IP

01. März 2017

Kleines Wirtschaftslexikon Italien

Italiens Wirtschaft von Alfa-Romeo bis Vatikan

Alfa Romeo, Ferrari & Co.

Calcio in der Krise

Fernsehnation

Innovation

Jugend ohne Hoffnung

Korruption

Nord-Süd-Gefälle

Steuerhinterziehung

Tourismus

Unternehmen Familie

Vatikan-Wirtschaft

 

Alfa Romeo, Ferrari & Co.

Ob schnittig wie ein Ferrari Enzo oder elegant wie ein Alfa Romeo Spider – gute Autos gehören zu Italien. Allerdings hat die italienische Autoindustrie in den vergangenen Jahr-zehnten einen drastischen Niedergang erlebt. Nur langsam geht es wieder aufwärts.

Anfang der neunziger Jahre war die italienische Autowelt noch in Ordnung. Fast zwei Millionen Wagen wurden damals pro Jahr im Land gebaut. In den folgenden Jahren sollte die Produktion erheblich sinken – bis auf knapp 400 000 Autos im Jahr 2013 und damit auf den Stand von 1960.

Der Niedergang der italienischen Autoindustrie, er ist auch der Niedergang von Fiat. Jahrzehntelang war Fiat für Italien das, was Volkswagen für Deutschland ist: ein Synonym für den wirtschaftlichen Erfolg einer ganzen Nation. Luxusmarken wie Ferrari, Alfa Romeo und Maserati gehörten ebenso zum Repertoire des Großkonzerns wie die bodenständige Marke Fiat selbst. Der Fiat 500, ein kleines, rundliches Auto mit kugeligen Scheinwerferaugen, ermöglichte in den fünfziger und sechziger Jahren unzähligen italienischen Familien den Wochenendausflug ans Meer. Das Auto stand für die individuelle Mobilität der Italiener ebenso wie für die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes.

Bis zum 24. Januar 2003. An diesem Tag starb Giovanni Agnelli, Patriarch der Gründerfamilie. Unter seinem gleichnamigen Enkel, der die Geschäfte übernahm, lief es wirtschaftlich weit weniger rund. Der Aufstieg von Volkswagen und anderer ausländischer Konkurrenten machte dem Konzern schwer zu schaffen.

Die Jahre seit der Finanzkrise ab 2008 haben den krisenerprobten italienischen Hersteller ein weiteres Mal getroffen: Die Nachfrage im eigenen Land ging drastisch zurück. Einst arbeiteten im Stammwerk Mirafiori in Turin bis zu 70 000 Menschen, mehr als bei VW in Wolfsburg. Heute sind es gerade mal noch ein paar Tausend.

Unter dem derzeitigen Chef Sergio Marchionne hat der Konzern sein Gesicht stark verändert und internationalisiert. 2014 übernahm Fiat den kriselnden US-Autobauer Chrysler, die Luxusmarken Alfa Romeo und Maserati wurden abgespalten. 2016 verlegte der Konzern den Firmensitz aus Steuergründen in die Niederlande – für Italien ein schwerer Schlag.

Immerhin: In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Lage für die Branche wieder etwas entspannt, und das Durchhaltevermögen der Hersteller wird mit besseren Zahlen belohnt. Allein im August 2016 stiegen die Umsätze auf dem italienischen Automarkt um mehr als 20 Prozent. Bei Fiat Chrysler Automobiles sprang der Gewinn von April bis Juni 2016 um 16 Prozent auf 1,63 Milliarden Euro.

Und auch der inzwischen abgespaltene Sportwagenhersteller Ferrari, der noch bis 2016 zu 80 Prozent Fiat Chrysler Automobiles gehörte, hat nach einem guten Sommerquartal seine Prognose für das Gesamtjahr angehoben. Die Geschäftsführung rechnet mit einem Gewinn von rund 850 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.

Fortschritte gibt es auch bei der Fiat Chrysler-Tochter Alfa Romeo. Die Luxusmarke schien fast schon in Vergessenheit geraten zu sein. Aber ­Fiat-Chef Sergio Marchionne investierte in den vergangenen Jahren insgesamt mehr als fünf Milliarden Euro, um die Marke wiederzubeleben. Das scheint sich auszuzahlen: Das aktuelle Modell Giulia stieß auf ausgesprochen positive Resonanz. Und Marchionne will noch mehr. Verkaufte Alfa Romeo 2014 nur noch 68 000 Autos pro Jahr und damit gerade mal ein gutes Drittel der 200 000 in den frühen neunziger Jahren, hat der Fiat-Chef für 2018 die Zielmarke 400 000 ausgegeben.

Ambitionierte Pläne, erste Erfolge – ein gutes Zeichen für die italienische Automobilindustrie. Allerdings könnte Fiat seinem deutschen Pendant VW bald in anderer Hinsicht Konkurrenz machen. Im September hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt dem italienisch-amerikanischen Autobauer vorgeworfen, ebenfalls unzulässige Abschalteinrichtungen bei Dieselmotoren verwendet zu haben. Ob und wenn ja, was an den Vorwürfen dran ist, ist noch unklar. Es sieht allerdings so aus, als könnte der italienische Autobauer seine Erfahrung in Sachen Krisenmanagement auch in den kommenden Monaten noch gut gebrauchen.

Katja Scherer

Calcio in der Krise

➞ Schulden, Skandale, Randale: Um den Lieblingssport der Italiener steht es derzeit nicht gerade rosig. Findet der Fußball den Weg zurück aus dem Abseits, in das Größenwahn und Korruption ihn geführt haben?

Dem deutschen Fußballwelt- und Europameister Andi Möller wird die Aussage zugeschrieben, er habe einmal auf die Frage nach seiner nächsten Profistation lapidar geantwortet: „Mailand oder Madrid: Hauptsache Italien!“ Ob Wahrheit oder Legende – Möller selbst hat später dementiert –, der Spruch sagt einiges über den Stellenwert der italienischen Liga in den achtziger und neunziger Jahren aus.

Wer damals nicht nur gut leben und verdienen, sondern sich auch mit den besten seiner Zunft messen wollte, der kam an einem Engagement in Turin, Mailand oder Rom nicht vorbei. Weltmeisterschaftspartien wie das 1990er Achtelfinalduell zwischen Deutschland und den Niederlanden wurden zu italienischen Lokalderbys: Gespielt wurde in Mailand, auf der einen Seite standen die Inter-Stars Matthäus, Brehme und Klinsmann, auf der anderen Seite die AC Mailand-Legenden Gullit, Rijkaard und van Basten. Im Jahr 2000 gab allein Inter so viel Geld für Transfers aus wie die gesamte deutsche Bundesliga.

Tempi passati! Natürlich, noch immer gehört die Serie A zu den „Großen 5“ in Europa, die mit einem Anteil von 54 Prozent und rund zwölf Milliarden Euro über die Hälfte des Marktvolumens erwirtschaften. Nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte lag die italienische Liga in der Saison 2014/15 mit einem Umsatz von rund 1,8 Milliarden Euro auf Platz 4 – hinter der englischen Premier League, der Bundesliga und der spanischen Primera Division, aber noch vor der französischen Ligue 1.

