Glossar zur europäischen Verteidigung
Von ARF bis Strategische Atomwaffen. Die wichtigsten Begriffe der aktuellen Debatte.
ARF
Die Allied Reaction Force ist ein multinationaler Eingreifverband, der auf Befehl des Oberbefehlshabers der NATO (SACEUR) kurzfristig und vielfältig eingesetzt werden kann – etwa zur Abschreckung von Aggression, zur Verteidigung des Bündnisgebiets oder für das internationale Krisenmanagement. Die ARF umfasst Land-, See-, Luft- und Spezialeinsatzkräfte sowie Elemente aus den Bereichen Cyber, Weltraum, Logistik und strategische Kommunikation.
Artikel 5 der NATO
Durch Auslösen von Artikel 5 des Nordatlantikvertrags tritt der Bündnisfall ein: Wird ein Mitgliedstaat angegriffen, gilt dies als Angriff auf alle NATO-Staaten. Er berechtigt die übrigen Mitglieder, zur Unterstützung des betroffenen Partners alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen – einschließlich militärischer Gewalt. Der Bündnisfall wurde bislang nur einmal ausgerufen: nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.
EDA
Die Europäische Verteidigungsagentur wurde 2004 gegründet und unterstützt die 27 EU-
Mitgliedstaaten bei der Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeiten durch europäische Zusammenarbeit. EDA dient als Plattform für europäische Verteidigungsprojekte. Über die Teilnahme an einzelnen Projekten entscheiden die Mitgliedstaaten jeweils nach eigenem Bedarf und Interesse.
EDTIB
Die European Defence Technological and Industrial Base bezeichnet die Gesamtheit von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und weiteren Institutionen in den EU-
Staaten, die an der Forschung, Entwicklung und Herstellung von Verteidigungstechnologien und -ausrüstung beteiligt sind. Im Jahr 2021 erzielte EDTIB einen geschätzten Jahresumsatz von 70 Milliarden Euro und beschäftigte rund 500 000 Menschen.
ELSA
Das Projekt „European Long-Range Strike Approach“ wurde 2024 von Frankreich, Deutschland, Italien und Polen ins Leben gerufen. Inzwischen sind auch das Vereinigte Königreich, Schweden und die Niederlande beigetreten. Ziel ist die eigenständige Entwicklung konventioneller Langstreckenwaffen mit Reichweiten von 1000 bis 2000 Kilometern.
ESSI
Im Rahmen der European Sky Shield Initiative wird die gemeinsame Beschaffung von Luftverteidigungssystemen zur Stärkung der europäischen Verteidigung vorangetrieben (Systeme für die Kurz-, Mittel- und Langstreckenluftverteidigung). Aktuell umfasst die ESSI 23 Länder; sie soll den europäischen Pfeiler in der Luftverteidigung der NATO stärken.
EU-Bündnisfall
Die Beistandsklausel wurde 2009 in Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union festgeschrieben. Im Falle eines „bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“ sind die anderen EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, den betroffenen Mitgliedstaat zu unterstützen. Dabei bleiben die Verpflichtungen in diesem Bereich in Einklang mit den im Rahmen der NATO eingegangenen Verpflichtungen.
F-35
Die Bundeswehr beschafft mit Hilfe des Sondervermögens 35 US-Kampfjets des Typs Lockheed Martin F-35A Lightning II. Die F-35 gilt derzeit als das modernste verfügbare Kampfjet-Modell. Sie soll den Tornado ersetzen und ab 2026 an die Luftwaffe geliefert werden.
FCAS
Das Future Combat Air System ist ein gemeinsames Rüstungsprogramm von Deutschland, Frankreich und Spanien. Ziel ist die Entwicklung eines hochmodernen, vernetzten Luftkampfsystems, das Drohnen, Kampfflugzeuge und Satelliten verbindet. Es soll ab den 2040er Jahren aktuelle Kampfflugzeuge wie den Eurofighter und die Rafale ersetzen. An dem Projekt beteiligt sind die Rüstungskonzerne Dassault, Airbus und Indra.
