Nein, nein und nochmals nein
Kein Nahost-Abkommen in Sicht
Festlegung der Grenzen eines unabhängigen palästinensischen Staates, Rückkehrrecht der Palästinenser, Teilung Jerusalems: In all diesen Punkten wären Kompromisse möglich. Doch selbst, wenn es gelingt, ein Abkommen erfolgreich auszuhandeln, werden Nein-Sager auf beiden Seiten verhindern, dass es auch umgesetzt wird.
Seit Sommer dieses Jahres verhandeln Israelis und Palästinenser wieder direkt miteinander, und schon bemühen Experten die üblichen Allgemeinplätze. Die Chancen stünden nicht schlecht, schließlich müssten „nur“ Grundlagen weiter ausgearbeitet werden, die schon gelegt wurden: Während der Verhandlungen von Camp David des Sommers 2000 und in Taba im Januar 2001, die Jassir Arafat seinerzeit ablehnte; von der Genfer Initiative zwei Jahre später und schließlich vom israelischen Premier Ehud Olmert, der im Sommer 2008 recht weit gehende Vorschläge machte, die der palästinensische Präsident Machmud Abbas nicht akzeptabel fand. Dennoch, verkündete US-Präsident Barack Obama optimistisch, sollten die beiden Parteien in der Lage sein, innerhalb eines Jahres ein endgültiges Abkommen zu unterzeichnen.
Die wesentlichen Fragen aber sind: Können sie ein Abkommen aushandeln und gleichzeitig auf ausreichende Unterstützung in den eigenen Reihen zählen? Sind die getroffenen Vereinbarungen auch einzuhalten und beendet ein Friedensvertrag den Konflikt tatsächlich ein für alle Mal? Die Antwort auf beide Fragen lautet klar: Nein. Stellen wir uns vor, ein erfolgreicher Frieden sei von konzentrischen Kreisen umgeben wie der Mittelpunkt einer Zielscheibe. Diesen bildet das Abkommen selbst, das auf Kompromissen beruht, denen alle Verhandlungspartner zustimmen müssen. Den nächstliegenden Kreis bilden die politischen Gruppierungen, deren Vorstellungen von jenen der Verhandlungspartner stark abweichen und die dazu gebracht werden müssten, den Kernelementen eines Vertrags zuzustimmen. Ganz außen sind die Störer angesiedelt, für die der Konflikt eine existenzielle Dimension hat.
Unter normalen Umständen – also wenn ein Vertrag ebenso geschickt ausgehandelt wie umgesetzt wird – sind solche Störer durchaus zu marginalisieren. Nur haben wir es im israelisch-palästinensischen Konflikt nicht mit normalen Umständen zu tun. Er zeichnet sich nämlich durch ein besonderes Element, einen „doppelten Irredentismus“ aus, der die Überwindung dieser letzten Hürde besonders erschwert.
Auf beiden Seiten gibt es nicht unerhebliche und politisch wohlorganisierte Gruppierungen, die dem Gegner das Recht auf eine eigene staatliche Existenz absprechen oder sich sogar wünschen, dass er gänzlich verschwände. Eine Zwei-Staaten-Lösung und damit eine Teilung des „Heiligen Landes“ wird von den Irredentisten beider Seiten nicht akzeptiert. Das erschwert es enorm, ein Ende des Konflikts zu erreichen, selbst wenn ein Kompromiss ausgehandelt würde. Verluste vermeiden, Vorteile sichern
Dabei stehen die Chancen für einen Frieden auf den ersten Blick gar nicht so schlecht. Die Koalition des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu mag volatil erscheinen, dennoch befindet er sich in einer recht starken Position. Sollten seine rechten Koalitionspartner die Vertragsbedingungen nicht akzeptieren, könnte „Kadima“ einspringen, deren Vorsitzende Tzipi Livni ein Abkommen vermutlich unterstützen würde.
