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01. Jan. 2005

Sanfter Machtverlust

Die USA müssen wieder mehr in Softpower investieren

Es gibt drei Hauptwege für einen Staat, Macht auszuüben: durch den Gebrauch oder die Androhung von Gewalt, durch Belohnung von Gefolgsamkeit oder durch Soft Power – also durch das Gewinnen von Anhängern mit den Werten seines Landes und die Bereitschaft zur Einbindung anderer. Wenn ein Land andere durch den Einsatz von Soft Power dazu bewegen kann, ihm zu folgen, kann es sich den Einsatz von Brot und Peitsche häufig ersparen. Diese Lektion haben die USA zuletzt anscheinend vergessen.

Soft Power basiert auf Kultur, Idealen und politischen Strategien. Historisch waren die Amerikaner sehr geschickt beim Gebrauch von Soft Power. Man denke nur an die jungen Leute hinter dem Eisernen Vorhang, die auf Radio Free Europe amerikanische Musik hörten, oder an die chinesischen Studenten, die ihren Protest auf dem Tiananmen-Platz mit einer Nachbildung der Freiheitsstatue symbolisierten. Viele amerikanische Werte wie Demokratie, Menschenrechte und individuelle Entfaltung haben sich als sehr attraktiv erwiesen, wenn sie von soliden außenpolitischen Strategien untermauert sind.

In den letzten Jahren hat amerikanische Soft Power abgenommen, insbesondere seit der Invasion des Irak. Umfragen zeigen einen starken Niedergang in der Popularität der Vereinigten Staaten, selbst in Ländern wie Großbritannien, Italien und Spanien, deren Regierungen die USA unterstützt hatten. In den islamischen Ländern rund um die Welt brach Amerikas Ansehen sogar dramatisch ein. In Indonesien, dem größten islamischen Staat der Welt, gaben bei einer Erhebung im Jahr 2000 drei Viertel der Befragten an, sie hätten eine gute Meinung von den Vereinigten Staaten. Innerhalb von drei Jahren sank dieser Umfragewert auf 15 Prozent. Dabei ist die Zusammenarbeit mit diesen Ländern essentiell, wenn die USA und ihre Verbündeten den langen Kampf gegen den Terrorismus gewinnen wollen.

In der traditionellen Weltpolitik ging es typischerweise darum, wessen Militär gewinnen werde. Aber Politik im Informationszeitalter hat ebenso damit zu tun, wessen story gewinnt. Dies gilt besonders im Kampf gegen den Terrorismus. Ein Beratungsgremium des Pentagons ist jüngst zu dem Schluss gekommen, die Vereinigten Staaten seien im „Krieg der Information“ überflügelt worden. Eine Umfrage des unabhängigen Forschungsunternehmens Global Market Insite ergab, dass einer von fünf Europäern es nunmehr vermeidet, Produkte zu kaufen, die sie mit den USA in Verbindung bringen. Die Schlacht um die Herzen haben die Vereinigten Staaten vorläufig verloren.

Skeptiker der Soft Power wenden ein, es gebe keinen Grund zur Sorge. Beliebtheit sei kurzlebig und dürfe in keinem Fall die Außenpolitik leiten. Die Vereinigten Staaten bräuchten keine dauerhaften Verbündeten und Institutionen. Sie könnten jederzeit eine Koalition der Willigen finden, wenn sie es denn für nötig halten. Wie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu sagen pflegt: Die Sache bestimmt die Koalition, nicht umgekehrt.

Einige Beobachter gehen noch weiter und sagen, dass Antiamerikanismus eine unumgängliche Reaktion auf Amerikas Größe als einzige Supermacht ist. Die USA sind der Klassenstärkste, und ihre militärische Macht erzeugt eine Mischung aus Verehrung, Neid und Abneigung. Aber diejenigen, die den neuerlichen Anstieg von Antiamerikanismus einfach als unumgängliche Folge von Amerikas Größe abtun liegen falsch, wenn sie denken, nichts dagegen unternehmen zu können. Die Vereinigten Staaten waren zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch dominanter als heute, aber sie verfolgten eine Politik, die von den Verbündeten bejubelt wurde. Ähnlich wurde die amerikanische Führerschaft am Ende des Kalten Krieges von vielen begrüßt, obwohl auch dann kein anderes Land ein Gegengewicht zur Macht der USA bieten konnte. Aber damals achteten die USA mehr auf multilaterales Vorgehen, auf Allianzen und internationale Institutionen. Es ist eben doch wichtig, ob man den Klassenstärksten als Freund oder als Schläger sieht.

Es wäre falsch, den jüngsten Niedergang der amerikanischen Soft Power leichtfertig abzutun. Zwar stimmt es, dass die Vereinigten Staaten sich schon in der Vergangenheit, etwa in den Jahren nach dem Vietnam-Krieg, von den Folgen einer unbeliebten Politik erholen konnten. Aber das war während des Kalten Krieges, zu einer Zeit, als andere Staaten die Sowjetunion als das größere Übel fürchteten. Wer die Bedeutung der Soft Power missachtet, läuft Gefahr, damit auch seine Hard Power, die militärische Macht, zu unterhöhlen. So hat etwa die weit verbreitete internationale Wahrnehmung, die USA seien unabhängig von der Auffassung anderer Länder zum Irak-Krieg entschlossen gewesen, dazu geführt, dass die USA die größte Last der Kontrolle und des Wiederaufbaus im Irak tragen müssen. Man vergleiche dies mit dem GolfKrieg von 1991, als die Verbündeten der USA den größten Teil der Wiederaufbaukosten in Kuwait übernahmen.

Dies ist der Kontext, in dem die USA einen Krieg der Ideen um die Herzen der moderaten Araber führen. Um diesen Krieg zu gewinnen, werden die USA lernen müssen, Soft Power in der muslimischen Welt viel besser einzusetzen. Die amerikanischen Bemühungen seit dem 11. September sind dazu völlig unzureichend. Im letzten Jahr berichtete eine überparteiliche Beratergruppe, dass die USA seit 2002 armselige 150 Millionen Dollar für Public Diplomacy in muslimischen Ländern ausgaben. Insgesamt addierten sich die Ausgaben des US-Außenministeriums für Public Diplomacy auf wenig mehr als eine Milliarde Dollar – einschließlich aller Kosten für internationale Radioprogramme. Dies ist etwa dasselbe Budget wie das von Großbritannien oder Frankreich: Länder, die gerade einmal ein Fünftel der Größe der USA haben. Und es entspricht nur 25 Prozent des Militärhaushalts. Die USA geben derzeit 450 mal soviel für Hard Power wie für Soft Power aus. Eine Steigerung auf ein Prozent des Militärbudgets würde also eine Vervierfachung der Ausgaben für Soft Power bedeuten.

Wenn die Vereinigten Staaten den Kampf gegen den Terrorismus gewinnen wollen, muss es ihrer Führung besser gelingen, die Werte der USA mit ihrem außenpolitischen Vorgehen in Einklang zu bringen. Die USA müssen eine politische Lösung im Irak suchen, den Friedensprozess im Nahen Osten voranbringen und ihren Verbündeten und den internationalen Institutionen mehr Beachtung schenken. Dann können sie wieder damit beginnen, ihre Soft Power und ihre Hard Power zu verknüpfen.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar 2005, S. 68 - 69.

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