MGCS
Das Main Ground Combat System ist ein neues Landkampf-
system, das in deutsch-französischer Kooperation entwickelt wird. 2024 unterzeichneten die Verteidigungsminister beider Länder eine entsprechende Absichtserklärung, die die Aufgabenverteilung bei der Entwicklung des Projekts festlegt. MGCS soll Kampfpanzer über ein Datennetzwerk mit Unterstützungswaffen wie Drohnen und anderen unbemannten Systemen vernetzen und langfristig den Leopard 2 ersetzen.
Military Mobility
Das EU-Projekt soll die schnelle grenzüberschreitende Verlegung von militärischem Personal, Material und Gütern gewährleisten. Aufgrund der geltenden Rechtslage sind grenzüberschreitende Transporte derzeit häufig komplex und zeitaufwendig, da sie selbst innerhalb der EU und des Schengenraums Genehmigungsverfahren erfordern. Military Mobility ist eines von über 70 Projekten, die im Rahmen der EU-Verteidigungsinitiative PESCO beschlossen wurden.
Nukleare Teilhabe
Ein wesentlicher Bestandteil der Abschreckungsstrategie der NATO ist die nukleare Teilhabe. Sie ermöglicht, Mitgliedstaaten der Allianz, die selbst über keine eigenen Atomwaffen verfügen, in den Einsatz amerikanischer Nuklearwaffen einzubinden. Deutschland ist auf diese Weise an NATO-Entscheidungen beteiligt, etwa zur Zielplanung und zum Einsatz der Atomwaffen. Die Bundeswehr stellt für den Einsatz der US-Atomwaffen Trägersysteme bereit – derzeit Kampfjets vom Typ Tornado und künftig deren Nachfolgemodell F-35.
PESCO
Die EU-Verteidigungsinitiative „Permanent Structured Cooperation“ wurde 2017 ins Leben gerufen. Sie gilt als ein wesentlicher Schritt zu einer weitgehend gemeinsamen EU-Verteidigungspolitik. PESCO bietet einen freiwilligen Rahmen für die Planung und Entwicklung kollaborativer Fähigkeiten sowie zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft der europäischen Streitkräfte. Mit Ausnahme von Malta beteiligen sich alle EU-Staaten an PESCO.
ReArm Europe Plan/Readiness 2030
Die von der EU-Kommission im März 2025 eingebrachte Initiative zielt darauf ab, die europäischen Verteidigungsfähigkeiten mit neuen finanziellen Mitteln zu stärken. Insgesamt sollen über 800 Milliarden Euro für zusätzliche Verteidigungsausgaben mobilisiert werden. Das in diesem Zuge veröffentlichte „Weißbuch zur Europäischen Verteidigung – Readiness 2030“ skizziert eine Strategie zur Wiederaufrüstung Europas. Ziel ist es, bis 2030 eine leistungsfähigere, voll einsatzbereite europäische Verteidigung zu schaffen.
SACEUR
Der Supreme Allied Commander Europe ist einer der beiden strategischen Befehlshaber der NATO. Der SACEUR ist für die Durchführung aller NATO-Operationen verantwortlich. Traditionell wird die Position von einem amerikanischen Befehlshaber besetzt, der zugleich Kommandeur des US European Command ist. Voraussichtlich im Sommer 2025 soll Generalleutnant Alexus G. Grynkewich das Amt übernehmen.
SAFE
Security Action for Europe ist ein neues Finanzinstrument der EU zur Unterstützung nationaler Verteidigungsinvestitionen. Im Rahmen von SAFE stellt die EU bis zu 150 Milliarden Euro bereit, die begünstigte Mitgliedstaaten in Form von Darlehen abrufen können. Ziel ist es, Investitionen in Schlüsselbereichen wie Raketenabwehr, Drohnentechnologie und Cybersicherheit zu ermöglichen. Darüber hinaus soll SAFE die Beschaffungskooperation und die Interoperabilität zwischen den EU-Staaten stärken.
Strategische Atomwaffen
Mithilfe von Interkontinentalraketen können strategische Atomwaffen Ziele in mehreren Tausend Kilometern Entfernung treffen. Sie dienen der nuklearen Abschreckung. Im Gegensatz dazu sind taktische – oder „nicht-strategische“ – Atomwaffen für den Einsatz in einem Kampfgebiet konzipiert. Sie könnten in relativer Nähe zu Stellungen eigener Truppen eingesetzt werden und ähneln in dieser Hinsicht konventionellen Waffen.
Internationale Politik 4, Juli/August 2025, S. 50-51