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01. Febr. 2005

Mörderische Utopie

Die Ideologie des islamistischen Fundamentalismus führt zwnagsläufig zum Genozid

Der Holocaust war einzigartig. Doch gleichzeitig wurde er zum Präzedenzfall. Wie die pseudo-religiösen Ideologien Nationalsozialismus und Kommunismus vor ihm strebt auch der islamistische Fundamentalismus die Weltherrschaft an. Alle auf Weltherrschaft angelegten Ideologien verursachen Völkermorde.

Genozid ist in der Völkermordkonvention von 1948 klar definiert. Die genaue Bedeutung muss deshalb an dieser Stelle nicht noch einmal eigens erörtert werden. Dennoch sollten wir bedenken, dass Definitionen Abstraktionen der Realität sind, und dass die Realität sehr viel komplizierter sein mag als unsere Versuche, sie auf diese Weise zu erfassen. Auch entsprang unsere nun gebräuchliche Definition des Genozids keiner sorgfältigen und ausgewogenen akademischen Debatte. Sie war das Resultat eines politischen Kuhhandels der westlichen Großmächte mit den USA an der Spitze auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite. Es ist also wenig verwunderlich, dass daraus ernsthafte Probleme entstehen. Leider ist es der Wissenschaft nicht gelungen, sich auf eine bessere Definition zu einigen. Deshalb werden wir uns mit der existierenden Definition zufrieden geben müssen. Wir mögen widersprechen oder protestieren, benutzen aber dennoch das fehlerhafte Instrument, das uns mit dieser Definition zur Verfügung steht.

Es ist nur zu klar, dass Genozide in der Kultur des 20. Jahrhunderts weit verbreitet waren. Nach der Definition der Völkermord-Konvention fanden eindeutige Völkermorde im heutigen Namibia (1905/06 an den Herero) und im heutigen Tansania (1912 gegen die Mau-Mau) statt. Es folgte der türkische Genozid an den Armeniern in den Jahren 1915 bis 1923; danach wurden die Assyrer im Irak ermordet. Der Völkermord an den Kurden dauerte bis zum Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein an. Während des Zweiten Weltkriegs begingen die Nazis drei klare Völkermorde: an den Juden, den Sinti und Roma und an den Polen. Nach 1945 folgte der „Auto-Genozid“ der Khmer, der Völkermord an den Cham in Kambodscha und schließlich der Genozid an den Tutsi 1994 in Ruanda. Genozidale Morde finden in Zentralafrika bis zum heutigen Tag statt. Bislang stehen noch keine ausreichenden Forschungsergebnisse über Völkermorde in früheren Jahrhunderten zur Verfügung, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es auch vor dem 20. Jahrhundert Völkermorde gegeben hat.

Genozidale Morde können wir am besten als Massenmorde definieren, bei denen das geplante Ziel noch nicht erreicht wurde, alle Angehörigen einer „Zielgruppe“ aus ihrer Heimat zu vertreiben und als Gesamtheit zu eliminieren. Genozidale Morde tragen die Charakteristika eines sich entfaltenden Genozids wie in Bosnien, im Kosovo oder in Ost-Timor. Die Vorgänge im Sudan und dem Kongo, in Burundi oder Myanmar zeigen, dass wir uns mit Sicherheit auch in Zukunft weiter mit der Gefahr von Genoziden und genozidalen Morden beschäftigen müssen. Offensichtlich gibt es ein Kontinuum im menschlichen Handeln, begründet in der historisch entwickelten Psyche des Menschen, das zu dieser massiven mörderischen Gewalt führt. Wie andere Lebewesen auch kämpfen Menschen um Kontrolle und/oder die absolute Herrschaft über ein Territorium, um die Macht innerhalb eines Gebiets oder den Ausschluss anderer Gruppierungen. Aber Menschen sind die einzigen Lebewesen, die sich in solch schrecklichem Ausmaß gegenseitig töten. In diesem Sinn sollten wir Rudolph Rummels Definition des „Demozids“ als Überbegriff für Massenmord benutzen.1

