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01. Jan. 2005

Schröder handelt in Europas Interesse

Deutschlands Ostpolitik hat sich in der Ukraine-Krise bewährt

Zahlt sich die Freundschaft von Bundeskanzler Schröder zu Präsident Putin aus? Oderschadet die enge Anbindung an Russland langfristig den eigenen Interessen?

Die deutsche Ostpolitik hat sich in der Krise um die ukrainische Präsidentschaftswahl in mehrfacher Hinsicht bewährt. Bundeskanzler Gerhard Schröder ließ seine Beziehungen zu Präsident Wladimir Putin spielen, um Russland, das die Intervention des Westens zugunsten Viktor Juschtschenkos als gegen Moskau gerichtet sah, aus der konfrontativen Haltung herauszuholen.

Gleichzeitig leistete Deutschland einen wichtigen Beitrag zum Durchbruch der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik in Osteuropa. Berlin schloss sich mit Warschau kurz und vereinbarte eine Arbeitsteilung: Während Schröder Russland für eine einvernehmliche Lösung gewinnen konnte, nutzte der polnische Präsident Alexander Kwasniewski seine Drähte zu den wichtigen ukrainischen Protagonisten, um alle Kontrahenten an den Verhandlungstisch zu bringen. In der Ukraine konnten so ein Bürgerkrieg, ein Zerfall des Landes und die Rückkehr zum Ost-West-Konflikt verhindert werden.

In der Ukraine-Krise redete nicht nur Europa endlich wieder mit einer Stimme, sondern die USA und die EU zogen am gleichen Strang. Berlin demonstrierte den Amerikanern und den neuen EU-Mitgliedsländern, die Schröders Beziehungen zu Putin immer mit Skepsis betrachtet hatten, dass Deutschland im Gesamtinteresse Europas handelt.

Auf diese Weise hat Schröder seine Russland-Politik gerettet. Angesichts der sich verfestigenden autoritären Tendenzen in Russland war der Kanzler mit seiner Pro-Putin-Haltung im In- und Ausland in Isolation geraten. Dabei ist seine Russland-Strategie die richtige. Russland fühlt sich durch die westliche Dauerkritik, die NATO- und EU-Erweiterung sowie den verstärkten westlichen Demokratietransfer in das russische „nahe Ausland“ aus Europa herausgedrängt. Die Schröder’sche Russland-Politik, die übrigens in der außenpolitischen Tradition Helmut Kohls steht, vermittelt Russland – stärker als die EU dies zu tun vermag – das Gefühl, dass Europa keine Hegemonialabsichten auf postsowjetischem Raum hegt, sondern eine Anbindung Russlands und anderer GUS-Staaten an das demokratische Europa wünscht. Schröder führt mit Russland keine pastorale Wertedebatte, die Russland als Lehrmeisterei auffassen würde, sondern zielt auf eine pragmatische Interessensgemeinschaft ab. Die eurasische Großmacht muss in ein gesamteuropäisches Modell eingebunden werden. Nur ein partnerschaftliches Russland verleiht Europa im Osten dieselbe Stabilität wie die von den USA garantierte Sicherheit im Westen.

Schröder möchte deutschen Energiekonzernen die Türen zum riesigen russischen Markt öffnen und ihnen in der Post-Jukos-Ära lukrative Investitionsprojekte vermitteln. Im Gegenzug sollen russische Energielieferungen nach Deutschland verdoppelt werden. Deutschland könnte zum Hauptverteiler des russischen Gases in der EU werden. Länder wie die Ukraine werden als Transitländer in der Energieallianz fungieren. Mehr denn je benötigt Schröder für seine Russland-Politik die Unterstützung der Wirtschaft, die Ankopplung Russlands soll durch Investitionen gelingen.

Das deutsch-russische Verhältnis geht natürlich über die Energieallianz weit hinaus. In Visa-Fragen, bei Friedensmissionen (Balkan und Afghanistan), militärtechnischen – und bald auch Bildungsprojekten arbeitet Russland enger mit Deutschland zusammen als mit der EU.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar 2005, S. 94.

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