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01. Juli 2016

Global, gemeinsam, vernetzt

Wie eine deutsche Energiewende-Außenpolitik aussehen müssteW

Die Energiewende ist zu einer globalen Herausforderung geworden. Deutschland kann mit seinen Erfahrungen mithelfen, diese zu bewältigen. Doch gegenwärtig herrscht in der Energiewende-Außenpolitik teilweise ziemliches Durcheinander. Zwar wird immer wieder Kohärenz gefordert, doch wie soll das gehen? Ein paar Vorschläge.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte die Energiewende jüngst zu einem „wichtigen außen­politischen Thema“. Gerade nach dem Erfolg der Pariser Klimakonferenz Ende 2015 ist diese Einsicht treffender denn je. Soll es tatsächlich gelingen, die globale Erderwärmung auf 2°C oder sogar 1,5°C zu begrenzen, ist ein grundlegender, nachhaltiger Umbau der weltweiten Energiesysteme unumgänglich. Mit einer gelungenen Energiewende-Außenpolitik kann Deutschland andere Länder bei diesem Umbau unterstützen und die Energiewende zum weltweiten Markenzeichen machen.

Dies ist aber nicht einfach. Viele Akteure tragen zur Energiewende-Kommunikation und zu der energiepolitischen Zusammenarbeit mit internationalen Partnern bei. Und dies sind nicht nur Ministerien, sondern auch Unternehmen, Agenturen, politische und gemeinnützige Stiftungen, wissenschaftliche Institutionen und NGOs. Das hat Vorteile – denn jeder der Beteiligten bringt zusätz­liche Ressourcen und besondere Kompetenzen mit. Das macht die Dinge allerdings auch komplexer und unübersichtlicher, und es stellt sich daher die Frage: Wie können wir unsere Ener- giewende-Außenpolitik trotzdem effizient gestalten?

Dimensionen der Debatte

Dass in Deutschland über Windräder und Solaranlagen diskutiert wird, über Bürgernähe und Großkonzerne, über Stromtrassen und wer sie bezahlen soll, ist nichts Neues. Dass diese Debatte europäische Dimensionen annimmt, ist seit etwa 2007 zu beobachten. Damals drängte „Klimakanzlerin“ Angela Merkel auf einen EU-weiten Umbau von Energiesystemen.

Auch die globale Dimension deutscher Energiewendepolitik ist nicht ganz neu. Schon 2003 rief das Wirtschaftsministerium (BMWi) die Exportinitiative Erneuerbare Energie ins Leben. Sie hilft deutschen Unternehmen bei der Erschließung internationaler Märkte für nachhaltige Energielösungen. Heute firmiert sie zusammen mit Bemühungen im Bereich Energieeffizienz unter dem Namen Exportinitiative Energie. Im Jahr nach der Gründung richtete Deutschland die Konferenz „Renewables 2004“ aus. Dort wurde unter anderem REN21 gegründet, ein Netzwerk von Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Deutschland war dabei treibende Kraft und Financier.

Die Entstehung der International Renewable Energy Agency (IRENA) im Jahr 2009 geht ebenfalls auf eine deutsche Initiative zurück. REN21 und IRENA liefern wichtige Daten zu erneuerbaren Energien und unterstützen interessierte Staaten, ihre Energiesysteme nachhaltig zu gestalten.

Energiepartnerschaften sind ein weiteres Werkzeug der deutschen Energie-Außenpolitik. Sie wurden in den vergangenen zehn Jahren mit Staaten wie Brasilien, China, Indien, der Türkei und Nigeria eingerichtet und werden teils vom Auswärtigen Amt (AA), teils vom BMWi betreut. Die Umsetzung der Partnerschaften unterscheidet sich dabei genauso wie Kooperationspartner und Themen –die Energiewende ist immer nur ein Teil der Diskussion.

Eine weitere und vergleichsweise neue Dimension der Energiewende-Außenpolitik ist der Berlin Energy Transition Dialogue (BETD). Seit 2015 bringt dieses Forum einmal im Jahr deutsche Experten, Unternehmensvertreter und Politiker mit Entscheidungsträgern aus der ganzen Welt in Berlin zusammen. Der Dialog ist in Zusammenarbeit zwischen AA, BMWi sowie den Bundesverbänden für Erneuerbare Energie und Solarwirtschaft und dem Beratungs­unternehmen Eclearon entstanden.

