IP Special

28. Apr. 2025

Mit Angeboten überzeugen

Dass Deutschland und Europa neue Partner brauchen, auch und gerade in Afrika, ist seit Langem bekannt. Wie könnte eine deutsche Afrika-Politik aussehen, von der beide Seiten profitieren und die die Systemkonkurrenz nicht weiter anheizt?

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Bild: Ursula von der leyen beim EU Global Gateway Forum 2023
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, hier beim EU Global Gateway Forum 2023 in Brüssel, muss afrikanische Partner davon überzeugen, dass Europa ein attraktiver Kooperationspartner ist.
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Die neue Trump-Administration hat innerhalb weniger Wochen nicht nur die multilate­rale Ordnung, sondern auch die Grundfesten deutscher und europäischer Verteidigungs-, ­Außen- und Entwicklungspolitik ins Wanken gebracht. Deutschland und Europa brauchen nun neue Partnerschaften, um die regelbasierte internationale Ordnung zu stützen, Lieferketten zu diversifizieren und einseitige Abhängigkeiten von China und den USA zu reduzieren.

Kooperationen mit afrikanischen Ländern können hier eine wichtige Rolle spielen. Doch die politischen Beziehungen zu afrikanischen Staaten sind mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, die die neue Bundesregierung aktiv angehen müsste. Ob ihr das jedoch in einer Zeit gelingt, in der der Fokus voraussichtlich stärker auf dem Krieg in der Ukraine und auf der Nachbarschaftspolitik liegt, bleibt ungewiss. 


Afrika-Politik seit dem deutschen G20-Vorsitz

Spätestens seit 2017 hat die deutsche Afrika-Politik politisch an Bedeutung gewonnen. Während der deutschen G20-Präsidentschaft initiierten die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble – vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen und geopolitischen Wettbewerbs mit China und anderen Mächten sowie der steigenden Zahl von Flüchtlingen und Migranten in der EU – die Initiative „Compact with Africa“ (Pakt mit Afrika). Ziel war es nicht nur, den wirtschaftlichen Austausch und Investitionen zu stärken, sondern auch die politischen Beziehungen mit afrikanischen Staaten aufzuwerten.

Seitdem hat sich im politischen Berlin die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern nicht zuletzt aufgrund des Ressourcenreichtums des Kontinents für eine nachhaltige Transformation in Deutschland und Europa entscheidend ist. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 intensivierte die Ampelregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz ihre diplomatischen Beziehungen und entsandte zahlreiche Kabinettsmitglieder zu Besuchen in verschiedene afrikanische Länder.

Im Mittelpunkt dieser „Shuttle-Diplomatie“ stand unter anderem der Zugang zu Rohstoff- und Energiequellen. Perspektivisch wurde hier insbesondere auf grünen Wasserstoff aus Namibia gesetzt (siehe hierzu auch den Beitrag von Leonie March auf S. 56 ff.) Die Bundesregierung schloss zudem neue Migrationspartnerschaften ab – einerseits zur Eindämmung illegaler Migration, andererseits, um gezielt Fachkräfte anzuwerben, etwa aus Kenia.

Im Vergleich zu früheren Bundesregierungen rückten auch die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte sowie Fragen der Rückgabe von Artefakten und menschlichen Überresten (human remains) stärker in den Fokus. Die Bundesregierung sah in der intensiveren Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der eigenen Vergangenheit einen zentralen Eckpfeiler für die Etablierung von Partnerschaften auf Augenhöhe.

Angesichts der wachsenden politischen Relevanz der deutschen Afrika-Politik in den vergangenen Jahren war es umso erstaunlicher, dass der Kontinent im Bundestagswahlkampf quasi keine Rolle spielte. Kaum ein Wahlprogramm thematisierte die Bedeutung afrikanischer Länder für Deutschland. Selbst die kontroversen Debatten über die Zukunft der Entwicklungspolitik während des Wahlkampfs griffen grundsätzliche Fragen zur deutschen Afrika-Politik kaum auf. Außerdem fiel die Veröffentlichung der neuen ressortübergreifenden afrikapolitischen Leitlinien mitten in den vorgezogenen Wahlkampf. In dieser Phase fanden sie kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Einerseits liegt das vermutlich daran, dass Leitlinien einer scheidenden Regierung grundsätzlich weniger Bedeutung beigemessen wird. Andererseits sind sie inhaltlich breit gefasst und beschreiben eher den Status quo, statt klare Prioritäten zu setzen.

Trotz dieser Rückschläge haben die Suche nach neuen Partnern und die Notwendigkeit einer gestaltenden deutschen Afrika-Politik keineswegs an Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Nach den Schockwellen, die die neue US-Regierung mit dem Einfrieren der USAID-Gelder, einer dezidiert nationalistisch-populistischen Außenpolitik sowie dem Rückzug aus einigen multilateralen Organisationen und Abkommen auf der Weltbühne ausgelöst hat, müssen Deutschland und Europa ihre Außenbeziehungen neu aufstellen.


Was wäre zu tun?

Deutschland und Europa müssen aus den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder dem Krieg in Gaza lernen. Dieses Mal gilt es, genau hinzuhören: Wie bewerten afrikanische Partner den Stopp der US-Hilfsgelder, die Entwicklung der amerikanischen Demokratie und den Rückzug der USA aus multilateralen Organisationen? Und welche Schlüsse ziehen sie daraus?

