eingestellt. Dennoch ist es gerade für die russische Diskussion notwendig, den deutschen Standpunkt auch öffentlich zu bekunden. Dies ist möglich, gerade weil die Beziehungen so eng sind.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar 2005, S. 95.

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