Auf dem grünen Sofa

Neben dem Dialog wird auch die Kommunikation der Energiewende immer wichtiger. Seit 2014 arbeitet das Auswärtige Amt in diesem Bereich mit der Renewables Academy (RENAC) zusammen. Für dieses Jahr hat es weiterhin den BETD durch das grüne Energiewende­sofa ergänzt – ein Sofa, das wortwörtlich um die Welt reist und den Dialog beleben soll. Gleichzeitig wirkt das Sofa als Kommunikationstool des BETD auf Twitter. Im April diesen Jahres eröffnete Außenminister Steinmeier in Peking eine weitere AA-Initiative: die Energiewende-Wanderausstellung. Da das BMWi in diesem Jahr über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle „Unterstützungsleistungen zur Kommunikation der deutschen Energiewende im internationalen Kontext“ im Wert von dreieinhalb Millionen Euro ausgeschrieben hat, wird sich in Sachen Energiewende-Kommunikation auch in Zukunft viel tun.

Schließlich geht es in der Energiewende-Außenpolitik um eine Verbesserung des nachhaltigen Energiezugangs und um den Klimaschutz. Der Großteil der internationalen Klima­finanzierung – rund 90 Prozent – entfällt auf das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mit einem Fördervolumen von mehr als 1,8 Milliarden Euro jährlich ist Energie der größte Förderbereich dieses Ministeriums. Daneben hat das Umweltministerium (BMUB) seit 2008 über seine ­Internationale Klimaschutzinitiative 208 Millionen Euro für die Finanzierung von Projekten zur nachhaltigen Energieversorgung bereitgestellt. Umgesetzt werden diese Projekte wiederum von vielen unterschiedlichen Akteuren, unter anderem durch die GIZ, die KfW-Entwicklungsbank, den World Wide Fund for Nature und Germanwatch.

Auch Stiftungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Forschungseinrichtungen wie das Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam engagieren sich immer stärker eigenständig in der Energiewende-Außenpolitik. Sie veranstalten ­internationale Dialogformate und betreiben ­Kommunikationsangebote wie den Blog energytransition.de und das Clean Energy Wire. Und schließlich sind es auch Wirtschaftsunternehmen, deren Engagement für das Gelingen der Energiewende-Außenpolitik entscheidend ist. Das betrifft nicht nur Firmen wie Siemens oder Solarworld, sondern auch kleinere Unternehmen wie Younicos oder Mobisol, die innovative Produkte wie Speicherlösungen oder dezentrale Photovoltaikanlagen anbieten.

Unterschiedliche Agenden

Die deutsche Energiewende-Außenpolitik hat an Substanz gewonnen. Gleichzeitig lässt sie sich aber nicht im klassischen Sinne auf staatliche Politik beschränken. Dafür sind zu viele Mitspieler aus unterschiedlichen Gesellschaftssektoren in diesem Feld unterwegs. Dies macht Sinn, denn die Energiewende kann nur gelingen, wenn Veränderungen in verschiedenen Gesellschaftssektoren gemeinsam gedacht und umgesetzt werden. Jeder Akteur bringt hier seine ganz eigenen Fähigkeiten mit, die erst in Kombination die Energiewende-­Außenpolitik erfolgreich machen.

Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf die Dekarbonisierung von Energiesystemen hinarbeiten; doch wenn es konkret wird, zeigen sich die Unterschiede. Während das AA am Außenbild und der Soft Power Deutschlands interessiert ist, legt das BMWi den Schwerpunkt auf Wirtschaftsförderung. Dem BMZ geht es um entwicklungspolitische Themen wie die Reduzierung der Energiearmut und dem BMUB vorwiegend um klimapolitische Belange. Wirtschaftsunternehmen streben kurz- oder langfristige Einkünfte an. Politische Stiftungen stehen verschiedenen Parteien nahe, und zivilgesellschaftliche Organisationen verfolgen ihre eigene Agenda.

Nicht immer greifen die entstehenden Politikansätze sinnvoll ineinander. Verschiedene Kommunikationsansätze können in anderen Ländern Verwirrung stiften. Auch ist bisher weitgehend ungeklärt, wie sich die verschiedenen Ausstellungs-, Messe- und Informationsformate zueinander verhalten. Darunter könnte der Erfolg der Energiewende-Außenpolitik leiden.

Angesichts des teilweisen Durcheinanders wird immer wieder mehr Kohärenz gefordert. Aber wie kann die erreicht werden? Ein Fehler wäre es, eine Strategie aus einem Guss anzustreben. Wie bei vielen Querschnittsthemen – man denke an Cybersicherheit oder die etwas in die Jahre gekommene vernetzte Sicherheit – ist das nur bedingt realistisch. In der Praxis scheitert die Forderung nach einer einheitlichen Strategie schon auf der Ebene der Ministerien am Ressortprinzip. Wie schwer es ist, eine ministeriumsübergreifende Strategie zu entwickeln, hat die energiepolitische Posse um die damaligen Umwelt- und Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Philipp Rößler deutlich gezeigt.

