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01. Juli 2007

Quadratwurzel oder Quadratur des Kreises

Müssen wir in allem so einheitlich wirken, wie wir es nie sein können?

Kein Zweifel, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft stand unter keinem günstigen Stern. Die Kaczynski-Zwillinge, einander nicht nur äußerlich, sondern auch in den politischen Überzeugungen ähnlich wie ein Ei dem anderen, wollten das Gewicht der „Rzeczpospolita“ im Rahmen der Union dringend erhöhen – gleichsam als moralischen Sofortkredit für die innenpolitische Auseinandersetzung. Durch ihre „Quadratwurzel“-Forderungen und Blockadedrohungen gelang es ihnen, Angela Merkel in einer Weise unter Druck zu setzen, wie es Herr Putin nicht besser hätte schaffen können. Kein Wunder, dass Nicolas Sarkozy seine ritterliche Hilfe anbot, eiligst nach Warschau reiste und mit beinahe polnischem Pathos zur „gemeinsamen Rettung Europas“ aufrief. Immerhin, man hat sich dann doch noch geeinigt. Das Problem selbst ist damit aber keineswegs aus der Welt. Und dann ist da noch die „Affäre Verheugen“. Stein des Anstoßes: das Grundgehalt der Kabinettschefin des EU-Kommissars Günter Verheugen, dessen Höhe angeblich etwas mit persönlichen Beziehungen zwischen den beiden zu tun hat und damit den Tatbestand der Günstlingswirtschaft erfüllt. Die privaten Fotos zur Affäre liefert die Bunte, Vertreter von CDU/CSU halten die Höhe des Betrags aus christlicher, demokratischer und sozialer Sicht für unhaltbar, sprechen gar von einer „Beschädigung des europäischen Projekts“.

Nun ist natürlich die Größenordnung dieser Geschichte mit der ersteren kaum vergleichbar – die Rechtmäßigkeit eines Grundgehalts kann schließlich leicht geprüft werden. Sobald jedoch von christlicher Seite sittliche Kriterien erwähnt werden, müssen wir wieder an die peinliche Frage denken, ob denn nun dem lieben Gott ein Platz in der EU-Verfassung zustehe. Diese Forderung wurde nun, fast gleichzeitig, von einem evangelischen und einem katholischen Theologen erhoben. Ihr Argument: Die Präsenz des Schöpfers in der Verfassung sei ein Mittel gegen etwaige Verantwortungslosigkeit der Brüsseler Landesväter und Beamten, sie würde die Neigung, den „Götzen des Konsums“ zu verfallen – und sei es in Gestalt von überhöhten Grundgehältern – zumindest erschweren.

So weit, so gut. Vergessen wir aber nicht, dass die Aufnahme des Höchsten Wesens in die Verfassung praktisch auf einen neuen Polytheismus hinausläuft – Allah und Jehova gehören mit dazu. Es ist kaum annehmbar, dass die Iren darüber ebenso denken wie etwa die Schweden. Und um die Polen zu einem Konsens zu bewegen, müssten mindestens Zwillinge von Sarkozy oder Prodi an die Weichsel pilgern – ein kaum durchführbares Unternehmen, wenn man nicht auf ein Wunder hofft. Vielleicht müssten wir aber nur bedenken, wie viele europäische Länder auf diesem Kontinent leben, die noch nicht der EU angehören und über eine eigene Nationalfahne, Hymne, Währung, Zoll- und Grenzbehörden sowie Komplexe und Neurosen verfügen. Wenn man den General de Gaulle zugeschriebenen Satz über Frankreich, wonach es sehr schwierig sei, einen Staat zu lenken, in dem es allein 246 Sorten Käse gibt, auf Europa bezieht, dann stellt sich die unwillkürliche Frage: Müssen wir in allem so ähnlich und einheitlich wirken, wie wir in der Tat nie werden sein können?

GYÖRGY DALOS, geb. 1943, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Jüngste Veröffentlichung: „Der Aufstand in Ungarn“ (2006).

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 7/8, Juli/August 2007, S. 148 - 149.

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