Die Annahme, afrikanische Partner würden europäische Sichtweisen automatisch teilen, führt zu Fehleinschätzungen und unüberlegtem Handeln. Während in Südafrika etwa die Spannungen mit der neuen US-Administration offenkundig sind, setzen in der Sahelzone viele Regierungen und auch nichtstaatliche Kräfte große politische Hoffnungen in die Trump-Regierung. 


Klaren thematischen Fokus setzen

Die neue Bundesregierung wird inhaltlich sehr viel stärker priorisieren und dementsprechend ihr Engagement in einigen Bereichen auch einstellen müssen, wenn sie einen Unterschied machen will. Die Finanzierung deutscher Afrika-Politik beruht bislang maßgeblich auf Geldern der Entwicklungszusammenarbeit. In den Niederlanden, Schweden, Frankreich, Finnland und vielen anderen zentralen EU-Geberländern werden Gelder der Entwicklungszusammenarbeit massiv gekürzt. Die USA, die ihre Mittel fast komplett eingefroren haben, sind damit Teil eines größeren Trends. 

Wie viele Gelder die neue Bundesregierung für Entwicklungszusammenarbeit veranschlagen wird, ist mitten in den ­Koalitionsverhandlungen noch unklar. Klar ist, dass Kürzungen nach dem „­Rasenmäher-Prinzip“, wo überall gleichermaßen gekürzt wird, wenig vielversprechend sind. Stattdessen sollten Kürzungen mit starker inhaltlicher Priorisierung ein­hergehen.

Zwei Prioritäten für die bilateralen Beziehungen mit afrikanischen Ländern drängen sich auf: die Förderung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung und die Stärkung der Demokratie – beides in enger Abstimmung mit europäischen Partnern. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Global Gateway Initiative, die die EU-Kommission im Dezember 2021 ins Leben gerufen hat. Durch Investitionen in Transport, Energie und Digitalisierung wollen sich die EU-Institutionen und Mitgliedstaaten als wirtschaftliche Partner profilieren, die konkrete Ergebnisse liefern. Bis zu 300 Milliarden Euro will Europa bis 2027 für Investitionen weltweit ­mobilisieren, wobei die Hälfte dieser Mittel in afrikanische Länder fließen soll.

Deutschland und Europa stehen mit ihrem Anspruch einer wertebasierten Außenpolitik relativ allein da

Die EU-Kommission präsentierte Global Gateway explizit als wertebasierte Alternative zu Chinas Neuer Seidenstraße. Anders als bei früheren Vorhaben zur Förderung der Wirtschaftskooperation versucht die EU nun, Investitionen gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, Entwicklungsbanken und dem Privatsektor zu fördern. Mit Blick nach vorn müssen Deutschland und die EU zeigen, dass Europa mit Global Gateway tatsächlich attraktive Kooperationsangebote für afrikanische Länder bereithält. Global-Gateway-Projekte sollten im wirtschaftlichen Interesse beider Seiten sein und nicht nur auf den Abbau von Rohstoffen, sondern auch auf lokale Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet werden.

Jenseits der Förderung nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung sollten Deutschland und Europa auch Demokratie und transnationale europäisch-afrikanische Netzwerke unterstützen. Die USA haben nicht nur ihre Entwicklungspolitik, sondern auch ihre Demokratieförderung eingestellt. Inwiefern sich die USA selbst zu einer kompetitiven Autokratie entwickeln, in der Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, ist offen. Klar ist, dass die US-Demokratie als potenzielles Modell für andere Demokratien massiv an Strahlkraft eingebüßt hat. Für Deutschland und Europa bedeutet dies, dass sie mit dem Anspruch einer wertebasierten Außenpolitik nun relativ allein dastehen. 

Vor diesem Hintergrund sollten Deutschland und Europa ihre eigene Demokratieförderung überdenken und priorisieren. Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten einsetzen, sollten mehr Unterstützung erhalten. Knapp 20 Prozent der USAID-Gelder wurden von NGOs umgesetzt. Deutschland und Europa werden diese Gelder offensichtlich nicht kompensieren können. Sie sollten aber im Einzelnen genau prüfen, wo Organisationen, die sich für Meinungsvielfalt und demokratische Strukturen einsetzen, strategisch unterstützt werden können. 

Auch die Kooperation mit afrikanischen Medien sollte ausgebaut werden. Der Wettbewerb zwischen China, den USA, Europa und anderen externen Mächten in Afrika ist auch ein Wettbewerb der Narrative und Deutungshoheiten. Mit der Einstellung des staatlichen US-Auslandssenders Voice of America und anderer ­Initiativen zur ­Unterstützung afrikanischer Medien reist die US-Administration hier eine besonders große Lücke.


Mehr Kooperation statt Konkurrenz

Der außenpolitische Ansatz der USA birgt die Gefahr, dass sich der geopolitische Wettbewerb um Kooperationen mit afrikanischen Ländern weiter verschärft. Deutschland und die EU sollten nicht aktiv zur Systemkonkurrenz beitragen. Explizite Statements, dass beispielsweise Global Gateway die bessere Alternative zur Neuen Seidenstraße ist, sind wenig überzeugend. 
Auch sollten afrikanische Länder nicht gedrängt werden, sich zu positionieren. Globale Entwicklungsherausforderungen können nur gemeinsam bewältigt werden. Deutschland und Europa sollten sich daher darauf konzentrieren, sicherzustellen, dass ihre Kooperationsangebote auch tatsächlich im gemeinsamen Interesse beider Seiten sind.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik Special 2, Mai 2025, S. 52-55

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PD Dr. habil. Christine Hackenesch ist wissenschaft­liche Mitarbeiterin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Leiterin des Forschungsprojekts Megatrends Afrika.
 

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