Hinzu kommt ein externer Faktor. Israels Umfeld hat sich erheblich zu dessen Ungunsten verändert: Die im Goldstone-Bericht erhobene Anklage, Israel habe während des Gaza-Krieges im Winter 2008/09 Kriegsverbrechen begangen, und auch die Erstürmung einer „Friedensflotille“ Ende Mai dieses Jahres haben zur Delegitimierung Israels beigetragen. Im Libanon hat die Hisbollah erneut aufgerüstet, Syrien etabliert sich dort wieder als Hegemon, und die Hamas hat den Krieg in Gaza gut überstanden. Israels Beziehungen mit dem einstmals verlässlichen Verbündeten Türkei, die sich verstärkt Syrien und dem Iran zuwendet, sind angeschlagen. Selbst Ägypten, das als direkter Nachbar der Hamas im Gaza-Streifen jeden Grund hätte, mit Israel zu kooperieren, beginnt, sich nach allen Seiten abzusichern und bessere Beziehungen zum Iran zu suchen. Dessen nukleare Aufrüstung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Wesentlich problematischer als früher ist auch das Verhältnis der arabischen Bürger zum Staat Israel. Nur wenige wählen heute noch die linken jüdischen Parteien. Der Gaza-Krieg hat einen Teil dieser nicht unerheblichen Minderheit so polarisiert, dass es im vergangenen Herbst sogar zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Juden und Arabern in der Stadt Akko kam. All das sind gute Gründe für Israel, jetzt Frieden zu schließen.
Auf palästinensischer Seite sorgte Präsident Abbas für eine bislang beispiellose Periode politischer Ruhe in der Westbank, die auch ein nennenswertes Wirtschaftswachstum ermöglichte. Er kann auf eine junge und loyale Gefolgschaft im Zentralkomitee seiner Fatah bauen, die in der Westbank verwurzelt ist, nicht aus den zahlreichen palästinensischen Sicherheitsdiensten und Milizen rekrutiert wurde und die sich der Aufgabe verschrieben hat, die institutionellen Fundamente eines palästinensischen Staates aufzubauen. Abbas hat (mit amerikanischer Hilfe) die Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde professionalisiert und bewaffnete Milizen aufgelöst, die unter Arafat ihr Unwesen in der Westbank getrieben haben – was einer recht außergewöhnlichen Zusammenarbeit mit israelischen Sicherheitskräften geschuldet ist. Abbas’ Premierminister Salam Fayad hat sich als fähiger Verwalter erwiesen, der wenig Toleranz für Korruption zeigt. Unter seiner Regierung wurde das Justizwesen verlässlicher, palästinensische Universitäten und Unternehmen florieren. Inzwischen hat sich eine neue Mittelschicht herausgebildet, die an einem Frieden mit Israel interessiert ist. Die Israelis könnten also mit Verhandlungen einer weiteren Verschlechterung ihres Ansehens entgegenwirken. Die Palästinenser hätten allen Grund, die für sie positiven Entwicklungen abzusichern.
Dennoch spricht vieles gegen ein Gelingen. Die Spaltung Palästinas in die von der Fatah regierte Westbank und den von der Hamas regierten Gaza-Streifen verursacht beiden Verhandlungspartnern Schwierigkeiten. Israel fürchtet, dass die Hamas nach einem Rückzug auch in der Westbank die Macht an sich reißen könnte. Die Autonomiebehörde unter Abbas möchte sich nicht dem Vorwurf der Hamas ausgesetzt sehen, sie verschachere das „legitime Recht“ auf ganz Palästina an den jüdischen Staat. Einen Vertrag, der den Gaza-Streifen ausschließt, wird keine Seite unterzeichnen. Dass dieses Gebiet in nächster Zeit unter Kontrolle der Autonomiebehörde geraten könnte, ist jedoch so gut wie ausgeschlossen.
Und das ist nicht das einzige Hindernis. Die meisten Israelis unterstützen zwar immer noch das Konzept „Land für Frieden“, sind aber skeptisch, ob sich die palästinensische Regierung wirklich darauf einlassen würde. Dass Israel heute von einer rechten Koalition regiert wird, liegt nicht zuletzt daran, dass viele Israelis die palästinensische Regierung als unnachgiebig wahrnehmen.