Doch was ist diese Platzierung wert? Nicht viel, betrachtet man die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre. Seit der Saison 2005/06 hat die Serie A ausschließlich Verluste verbucht. Lag der Fehlbetrag anfangs noch bei vergleichsweise moderaten 64 Millionen Euro, so hat sich das Defizit mittlerweile versechsfacht.

Als die italienischen Erstligisten in der Saison 2014/15 mit 365 Millionen Euro Verlusten einen neuen Negativrekord aufstellten, schlug die Gazzetta dello Sport Alarm: „Die Serie A bricht zusammen“. Besonders die Mailänder Clubs taten sich mit 140,4 Millionen (Inter) und 91,3 Millionen Euro Verlust (AC Mailand) negativ hervor, während die Turiner Vereine mit einem Plus von 10,6 Millionen (AC Turin) und 2,3 Millionen Euro (Juventus) zu den wenigen rühmlichen Ausnahmen gehörten.

Kein Wunder, dass auch in den Spielstätten der Serie A weitgehend tristezza herrscht. Fankrawalle, Rassismus, Korruptionsskandale und mangelnder Komfort haben die Fans aus den Stadien getrieben. 21 833 Zuschauer im Schnitt bedeuteten 2016 den niedrigsten Stand der vergangenen fünf Jahre – ein etwas ambitionierterer deutscher oder englischer Zweitligist hat im Zweifel mehr.

Dass es anders geht, zeigt, ausgerechnet, Juventus. Noch 2006 im Zuge eines großen Manipulationsskandals zwangsweise in die zweite Liga versetzt, ist der Turiner Club heute praktisch der einzige italienische Verein, der sich mit den ganz Großen in Europa messen kann. Mit dem Stadio delle Alpi verfügt „Juve“ zudem über eine Arena, die modernen Ansprüchen genügt und die Massen anzieht.

Denn die sind hungrig auf Fußball. Wie könnte es auch anders sein in einem Land, in dem ein täglich erscheinendes Sportblatt, die Gazetta dello Sport, zu den auflagenstärksten Tageszeitungen gehört. Und in dem die Vereinstreue geradezu sprichwörtlich ist: Nur zwei Dinge gibt es, die der geneigte Tifoso einem geflügelten Wort zufolge im Laufe seines Lebens niemals austauschen kann – die Mamma und die Squadra.

Ein solches Premiumprodukt in einem fußballverrückten Land derartig in Richtung Abgrund zu steuern, dazu gehört einiges. Zum Beispiel ein erhebliches Maß an Verantwortungs- und Maßlosigkeit, gepaart mit kreativer Buchführung und dem naiven Vertrauen, dass irgendwie am Ende alles gut gehen werde.

Und es bedarf der Schützenhilfe durch eine Politik, die keinerlei Anstalten unternimmt, die Liga für ihr Fehlverhalten an die Kandare nehmen zu wollen, im Gegenteil. Als es Italiens Erstligisten im Jahr 2004 glücklich geschafft hatten, einige Hunderte Millionen Euro allein an Steuerschulden anzuhäufen, da kam ihnen Regierungschef Silvio Berlusconi zu Hilfe – mit einem Gesetz, das nicht zufällig als „Steuerschmiergesetz“ (legge spalmadebiti) bezeichnet wurde. Vereine, die teilweise jahrelang keine Lohnsteuern gezahlt hatten, durften fortan ihre Steuerschulden über viele Jahre abstottern, also quasi so großzügig verteilen wie die Butter auf dem Brot.

Wird der Serie A heute die Rechnung für jahrzehntelange Misswirtschaft präsentiert? Fast scheint es so. Als erstes traf es den traditionsreichen AC Parma, der im März 2015 mit einem geschätzten Schuldenstand von 100 Millionen Euro Insolvenz anmelden musste.

Auch die beiden hochverschuldeten Mailänder Clubs stürzten, aber sie fielen nicht ganz so hart. Im Juni 2016 erwarb der chinesische Elektronikkonzern Suning für 270 Millionen Euro 69 Prozent der Anteile von Inter. Bis Juni dieses Jahres sollen auch die übrigen 31 Prozent an die neuen Eigentümer gehen. Ähnlich erging es dem Stadtrivalen. Anfang August 2016 gab Silvio Berlusconi bekannt, sich als Präsident des AC Mailand zurückziehen zu wollen. Ein Konsortium aus China, die Sino-Europe-Sports-Gruppe, übernahm für 740 Millionen Euro 99,93 Prozent am Traditionsverein. Das Mailänder Stadtderby, es wird künftig chinesisch.

Zumindest beim Vorzeigeclub Juventus Turin scheint die Welt noch in Ordnung. Hier schwingt seit 1923 die Familie der Fiat-Autobauer Agnelli das Zepter – auch sie ein italienischer Mythos. Doch als die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT Juve-Präsident Andrea Agnelli im Frühjahr 2015 fragte, wie er es geschafft habe, den Club in zehn Jahren vom Schmuddelkind zum Musterschüler zu machen, da fiel die Antwort reichlich unsentimental aus: „Ich habe das gesamte Management ausgetauscht. Nur Kompetenz zählt.“

Joachim Staron

Fernsehnation

➞ Die Zeitungen vermelden Verluste, das Internet wächst langsamer als anderswo: Italien bleibt ein Land der TV-Enthusiasten. Und nicht erst seit Berlusconi hat die Politik entdeckt, wie sie dieses Medium zur Einflussnahme nutzen kann.

Auch wenn die politische Karriere von Silvio Berlusconi sich langsam ihrem Ende zuzuneigen scheint – Macht besitzt der Mann, der über Jahrzehnte Italiens Politik prägte, noch immer. Denn er bleibt Mehrheitsaktionär der Mediaset-Gruppe, die über mehrere Fernsehsender und Zeitschriften große Teile des italienischen Medienmarkts kontrolliert.

TV-Stationen sind hier wichtige Vehikel der Meinungsbildung – Italien ist ein Fernsehland. 254 Minuten sehen die Italiener pro Tag fern, eine halbe Stunde mehr als die Deutschen. Das Internet ist auf den zweiten Platz bei der Mediennutzung vorgerückt, erreicht aber noch immer nicht die Verbreitung des Fernsehens. Nur rund 66 Prozent der Haushalte haben einen Internetanschluss, im EU-Durchschnitt sind es etwa 80 Prozent.

Der italienische Fernsehmarkt ist dabei stark konzentriert. Auf die drei Sendeanstalten Sky Italia, Mediaset und RAI entfallen rund 90 Prozent des Gesamtumsatzes. Angeführt wird dieses Trio von den öffentlich-rechtlichen Sendern der RAI-Gruppe, die mit 4,04 Millionen Zuschauern pro Monat knapp vor den Mediaset-Kanälen liegen.

Ihre starke Stellung macht die RAI zu einem wichtigen politischen Werkzeug. Von den sieben Aufsichtsratsmitgliedern bei der RAI werden vier vom Parlament bestimmt, zwei von der Regierung und nur einer von einer nichtpolitischen Gruppe, den Arbeitnehmern des Senders.

