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01. März 2009

Die Repolitisierung des Kinos

Schlusspunkt

Ein Rückblick auf die Berlinale

Mit einem großen Irrtum begann die diesjährige Berlinale. Den Eröffnungsfilm „The International“ interpretierten viele Kritiker als Allegorie auf die aktuelle Finanzkrise. Tatsächlich hat der Polit-Thriller von Tom Tykwer aber nichts mit den komplexen Mechanismen des Bankencrashs zu tun. Diese Kontroverse verdeutlichte die bemerkenswerte Repolitisierung des Kinos, die in Berlin zu beobachten war. Internationaler Terror, Verbrechen gegen die Menschheit, zerfallende Staaten und Flüchtlingsbewegungen – all diese Themen waren vertreten. Je mehr Globalisierung und internationale Politik im Alltag der Menschen spürbar sind, umso stärker greift das Kino sie auf. Die zumeist von verschiedenen Ländern koproduzierten Filme werden dabei selbst immer mehr zum globalen Produkt, das weltweit Zuschauer bewegen soll.

So widmete sich der deutsche Regisseur Hans Christian Schmid in seinem Wettbewerbsbeitrag „Storm“ einer länder-übergreifenden Problematik: der juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Bosnien. Die Aussage eines Vergewaltigungsopfers vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegen einen bosnischen Serben wird dort faktisch nicht zugelassen; begründet wird das Vorgehen mit dem Verweis auf die so genannten „Abschluss-Strategien“, denen zufolge der Strafgerichtshof seine Arbeit bis Ende 2010 beendet haben soll. Als wahres Motiv für die Obstruktion stellen sich jedoch Mauscheleien hinter den Kulissen mit Brüsseler Politikern heraus, die den EU-Beitritt der neuen Balkan-Republiken beschleunigen wollen. Auch in „Storm“ erscheint die Rechtsprechung, zumal eine internationale, nicht als das geeignete Mittel, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Politveteran Constantin Costa-Gavras thematisiert die illegale Einwanderung: In „Eden à l’Ouest“ strandet sein Held Elias an der europäischen Mittelmeer-Küste und gelangt am Ende in seine Traumstadt Paris. Doch auf dem Weg dahin muss er viel Indifferenz, Feindseligkeit und Ausbeutung ertragen und ist ständig auf der Flucht vor der Polizei. Der Regisseur setzt auf die Identifikation mit dem Flüchtling, die er dadurch erreicht, dass er den Film beschwingt erzählt und den Einwanderer nicht als Bedrohung darstellt. Dennoch ist er Realist genug, seinen Helden in ein ungewisses Ende zu entlassen.

Das Kino ist nicht nur zum Spiegelbild globaler Entwicklungen geworden. Es kann in der globalisierten Welt Orientierung bieten und neue Formen der Völkerverständigung aufzeigen. Ein Beispiel dafür ist der Wettbewerbsbeitrag „London River“: Infolge der Terroranschläge von 2005 reisen eine ältere Britin und ein afrikanischen Moslem nach London, um ihre vermissten Kinder zu suchen. Dabei öffnen sie ihren Blick für die jeweils andere Kultur.

MIRIAM HOLLSTEIN, Redakteurin der Welt-Gruppe und KIRA TASZMAN, freie Journalistin

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, März 2009, S. 112.

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