70 Prozent der Palästinenser wiederum glauben, dass es unmöglich ist, mit der derzeitigen israelischen Regierung Frieden zu schließen. Sie sind der Überzeugung, dass sie den Siedlern jeden Wunsch erfüllt, eine Teilung Jerusalems rigoros ablehnt und nicht gewillt ist, das Leiden der palästinensischen Flüchtlinge anzuerkennen. Für Machmud Abbas ist es im Augenblick recht angenehm, Europa und die USA Druck auf Israel ausüben zu lassen, anstatt sich um ernsthafte Fortschritte zu bemühen.
Eben weil bislang so viele Friedensverhandlungen enthusiastisch begonnen haben und dann gescheitert sind, erodierte auch das Vertrauen in die jeweils andere Seite. Auf welchen Gebieten ließen sich jetzt Kompromisse schließen?
Das Potenzial der Nein-Sager
Zentraler Punkt eines Vertrags ist die Frage der Grenzen eines zukünftigen palästinensischen Staates. Die UN-Resolution 242 von 1967 fordert keinen Rückzug zu den Waffenstillstandslinien von 1949, sondern in „sichere und anerkannte Grenzen“. Für die Israelis ist diese „Grüne Linie“ folglich nicht sakrosankt. Die saudische Friedensinitiative von 2002 wiederum fordert einen totalen Rückzug aus den besetzten Gebieten, während die Palästinensische Autonomiebehörde und Israel wiederholt über die Möglichkeit eines „Landtauschs“ verhandelt haben. Dabei würden größere Siedlungsblocks von Israel annektiert und die Palästinenser im Gegenzug mit einem an die Westbank oder Gaza angrenzenden israelischen Gebiet entschädigt. Bislang wurde keine Einigung erzielt, welches Territorium für einen solchen Landtausch in Frage käme. Das Prinzip selbst aber hat keine der beiden Seiten in Frage gestellt.
Was Jerusalem betrifft, so wird die palästinensische Seite einigen Korrekturen zustimmen können, aber nicht auf ihren Anspruch auf Ost-Jerusalem, oder Al-Kuds, als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates verzichten. Anders als noch Ehud Olmert ist die Netanjahu-Regierung nicht bereit, eine Teilung Jerusalems in eine israelische und eine palästinensische Hauptstadt zu akzeptieren. Oppositionsführerin Tzipi Livni könnte sich mit einer Teilung abfinden, solange der Ostteil nicht zur palästinensischen Hauptstadt wird. Dass man sich in der Jerusalem-Frage einigen kann, ist unwahrscheinlich.
Kommen wir zur Frage des Rückkehrrechts palästinensischer Flüchtlinge – oder besser, derer Nachkommen. Die Palästinenser beharren auf einem solchen Recht. In Israel hingegen liegt der Anteil der arabischen Bevölkerung schon jetzt bei über 20 Prozent und er wird in den nächsten Jahren stetig wachsen. Will Israel seinen jüdischen Charakter bewahren, kann es keine größere Anzahl palästinensischer Flüchtlinge aufnehmen. Hier gibt es erfreulicherweise akzeptable Lösungsvorschläge: Israel würde ein Rückkehrrecht in das „historische Palästina“ generell anerkennen, wobei die Flüchtlinge sich nicht im Kernland Israel, sondern in einem zukünftigen palästinensischen Staat ansiedeln würden. Die meisten Palästinenser, inklusive der Flüchtlinge, können sich mit einem solchen Modell abfinden. Allerdings bleibt Machmud Abbas in diesem Punkt erstaunlich unnachgiebig.