Die Einflussnahme der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist einer der Gründe, warum Italien in der jährlichen Rangliste zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen zurzeit nur auf Rang 77 landet, während die meisten anderen europäischen Länder ganz oben stehen.

Derweil erleben die Zeitungen einen Abstieg. Marktführer Corriere della Sera hat zwischen 2014 und 2015 fast 30 000 Leser verloren, genauso wie La Repubblica und die Wirtschaftszeitung Sole 24 Ore. Sogar die traditionsreiche Gazzetta dello Sport findet immer weniger Leser. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Italien liest gar keine Zeitung mehr, zeigen Daten des Meinungsforschungsinstituts Censis. Vielen Italienern reichen die schnellen Nachrichten aus dem Internet – und wenn man es ausführlicher braucht, dann schaltet man eben den Fernseher ein.

Malte Buhse

Innovation

➞ Wenn das Land Leonardo Da Vincis auf dem wichtigsten globalen Innovationsindex nur auf Rang 29 liegt, dann ist irgendetwas falsch gelaufen. Das hat die italienische Politik mittlerweile erkannt – und steuert gegen.

1799 entwickelte Alessandro Volta die Batterie, 1846 entdeckte Ascania Sobreo den Sprengstoff Nitroglycerin, und im Jahr 1895 ließ der Italiener Guglielmo Marconi sein Abitur sausen, um im Keller seiner Eltern die erste drahtlose Telegraphie-Anlage der Welt zu bauen. Weil sich das italienische Postministerium für seine Erfindung nicht interessierte, ließ Marconi die Anlage allerdings ein Jahr später in England patentieren.

Erfindergeist liegt den Italienern in den Genen – ebenso wie die Fähigkeit, ihre Ideen in Geld zu verwandeln. Von Feinkost über Haute Couture bis hin zu Luxusjachten und Präzisionsmaschinen: „Made in Italy“ steht für qualitativ hochwertige, ansprechend designte Produkte. Im Jahr 2014 erreichte Italien trotz der Flaute am Binnenmarkt einen neuen Rekordwert bei den Ausfuhren.

Allerdings lebt das Land in vielerlei Hinsicht von der Vergangenheit. Die meisten Großunternehmen existieren seit Generationen und sind in ihrem Bereich hochspezialisiert. Mit der Entwicklung digitaler Geschäftsfelder und der Anknüpfung an neue Technologien tun sie sich schwer.

Als eine der traditionell innovativsten Regionen gilt das Piemont: Die Universitäten gehören zu den besten im Land. Das Polytechnikum von Turin ist mit seinen 800 Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft weltbekannt. Hinzu kommen Technologiecluster in den Bereichen Nahrungsmittel, Biotechnologie, erneuerbare Energien, nachhaltige Chemie sowie Maschinenbau und Textilien. Gemessen an der Zahl der Patentanmeldungen liegt das Piemont in Italien an dritter Stelle.

Doch abseits solcher Leuchtturmregionen schneidet das Land im internationalen Vergleich nicht gerade glänzend ab. Auf dem Global Innovation Index, einer Rangliste, die jährlich von der französischen Business School INSEAD, der Cornell University und den Vereinten Nationen herausgegeben wird, liegt man auf Platz 29, hinter Malta, Tschechien und Spanien. Eine Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) von 2016 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Demnach arbeiten nur 0,7 Prozent der italienischen Arbeitnehmer als Intrapreneure, also als Ideengeber in ihrem Unternehmen, und nur 4 Prozent als Entrepreneure. Damit bildet Italien das europäische Schlusslicht.

Ein weiterer Kritikpunkt der WEF-Studie: An der italienischen Börse existieren kaum Unternehmen, die in innovativen Branchen wie Biotech oder Digitalwirtschaft unterwegs sind. Die zehn größten Unternehmen des Landes sind alle über 90 Jahre alt und machen ihre Geschäfte mit Öl, Gas, Telekommunikation und Infrastruktur.

Inzwischen scheint ein Umdenken in der italienischen Politik stattzufinden. Seit einigen Jahren versucht die Regierung, die Gründung von jungen, innovativen Unternehmen zu fördern. So wurde im Jahre 2012 ein Gesetz erlassen, das Start-up-Firmen steuerliche Vorteile einräumt. Gerade die Finanzierung ist für viele Jungunternehmer ein großes Problem. Während in den USA im Jahre 2015 rund 20 Milliarden Dollar Risikokapital in Start-ups investiert wurden, waren es in Italien nur knapp 100 Millionen.

Zudem bildet sich nach und nach eine Infrastruktur heraus, die Jung­unternehmern die Arbeit erleichtert. Seit 2010 existiert in Rom das Gründerzentrum LUISS Enlabs. Dort werden Start-ups fünf Monate lang darauf vorbereitet, ihr Produkt international auf den Markt zu bringen.

Vor allem in Mailand, Rom und Turin hat sich inzwischen eine kleine, aber rege Start-up-Szene herausgebildet. Eine der erfolgreichsten Neugründungen der vergangenen Jahre ist das Unternehmen Vislab, das ein selbstfahrendes Auto namens Deeva entwickelt hat. Mittlerweile wurde das Jung­unternehmen vom US-Chiphersteller Ambarella aufgekauft.

Auch in Sachen Industrie 4.0 will die Regierung aufholen, bei der Digitalisierung und Automatisierung der Fabrikproduktion. Italien ist gemessen an der Industrie-Bruttowertschöpfung das zweitwichtigste Herstellerland in Europa. Um die Akzeptanz neuer Technologien wie 3D-Druckern in der Industrie zu erhöhen, gibt es im Land mittlerweile mehr als 70 so genannte Fablabs – Versuchslabore, in denen klassische Artikel wie Schmuckstücke oder Kaffeemaschinen mit den neuen Technologien kostengünstig produziert werden können.

Bei der digitalen Vernetzung der klassischen Fabriken besteht allerdings noch erheblicher Nachholbedarf. Das liegt einerseits an der unzureichenden digitalen Infrastruktur im Land, andererseits an der Skepsis der Unternehmer. Nach Angaben der Gesellschaft Germany Trade and Invest verkaufen nur 5 Prozent der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe ihre Waren online. Um das zu ändern, hat die Regierung 2015 eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft ins Leben gerufen. Sie soll Vorschläge machen, wie die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Industrie verbessert werden kann – zum Beispiel durch weitere Steueranreize oder neue Forschungscluster. Nötig wäre es wohl, um „Made in Italy“ auch künftig als starke globale Marke zu erhalten.

Katja Scherer

Jugend ohne Hoffnung

➞ Mehr als ein Drittel der italienischen Jugendlichen findet keinen Job. Und anders als in Griechenland oder Spanien ist das nicht in erster Linie eine Folge der Euro-Krise, sondern ein strukturelles Problem. Wächst in Italien eine verlorene Generation heran?