Dieses Kontinuum reicht von Massenmorden aus politischen (oder Klassen-) Gründen über ethnische, nationale oder religiöse Konflikte bis hin zu Völkermord – wobei wir den internationalen Terrorismus als zusätzlichen Faktor berücksichtigen müssen. Die bisher extremste Form des Genozids war der Mord an den europäischen Juden – erdacht, geplant und stufenweise ausgeführt von Tätern, die ein totales, globales und rein ideologisches Ziel zu verwirklichen suchten, das (im marxistischen Sinn) nur teilweise oder indirekt mit pragmatischen Gründen verknüpft war. Auch wenn der Holocaust aufgrund dieser Elemente beispiellos war, so ist er doch selbst zum Präzedenzfall geworden. In Ruanda war die totale Vernichtung einer bestimmten Gruppe, der Tutsi, geplant. All die genannten Formen der Massentötung sind deshalb nicht einzigartig. Sie werden nicht nur wiederholbar sein. Sie sind es bereits.

In diesem Zusammenhang sollten wir die Ähnlichkeiten und Unterschiede von vier verschiedenen Formen der Massentötung betrachten:

a) Genozide und genozidale Morde

b) ethnische, nationale und religiös-  ethnische Konflikte

c) Morde, die auf politischen oder  Klassenideologien und -praktiken  basieren (Politizide) und schließlich

d) Fundamentalismus, der zu  Terrorismus führt.

Genozide und genozidale Morde geschehen, so dürfen wir annehmen, wenn eine Gruppe ihre überwältigende Macht gegen eine andere Gruppe anwendet, die über wenig oder gar keine Macht verfügt.

Ethnische und nationale Konflikte finden häufig in einem Umfeld mit einer annähernd militärischen und politischen Machtbalance statt, so dass keine Seite der anderen eine Lösung aufzwingen kann. Sobald sich die Machtbalance zugunsten einer Seite verschiebt und eine „Lösung“ gewaltsam erzwungen werden kann, entsteht die Gefahr einer Eskalation des Konflikts in eine genozidale Situation.

Politizid ist sehr oft eine Begleiterscheinung genozidaler Morde und das Resultat ernster sozialer und politischer Krisen in instabilen Gesellschaften. Hier sollten wir noch einmal auf Rummels detaillierte Studien zu Politiziden und Genoziden zurückgreifen. Beide Formen kommen in demokratischen Gesellschaften oder bei Konflikten zwischen diesen Gesellschaften äußerst selten vor. Sie werden von autoritären, diktatorischen oder totalitären Regimes begangen.

Mit internationalem fundamentalistischen Terror haben wir es dann zu tun, wenn eine radikale Minderheit innerhalb einer nichtradikalen, aber unterdrückten, desillusionierten und verzweifelten Mehrheit eine utopische, messianische Lösung entwickelt, die nur durch die totale Vernichtung des echten oder vermeintlichen Feindes zu verwirklichen ist. Vertritt diese Ideologie einen universalen Anspruch, so kann sie oft zu einem ethnisch-nationalen Konflikt führen. In jedem Fall aber stellt sie eine genozidale Bedrohung dar. Politizid ist offensichtlich eine Begleiterscheinung des radikalen Fundamentalismus. Holocaust-ähnliche Geschehnisse werden so leicht möglich.

Endziel: Weltherrschaft

Ich will mich zuerst mit dem Phänomen des religiösen oder pseudo-religiösen radikalen Fundamentalismus beschäftigen, der sich zum internationalen Terrorismus entwickelt. Je universaler die fundamentalistische Ideologie, desto radikaler die Mordkampagne. Nationalsozialismus und Kommunismus waren (und sind) fundamentalistische, pseudo-religiöse Ideologien, die genau wie derzeit der islamische Fundamentalismus die Weltherrschaft anstreben. Im Gegensatz dazu zielt der hinduistische Fundamentalismus auf die Beherrschung des indischen Subkontinentes, nicht aber der ganzen Welt ab. Der jüdische Fundamentalismus bringt eine bestimmte ethnisch-religiöse Gruppierung, nämlich vor allem die Juden selbst und den Staat Israel, in Gefahr – nicht aber die ganze Welt. Der christliche Fundamentalismus, der im Prinzip eine Weltherrschaft anstrebt, ist in sich gespalten, politisch ineffektiv und zudem auf eine wohlhabende Umgebung konzentriert, was dessen Gefahr, obwohl zweifellos vorhanden, weniger akut erscheinen lässt.