Es ist paradox: Kompromisse sind in einigen Fragen möglich, rücken sie aber in greifbare Nähe, schwindet auch die Unterstützung in den beiden Bevölkerungen. Nur eine knappe Mehrheit der Palästinenser ist bereit, den jüdischen Charakter des Staates Israel anzuerkennen. Müssten sie einen palästinensischen Staat akzeptieren, dessen Grenzen nicht die Waffenstillstandslinien von 1967 sind, für den ein Landtausch notwendig und der entmilitarisiert wäre, und müssten sie obendrein auch noch den jüdischen Charakter Israels anerkennen, dann sinkt die Zustimmung auf gerade 33 Prozent. Sicherlich kann man auch versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Solange eine starke oppositionelle Gruppierung jedoch sofort einen „Ausverkauf der eigenen Interessen“ moniert, bleibt ein solches Unterfangen schwierig.
Wie sicher können wir also davon ausgehen, dass ein Abkommen, sollte es denn erfolgreich ausgehandelt werden, auch durchgesetzt werden kann? Einige Mitglieder in Netanjahus Kabinett sind nicht bereit, die dafür notwendigen Kompromisse zu akzeptieren und würden im Ernstfall zurücktreten. Könnte Kadima dann tatsächlich als „Friedenspartner“ einspringen? Nicht unbedingt, denn nicht alle ehemaligen Likud-Mitglieder, die sich Kadima angeschlossen haben, dürfen als moderat gelten. Einige Parteifreunde Ehud Olmerts haben dessen Friedensvorschläge vehement abgelehnt. Sollte sich ein unter Netanjahu verhandeltes Abkommen als unpopulär erweisen, ist eine Unterstützung durch Kadima alles andere als sicher.
Die Fatah-Regierung in Ramallah hat ein ähnliches Problem, das aber noch tiefer greifend ist. Machmud Abbas befindet sich in einer starken, aber nicht in einer unangreifbaren Position. Die Al-Aksa-Brigaden haben immer wieder angedroht, eine Intifada gegen die Autonomiebehörde zu führen, sollte sie weiterhin zusammen mit israelischen Sicherheitskräften gegen die Hamas in der Westbank vorgehen. Auch gilt der Rückhalt der Palästinenser in der Westbank nicht unbedingt der Person Abbas, sondern der Fatah. Und in deren Reihen – oder besser, in einem israelischen Gefängnis – sitzt Abbas’ stärkster Konkurrent Marwan Bargouthi. Als Veteran der ersten wie der zweiten Intifada genießt er höchstes Ansehen unter den Palästinensern. Eine Zwei-Staaten-Lösung, heißt es, würde er wohl unterstützen. Das bedeutet aber nicht, dass er jeden von Abbas ausgehandelten Kompromiss mittragen würde. Ein Abkommen wird wohl nur dann erfolgreich auszuhandeln sein, wenn auch charismatische Führungspersönlichkeiten wie Bargouthi eingebunden werden und wenn sie nicht die Möglichkeit erhalten, durch Fundamentalopposition die eigene Position zu stärken.
Wie problematisch die Hamas ist, bedarf kaum der Erklärung. Sowohl die Autonomiebehörde als auch Israel würden sich wünschen, dass die Hamas ihre Haltung zu einem Friedensprozess grundlegend ändert, bevor sie ein Abkommen abschließen. Die Fatah könnte ein Abkommen politisch nicht überleben, sollte die Hamas bei ihrer totalen Vetohaltung bleiben. Kann sie aber als Nein-Sager an Popularität bei den Palästinensern gewinnen, fürchten die Israelis, könnte dies womöglich zu einer Machtübernahme der Islamisten in ganz Palästina führen. Bislang sind alle Versuche gescheitert, Fatah und Hamas zu einer Einheitsregierung zu bewegen; wesentliche Änderungen in ihrer Haltung zu einer Anerkennung des Existenzrechts Israels oder bereits geschlossener Verträge sind ebenfalls nicht zu erkennen.