Es war zumindest ein kleiner Erfolg, den das europäische Statistikamt Eurostat im September vermelden konnte: Das erste Mal seit 2009 war die Arbeitslosenquote in der Euro-Zone wieder unter 10 Prozent gefallen. Im November lag sie dann bei 9,8 Prozent. Das ist zwar immer noch zu hoch, aber immerhin deutlich weniger als die über 12 Prozent, die auf dem Höhepunkt der Euro-Krise Ende 2013 keine Arbeit hatten. An Italien ist der kleine Aufschwung auf dem europäischen Arbeitsmarkt allerdings größtenteils vorbeigegangen. In der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone ist die Arbeitslosigkeit mit 11,9 Prozent noch immer sehr hoch und hält sich auf diesem Niveau seit einem Jahr hartnäckig.

Die Schwäche des italienischen Arbeitsmarkts trifft vor allem junge Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren. Die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit in Italien sind noch erschreckender als die Gesamtsitua­tion. Im Oktober des vergangenen Jahres hatten 37,8 Prozent der jungen Italiener keinen Job und befanden sich auch nicht in einer Ausbildung. In der ­Euro-Zone ist die Situation nur in Griechenland und Spanien noch angespannter.

Strukturelles Problem

Anders als in Spanien und Griechenland ist die Jugendarbeitslosigkeit in Italien nicht in erster Linie eine Folge der Euro-Krise, sondern ein strukturelles Problem. Das Wirtschaftswachstum ist hier seit Jahrzehnten schwach. Vergleicht man das Bruttoinlandsprodukt von 2015 mit dem von 2005, dann zeigt sich, dass die italienische Wirtschaftsleistung in diesen zehn Jahren sogar um 0,5 Prozent gesunken ist und damit nur wenig neue Möglichkeiten für junge Menschen geschaffen hat.

Hinzu kommt der mangelhafte Zustand des Bildungssystems. „Italien ist das einzige Land in Europa, das seine Ausgaben für das Grund- und Sekundarschulwesen je Schüler seit 1995 nicht erhöht hat“, schrieben Forscher des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim vor zwei Jahren in einer Studie, für die sie im Auftrag der ­Robert Bosch Stiftung die Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit in Europa untersuchten.

Die Folgen kann man beim alle drei Jahre stattfindenden Pisa-Test der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ablesen. Beim jüngsten Pisa-Test 2015 schnitt Italien wieder einmal enttäuschend ab und landete nur auf Platz 34. Zum Vergleich: Deutschland belegte Platz 16 und Estland als bestes europäisches Land wurde sogar Dritter. Insgesamt lagen die meisten EU-Staaten im ­Pisa-Test deutlich vor Italien. Vor allem die Leistungen der italienischen Schüler in Naturwissenschaften machen Sorgen – und sie sind zwischen den Pisa-Tests 2012 und 2015 sogar noch schlechter geworden.

Reformen im Schulsystem kommen auch deshalb nur langsam voran, weil die Gewerkschaften im Bildungssektor stark und wenig kompromissbereit sind. 2015 konnte die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi nach langem Kampf und zahlreichen Protesten eine Reform durchsetzen. Kernpunkte der Reform waren eine ­leistungsabhängige Bezahlung von Lehrern, mehr Entscheidungskompetenzen für einzelne Schulen und drei Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen. Bis diese Maßnahmen wirken, wird es jedoch dauern. Die deutschen Schulreformen nach dem „Pisa-Schock“ von 2001 etwa brauchten mehr als zehn Jahre, um Ergebnisse zu zeitigen.

Reformen hätten auch viele Universitäten nötig. Zwar gibt es Top-­Adressen wie das Polytechnikum Mailand oder die private Wirtschaftsuni Bocconi (ebenfalls in Mailand). Doch viele kleinere Universitäten drohen bedeutungslos zu werden, vor allem, weil junge Menschen nicht wissen, warum sie studieren sollten. Ein Uni-Abschluss bringe einem auf dem Arbeitsmarkt in Italien im Vergleich zu anderen Länder wenig, stellen die ZEW-Forscher in ihrer Studie fest. Kein Wunder, dass sich nur wenige Italiener einschreiben: Der Anteil der Hochschulabsolventen unter den 25- bis 64-Jährigen ist in Italien nur halb so hoch wie im Durchschnitt der OECD-Länder.

Gespaltener Arbeitsmarkt

Die größten Hindernisse für italienische Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt sind die komplexen Arbeitsgesetze und die streitlustigen Gewerkschaften. Kündigungen waren in Italien lange Zeit enorm schwierig durchzusetzen, deswegen stellten viele Unternehmen neue Mitarbeiter höchstens befristet ein. Dadurch ist es zu der Spaltung des Arbeitsmarkts gekommen, für die Italien inzwischen berüchtigt ist: Auf der einen Seite gut bezahlte ältere Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen, auf der anderen Seite die Jüngeren, die auch mit guter Ausbildung oft nur befristete Stellen oder Projektverträge bekommen.

Versuche, das System zu ändern, wurden ähnlich wie im Schulsektor bisher meistens von Gewerkschaften und linken Politikern abgeblockt. Die Arbeitsmarktreformen der vergangenen zwei Jahre, eines der wichtigsten Themen der Regierung von Matteo Renzi, sorgten zumindest für kleine Änderungen, etwa eine Lockerung des Kündigungsschutzes.

Damit diese ersten Schritte etwas bewirken, müssten jedoch weitere Reformen folgen, und das ist nach Renzis Rücktritt unwahrscheinlich. Viele junge Italiener glauben daher nicht mehr daran, in ihrem eigenen Land noch eine Chance zu haben, und wandern aus. Ein beliebtes Ziel ist Deutschland: 2015 kamen rund 75 000 Italiener nach Deutschland; damit stellten sie die sechstgrößte Einwanderergruppe. Mit Programmen wie MobiPro werben deutsche Unternehmen und die Bundesagentur für Arbeit inzwischen gezielt bei jungen Italienern für eine Berufsausbildung in Deutschland. Und von den Italienern mit Hochschulabschluss leben bereits fast 10 Prozent im ­Ausland.

Emigration ist aber nur eine kurzfristige Lösung – und auch nur für die, die sich das Leben in einem anderen Land und mit einer anderen Sprache zutrauen. Viele junge Italiener wollen ihr eigenes Land nicht aufgeben. Damit könnten sie in den kommenden Jahren zu einer mächtigen politischen Bewegung werden.

Wenn es gut läuft, bringt das reform­orientierte Politiker in die Regierung, die die Macht der Alten in Wirtschaft und Politik brechen. Wenn es schlecht läuft, bekommen Populisten wie die 5-Sterne-Bewegung Zulauf, die mit verlockend einfachen Lösungen werben; etwa, indem sie versprechen, dass die Wirtschaft in Italien nach einem Austritt aus dem Euro wieder wachsen werde und dadurch neue Arbeitsplätze entstünden. Die Krise von Italiens Jugend, sie könnte schon bald zur nächsten großen Krise Europas werden.

Malte Buhse

Korruption

➞ Die gute Nachricht: 2 Prozent der italienischen Unternehmen glauben, dass Kor-ruption in ihrem Land keine große Rolle spielt. Die schlechte Nachricht: Der Rest sieht das anders. Was kann die neue Antikorruptionsbehörde ANAC bewirken?
 