Eine Analyse des radikalen Fundamentalismus ist essentiell. Sowohl beim Nazismus als auch im Fall des imperialistischen stalinistischen Kommunismus und des heutigen islamistischen Fundamentalismus haben wir es mit Bewegungen zu tun, die sich in politischen oder quasi-politischen Gruppierungen organisieren und eine Kontrolle der staatlichen Instititionen anstreben. Grundsätzlich waren (und sind) alle drei Bewegungen anti-statisch. Der Nazismus versuchte den preußischen Beamtenstaat abzuschaffen und durch eine „Volksgemeinschaft“ zu ersetzen, die den Staat mittels der Partei kontrolliert. Er zielte nicht auf einen National-, sondern auf einen Rassenstaat ab, in dem alle verlässlichen Rechtsprozeduren abgeschafft werden sollten und faktisch eine antinormative Norm herrschen würde.

Bei all den Unterschieden zwischen Nazismus und Kommunismus gibt es hier eine eindeutige Parallele: Die Partei kontrolliert den Staat, die Existenz eines unabhängigen Gesetzes wird nicht geduldet.

Das Ziel des islamistischen Fundamentalismus ist ebenfalls ganz eindeutig die Abschaffung existierender arabischer Nationalstaaten zugunsten eines weltweiten islamischen Reiches, in dem das religiöse Gesetz in der Interpretation der Radikalen zu herrschen hat. Ein säkulares, unabhängiges Gesetz ist nicht zulässig.

Nazismus, Kommunismus und islamistischer Fundamentalismus formulieren klar und deutlich die Weltherrschaft als ultimatives Ziel. Alle drei Bewegungen bzw. Ideologien gebrauchten oder gebrauchen noch immer Terror – die Ermordung unbewaffneter Zivilisten – mit dem Ziel, die angegriffenen Gesellschaften zu zerstören. Nazismus und Kommunismus begingen sowohl Genozide, genozidale Morde als auch umfassende Politizide. Die dritte totalitäre Bewegung, der islamistische Fundamentalismus, bedient sich einer eindeutig genozidalen Propaganda, die an die Propaganda der beiden Vorläufer-bewegungen erinnert. Es ist von ungeheurer Wichtigkeit, genau auf diese Propaganda zu achten, denn wir können durchaus annehmen, das diese Menschen an das glauben, was sie sagen.

Nach Auffassung der islamistischen Fundamentalisten wird die Schwächung des Westens – und schließlich der ultimative Sieg über den Gegner – durch das ungeheure Anwachsen der muslimischen Bevölkerung in Europa (auf mittlerweile zwölf Millionen) und durch die ökonomische Krise garantiert, in die die westliche Welt durch den fundamentalistischen Terror geriet. Eine genozidale Propagandasprache und die Sehnsucht nach Weltherrschaft zum Zweck der Verwirklichung der fundamentalistischen Utopie muss notgedrungen zu Massenmord, Politizid und Genozid führen. Wir können das verallgemeinern: Alle auf die Erlangung der Weltherrschaft angelegten universalen Utopien morden. Radikale universale Utopien morden radikal.

Intervention, Kompromisse, Propaganda

Das Kontinuum zwischen diesen vier Formen des Demozids ist offensichtlich. Die Grenzen mögen zerfließen, und es mag Grauzonen in den Bereichen geben, in denen sie sich überschneiden. Dennoch gibt es klare Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen, die dementsprechend unterschiedliche Strategien der Bekämpfung erfordern.

Die Lösung des Problems Völkermord liegt offensichtlich in dessen Prävention. Eine Kombination von politischen und ökonomischen Maßnahmen, durchgesetzt von internationalen Organisationen oder auch unilateral von einer Großmacht, könnte im Idealfall einen Völkermord verhindern. Eine Art Frühwarnsystem ist dabei nicht wirklich notwendig. Denn an rechtzeitigen Warnungen der Medien und der politischen Welt mangelte es in jüngster Zeit ganz und gar nicht. Ruanda ist nur eines von vielen offensichtlichen Beispielen. Besonders in den USA, aber auch in Westeuropa stehen einer Reihe von Gruppierungen und Organisationen hoch entwickelte Methoden zur Verfügung, um auf drohende Gefahren oder einen schon unmittelbar bevorstehenden Völkermord aufmerksam zu machen.