Keine Vorbereitung für den Frieden
Dass ein Abkommen so schwer zu erreichen ist, liegt an einer weit verbreiteten Skepsis über die Haltbarkeit eines Friedens. Und hier kommt wieder der doppelt irredentistische Charakter des Konflikts ins Spiel. Israelische Hardliner verweisen gerne darauf, dass die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) nie von einer Zwei-Staaten-Lösung spricht, was nur darauf schließen lasse, dass sie eine „Zwei-Phasen-Lösung“ im Sinn habe. Nach der Phase des Rückzugs Israels begänne demnach eine zweite Phase, an deren Ende es gar keinen jüdischen Staat mehr gäbe. In palästinensischen Schulbüchern, so wird auch vermerkt, werde immer noch üble antijüdische Hetze verbreitet. Auch habe die Autonomiebehörde nie klar Stellung bezogen, ob sie Selbstmordattentate und die Tötung israelischer Zivilisten als legitime Form des politischen Widerstands betrachtet oder nicht. Die politische Elite der Palästinenser bereite also ihre Bevölkerung nicht ausreichend auf einen Frieden vor.
Machmud Abbas wiederum kann mit Fug und Recht behaupten, dass er Terrorattacken aus der Westbank unterbunden hat, Netanjahu aber seinen Teil der Verpflichtungen aus der Road Map schuldig geblieben ist und nicht einmal die illegal errichteten Siedlungsaußenposten räumen ließ. Aus Abbas’ Sicht stehen Netanjahu und der Likud so fest an der Seite der Siedler, dass es fraglich ist, ob er überhaupt jemals bereit sein wird, eine Konfrontation mit den Hardlinern unter ihnen zu wagen und ernsthafte Räumungen vorzunehmen.
Ohne eine klare Verpflichtung auf beiden Seiten – soll heißen: ohne, dass irredentistischen Bestrebungen ein Ende gemacht wird – könnte ein Friedensabkommen ebenso negative Folgen haben wie ein Scheitern der Verhandlungen. Im Gaza-Streifen hat die Hamas ihren Konkurrenten Fatah nach dem unilateralen Rückzug der Israelis gewaltsam davongejagt. Im Augenblick verfügen zwar weder die Hamas noch andere Dissidenten über die Kapazitäten, dies auch in der Westbank zu tun. Ein ungeliebtes Abkommen könnte das aber ändern. In Israel könnten sich Siedler einer Räumung vor allem dann gewaltsam widersetzen, wenn die israelische Öffentlichkeit ein Abkommen nicht klar genug unterstützt.
Israelis und Palästinenser leben auf allerengstem Raum. Unter diesen Umständen ist absolut denkbar, dass ein Friedensabkommen nicht nur zum Konflikt innerhalb der beiden Bevölkerungen, sondern auch zwischen ihnen führt – womit ein mühselig ausgehandeltes Abkommen sofort wieder obsolet wäre. Um das zu vermeiden, muss ein Friedensvertrag weithin akzeptiert und gewollt sein und müssen Israelis wie Palästinenser auf die jeweilig erforderlichen Zugeständnisse eingestimmt werden. Dafür gibt es im Augenblick nicht das geringste Anzeichen.
Mit ein bisschen Hilfe der Freunde ...
Vielleicht, so könnte man anführen, ist mehr Schützenhilfe dritter Staaten notwendig, als die USA allein leisten können. Immerhin, so wird oft argumentiert, könnten die Vereinigten Staaten die harten Entscheidungen fällen, die von den Konfliktparteien selbst nicht getroffen werden. Sie hätten die Macht, die Verhandlungspartner mit Druck zu Zugeständnissen zu bewegen oder die Kluft zwischen unterschiedlichen Verhandlungspositionen mit konkreten Kompromissvorschlägen zu überbrücken. Und sollte es an einer glaubwürdigen Versicherung fehlen, dass mit diesem Abkommen ein „Ende des Konflikts“ tatsächlich erreicht ist, dann könnten die USA, im Zweifelsfall zusammen mit anderen Partnern, dem Abkommen ein solches Gütesiegel verleihen. Nun mögen die USA zwar durchaus in der Lage sein, Druck auszuüben oder die Verhandlungen mit neuen Ideen anzureichern. Aber man sollte ihre Macht nicht überschätzen.