Universitäten, Infrastruktur, Müllentsorgung, Lebensmittelreinheit: Betrachtet man die Bandbreite der Themen, mit denen sich Italiens oberster Korruptionsbekämpfer Raffaele Cantone täglich auseinandersetzen muss, scheint es fast, als fiele kaum ein Teil der italienischen Gesellschaft nicht in seinen Beritt. Seit März 2014 leitet Cantone die Nationale Antikorruptionsbehörde (ANAC). Seine Fahnder ermitteln, ob in Flüchtlingscamps das Taschengeld der dort Lebenden veruntreut wurde oder ob in einer vom Erdbeben im August 2016 zerstörten Grundschule Baustandards nicht eingehalten wurden, weil bei Ausschreibungen gepfuscht wurde.

Wie gravierend das Problem aus Sicht der italienischen Wirtschaft ist, zeigt eine Eurobarometer-Umfrage vom September 2015: Dabei gaben 98 Prozent der befragten Unternehmen an, Korruption spiele in ihrem Land eine Rolle. Und ein Blick in das aktuelle World Competitiveness Ranking des Weltwirtschaftsforums (WEF) für die Jahre 2015 und 2016 zeigt, dass die wuchernde Korruption Symp­tom eines tieferliegenden Problems ist: Die Institutionen sind schwach.

In der weltweiten Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit landete Italien insgesamt auf einem mittelmäßigen 43. Platz von 140 Ländern. In der Kategorie Institutionen wird es sogar im unteren Drittel gelistet, auf Platz 106, hinter Ländern wie Mali, Nepal oder der Mongolei. Besonders beklagenswert ist demnach die Vergabepraxis für öffentliche Aufträge und Konzessionen, weil dabei bestimmte Gruppen bevorzugt würden.

Korrupte Strukturen haben einen direkten Effekt auf die Wirtschaft. Inländische Unternehmen müssen sich nicht nur durch innovative Produkte und effiziente Herstellung hervortun, sondern sie sind auch gezwungen, wichtige Ressourcen auf das Strippenziehen hinter den Kulissen zu vergeuden. Ausländischen Firmen fällt es schwerer, Geld in einem Land zu investieren, wenn die Auftragsvergabe intransparent und unsicher ist. Auch Reformen lassen sich in einem korrupten System schwieriger durchsetzen.

Helfen könnten hier Präventionsprogramme. Erste Stichproben der ANAC bei öffentlichen Institutionen und staatlichen Unternehmen lieferten allerdings ernüchternde Ergebnisse: Die vorhandenen Pläne zur Korruptionsbekämpfung seien „allgemein unbefriedigend“. Eine andere Strategie schlägt Transparency International vor: Die kurze Verjährungsfrist von korrupten Handlungen führe häufig dazu, dass Verbrechen nicht bestraft werden können. Eine Gesetzesreform könnte das ändern.

Ein indirekter, aber nicht zu unterschätzender Effekt der Korruption liegt auf der gesellschaftlichen Ebene. Denn wie das WEF-Ranking offenbart, haben die Italiener praktisch kein Vertrauen mehr in die Politiker ihres Landes – Italien belegt Platz 129 von 140. Laut Eurobarometer waren 2014 nicht weniger als 97 Prozent der Italiener der Meinung, dass Korruption in ihrem Land weit verbreitet sei.

Das mag auch mit der wachsenden Berichterstattung in den Medien zu tun haben, wie die Ökonomen Lucia Rizzica und Marco Tonello in einer Studie ermittelt haben. Doch gerade gefühlte Probleme lassen sich besonders gut von Populisten nutzen. Und so ist es kein Wunder, dass etwa Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung seit 2010 Wahlerfolge auch deshalb einfährt, weil ihre Vertreter regelmäßig über korrupte Politiker schimpfen. Heute ist diese Bewegung so stark wie nie zuvor.

Jan Guldner

Nord-Süd-Gefälle

➞ Regionen, die mehr als ein Fünftel des nationalen BIP erwirtschaften, Pro-Kopf-Einkommen weit über der 30 000-Euro-Marke, dazu Arbeitslosenquoten nahe an der Vollbeschäftigung: Der Norden Italiens boomt. Und der Süden?

Manchmal sagt ein Espresso mehr als jede Statistik: Wer in Norditalien einen „kurzen Starken“ trinkt, zahlt dafür gut 16 Prozent mehr als im Süden des Landes. So steht es in einem Bericht der italienischen Zentralbank von 2009. Das ist schon eine ganze Weile her – geändert hat sich am starken Preisgefälle kaum etwas.

Seit mehr als einem Jahrhundert ist Italien ein Land mit zwei Gesichtern: Der Süden arm und kaum industrialisiert, der Norden reich und strotzend vor Kraft. Das Pro-Kopf-Einkommen war laut der italienischen Statistikbehörde Istat 2014 im Süden mit 17 200 Euro nur etwa halb so hoch wie im Nordwesten (33 500 Euro).

Das Herz der italienischen Volkswirtschaft ist die Lombardei, die Region rund um Mailand. 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden dort erwirtschaftet. In Deutschland haben nur Bayern und Baden-Württemberg eine noch stärkere Wirtschaftskraft. Mailand bildet mit der Börse und der Großbank Unicredit das italienische Finanzzentrum. Unternehmen wie Moncler, Moleskine und Pirelli haben hier ihren Sitz. Auch internationale Firmen wie BASF, Bayer oder Henkel sind vor Ort. Die umliegenden Provinzen schneiden ähnlich gut ab.

Der Süden des Landes dagegen, insbesondere Sizilien und Kalabrien, wird meist mit Misswirtschaft, mafiösen Strukturen und Korruption gleichgesetzt. Die Arbeitslosenquote in Kalabrien betrug 2014 über 23 Prozent – die niedrigste Quote in Italien lag bei 4,4 Prozent. Nur ein Drittel der heimischen Unternehmen sitzen in Süditalien – und auch die ausländischen Firmen ziehen sich zurück: Der italienisch-amerikanische Autokonzern Fiat Chrysler hat sich 2014 aus Termini Imerese bei Palermo verabschiedet, der US-Aluminiumriese Alcoa baut seine Produktionsstätten in Portovesme auf Sardinien zurück.

Der Grund für dieses Gefälle lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. 1861 gründeten die Italiener ihren Nationalstaat, in dem sie so gegensätzliche Regionen wie das liberale Piemont und das feudalistisch geprägte Königreich beider Sizilien vereinten. Zu diesem Zeitpunkt war der Norden kaum industrialisiert, während das südliche Neapel noch von seinem Ruhm des 18. Jahrhunderts zehrte. Gleichzeitig aber gab es im agrarisch geprägten Süden schon damals eine große soziale Ungleichheit. Die Gesellschaft teilte sich in eine relativ kleine Anzahl reicher Großgrundbesitzer und eine große mittellose Landbevölkerung.

