Nachfolger gesucht
Demokratien haben viele Vorteile: Die Presse ist frei, man darf seine Meinung äußern, selbst wenn sie haarsträubender Unsinn ist. Doch in einem Punkt bleibt die „schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen“ (Winston Churchill) eine Herausforderung: Wenn es darum geht, die Führungsnachfolge zu regeln.
Wie herrlich einfach ist es in Nordkorea, wo die Macht von Vater zu Sohn weitergegeben wird. Da weiß das Volk, was es bekommt. In Saudi-Arabien ist die Sache nicht mehr ganz so überschaubar, aber es wird in jedem Fall einer der Prinzen.
Kreativer musste der russische Präsident Putin sein. Erst wechselte er zwischen Präsidenten- und Ministerpräsidentenamt hin und her. Dann sorgte er mit einer Verfassungsänderung dafür, dass er bis 2036 an der Spitze bleiben kann, quasi sein eigener Nachfolger wird. Er wäre dann 83.
Donald Trump wiederum leidet sichtlich darunter, dass es in den USA keine dynastischen Automatismen gibt. Dabei hat er nichts unversucht gelassen, Teile des Familienclans ins Weiße Haus geholt, Tochter Ivanka beim G20-Gipfel in Hamburg sogar schon mal testweise an den Verhandlungstisch mit anderen Staats- und Regierungschefs geschickt. Trotzdem könnte es im November eng für ihn werden.
Nun zu Boris Johnson: Der musste erst das halbe Vereinigte Königreich politisch und wirtschaftlich in Schutt und Asche legen, um sich seinen Traum erfüllen zu können, den Sitz des Premiers zu erobern– als Vorstufe zum Weltkönig.
Besonders tückisch ist die Lage in Deutschland: Denn hier regiert Angela Merkel seit 15 Jahren. Das schaffen inzwischen nur noch echte Autokraten. Halbherzige Versuche der Kanzlerin, eine saarländische Kopie als Nachfolgerin zu installieren, sind gescheitert. Stattdessen ringen offiziell drei Männer um ihr Amt, während ein vierter alles dafür tut, um ebenfalls im Gespräch zu bleiben. Der hat freilich den Nachteil, dass er in einem Bundesland beheimatet ist, in dem der Weißwurstäquator liegt, also quasi im Ausland.
So oder so werden sich die Deutschen ab Herbst 2021 an einen komplett neuen Führungsstil gewöhnen müssen: Schluss mit Raute und asymmetrischer Demobilisierung. Aber wie würde die ewige Kanzlerin sagen: Wir schaffen das.
Internationale Politik 5, September/Oktober 2020, S. 128