Zunächst einmal haben die Amerikaner schon früher versucht, mit Druck zum Ziel zu gelangen – ohne Erfolg. Jetzt hat US-Präsident Barack Obama die israelische Regierung deutlich wissen lassen, dass er notfalls bereit sei, den Parteien gewisse „Parameter“ für einen Frieden zu diktieren. Aber kann man anderen wirklich vorschreiben, was richtig und wichtig für sie ist? Für beide Seiten stehen vitale Interessen auf dem Spiel. Sie müssen für eine breite Unterstützung in den eigenen Reihen sorgen und haben ernst zu nehmende Bedenken, wenn es um Einmischungen von außen geht. Diese Faktoren sind Grundlage ihrer Entscheidungen. Druck von außen ist da nur bedingt hilfreich. Ähnlich verhält es sich mit dem Versuch dritter Parteien, Kompromisse für die Konfliktpartner zu entwickeln, die sie selbst nicht zustande bringen. Es ist noch nie gelungen, von außen Kompromisse herbeizuzaubern, denen beide Seiten nicht nur zustimmen, sondern die sie auch ihren Bevölkerungen erfolgreich als eigenes Interesse vermitteln müssen.
Und schließlich: Wenn internationale Garantien für ein Abkommen etwas taugen sollen, dann muss ihnen ja zunächst ein Abkommen vorausgehen. Das wäre, wie wir gesehen haben, sicherlich einfacher, wenn die ewigen Störer zuvor marginalisiert worden wären. Aber welche glaubwürdigen Garantien können Drittstaaten denn übernehmen, dass Abkommen auch eingehalten werden? Welche Druckmittel stehen ihnen zur Verfügung, wenn Vereinbarungen verletzt werden? Wer glaubwürdig sein will, muss über die notwendigen Mittel verfügen, um im Fall einer Vertragsverletzung harte Maßnahmen ergreifen zu können, und er muss solche Mittel auch einsetzen wollen. Man darf bezweifeln, dass die USA oder andere Staaten dazu bereit wären.
Wie sieht es mit potenziellen Helfern aus der Region aus? Die umliegenden arabischen Staaten haben einen gewissen Einfluss auf die Palästinenser, wollen davon aber offensichtlich keinen Gebrauch machen. Nun spekuliert man, dass Fortschritte in den syrisch-israelischen Verhandlungen auch die Palästinenser zu größerer Flexibilität bewegen könnten. Das wäre aber nur der Fall, wenn die Syrer im Rahmen eines Rückgabeabkommens für die Golan-Höhen aufhören würden, die Hisbollah zu unterstützen. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass die gegenwärtige syrische Regierung eine solche Kehrtwende vollführen würde.
Nicht mehr, sondern weniger Engagement der Obama-Regierung wäre angebracht. Sie könnte und sollte zwar Druck auf beide Parteien ausüben, würde aber nicht ihr eigenes Prestige aufs Spiel setzen. Zudem würde sie anerkennen, wie schwierig dieser Prozess ist, aber zugleich Bescheidenheit zeigen. So nährt sie keine überbordende Hoffnung, die womöglich wieder in herber Enttäuschung endet. Das noch vorhandene, aber geringe Vertrauen in die Kompromissbereitschaft der anderen Seite würde weiter erodieren, sollten die Verhandlungen wieder einmal scheitern. Mit einer größeren Zurückhaltung würde die US-Regierung auch ernsthaft die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die jetzt geführten direkten Gespräche nicht in unmittelbarer – und vielleicht auch nicht in fernerer – Zukunft zu einem dauerhaften Frieden führen.
Prof. DONALD L. HOROWITZ ist James B. Duke-Professor für Jura und Politische Wissenschaften an der Duke University in North Carolina.
Internationale Politik 6, November/Dezember 2010, S. 74-81