Die Eliten des Nordens hielten eine gezielte Unterstützung des Südens dennoch für überflüssig. Stattdessen übten sie sich im Laisser-faire: Den sozialen Status der Großagrarier im Süden ließen sie unangetastet – und sicherten sich so deren Unterstützung für ihre Industrialisierungspolitik im Norden. Gleichzeitig belegten sie die Landbevölkerung in Süditalien mit hohen Steuern. Nach Berechnungen des Ökonomen Maffeo Pantaleoni trug der Süden um 1900 rund 32 Prozent der Steuerlast, obwohl er nur 27 Prozent der Wirtschaftsleistung erbrachte. Strenge Importzölle für Agrar- und Industrieprodukte verhalfen besonders der Stahlbranche im Norden zu guten ­Geschäften.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Spaltung des Landes tiefer denn je. Die Regierung begann damit, den Süden durch den Ausbau von Infrastruktur und die Ansiedlung von Großbetrieben zu unterstützen. Das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd schrumpfte – bis zur Ölkrise in den siebziger Jahren. Dann fielen die künstlich aufgebauten Industriekomplexe wieder in sich zusammen, die Gelder aus dem Norden flossen immer öfter in die Taschen alteingesessener Eliten.

In der Finanzkrise ab 2008 verstärkte sich die Spaltung nochmals. Die Wirtschaft im Süden des Landes schrumpfte bis 2013 um etwa 13 Prozent und damit doppelt so stark wie die im Norden. Von den 943 000 Italienern, die zwischen 2007 und 2014 ihren Job verloren, stammten 70 Prozent aus den südlichen Landesteilen. 2013 lebte mehr als jede zehnte Familie in Süditalien in Armut.

Das hat auch demografische Folgen. Frauen im Süden bekommen durchschnittlich nur noch 1,4 Kinder im Vergleich zu 2,2 im Jahr 1980. Im Norden ist die Geburtenrate im gleichen Zeitraum von 1,4 auf 1,5 gestiegen. Investitionen vor Ort bleiben aus, Infrastruktur zerfällt. Gleichzeitig wächst der politische Widerstand gegen die wirtschaftliche Abhängigkeit des Südens. Die Rechtspopulisten von der Lega Nord forderten zeitweise sogar eine Spaltung des Landes.

Eine gezielte Förderpolitik für den Süden wird dadurch schwer durchsetzbar. Das Subventionsprogramm „Cassa per il Mezzogiorno“ wurde Anfang der neunziger Jahre durch eine gleichberechtigte Förderung aller Landesteile ersetzt. Seitdem fehlt es an Konzepten, um der Spaltung des Landes beizukommen. Matteo Renzi hatte zwar wiederholt versprochen, den Süden stärker zu unterstützen – zu sehen war davon aber wenig.

Katja Scherer

Steuerhinterziehung

➞ Überdurchschnittlich hohe Steuern treffen auf unterdurchschnittliches Geschick, sie einzutreiben: eine verhängnisvolle Mischung, die dafür sorgt, dass dem italienischen Fiskus jährlich Einnahmen im dreistelligen Bereich entgehen.

Es sind Zahlen, bei denen selbst erfahrene Finanzjongleure kurz durchatmen müssen: Mehr als 100 Milliarden Euro sollen die Italiener im Jahr dem Staat an Steuern vorenthalten, meldete im Jahr 2012 die italienische Zeitung La Repubblica. Das sei rund ein Drittel der gesamten Staatseinnahmen. Eine Untersuchung der britischen Marktforschungsfirma Tax Research UK ermittelte im Jahr 2009 sogar eine Summe von 180 Milliarden Euro, die dem italienischen Fiskus jährlich entgangen sei. Der britische Economist sieht eine für Südeuropa spezielle Mischung als Grund für diese rekordverdächtigen Zahlen: „Die Region vereint hohe Steuern mit laxer Eintreibung und schlechten öffentlichen Dienstleistungen.“

Vereinzelte Bemühungen, diese Steuerkriminalität zu bekämpfen, gab es sogar schon unter Silvio Berlusconi. Mario Monti unternahm im Jahr 2012 den Versuch, die Steuereinnahmen zu steigern, indem er einerseits die Sätze erhöhte und andererseits Druck auf diejenigen machte, die bislang nicht zahlten. Die italienische Finanzpolizei „Guardia di Finanza“ in ihren grauen Uniformen setzte dabei gerne auf öffentlichkeitswirksame Methoden. Im Wintersportort Cortina d’Ampezzo hielten sich ihre Ermittler nicht mit kleinen Betrügern auf, sondern schauten ausschließlich den Besitzern von Luxussportwagen in die Bücher.

Ein anderes Beispiel: An einem Abend im Februar 2012 machten sich rund 400 Steuerfahnder auf nach Mailand, um Restaurants und Bars ihre Besuche abzustatten. Die von ihnen kontrollierten Betriebe waren plötzlich gezwungen, durchgängig Quittungen zu drucken, die ihre Einnahmen schwarz auf weiß sichtbar machen. Allein dadurch stiegen die Umsätze der Betriebe an diesem Abend um mehr als 40 Prozent – und damit auch die darauf erhobenen Steuern.

Unter Matteo Renzi hat sich die Herangehensweise der grauen Polizisten geändert. Sie verlassen sich mittlerweile weniger auf den Showeffekt von Razzien und Luxusautos, sondern versuchen, den Hinterziehern mit der neuesten Technik auf die Spur zu kommen. So soll ein besonders leistungsfähiger Computer die in Steuererklärungen gemeldeten Einkommensdaten mit großen Anschaffungen abgleichen, um festzustellen, wer mit einem offiziell bescheidenen Einkommen ständig Luxusshopping betreibt. Wer verdächtig wirkt, wird dann gezielt kontrolliert.

Doch eine solche Art der Kontrolle ist gerade bei den Kleinunternehmern schwierig, die einen Großteil der italienischen Wirtschaft ausmachen. Wer etwa Kaffee ohne Kassenbon verkauft, kann sich bei wiederholtem Vergehen strafbar machen und muss fürchten, sein Geschäft vorübergehend schließen zu müssen. Ab diesem Jahr soll das System vereinfacht werden. Dann nämlich werden alle Registrierkassen digitalisiert. Eine weitere Hoffnung der Ermittler: Je mehr Kartenzahlungen stattfinden, desto leichter lassen sich die wirklichen Umsätze und damit auch die zu zahlenden Steuern ermitteln.

Eine Maßnahme von Matteo Renzi steht dem aber derzeit entgegen. Der frühere Ministerpräsident hatte erst die von seinem Vorgänger auf 1000 Euro festgelegte Obergrenze für Bargeldzahlungen wieder verdreifacht. Eine mögliche Hoffnung: Wer bar – und ohne Spuren zu hinterlassen – zahlen kann, gibt mehr Geld aus und kurbelt damit den Binnenkonsum an. Die Maßnahme könnte sich aber als zu kurz gedacht herausstellen, da sie die Bemühungen, die Steuerhinterziehung einzudämmen, ­konterkariert.