Berücksichtigt man darüber hinaus, wie wichtig nichtstaatliche Mitspieler für den Erfolg der Energiewende-Außenpolitik sind, wird das Unterfangen „einheitliche Strategie“ schlichtweg unmöglich. Weder Wirtschaftsunternehmen noch NGOs werden – oder sollten – sich unter die Ägide des AA oder des Kanzleramts begeben. Dies widerspricht nicht nur den Interessen dieser Akteure, sondern auch den Vorstellungen einer demokratischen Grundordnung.

Was wir brauchen, ist ein neues Verständnis von Außenpolitik. Oder, wie es der Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt, Thomas Bagger, einmal genannt hat, eine „System­integration, um das Zusammenwirken dieses komplexen Systems sicherzustellen – es braucht eine netzwerk­orientierte Außenpolitik“.

Bewusst vernetzt

Für eine erfolgreiche Energiewende-Außenpolitik benötigen die beteiligten Institutionen zunächst einmal belastbare Informationen über andere Akteure im Netzwerk und deren Arbeit. Nur so können Kooperationsmöglichkeiten erkannt und ineffi­ziente Parallelentwicklungen verhindert werden.

Das liegt im Interesse der Handelnden selbst. Sie müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie Teil eines größeren Netzwerks sind. Wann immer eine neue Strategie oder Initiative erdacht wird, sollten folgende Fragen im Vordergrund stehen: Gibt es bereits ähnliche Initiativen? Falls ja, warum braucht es eine weitere? Mit der Arbeit welcher Institution könnte sich die Initiative ergänzen? Wer besitzt Kompetenzen, die für den Erfolg der Initiative entscheidend sind? Wer könnte bei der Umsetzung helfen? Wer könnte uns Informationen über den Bedarf ausländischer Partner geben? Und wer sollte rechtzeitig informiert werden, um Missverständnissen und Parallelentwicklungen entgegenzuwirken?

Effektiv zusammenarbeiten

Verstehen sich die an der Energiewende-Außenpolitik Beteiligten als Teil eines größeren Netzwerks, so muss ein Dialog über die Grundlagen dieses Netzwerks folgen. Allen sollte es im Grundsatz um das Gleiche gehen: die weltweite, nachhaltige Transformation von Energiesystemen. Im Tagesgeschäft kann dieses gemeinsame Ziel jedoch aus dem Blick geraten, wenn die Beteiligten versuchen, sich mit eigenen Themen zu behaupten und dabei zum Teil in Konkurrenz zueinander geraten.

Um dies zu verhindern, sollten alle Beteiligten an einem gemeinsamen Narrativ arbeiten. Die Formulierung einer geteilten Vision zur Globalisierung nachhaltiger Energiesysteme kann dabei helfen, auch im Alltag das gemeinsame Ziel im Blick zu behalten. Das würde nicht nur für eine klarere Kommunikation im Ausland sorgen, sondern auch das Netzwerkbewusstsein und somit den sinnvollen Einsatz von Ressourcen fördern.

In einem Netzwerk, in dem sich die Beteiligten über die Zusammenhänge ihrer Handlungen und auch über gemeinsame Ziele bewusst sind, stellt sich schließlich die Frage, wie effektive Zusammenarbeit institutionalisiert werden kann. Wie können die Stärken einzelner Handelnden ausgespielt und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit genutzt werden? Und wie kann dies möglichst effizient geschehen und auf eine Weise, die von den Beteiligten im Netzwerk auch akzeptiert und nachvollzogen werden kann? Ein entsprechendes Policy-Design sollte nicht von außen vorgegeben werden. Gerade weil eine breite Akzeptanz notwendig ist, kann es nur das Ergebnis eines gemeinsamen Verhandlungs- und Annäherungsprozesses sein.

Zusammengenommen dürften diese Schritte auf eine stärkere „Systemintegration“ in der Energiewende-Außenpolitik hinwirken. Es ist wichtig zu betonen, dass es dabei nicht um die Führerschaft eines einzigen Ministeriums geht, sondern nur um eine effektive Zusammenarbeit aller Beteiligten. Sie sollte es ihnen erlauben, die eigenen Ressourcen und Stärken möglichst gewinnbringend einzusetzen und dabei von der Kooperation mit anderen Akteuren zu profitieren.

Die Umsetzung einer solchen Netzwerkpolitik erfordert Aushandlungsprozesse zwischen und Lernbereitschaft bei den Beteiligten selbst. Dass das nicht einfach wird, versteht sich von selbst. Sollten die Schritte jedoch gelingen, würden sie den Weg für eine erfolgreiche Energiewende-Außenpolitik eröffnen.

Prof. Dr. Jörn Richert ist Assistant Professor an der Universität St. Gallen. Er leitet das Projekt „Energiewende-Außenpolitik“ an der stiftung neue verantwortung in Berlin.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli-August 2016, S. 100-104

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