Ultimativ, und wieder im Idealfall, sollte eine internationale, bewaffnete Eingreiftruppe als letztes Mittel zur Verhinderung von Genoziden und genozidalen Morden etabliert werden. Darüber wurde ausführlich diskutiert. Auch stellte Sir Brian Urquhart einen entsprechenden Antrag bei den Vereinten Nationen, der jedoch abgelehnt wurde.

Eine Eingreiftruppe wäre eine geeignete Abschreckung, solange keine der großen Mächte selbst in einen Genozid oder genozidale Morde verwickelt ist. Ist dies der Fall – man denke nur an Russland in Tschetschenien oder die USA in Vietnam – so wird eine bewaffnete Intervention unmöglich und man wird auf die bereits erwähnten wirtschaftlichen, „propagandistisch-erzieherischen“ oder politischen Mittel zurückgreifen müssen. Unser Ziel sollte meines Erachtens sein, eine internationale Atmosphäre zu schaffen, in der wir Konflikte lösen, bevor es zu Massenmorden kommt. Ohne Frage ist dies ein langfristiger Prozess. Dennoch müssen wir damit beginnen, um innerhalb der nächsten zwei Generationen Ergebnisse erzielen zu können. Selbst, wenn sie noch alles andere als zufriedenstellend sein sollten.

Die Lösung für ethnische und nationale Konflikte liegt ganz offensichtlich im Kompromiss. Solange jedoch ein Konflikt andauert, weil keine Seite die andere überwältigen kann, ist es äußerst schwierig, einen Kompromiss zu erzielen, eben weil jede Konfliktpartei hofft, dem Gegner doch noch ein Ergebnis aufzwingen zu können. Im Prinzip ist deshalb ein Ende eines ethnischen oder nationalen Konflikts nur möglich, wenn sich entweder beide Seiten buchstäblich erschöpfen und einen Kompromiss dem Sieg vorziehen. Wenn die Parteien durch Intervention zu Verhandlungen gezwungen werden. Oder wenn es gelingt, (worauf vor allem Optimisten abzielen) die politischen Führer zur Aufnahme von Verhandlungen zu bewegen.

Was den internationalen radikal-fundamentalistischen Terror betrifft, so kann man ihm nur mit einer Kombination von Gegenpropaganda, sozio-ökonomischen und politischen Maßnahmen sowie militärischen Mitteln begegnen. Die amerikanische Konzentration auf militärische Mittel allein – so gerechtfertigt deren Gebrauch auch ist – wird das Problem nicht im Kern lösen. Selbst wenn Osama Bin Laden und Al-Qaida einfach verschwinden sollten, so werden neue Bin Ladens und Al-Qaidas entstehen.

Wurzeln des Islamismus

Der islamistische Fundamentalismus wird von einer Reihe von Faktoren gespeist: tiefe Verzweiflung über die Unmöglichkeit, ein auch nur halbwegs anständiges Leben in Gesellschaften zu führen, die von permanenten wirtschaftlichen und sozialen Krisen geschüttelt werden. Die Ursache für diese Krisen liegt nicht etwa in der Globalisierung oder „westlichem Wirtschaftsimperialismus“, sondern im Widerwillen, überhaupt jene Bedingungen zu erkennen und zu akzeptieren, die zur wirtschaftlichen und politischen Übermacht des Westens geführt haben: sozialer Wandel, Demokratisierung, Säkularisierung – die Trennung von Staat und Religion. Die betreffenden Gesellschaften haben es bislang versäumt, auf diese Heraus-forderungen zu reagieren, was nicht nur zu wirtschaftlicher Rückständigkeit führte, sondern auch eine ungeheure demographische Explosion hervorgebracht hat, die nun wiederum den notwendigen Veränderungen im Wege steht.