Jan Guldner

Tourismus

➞ Tag für Tag machen gigantische Kreuzfahrtschiffe Station vor Venedig. Ihre Fracht: Lärmende Tagestouristen und umweltschädliche Emissionen. Und das ist nur eine der Schattenseiten der italienischen Tourismus-Erfolgsgeschichte.

Rom, Venedig und Florenz, die malerischen Landschaften der Toskana und Siziliens – Italien, da gibt es keine zwei Meinungen, ist eine echte Schönheit und seit Jahrhunderten eines der großen Sehnsuchtsländer der Welt. ­Jedes Jahr besuchen knapp 50 Millionen Touristen das Land; Venedig, die Weinberge des Piemont und das historische Zentrum von Florenz stehen neben vielen anderen Regionen und Sehenswürdigkeiten auf der Liste des ­UNESCO-Weltkulturerbes.

Kein Wunder, dass der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Italien ist. Mindestens jeder zehnte Italiener arbeitet im Tourismus, der rund 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Und die Branche ist eine der wenigen, die derzeit wächst: Der World Travel & Tourism Council (WTTC), ein Branchenverband der Tourismus­industrie, sagt Italiens Tourismussektor bis 2025 ein jährliches Wachstum von 1,7 Prozent voraus. Für viele Italiener ist der Tourismus allerdings inzwischen zu erfolgreich. Die Zahl der Besucher ist in den vergangenen zehn Jahren nach WTTC-Angaben um 25 Prozent gestiegen. Ein enormes Wachstum, das für einige Städte und Regionen zu schnell geht. Die Region Cinque Terre mit ihren bunten Dörfern an der Riviera etwa wird in jedem Sommer von Touristen nahezu überrannt, seit in der Nähe in La Spezia ein neuer Hafen für Kreuzfahrtschiffe eröffnet wurde. 2,5 Millionen Besucher kamen allein 2015 in die kleinen Städtchen.

Auch die rund 25 Millionen Touristen, die jedes Jahr Venedig besuchen, sind vorwiegend Kreuzfahrtgäste. Wirtschaftlich bringt der Touristenansturm der Stadt nicht viel. Gerade die Kreuzfahrttouristen kommen oft nur für einen Tag und gehen abends wieder an Bord. Die Hotelübernachtungen sind daher nicht so deutlich gestiegen, wie es der Besucheransturm vermuten lassen würde. Dafür aber die Preise für Wohnraum und Restaurantbesuche: Venedig ist inzwischen so teuer geworden, dass sich viele Venezianer ihre Heimatstadt nicht mehr leisten können und in benachbarte Dörfer umziehen. Mittlerweile formiert sich der Widerstand. Im September protestierten als Piraten verkleidete Einwohner auf Booten gegen die Kreuzfahrtschiffe.

Die Politik hat inzwischen eingesehen, dass die Wachstumsbranche Tourismus ihre Schattenseiten hat, und diskutiert Lösungen für das Problem. Ideen gibt es viele, von speziellen Gebühren für die Besichtigung von Stadtzentren bis hin zur Beschränkung der Besucher pro Sehenswürdigkeit und Tag. Entschieden ist bisher allerdings noch nichts.

Das liegt auch daran, dass jede Lösung des Problems Investitionen erfordert, und dazu waren in den vergangenen Jahren nur wenige Regierungen bereit. Da die Tourismusbranche wuchs, konzentrierte sich die Politik auf andere, drängendere Probleme.

Dies hat auch dazu geführt, dass einige von Italiens teilweise jahrtausendealten Sehenswürdigkeiten mittlerweile zu verfallen drohen. Im vergangenen Mai kündigte der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi endlich ein großes Investitionsprogramm an, in dessen Rahmen rund eine Milliarde Euro in die Restaurierung von Museen und berühmten Stätten wie Pompeji fließen soll. Was aus diesem Programm unter einer neuen Regierung wird, ist aber noch unklar.

Malte Buhse

Unternehmen Familie

➞ Über 80 Prozent der italienischen Firmen sind Familienunternehmen. Das macht sie unabhängiger von den Turbulenzen des Finanzmarkts und den Wünschen externer Finanziers als andere – allerdings auch weniger expansionsfähig und innovativ.

Ein Haufen spielender Bambini und mittendrin „La Mamma“, die versucht, das Chaos zu beherrschen: Das Bild der italienischen Großfamilie ist legendär. Faktisch stimmt es nicht mehr ganz mit der Realität überein, denn die Geburtenrate in Italien ist vor allem im Süden in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Der familiäre Zusammenhalt ist dennoch ungebrochen: „La Famiglia“ steht für viele Italiener nach wie vor an erster Stelle.

Das macht sich nicht nur im Alltag bemerkbar, sondern auch in den wirtschaftlichen Strukturen. Nach Angaben der Associazione Italiana delle Aziende Familiari (AidAF) sind in Italien knapp 800 000 Familienunternehmen aktiv, das entspricht rund 85 Prozent aller Unternehmen des Landes. Andere Länder Europas wie Deutschland, Spanien, Frankreich oder Großbritannien kommen zwar auf vergleichbare Werte. Während aber in Frankreich oder Großbritannien nur 26 bzw. 10 Prozent der Unternehmen ganz ohne familienfremden Manager auskommen, gilt das in Italien für stolze 66 Prozent der Firmen. Wirtschaft und Familie, das ist hier kaum zu trennen.

Von den zehn ältesten noch aktiven Familienunternehmen der Welt kommt die Hälfte aus Italien. Die Glockengießerei Fonderie Pontificie Marinelli aus Agnone, einer Kleinstadt 220 Kilometer südöstlich von Rom, wurde bereits im Jahr 1000 gegründet und ist immer noch in Familienbesitz. Weltweit ist nur das japanische Hotel Hoshi Ryokan noch älter. Glocken des Unternehmens hängen im Gebäude der Vereinten Nationen in New York, im Vatikan und im Schiefen Turm von Pisa.

Familienunternehmen zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie ausgesprochen verantwortungsbewusst geführt werden und langfristige Ziele verfolgen. Zu groß ist sonst der Schaden für Privatvermögen und Reputation der Familie. Nicht umsonst sind zahlreiche dieser Familienbetriebe weltweit erfolgreich. Barilla-Nudeln werden in ganz Europa gekocht, Lavazza-Kaffee gilt als Aushängeschild für guten Kaffee und Ferrero steht mit Nutella auf unzähligen Frühstückstischen.

Viele der Familienunternehmen sind hochspezialisiert und trotzen seit Jahren allen Widrigkeiten – auch, weil sie sich in erster Linie auf sich selbst verlassen. Das macht sie unabhängig von den Turbulenzen des Finanzmarkts und den Wünschen externer Geldgeber.

Die finanzielle Unabhängigkeit hat allerdings auch ihre Schattenseite: Große Investitionen, ob in Immobilien oder zur Erschließung neuer Märkte, sind so selten möglich. Das macht sich im internationalen Vergleich bemerkbar. Guido Corbetta, Professor für Familienunternehmen an der Università Bocconi in Mailand, wies 2015 in einer Rede darauf hin, dass nur jedes fünfte der 300 größten italienischen Familienunternehmen einen Umsatz von fünf Milliarden Euro erreicht. In Deutschland gilt das für immerhin 60 Prozent der Familienfirmen.

Das schafft weitere Wettbewerbsnachteile. Kleine Unternehmen müssen höhere Produktionskosten in ihr Kalkül einbeziehen; auch tun sie sich schwerer damit, global zu expandieren. Und Familienunternehmen-Experte Guido Corbetta sieht noch ein weiteres Problem: Bei mehr als 20 Prozent der größten Familienfirmen sei der Geschäftsführer älter als 70 Jahre.

Damit sich das Wirtschaftspotenzial der italienischen Firmen voll entfalten kann, darf also nicht der Mut verloren gehen, neue Dinge auszuprobieren – und die Firma im richtigen Moment in jüngere Hände zu übergeben.

Katja Scherer

Vatikan-Wirtschaft

➞ Verdacht auf Korruption und Geldwäsche, Zweckentfremdung von Geldern, Vetternwirtschaft – all das gehörte im Kirchenstaat über Jahre hinweg scheinbar zum Alltag. Papst Franziskus hat dem Schlendrian nun den Kampf angesagt.

„Die weltlichen Güter, die die Kirche besitzt, sind dazu bestimmt, ihren Zwecken zu dienen.“ Eine Binsenweisheit? Nur scheinbar. Denn in einem Erlass vom Juli 2016 befand es Papst Franziskus für nötig, ausdrücklich klarzustellen: Das Vermögen des Vatikans müsse dazu dienen, Arme zu unterstützen und karitative Werke sowie den Klerus zu unterhalten. Was eigentlich schon seit 1983 im Kirchenrecht festgeschrieben ist, das galt in den vergangenen Jahrzehnten meist nur auf dem Papier.

Verdacht auf Geldwäsche und Korruption, Zweckentfremdung von Geldern und Sippenwirtschaft – all das gehörte im Kirchenstaat über Jahre hinweg scheinbar zum Alltag. Niemand hielt es für nötig, Bilanzen oder andere Geschäftszahlen offenzulegen. Erst der amtierende Papst hat diesen fragwürdigen Zuständen den Kampf angesagt: Er will für Klarheit sorgen, wo bisher Schweigen herrschte, und verkrustete Strukturen zerschlagen.

Zum Gesamtvermögen des Vati­kans gibt es viele Spekulationen, aber kaum konkrete Zahlen. Schätzungen belaufen sich auf zwischen 1,2 und 12 Milliarden Euro. Dazu kommen weitere Geldströme: Rund 60 Millionen Euro nahm man 2013 allein durch den so genannten Peterspfennig ein, eine traditionelle Spende für Bedürftige.

Und auch die Verwaltungsstruktur der Vatikan-Finanzen ist reichlich verworren. Die Aufgaben teilen sich: die Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls (APSA), die unter anderem das gewaltige Immobilienvermögen betreut; das Governatorat, das u.a. die Aufsicht über die Vatikanischen Museen innehat; die Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, die die Haushaltsbudgets und Jahresabschlüsse prüft; und schließlich die Vatikan-Bank Istituto per le Opere di Religione (IOR), die die Mittel für die religiösen und karitativen Werke verwaltet, darunter den Peterspfennig.

Lange Zeit gab es gerade für die APSA so gut wie keine externe Kon­trollinstanz. Dass die Vatikan-Bewohner auch in anderen Bereichen eher auf Glauben denn auf Rechenschaft und Bilanzen vertrauten, zeigt das Buch „Alles muss ans Licht“ des Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi. Nuzzi erzählt darin von 100-Quadratmeter-Wohnungen in Roms Altstadt, die für gerade einmal 100 Euro im Jahr vermietet wurden. Er weist nach, dass mehr als die Hälfte der Einnahmen durch den Peterspfennig nicht für Bedürftige, sondern für den Verwaltungsapparat ausgegeben wurden.

Gleich nach seinem Amtsantritt 2013 machte Papst Franziskus die Klärung der Staatsfinanzen zum obersten Gebot. Legendär geworden ist eine Rede, in der Franziskus den Finanzobersten des Vatikans schonungslos klarmachte, dass sich etwas ändern müsse. Dem Journalisten Nuzzi ist es gelungen, diese geheime Rede aufzuzeichnen. Darin wird deutlich, dass der Vatikan im Jahr 2012 bei den Kurienfinanzen mit einem Minus von knapp 29 Millionen Euro abgeschlossen hat – trotz Einnahmen in Höhe von 92,8 Millionen.

Vor allem die Personalausgaben seien undurchschaubar, wird der Papst zitiert. Die Zahl der Beschäftigten im Vatikan sei viel zu groß geworden, und die Personalkosten seien in den vergangenen fünf Jahren offenbar um 30 Prozent gestiegen. Zudem mangele es an Transparenz. Es müssten daher künftig „sowohl über die Voranschläge als auch für den letzten Schritt, die Zahlung, genaue Aufzeichnungen geführt werden“. Und: „Vor jeder Anschaffung und vor jeglichen Bauarbeiten müssen mindestens drei Angebote eingeholt werden, um das günstigste auswählen zu können. […] Disziplin, bitte!“

Auf die Worte folgten Taten. 2014 berief Franziskus ein eigenes Sekretariat für Wirtschaftsfragen im Vatikan ein, das für Klarheit bei den Finanzen sorgen sollte. Die APSA wurde einer externen Aufsicht unterstellt. Flan­kiert wurde das neue Sekretariat von einem Wirtschaftsrat, dessen Führung der deutsche Erzbischof Reinhard Kardinal Marx übernahm. Die Finanzaufsicht AIF hatte Papst Benedikt XVI. schon 2010 ins Leben gerufen.

Allerdings muss der Papst auf seinem Weg mit Intrigen und Rückschlägen kämpfen. Viele alteingesessene Funktionäre fürchten um ihre Privilegien. Immer wieder sträuben sich zentrale Institutionen wie die Regierung des Vatikans, das so genannte Staatssekretariat, den vom Papst gesandten Finanzprüfern die nötigen Informationen vollständig herauszugeben.

Immerhin gibt es mittlerweile erste Fortschritte: Tausende Konten bei der Vatikan-Bank IOR wurden geschlossen, korrupte Priester aus ihren Ämtern entfernt und geheime Geldflüsse bei der APSA aufgedeckt.

Mehr als 540 Fälle von verdächtigen Geldtransaktionen wurden 2015 laut der neuen Finanzaufsichtsbehörde im Vatikan gestoppt, das entsprach insgesamt rund neun Millionen Euro. Weitere sieben Millionen Euro und 650 000 Dollar wurden eingefroren. Obwohl sich die Zahl der suspekten Fälle damit im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht hat, gab sich die Finanzaufsicht bei der Bekanntgabe zufrieden: Das zeige doch, dass das Meldesystem funktioniere. Mehr als ein Schritt in die richtige Richtung ist es allerdings nicht.

Katja Scherer

Bibliografische Angaben

IP Länderporträt 1, März - Juni 2017, S. 28-47

Teilen