Ein zweiter Faktor des islamistischen Fundamentalismus, der mit dem ersten zusammenhängt, ist die herrschende religiöse Ideologie, die niemals die Möglichkeit eines nicht-religiösen Staates auch nur in Betracht zog: Der Islam ist im Prinzip ein von Gott gegebener Lebensentwurf, der alle Bereiche, die gesamte politische, soziale und wirtschaftliche Organisiertheit einer Gesellschaft umfasst. Moderate Muslime fordern immer wieder eine Änderung der islamischen Wahrnehmung der Realitäten. Doch das wird von einer überwältigenden Mehrheit abgelehnt. Der radikale Islam will nicht nur die Herrschaft über islamische Staaten. Er hat sich die absolutistische Herrschaft über die Welt zum Ziel gesetzt, die auf den im 7. Jahrhundert offenbarten Gesetzen und deren Interpretationen durch Gelehrte des Mittelalters basieren würde. Aller Widerstand gegen den Islam muss in den Augen der Radikalen mit Gewalt gebrochen werden. Die Gesellschaft steht dann nicht unter der Herrschaft demokratischer oder auch nationaler Prinzipien, sondern unter einer religiösen Führung. Radikale Islamisten lehnen die Existenz alle arabischen Nationalstaaten wie Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien, Irak vollständig ab. Der Iran dagegen ist ein Paradebeispiel für den Charakter eines Staates, wie er den Islamisten vorschwebt.

Ein dritter Faktor für den radikalen Islamismus ist ein Gefühl der Wut auf die westliche Überlegenheit und auf den damit in Verbindung gebrachten Hochmut des Westens. Man weiß genau, dass der Islam eine fortschrittliche Zivilisation war, die den Aufstieg Europas erst ermöglicht hat, und vergleicht diese Epoche mit dem bedauernswerten Zustand der heutigen muslimischen Gesellschaften. Ein revolutionärer Wandel ist deshalb gefordert.

Der islamistische Fundamentalismus stellt eine ebenso große Gefahr für die Welt dar wie vor einigen Jahrzehnten Nationalsozialismus und Kommunismus. Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre die Mobilisierung moderater Muslime an der Spitze einer Propagandakampagne gegen den Fundamentalismus, der Arbeit von „Radio Free Europe“ oder der „Voice of America“ während des Kalten Krieges ähnlich. Die Verteilung von Audiokassetten wäre eine weitere Möglichkeit – Khomeinis Revolution im Iran wurde wesentlich durch dessen im Untergrund zirkulierende Kassetten vorangetrieben. Natürlich steht uns heute für diese Zwecke auch das Internet zur Verfügung. All das kann aber nicht funktionieren, solange wir uns nicht um die wirklichen Übel in den muslimischen Gesellschaften kümmern. Eine Art Marshall-Plan für die Dritte Welt wäre angebracht. Dies wäre eine Politik, die den armen Bevölkerungsschichten Hoffnung gäbe und zugleich die jeweiligen Wirtschaften ankurbeln und neue Märkte schaffen könnte. Das kann nur im Eigeninteresse von Gesellschaften liegen, die wirtschaftlich den Anschluss an eine globalisierte Welt finden wollen. Japan, Korea oder Taiwan schafften nach dem Zweiten Weltkrieg einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufstieg, der auch zu einer schrittweisen Demokratisierung führte. Jetzt begibt sich das kommunistische China auf diesen Weg. All diese Länder können als Beispiel und Vorbilder angeführt werden. Eine Propagandakampagne gegen den islamistischen Fundamentalismus muss nicht zuletzt schon wegen ihrer Anzahl auch die in Europa und den USA lebenden Muslime einbeziehen.

„Think Tanks“, die solche oder ähnliche Vorschläge entwickeln, verbessern oder auch verwerfen, sind absolut notwendig. Je mehr sie sich auf den Bereich „think“ und je weniger auf „tanks“ konzentrieren, desto besser. „Think Tanks“ können Regierungen beeinflussen, was sicherlich keine leichte Aufgabe ist, aber in Demokratien durchaus machbar. Um überhaupt substanzielle Ergebnisse zu erzielen, müssen wir zunächst einen unbedingten Willen für Veränderungen entwickeln. Internationale Organisationen sind gefordert, Brücken zwischen Kulturen und Zivilisationen zu bauen.

1 Rudolph Rummel: Democide: Nazi Genocide and Mass Murder, New Jersey 1992; Rudolph Rummel ist emeritierter Professor der Politikwissenschaft an der University of Hawaii. „Demozid“ bezeichnet Massenmorde, die von Regimes verübt wurden. Rummel untersuchte etwa 9000 Berichte solcher von Regimes angeordneter Morde. Nach seinen Berechnungen wurden im letzten Jahrhundert etwa 170 Millionen Menschen Opfer von Demoziden. Die Anzahl der Kriegsopfer beträgt etwa 38 Millionen.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, Februar 2005, S. 32 - 37.

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